Hans-Dietrich Genscher und der Genscherrismus

Schreibtischtäter Genscher

 

 

Am vergangen Freitag ist der ehemalige Bonze Hans-Dietrich Genscher gestorben. Er erhält nun Ehrungen, Lobeshymnen, jede Menge zusätzliche Aufmerksamkeit und wie Helmut Schmidt einen Staatsakt. Der Spiegel schreibt sogar von einem Genscherismus1. Die ARD widmet ihm eine extra Internetseite2. Genscherismus? Was zum Geier soll das denn sein? Und war Genscher nicht doch eigentlich ein ganz dufter Typ? Freiheit, Wiedervereinigung und so?

Dieser Artikel behauptet Nein und wird versuchen, dies zu begründen.

 

 

Hans-Dietrich Genscher wurde 1927 in Reideburg in Halle/Saale geboren und wuchs in einem bäuerlich, nationalkonservativen Milieu auf. Während der NS-Zeit wurde Genscher 1943 Luftwaffenhelfer und absolvierte den Reichsarbeitsdienst. Noch 1944 wurde er dann auch Mitglied der NSDAP und meldete sich im Januar 1945 freiwillig zur Wehrmacht, um sein Ziel zu erreichen noch Reserveoffizier zu werden. Bei Kriegsende kam er dann in einmonatige Kriegsgefangenschaft der Briten. Von '46 bis '49 studierte Hans-Dietrich Genscher dann Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftlehre in Halle-Wittenburg und Leipzig. In dieser Zeit wurde er dann auch Mitglied der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands.


Nach dem Studium nahm er zunächst eine Tätigkeit im Amtsgericht Halle in Anspruch. Am 20. August 1952 ging Genscher dann am über West-Berlin nach Bremen. Dabei wurde er auch direkt Mitglied der damals in Westdeutschland durchaus sehr nationalistisch wirkenden FDP, die sich sogar offen gegen die Entnazifizierung einsetzte. Er wurde dann zunächst Rechtsanwalt. Ab '56 wurde er dann weiter wissenschaftlicher Assistent der FDP-Bundestagsfraktion und ab '59 schließlich deren Geschäftsführer. Ab 1965 wurde Genscher dann auch Mitglied des Bundestages in Bonn für die FDP.


Ab 1966 spielte Genscher dann eine wichtige Rolle für die „Neuorientierung“ der FDP, die sich von nun an nach der recht fest verankerten neuen antikommunistischen Bundesrepublik um eine „neue Ostpolitik“ durch „innere Reformen“ bemühte und so den Weg für ein Koalieren mit der SPD frei machte. Und so kam es dann 3 Jahre später auch. Am 22. Oktober 1969 wurde die FDP mit der SPD unter Willy Brandt wieder eine regierende Partei. Hans-Dietrich Genscher wurde dabei Bundesinnenminister.


Bis 1974 behält Genscher diesen Posten. In dieser bewegten Zeit wird er allerdings hart durchgreifen, um den „liberal-demokratischen“ Kurs weiterhin durchsetzen zu können. Insbesondere die Gruppe um Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin u.a. wird Hans-Dietrich Genscher Kopfschmerzen bereiten. Am 14. Mai 1970 befreien einige dieser Gruppe Andreas Baader aus dem Knast, lassen sich anschließend bei Palästinensern in Jordanien ausbilden und organisieren nach ihrer Rückkehr nach Deutschland den bewaffneten Kampf im imperialistischen Zentrum der BRD.


Nach ersten Handlungen wie Banküberfällen, Autodiebstähle, Organisation von Waffen übergibt Hans-Dietrich Genscher am 28. Januar 1971 die Fahndung der Gruppe an das BKA, das drei Tage später die sogenannte Sonderkommission „Baader-Meinhof“, kurz: Soko BM, ins Leben ruft. Am 19. Februar 1971 kriminalisiert dann der dortige Oberkommissar, Alfred Klaus, diese „anarchistische Gruppe, die rücksichtslos von ihren Schusswaffen Gebrauch“ mache, nach § 129 StGB. Ein Zeitpunkt, an dem die Gruppe noch nicht einmal einen Namen hatte. Dieser wird erst im April durch die Veröffentlichung des Konzepts Stadtguerilla mit Rote Armee Fraktion betitelt werden. Noch im September '71 kommentiert Genscher im Spiegel: „Wir müssen den Rubikon sichtbar machen, den die überschritten haben.“ (Spiegel 9/71). „Die“ sind also mit staatlichen Mitteln abzugrenzen und zu verfolgen.


Erst im Mai '72, ein Jahr später, wird die Gruppe ihre Mai-Offensive mit mehreren Aktionen gegen US-amerikanische Stützpunkte, polizeiliche Stellen der BRD, das LKA in München, den Springer-Verlag und den Haftrichter Wolfgang Buddenberg durchführen. Genscher eskaliert danach entsprechend weiter hoch und schließt jede mögliche Gesellschaftsidee um die Rote Armee Fraktion aus, sodass sich die Sympathisantenkreise kriminalisieren lassen. In der Bundestagsrede kommentiert er: „Die Anarchisten haben sich mit ihren Taten außerhalb jeder denkbaren Form von Gesellschaft gestellt […] Die Sympathisanten sind das Wasser, in dem diese Guerilla schwimmt. Sie darf kein solches Wasser mehr finden.“ (Bundestagsrede 7.6.72). Zu dem verabschiedet der Bundestag noch im Juni '72 ein Gesetzespaket mit Verschärfungen im Haftrecht, zusätzlichen Befugnissen für den Verfassungsschutz und den Bundesgrenzschutz.


Im September des selben Jahres nehmen dann Aktivisten der palästinensischen Befreiungsbewegung PFLP elf Mannschaftsmitglieder der israelischen Olympiamannschaft als Geiseln, um 236 palästinensische Genossen, Ulrike Meinhof, Andreas Baader und Kōzō Okamoto freizupressen. Es bildete sich umgehend ein „Krisenstab“ mit Hans-Dietrich Genscher, der die gewaltsame Befreiung der Geiseln plante und durchsetzen wollte. Den Aktivisten der PFLP bot er den Austausch der Geiseln in Kairo an. Dazu wurden Helikopter genutzt, um zum nahegelegenen Flugplatz in Fürstenfeldbruck gelangen. An diesem Ort nahm sich Genscher mit dem „Krisenstab“ die Befreiung der Geiseln vor. Der gesamte Flugplatz wurde dazu abgeriegelt. Schließlich eröffnen die Bullen das Feuer mit Schafschützen. Es kommt zu einem Feuergefecht, bei dem letztlich alle Geißeln, fünf Kämpfer der PFLP getötet und drei festgenommen werden. Es kommt weiterhin ein Bulle ums Leben und ein Pilot wurde schwer verletzt.


Hans-Dietrich Genscher hat sich zwar noch als Vertreter der BRD als Geisel im Austausch angeboten. Die Palästinenser ihrerseits lehnten jedoch ab. Als Konsequenz wird er nach diesem Fiasko eine „Sondereinheit“ der Polizei ins Leben rufen. Am 26. September (nur 21 Tage nach dem Schwarzen September) gründet er die sogenannte Grenzschutzgruppe 9 im Bundesgrenzschutz (heute GSG der Bundespolizei). Sie soll mit besonderer Ausbildung den „Antiterrorkampf“ bei Geiselnahme und Bombendrohung aufnehmen. Sie soll also mit militärischen Mitteln gegen den „Terror“ Terror machen und Gewaltandrohung mit Gewalt bekämpfen. Die Einheit wird auch beispielsweise die Landshut auf dem Flughafen in Mogadischu 1977 stürmen, die ebenfalls von PFLP-Aktivisten entführt wurde, um elf Genossen der RAF, zwei türkische Genossen und 15 Millionen Dollar zu erpressen.


Ab Mai 1974 wird Genscher dann seine imperialistische Politik als Vizekanzler unter Helmut Schmidt und im Posten des Außenministers fortsetzen. Auch hier wird er eskalierend eingreifen. Im Dezember '76 nehmen die Vereinten Nationen seinen Vorschlag über eine Anti-Terror-Konvention an, nach der auf Verhandlungen unter Geiselnahme nicht mehr eingegangen werden soll. Eine sehr schwierige Konvention, geht man davon aus, dass damit jegliche Geiselnahme in einem tödlichen Fiasko enden muss und der Imperialismus damit also seine politische Durchsetzung über die Kopfe seiner eigenen Bürger hinweg setzt.


1979 wird Genscher dann weiter für den NATO-Doppelbeschluss im Rahmen seiner „Entspannungspolitik“ sorgen. Diese „Entspannungspolitik“ basiert dabei jedoch auf noch mehr Abschreckung statt auf weniger, sodass man sich letztlich darauf einigte, in Westeuropa noch mehr Atomsprengköpfe zu stationieren. Diese sei angeblich nötig gewesen, um Lücken zu schließen und die „Verhandlungsposition“ abzusichern. Ab 1982 wird Genscher dann unter Helmut Kohl Außenminister und Vizekanzler. Er wird auch hier seine imperialistische Politik weiterhin durchsetzen und mit „Entspannungspolitik“ dem Realsozialismus in Verhandlungen mit Moskau das Fell über die Ohren ziehen. Er hat sich auch in dieser Zeit in Bekleidung hoher Posten für den Ausbau der NATO und der Europäischen Gemeinschaft betätigt. Im Mai 1992 beendet Genscher dann seine Regierungsaktivität.


Hans-Dietrich Genscher hat sich spätestens seit dem Beitritt in die Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands antikommunistisch betätigt. Er hat sich gegen einen sozialistischen Aufbau im Osten Deutschlands entschieden und die Verfolgung der westlichen Kommunisten in den 50ern und 60ern gut geheißen. In seiner Betätigung als Innenminister hat er für eine intensive Kriminalisierung und Verfolgung der Roten Armee Fraktion und weiteren Befreiungsbewegungen gesorgt. Er hat hierzu vor allem die Aufrüstung des Staates voran getrieben.


Hier liegt auch das Moment des Genscherismus: Wen mir jemand mit Gewalt droht, bilde ich eine militärische Einheit und schieß' ich ihn lieber über den Haufen.

Hans-Dietrich Genscher setzte mit aller Gewalt eine imperialistische Gesellschaft durch, die neben dem Tod von Geiseln während Aktionen, den Tod, Verhaftungen und Folter von Aktivisten in Kauf nahm, diese wahrscheinlich sogar beabsichtigte. Genscher war damit kein Diplomatiengel sondern ein den Staat aufrüstender Menschenjäger.

 

1http://www.spiegel.de/politik/deutschland/hans-dietrich-genscher-ist-tot-nachruf-a-1085018.html

2http://www.ard.de/home/ard/ARD_de_Spezial_zum_Tod_von_Hans_Dietrich_Genscher/3090384/index.html

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zu unilateral und oberflächlich betrachtet

Bombenanschläge, Terror, Exekutionen und die Ermordung von Jüdinnen und Juden in München 1972 zu verharmlosen, und Genscher auf der Gegenseite eines von der gnadenlosen und brutalen Gewalt der RAF und PFLP herausgeforderten Gesellschaft als "Schreibtischtäter" zu verunglimpfen, ist ein ganz, ganz schräger Blick auf die Geschichte und Schläge ins Gesicht der Opfer und ihrer Angehörigen.

 

Man hätte denken und hoffen sollen, daß nach dem Fall der Nazidiktatur nie mehr Jüdinnen und Juden in Deutschland verfolgt und ermordet werden würden, aber die RAF und ihre "GenossInnen der palästinensischen Befreiungsfront PFLP" sahen das anders. Nie wieder!

 

Ehre Ihrem Andenken

 

David Berger

Seew Friedman

Josef Gutfreund

Elieser Halfin

Josef Romano

Amizur Shapira

Kehat Shorr

Mark Slavin

Andre Spitzer

Jaakow Springer

Mosche Weinberger

 

„Ihnen allen errichte ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen, der mehr wert ist als Söhne und Töchter: Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, der niemals getilgt wird.“

das hier mal wieder nur so ein rumgeopfer kommt.

 

Genscher war ein Arsch. Dazu muss man nicht die RAF glorifizieren. Es reicht sich mit dem Fall Elisabeth Käsemann zu beschäftigen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_K%C3%A4semann