Das Brandenburgisches Institut für Gemeinwesenberatung hat zusammen mit Dirk Wilking den Titel „Reichsbürger. Ein Handbuch“ herausgegeben. Das Buch richtet sich hauptsächlich an Verwaltungsmitarbeitende in Brandenburg, die im direkten Umgang mit den ca. 200 revisionistischen Alu-Hut-TrägerInnen überfordert sind. Neben einer Menge Wissenswertes über die ReichsbürgerInnenbewegung entlarvt das Buch jedoch einiges, über das die brandenburgische Verwaltung wohl eigentlich eher nicht gern spricht.
Keine Verharmlosung
Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil versuchen die AutorInnen Michael Hüllen, Heiko Homburg und Yasemin Desiree Krüger das Phänomen der ReichsbürgerInnen ideologisch zu beschreiben. Dabei fällt positiv auf, wie deutlich die AutorInnen die Rechtslastigkeit der revanchistischen Ideologie betonen, und bemerken, dass die Aluhüte auf keinen Fall ähnlich wie die Asylbewerberheime anzündende „besorgten Bürger“ verharmlost werden sollte.
Von der deutschen Behördenpraxis zum internationalen Vergleich
Im zweiten Teil des Buches betrachten Christa Caspar und Reinhard Neubauer das Phänomen aus einer juristischen Perspektive in Bezug auf die Verwaltungspraxis in Behörden. Im dritten Teil betrachten der Herausgeber Dirk Wilking und Alexander Schulze die lokalen Strukturen der ReichsbürgerInnen in Brandenburg und Sachsen. Im vierten Teil wagen Trystan Stahl und Heiko Homburg einen Vergleich der ReichsbürgerInnen mit den „Souveränen Bürgern in den USA.
Psychiatrisieren als gängige Verwaltungspraxis?
Das Buch ist aus vielen Gründen interessant. Zum einen entlarvt das Buch seine AutorInnen. Diese tun nämlich wie selbstverständlich etwas, das gute DemokratInnen nur in Russland oder dem Iran vermuten würde. Die guten DemokratInnen, die das Buch geschrieben haben, psychiatrisieren wie selbstverständlich politische GegnerInnen. Ein ganzes Kapitel widmet sich wie selbstverständlich der psychologischen Verfasstheit der ReichsbürgerInnen. Und wie selbstverständlich kommt es zu dem Schluss, dass die überzeugten ReichsbürgerInnen Verrückte seien und auch so behandelt werden müssten.
Wie in Russland?
Nun sind die ReichsbürgerInnen na klar Verrückte. Aber ihre Ideologie ist auch nicht wahnhafter als die z.B. die Ideologie des ChristInnentums, des Nationalismus oder die Demokratie-Tollfinderrei. Alles ideologische Konzepte, deren Empirie an allen Ecken knirscht und nur funktioniert, weil alle relevant viele MitgliederInnen der Gesellschaft mindestens so tun, als würden sie z.B. an GöttInnen oder Nationen glauben. Oder der Wahn der Demokratie-TollfinderInnen, die sich einreden, es gäbe im demokratischen Herrschaftsregime keine Polizeigewalt, nur um im nächsten Satz zu postulieren, dass Linke ja selber schuld seien, wenn sie bei Demos auf die Fresse kriegen würden, weil sie ihr Recht auf Versammlungsfreiheit ja freiwillig wahrgenommen hätten. So verrückt, so alltäglich normal (eine einfache Erklärung des Symbolischen Interaktionismus, einer soziologischen Theorie, die genau dieses Verhalten erklärt, findet sich übrigens -> hier <-:). Und wie man an dem hier besprochenen Buch sehen kann, hält die Verwaltung eines demokratischen Bundeslandes entgegen aller demokratischer Glaubensbekenntnisse für völlig normal und legitim, mit Subalternen, die sich ihrem Herrschaftsanspruch durch Querulanz widersetzen, genauso umspringen, wie in die Herrschenden in Russland.
BehördenmitarbeiterInnen zu blöd?
Darüber hinaus ist der inhaltliche Teil des Buches interessant. Lang und breit werden die als Zielgruppe vorgesehenen BehördenmitarbeiterInnen über den revisionistischen bis faschistischen Hintergrund der ReichsbürgerInnenbewegung informiert. Und auch die Mythen und Legenden der RevisionistInnen werden analysiert. Allerdings entsteht der Eindruck, dass dies auch bitter nötig ist. Die gebrachten Fallbeispiele legen nahe, das relevant viele Verwaltungsangestellte in Brandenburg einen völlig verkorksten politischen Kompass verfügen. Anscheinend sind relevant viele der Behördenmitarbeitenden nicht in der Lage, die Verschwörungstheorien und den rechten Blödsinn der ReichsbürgerInnen als das zu erkennen, was sie sind: Totaler Schwachsinn. Und da ihnen diese Fähigkeit fehlt, scheinen die ReichbürgerInnen relativ leichtes Spiel mit der Verwaltung zu haben.
Die Faxbombe
Darüber hinaus ist die schiere Quantität überraschend. Wegen nicht einmal 200 Freaks müssen 2000 Staatsbüttel auf Fortbildung. Zumal lassen die begeisterten bundesweiten Rezensionen des Buches schließen, dass ein Paar Handvoll schreibwütiger IdiotInnen mit ihren halbgaren Paragraphen-Phrasen landauf landab die Behörden in Angst und Schrecken versetzen. Besonders gefürchtet scheint die sogenannte „Faxbombe“ zu sein. Dabei faxt ein_e ReichsbürgerIn ein 200 Seiten starkes Machwerk. Und auf der anderen Seite geht das Fax wegen Papier- und Tonermangel in die Knie.
Die Chance der Querulanz
Schaut man sich dagegen die linksradikale Praxis an, müssen sich die Behörden keine Sorgen machen. Übliche Taktik bei Linken ist das Ignorieren und Aussitzen von Behördenschreiben aller Art. Ein falsch verstandenes „Anna und Arthur haltens Maul“ sorgt dafür, dass Linke, die z.B. die „Faxbombe“ mit lustigen Karikaturen machen würden, wegen des Verdachtes auf Verwendung von „kreativer Antirepression“ schon kurz vor dem Rauswurf aus ihren Strukturen stünden. Das Ergebnis dieser politischen Kultur ist, dass die Tausenden Linksradikalen in diesem Land im Gegensatz zu den paar ReichsbürgerInnen eine brave lammfromme einfach zu verwaltende Masse sind. Schade, wenn man sich anschaut, was für ein Potential für Trouble offensichtlich in der Strategie der Querulanz zu liegen scheint.
Bibliografische Infos:
Wilking, Dirk (Hg.): „Reichsbürger“: Ein Handbuch. Eigenverlag. 224 Seiten. ISBN 978-3-00-048341-7 (Potsdam, Juli 2015).
Link zum Gratis-Pdf:
Mehr Infos:
Hessische CDU-Landesregierung lässt SteuerpfanderInnen für verrückt erklären, weil sie gegen die CDU ermitteln:
https://de.wikipedia.org/wiki/Steuerfahnder-Aff%C3%A4re
Grüner Rechts-Eso bekommt Doktortitel zunächst nicht, weil angeblich verrückt:
Mehr Rezensionen:
http://maqui.blogsport.eu/category/rezensionen/
Symbolischer Interaktionismus am Beispiel Polizei erklärt:
(B) Adbusting gegen Polizei zum Polizeikongress:
http://maqui.blogsport.eu/2016/02/25/adbusting-aktion-zum-polizeikongress/
die intention dahinter in allen ehren...
... aber ich finde das buch vor dem hintergrund, daß es die bundesanstalt für politische bildung featured eher zweifelhaft, mag da noch soviel sinnvolles drinstehen. ist halt eben in erster linie n handout, damit sich widerliche behördenfuzzis gegen widerliche behördenverweigerer durchsetzen können und das eben im rahmen der widerlichen, weil patriarchal/kapitalistisch konzipierten fdgo. aber trotzdem halbwegs lesenswert.
wer wirklich bock hat, sich mit dem thema auseinanderzusetzen, sollte sich lieber mal diese 400 seiten gut und kurzweilig geschriebenes standardwerk zu gemüte führen: "vorwärts in die vergangenheit" von gerhard schumacher, für umme als pdf und epub hier herunterzuladen:
https://www.sonnenstaatland.com/aufklaerung/vorwaerts-in-die-vergangenhe...
der autor wird vom amüsiert kritischen reichsdeppenbekämpferkonglomerat "sonnenstaatland"
https://www.sonnenstaatland.com/
forum und blog - übrigens auch mal nen besuch wert, seeeeehr unterhaltsam X)- gefeatured, obwohl er da eher wohl nicht wirklich aktiv ist.
das buch geht viel fundierter ran als diese handout-schwarte.
Herrgott
kann der AutorIn nicht vorab einfach in einem Satz festhalten, dass beide GeschlechterInnen angesprochen sind und dann vernünftig schreiben? Das stört dermaßen den Lesefluss...
ChristInnentum...
Ist das ernst gemeint?