Positionspapier zum gescheiterten sogenannten Berliner Mietenvolksbegehren.
Wenn wir eine andere Gesellschaft wollen, dann braucht es für einen revolutionären Angriff auf die Besitzverhältnisse in dieser Stadt den Willen, bewegungsbreite Vorschläge zu machen und auf den Weg zu bringen! Die müssen breiter diskutiert werden und in gesellschaftliche Mobilisierungen münden – mit einer Sprache die verstanden werden kann, die sozial anknüpft an die Realitäten der verschiedenen Ausgegrenzten dieser Gesellschaft. Und es braucht auch alle Formen der militanten Aktionen gegen die Akteure der Verdrängung, der Zwangsräumungen, des Ausverkaufs der Stadt, der Rassisten, die Flüchtlinge und „Deutsche“ gegeneinander ausspielen wollen, gegen Polizei und Verwaltungen als politische Akteure und Politiker, die immer wieder entlang von Unterschieden „Teile und Herrsche“ durchsetzen können . Nichts von dem werden die Reformisten angehen, das müssen wir schon selbst machen.
Bevor dieser Text in die Kritik einsteigt, wollen wir klarstellen: das Scheitern des Berliner Mietenvolksentscheides ist kein Anlass zur Häme. Wir, als radikale, außerparlamentarische, anarchistische Strömungen haben es in unserer Breite und Unterschiedlichkeit nicht vermocht, in der Frage der Mieten, der Eigentumsverhältnisse, der Verdrängung der Ärmsten anschlussfähige bewegungsdynamische Alternativen aufzuzeigen und anzugehen. Ob Zwangsräumung Verhindern, Stadtteilinitiativen autonome und anarchistische Gruppen bis hin zu Menschen, die die Nächte für sich zu nutzen wissen – wir haben in der letzten Zeit keine Ansätze gebündelt als Bewegungsperspektive vorschlagen können.
Insofern fällt das Scheitern des Mietenvolksentscheides auch auf uns
zurück, obwohl viele von uns nun gar nichts mit ihm zu tun hatten oder
haben wollten. Wir sind verzweifelt, und das meinen wir ernst, über
einen Teil der radikalen Linken, die strohfeuermäßig von einem zum
anderen Event hastet, die sich in der Subkultur eingerichtet hat und nur
dann Solidarität einfordert, wenn es einem ihrer Projekte an den Kragen
geht. Wir sind verzweifelt über eine Linke, die zum Teil der
Mittelschicht angehört und in Eigentum investiert, ihre Karriere und
Identität pflegt wie andere eine Wellness-Kur und die auf die
Ausgrenzung der Ärmsten pfeift, weil sie es kann.
Wir respektieren,
dass andere Gruppen in anderen Kämpfen stecken, aber wir beklagen das
Nebeneinander-Her verschiedener Ansätze, die oft bezugslos zueinander im
Raum hängen.
Wir teilen nicht die Kritik, den Kampf gegen
Gentrifizierung als Teilbereichskampf abzuwerten – es kommt immer noch
auf die damit verbundene Perspektive an.
Die radikalen Teile der Mieter*innenbewegung, der Anti-Gentrifizierungsgruppen und alle, die diesen nahe stehen und sich punktuell mobilisieren lassen, sind Teil der Stagnation, der wir gleichermaßen gegenüberstehen.
Wir setzen in diesem Text die Kenntnisse um die innere Verfasstheit und allgemeine Kritik an dem Mietenvolksbegehren und seinem Scheitern insofern voraus, als dass wir uns auf die Kenntnisse vorangegangener kritischer Texte beziehen. Zum Beispiel auf der Webseite http://wirbleibenalle.org/?p=2967
Das Scheitern des Mietenvolksbegehrens hat basisorientierten Strukturen mehr deutlich gemacht als es den Akteuren des sogenannten KO-Kreises mit ihrem SPD-Kuschelkurs vielleicht bewusst war. Hier kann eine bunte, außerparlamentarische und radikale Mieter*innenbewegung kollektiv lernen.
Nun zeigt sich noch einmal deutlich die Grenze einer reformistischen Politik, wenn man nicht auf hierachiefreie Strukturen achtet und Leute für sich sprechen lässt, die besser in Parteien aufgehoben sind als innerhalb einer außerparlamentarischen Bewegung. Basisstrukturen sind für einen Teil des „KO-Kreises“ ein taktisches Moment und die Verhandlungsmasse gegenüber den Politikern gewesen. Jene Politiker, die Verursacher von Verdrängungsprozessen sind, mit denen man sich bereitwillig an einen Tisch gesetzt hat, und irgendwelche Kompromisse ausdealte. Die dann noch nicht einmal Willens oder in der Lage waren, den Gegenstand dieses Deals ihrer Basis zu vermitteln. Stattdessen wurden nur rosarote Verklärungswolken rausgepustet.
Es ist unerlässlich, sich Zeit zu nehmen und dem Scheitern des Mietenvolksbegehren ins Auge zu sehen. Kein Vergnügen sicherlich, aber unerlässlich ist es, die Differenzen auszusprechen, um von der Verschiedenheit der Einschätzung zum Scheitern ehrliche Ausgangsbedingung zu schaffen: für perspektivische Diskussionen, gemeinsam und strömungsübergreifend.
Der Anfang des Scheiterns
Noch einmal im Schnelldurchgang die Ausgangslage. Ohne Mandat
einer Basisstruktur, ohne Zustimmung des Aktivenrates des
Mietenvolksbegehrens, ohne politische Legitimation und unter Ausblendung
aller interner und externer geäußerten Kritik hat die „KO-Gruppe“
(Koordinierungsgruppe) sich ermächtigt, ein Abkommen mit der SPD zu
schmieden. Intransparent. Ausgrenzend. Ein Lehrbeispiel ist die
Entstehung des „KO-Kreises“: Mit dem Instinkt zu Machtpositionen
manövrieren sich selbsternannte Anführer immer und immer wieder an die
vermeintliche Spitze von Basisstrukturen, um diese dann für ihr
Interesse zu funktionalisieren. Bewegung ist nur das taktische Moment,
sich als Machtfaktor in Verhandlungen einbringen zu können und durch die
Zusammenarbeit mit anderen machtgeübten Politikern schlussendlich
emanzipative Bewegungen zu verraten. Zumal der politische Verrat umso
einfacher fällt, als dass der Großteil des KO-Kreises niemals am Aufbau
von sozialen Gruppen beteiligt war, sondern geneigt ist seine eigene
Organisation zu vertreten. Sprich wie die Berliner IL als Teil des
KO-Kreises, der man achtenswerter Weise zubilligen muss, dass sie ihr
eigenes Handeln in einem Text selbstkritisch reflektiert und darin
wohltuend alle taktischen Seifenblasen weg lässt. Ob sich aus der
Selbstkritik auch soziale Organisierungen ergeben, sei dahingestellt.
Dafür müsste das politische Projekt einer sozialrevolutionären
Perspektive verstanden werden.
Wir reden hier auch von Leuten, die
tatsächliche Parteipolitik machen, wie die „Linke“, die in einer
mietenpolitischen Bewegung nichts zu suchen haben. Sie gehören zu den
Mitverursachern der Verdrängungspolitik in Berlin und versuchen seit
einiger Zeit wieder Opposition zu spielen und sich
außerparlamentarischen Ansätzen einerseits anzubiedern und andererseits
zu benutzen. „Kotti & Co“, ebenfalls Teil des „KO-Kreises“, ist zwar
am achtenswerten Aufbau sozialer Strukturen beteiligt, doch deren
politische Köpfe verheddern sich immer wieder in dem Kuscheln mit der
Macht oder undurchsichtigen taktischen Manövern. Mit dem Ziel sich
Vorteile zu verschaffen – die es entweder nicht gibt oder auf Kosten
anderer gemacht werden. Um so tragischer, weil Kotti & Co sich immer
wieder auch zum Spielball von Teile und Herrsche der Politik macht, die
letztendlich ihre eigene Arbeit konterkariert. Mit leeren Händen vor
den eigenen Strukturen aus einer Verhandlung wiederzukommen ist kein
Vergnügen. Abgespeist mit Brotsamen einer neoliberalen SPD, einer
Partei, deren machtpolitisches Befrieden, Zersetzen, Zerstören,
Kriminalisieren, Einkaufen und Einbinden von sozialen Kämpfen ein
geübtes Alltagsgeschäft seit ihres Bestehens ist. Wie schaffen es diese
Politiker – als Schimpfwort verwendet – sich immer wieder als
Interessenvertreter von sozialen Belangen verkaufen zu können? Als gäbe
es kein Hartz IV, keine Verdrängung, kein Ausverkauf der Stadt unter
ihrer Verantwortung.
Dass dann aus dem „KO-Kreis“ kommt „Der Kampf
geht weiter“, ist das Pfeifen im Wald. Und dass uns dann verantwortliche
Akteure „Scheiße als Gold“ bzw. den Kompromiss mit der Politik als
Erfolg verkaufen wollen, ist ein Trauerspiel. Schlimmer noch sind jene
Leute, die der eigenen Propaganda und Schönfärberei aufsitzen. Kritik
perlt einfach ab. Und man war schon immer geübt. Grundsätzliche Kritik
an dem Mietenvolksbegehren hatten jene Leute eh schon seit längerem
ignoriert.
Es sei noch mal der Form halber erwähnt: Wenn nicht gerade das Scheitern als Sieg verkauft wird, herrscht Schweigen. Niemand übernimmt die Verantwortung, niemand erklärt den Leuten, warum es keinen Mietenvolksentscheid gibt. Das Desaster ist so heftig, dass ausgerechnet ein Aufarbeiten nur durch Unterstützung von Außen möglich ist, ausgerechnet von uns als größte Kritiker*innen des Mietenvolksentscheids. Weil wir uns in der Verantwortung sehen für einen Kampf, der verschiedenen Strömung mitzudenken versucht.
Wie auch immer: Die Verhandlungsführer haben sich politisch in ihrer Glaubwürdigkeit diskreditiert. Für sie steht eine „Resozialisierung“ im Sinne von Zurückzufinden zu gemeinschaftlichen und solidarischen Umgangsweisen miteinander an. Und das heisst auch, seine eigene Bedeutung runter zu schrauben. Das heisst auch, Kritik von anderen erfahrenen Kämpfer*innen anzunehmen – auch wenn diese politisch vielleicht woanders stehen. (Diese Position gilt nicht für Parteifuzzies – sie haben keinen Platz in einer außerparlamentarischen Bewegung – außer der Zuarbeit von Informationen auf Anfragen in unserem Sinne.)
Der Wunsch nach Anerkennung durch Machtpolitiker ist nur die andere Seite ein und derselben Medaille von taktischer Macht- und Realpolitik. Soziale Kämpfe sind für eben diese selbsternannten Sprecher und Bewegungmanager*innen nur die Projektionsflächen. Vielfach geht es Machtpolitikern eher darum, Bewegung zu steuern, in eigenem Interesse zu funktionalisieren und zu instrumentalisieren anstatt ein Teil dieser Bewegung zu sein. Auch nicht selten betrieben mit dem Ziel, die eigene Karriere vorwärts zu bringen, einen Job an der Spitze der Bewegung zu ergattern oder sich schlicht wichtig zu fühlen. Nicht als von Anfang an gefasster Vorsatz, doch aber angelegt in der Politikform und dem eigenen Lebenskonzept, aus dem heraus sich der Wechsel zum Beispiel von der Antifa in die Linkspartei logisch, zwangsläufig, organisch und gerne ergibt. Das ist dann bekanntlich nicht der Bruch mit der vorherigen Position, sondern die konsequente Weiterentwicklung derselben.
Weitere Gründe des Verhandelns mit den Verursachern der Mietmisere
sind nicht nur taktische Vorsätze, sondern auch Naivität. Auch
Eitelkeiten gehören dazu und, spitzen wir es subjektiv und hart zu;
männliche Selbstverliebtheit. Wer sich in eine Position hineingearbeitet
hat, in dem andere zu einem Aufschauen – mit der damit zusammenhängende
Zurschaustellung von vermeintlicher Wichtigkeit, das geile Gefühl der
Aufwertung durch die entsprechenden Gesprächspartner, die auch
ihrerseits glauben, Macht zu „haben“ – dem pinselt das den Bauch. Um das
patriarchale Moment des Handelns auf den Punkt zu bringen: Mann ist
voll betört von sich und voneinander. Kritik perlt deshalb an einem ab,
denn sie geht an das Selbstbild. Es mag wie Polemik erscheinen, einen
politischen Vorgang zu beschreiben als hänge das Scheitern des
Mietenvolksbegehrens auch mit patriarchalen Strukturen zusammen. Doch
bei aller Zuspitzung zu glauben, der „KO-Kreis“ sei darüber erhaben, ist
ein Trugschluss, mit dem aufgeräumt werden muss. Manche
Handlungsabsichten sind manchmal weit profaner als wir denken. Weil man
dem Machtdenken sehr nah ist und glaubt die Gegenseite besser über den
Tisch ziehen können, weil patriarchale Strukturen unhinterfragt
reproduziert werden können, begibt man sich überhaupt erst in eine
Diskurs mit den Verursacher*innen der Mietenmisere. Gut gemeinte,
sorgenvolle Kritik schießt man dann noch leichter in den Wind.
Von
Herrschenden sich anerkannt zu fühlen macht der eigenen Potenz ein
großes Gefühl und ist mehr Motor des Handelns als manchen von uns
manchmal lieb ist. Denn ebenso wie Parteipolitik und taktisches Kalkül
gegenüber sozialen Bewegungen muss auch der patriarchale Charakter der
Strukturen wenigstens eine Benennung finden. Sonst können wir die
zukünftigen KO-Kreise – die Namen wechseln, das Muster bleibt – nicht
wirkungsvoll identifizieren, entmachten und rechtzeitig in
gemeinschaftliches Handeln zurück zwingen, wenn es eine
Verselbständigung gegeben hat, die eine Korrektur im laufenden Prozess
braucht – wie geschehen innerhalb der Struktur zum Mietenvolksentscheid.
Denn wir brauchen egalitäre Strukturen, aus denen heraus
gemeinschaftlich gehandelt wird. Nur der wirkliche Konsens erlaubt auch
öffentliche Sprechpostionen und ermächtigt zur Entscheidung, ob es
überhaupt etwas zu verhandeln gibt; und wenn ja was, und wie das dann
gegebenenfalls organisiert wird. Wir setzen die Bedingungen der
Verhandlungen – nicht die Gegenseite mit ihren Sachzwängen, welche nicht
unsere sind, wenn wir sie nicht zu unseren machen, nicht ihre
Herrschaftslogik, in der sie zu handeln gewohnt sind, die legitimierte
Sprecher, „Anführer“, sucht, die was zu sagen haben. Patriarchale
Strukturen unterminieren, zersetzen und zerstören soziale, emanzipative
Basisbewegungen.
Die Gockel haben Namen
Wir verzichten darauf, sie hier auszuschreiben. Aber sie sind identifizierbar.
„Mediaspree versenken“ wurde maßgeblich von einem Menschen als Bewegung
verkauft und politisch versenkt. Er versuchte alles Wissen auf sich zu
konzentrieren, um dadurch selektive Politik betreiben zu können.
Radikale und außerparlamentarische Ansätze hat er nur deshalb so gut
ausbremsen können weil er a) sich Wissensvorsprünge organisierte, b)
sich an strategisch wichtige Stellen platzierte, die
Machtkonzentrationen erlaubten und c) weil radikale und
außerparlamentarische Menschen ihrem eigenen Liberalismus erlagen und
sich nicht trauten, ihn aus den Strukturen – politisch begründet – zu
schmeißen. Dass er Gelder der Bewegung veruntreute und sich vom
politischen Gegner finanzieren ließ, ist da nur noch eine Fußnote wert.
Runde Tische, Kungeln mit der Politik – besser bekannt auch als
„Mitmachfalle“ – selbsternannte Sprecher – immer dieselben Muster. In
diesem Fall ohne KO-Kreis.
Stopp 100, angeführt von einem anderen
Mann, der keinen anderen Hahn neben sich duldete, sprang ebenfalls
süchtig jedes Mikrophon an. Ihnen gemein ist; Bewegung und Widerstand zu
simulieren. Widerstand darf niemals echt sein.
Noch so ein Kunde
sitzt im Ko-Kreis. Nur sich selber verpflichtet und seinem Ego, ohne
Anteil an den Aufbau sozialer Strukturen, sondern immer Nutznießer der
Arbeit anderer. Er trötete dann auch die Erfolgsmeldung der
Verhandlungsergebnisse heraus – jenseits jeder Realität. Und setzt sich
auch gerne an jeden strategischen Punkt, der ihm die Kontrolle über die
Verhandlungen erlaubt – in seinem Sinne.
Ein anderer aus diesem
Kreis übte sich seit Jahrzehnten im Umgang mit der Macht, schrieb an der
Vorlage zum Mietenentscheid kräftig mit, führte die Verhandlungen und
sorgte anschließend dafür, dass Ergebnisse anschließend vernebelt
wurden. Die Belohnung folgte auf dem Fuße. Jetzt hat er den Posten des
Geschäftsführers einer auf der Woge des Mietengesetzes neu gegründeten
Anstalt erhalten.
Das sind Typen, die identifizierbar sind, die benannt gehören, auf die wir verzichten werden.
Noch einmal schauen wir nicht zu, wie sich selbsternannte Sprecher in
„KO-Kreise“ manövrieren und Bewegung verarschen. Solche Leute müssen
sich verantworten. In öffentlichen und transparenten Diskussionen.
Nehmen wir aber neben oben genannter Kritik an, dass es im „KO-Kreis“
auch Leute gab, die überwiegend von dem Wunsch beseelt waren für die
„Mieter*innen“ oder auch eine diffuse Bewegung das Beste herauszuholen,
gehen wir also von dieser positiven Annahme aus, dann müssen wir uns der
Gerechtigkeit halber einen weiteren Aspekt anschauen: Die Einbildung,
man sei ein Gesprächspartner auf gleicher Augenhöhe, entspringt sowohl
einer Naivität als auch einem Wunschdenken. In dieser Haltung liegt auch
eine gewisse Arroganz explizit gegenüber Basisstrukturen, die
bekanntlich ein Verhandlungsmandat nicht erteilt haben. Völlig ungeübt
im Umgang mit Machtstrukturen (oder diese ausblendend), weil man dann
gar nicht in ein Diskursverhältnis hätte treten dürfen, hat man sich mit
dieser SPD-Riege eingelassen. Und ihr alleine dadurch schon Legitimität
verschafft.
Die größte Tragik des Scheiterns des
Mietenvolkbegehrens liegt nicht in seinem eigentlichen Scheitern. Denn
gescheitert ist der Mietenvolkentscheid schon mit dem Entschluss, ihn
auf den Weg zu bringen. Frühzeitige Kritik wurde nicht nur systematisch
ausgeblendet und ausgegrenzt. Der Mietenvolksentscheid konnte auch nie
das einlösen, was mit 100% Tempelhof eindeutig und klar eingelöst werden
konnte. Natürlich ist die Versuchung groß, nach dem temporären Sieg
gegen den Senat in Bezug auf das Tempelhofer Feld dies auch auf die
Mietenfrage zu übertragen. Das ist legitim, Reformismus hin oder her.
Doch der Mietenvolkentscheid suggerierte so etwas wie eine
Entscheidungsschlacht an der Mietenfrage, die er inhaltlich nie
auszufüllen in der Lage war. Als ginge es beispielsweise um „100 %
sozial“ oder „100% bezahlbare Mieten“. Realpolitisch musste die Fraktion
der Volksentscheidbefürworter*innen schon im Entwurf so viele
Zugeständnisse machen, dass er dadurch auch für viele wichtige aktive
Gruppen ohne Relevanz war. In geradezu missionierender Weise sammelten
einige Menschen trotzdem Unterschriften, dass man sich nur wundern
konnte. Das hatte mit der Suche nach Hoffnung zu tun, dem Wunsch
wirklich etwas zu tun. Doch hier haben eben jene, die den
Mietenvolksentscheid durchsetzen wollten, nie klar Tacheles geredet. Es
wurde nicht deutlich gemacht, dass die Hoffnungen der Leute nicht mit
den realen Möglichkeiten übereinstimmen.
Einige von uns lehnten den
Mietenvolksentscheid rundweg ab, doch andere, die auch keine
Befürworter*innen eines Mietenvolksentscheides waren, schien er
wenigstens ein Instrument, um die Frage der Mieten zu politisieren –
wenn es denn eine Kampagne gegeben hätte. Und wenn nicht der gewonnene
Volksentscheid das Ziel gewesen wäre, sondern die Kämpfe, die sich
diesen Entscheid zum Anlass nehmen. Aber das konnte deshalb nicht
funktionieren, weil der Entscheid nur eine Zuspitzung kennt: gewinnen
oder verlieren.
Die Mietfrage kann nur durch den
außerparlamentarischen Druck auf der Straße entschieden werden, und es
geht – wenn überhaupt- immer nur Millimeter für Millimeter vorwärts.
Dass die Politik nun „bezahlbare“ Wohnungen baut, also ab 6,50€ den
Quadratmeter aufwärts, damit aber weiterhin über 500.000 Menschen
ausgrenzt, die 4-5€ pro qm bräuchten, hat mit unserem langjährigen
Widerstand zu tun – auch wenn dies nie eingestanden wird. Wir haben mehr
Grund zum Selbstvertrauen als es scheint. Doch umringt von Neubauten
mit Eigentumswohnungen und Luxuslofts sind wir trotz der
Millimetererfolge in der Defensive. Weil die Mietenbewegung sich
letztlich nicht an die Eigentumsfrage und Besitzverhältnisse heranwagt,
dem großen „Klops“ gegenüber hilflos dasteht, oder nur vereinzelt
Ansatzpunkte sucht, ihr jeweiliges Projekt für zentraler als andere hält
– aber eine Ausweitung auf brauchbare Ansätze, die wir ausprobieren
sollten, nicht breiter diskutiert werden.
Wenn letztlich die Mietfrage eine Frage der Besitzverhältnisse ist, kann ein Mietenentscheid nicht daran rühren. Er hätte höchstens ein Frage, ein Objekt ins Visier nehmen können, ein Kröte, die für SPD und CDU entweder zu groß zum Schlucken ist; oder, wenn man es für taktisch richtig findet, die so klein aufgestellt ist, das Aussicht auf Erfolg besteht. Oder besser gesagt ein Erfölgchen, ein Kampf unter vielen, zu denen auch die militanten Angriffe auf Eigentumswohnungen gehören. Aber der Gegner ist politisch stark, die Eigentumsverhältnisse lassen sich über einen Volksentscheid gar nicht zum Thema machen. Doch man wollte selber glauben, dass man in der Lage ist, mit dem Mietenvolkentscheid einen echten Entscheid herbeizuführen. Also konnte man die ganzen von Hoffnung beseelten Aktiven für den Volksentscheid auch nicht enttäuschen. Irgendwann war der Zug dann auch abgefahren; weil man auch den eigenen Prophezeiungen glaubte und diese nie korrigierte. Der Mietenvolksendscheid gibt inhaltlich soviel her wie der Milieuschutz. Nichts als äußere Etiketten. Wohlklingende Namen, die nicht das halten was sie versprechen: Sozialdemokratische Verarsche der Ärmsten dieser Stadt. Hier wurde von Bewegungsmanagern und Machtpolitiker*innen Hoffnung verkauft. Und dies bis zum bitteren Ende. Und die Betrogenen sind jene Menschen, die sich mit viel Hoffnung auf diese Projekt stürzten, deren Kritik und vorsichtige Anmerkungen gegen jene Verführer nicht durchdringen konnten. Und da liegt die eigentliche Tragik – nicht im Scheitern der Mietenvolksbegehrens alleine, sondern in der irrsinnigen Hoffnung, man käme ohne außerparlamentarischen Widerstand auch nur einen Schritt weiter. Die Menschen, die eigenen sozialen Strukturen gehören zu den unmittelbar Betrogenen. Und dies ist der Kern dessen, was die bittere Lektion ist, die sich aus dem Scheitern ergibt für jene engagierten Menschen und jetzt erst einmal verdaut werden muss.
Was können wir lernen ?
An uns ist es deutlich zu machen, das es keine selbsternannten Bewegungsmanager und Sprecher*innen mehr geben darf. Nur das breite Mandat einer Bewegung oder der Gruppe legitimiert überhaupt zu einem solchen Schritt.
Die zweite Lektion ist; Wenn ein Mandat nicht erteilt wird, aber sich Menschen darüber erheben und in Verhandlungen treten, betreiben sie einen Ausverkauf der Bewegung. Diese Menschen sind öffentlich und namentlich zu benennen und haben in emanzipativen Strukturen nichts mehr zu suchen.
Die dritte Lektion, mit Dank an die neoliberalen Parteisoldaten von der SPD: ohne außerparlamentarischen Widerstand wird es keine nennenswerte Bewegung mehr an der Mietfrage geben. Die Stadt ist als Standort zum Ausverkauf frei gegeben worden. Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung gelten kaum bis gar keine sozialen Kriterien mehr. Seit mehr als zehn Jahren wurde für ein Drittel der Bevölkerung keine einzige Wohnung mehr gebaut, das heißt dieses eine Drittel hat keinerlei Grund mehr, sich irgendwas von Seiten der politisch gewählten Vertreter zu erhoffen. Dieses Drittel wird sich dieses Recht, in der Stadt wohnen zu bleiben nehmen müssen. Mit all den Konsequenzen, die einen solchen Kampf erforderlich macht. Oder wir leben unter Brücken, in Parks, eng zusammengepfercht am Rand der Stadt, in Containerdörfern oder in Landstrichen, in denen niemand sonst leben will.
Die vierte Lektion ist, dass ein solcher Widerstand auf möglichst breite Grundlagen gestellt werden muss, denn die Heftigkeit der Repression, die den Widerstand zu brechen versucht (Beispiel Räumung Lausitzer Strasse, Angriff auf Rosemarie-Demo, Hetzkampagnen gegen militante Aktionen, A100 Bau durch die Stadt, uferlose Bewilligung von Neubau fast ausschließlich für Eigentumswohnungen) ist ein Faktor, dem sich nur eine breite Basisorganisierung entgegenstellen kann, einer Organisierung, die nicht subkulturell aufgestellt ist, sondern entlang der Armutsfrage handelt. Und somit auch Geflüchtete einschließt. Wie kann ein Kampf gekoppelt werden, der Flüchtlinge und Arme zusammenbringt? Gerade im Schatten von Pegida eine Herausforderung die Antworten sucht.
Die fünfte Lektion richtet sich eindeutig an die Strömungen, die das Scheitern des Mietenvolksbegehrens schon früh erkannt haben, aber geschwiegen haben, um einen Konsens nicht zu stören, der ein Nebeneinander verschiedener Ansätze gewähren lässt, weil man (vermeintlich) selber auch keine weiter führenden Ideen anzubieten hat. Diese Lektion richtet sich an eine radikale Szene, die nur punktuell interveniert und keine bis wenig politische Verantwortung für die Gesamtsituation übernimmt. Viele werden sich den Schuh jetzt nicht anziehen, weil man sich nicht zuständig fühlt. Eben darin liegt das Problem. Wenn wir in diesem Text austeilen in Richtung Kotti, IL und andere Gruppen, dann möchten wir auch so ehrlich sein und unsere Verärgerung in Richtung identitärer, subkultureller, linksradikaler Gruppen loswerden. Ansätze zur Diskussion z.B. am sozialrevolutionären Stadtentwicklungsprogramm wurden wenig bis gar nicht genutzt. Die soziale Frage ist eine, die militant und sozialrevolutionär zu besetzen ist, durch eine Praxis in den Stadtteilen, durch Angebote und Anlaufpunkte, durch Verankerung in dem ausgegrenzten einen Drittel Berlin, in sogenannte Küfas – die sich zu Anlauf- und Organsierungspunkten des ausgegrenzten Drittels entwickeln müssen. Was sonst ist Widerstand, als die Brüche in der Gesellschaft zu erkennen und Optionen praktisch werden zu lassen, die Hoffnung beinhalten und sei es nur durch die Erfahrung von Solidarität. Solidarität ist der erste Schritt zum Durchbrechen der Vereinzelung und zum gemeinsamen Handeln. Dem Blendwerk des Mietenvolksbegehrens ist keine Alternative entgegengesetzt worden. Die Kritik am Mietenvolksbegehren fällt auch auf uns zurück. Und vielleicht würden sich die reformistischen Kräfte auch eine Entlastung wünschen, wenn wir Akzente setzen, die auch in dieser Breite für sie anschlussfähig sind.
Das Scheitern des Mietenvolksbegehrens ist in unseren Augen eine richtige Chance für alle. Wir sind nur gescheitert, wenn wir aus den Fehlern nicht bereit sind zu lernen. Im Moment bietet sich die Chance, nochmal einen gemeinsamen Start hin zulegen: Wenn wir eine Verständigungsform finden a) unsere Unterschiedlichkeiten respektieren b) eingedenk der Unterschiedlichkeiten an politischen Überschneidungen ansetzen, die uns verbinden könnten um dann c) uns auf einige gemeinsame zentrale Schritte zu verständigen, welche d) unterschiedlich bearbeitet werden, um bis e) zu den Wahlen im September – alle Parteien an der Mietfrage und der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen vor uns her treiben – dann haben wir das aktuelle Vakuum richtig genutzt. Das darf sich dann auch gerne „Frühjahrsoffensive“ nennen.
Wenn aber Frühjahrsoffensive heißt, im Sinne der selbsternannten
Sprecher des Mietenvolksbegehren eine Konferenz zu veranstalten, die da
proklamiert „Der Kampf geht weiter!“ dann sind wir nicht dabei. Wenn aus
den Fehlern nicht gelernt wird, die hinlänglich bekannt und auch
weniger hart formuliert wurden, wie dieser Text, dann fehlt jede
Grundlage zusammenzukommen. Wir aber erwarten den Willen sich zusammen
darüber zu verständigen, wo wir gemeinsam ansetzten können, wie
egalitäre Strukturen aufgebaut werden können, in denen alle Unterschiede
Platz haben. Wenn es eine Konferenz gibt, dann bestehen wir darauf,
dass daran keine Parteien teilnehmen, dass auf eine Labelpolitik
verzichtet wird, die nur die eigene Organisation stärken will und
soziale Bewegung anführen will. Dominanzen, taktische Verhältnisse
untereinander, funktionale Verhältnisse zerstören politisches Bündnis
und Vertrauen um zusammen zu kommen.
Wenn eine Frühjahrskonferenz
nur neuer Wein in alten Schläuchen ist, werden wir das auch so benennen.
Ein solcher Ansatz wäre dann für eine außerparlamentarische Bewegung
irrelevant und im Ansatz gescheitert. Wird aber früh der Raum in alle
Richtungen der Bewegung aufgemacht, haben wir die reale Chance die
defensive Situation noch vor den Wahlen fundamental zu wenden. Da wollen
wir hin. In diesem Fall erwarten wir, das sich der radikale Teil der
Bewegung ebenfalls einlässt.
Der Mietenvolksentscheid ist gescheitert. Zum Glück frühzeitig genug. Wir betrachten das Scheitern als weniger dramatisch als es scheint. Wenn wir bereit sind aus den Fehlern zu lernen und uns gemeinsam neu aufzustellen haben wir eine echte Chance, hier was zu bewegen. Uns und andere.
Einige MietaktivstInnen
Dieser Beitrag ist ein weiterer Beitrag in der Eröffnung der Debattenreihe auf wirbleibenalle.org. Wir sind offen für alle Themen- und Artikelvorschläge und weitere Positionen zum Mietenvolksentscheid. Schreibt uns, nur dann kann die Diskussion richtig beginnen. – Kontakt: kontakt@wirbleibenalle.org
Danke
Der wohnungsmangel und die steigenden preise werden für die breite masse immer mehr zum problem und die politiker scheißen auf die gesellschaft. Die mieten steigen und das einkommen der menschen bleibt konstant. Dieses system ist dazu verdammt unterzugehen.
guter Text - wie immer müssen die Schnarchnasen zuerst antworten
*gähn*
Danke für diese erhellende Antwort auf den obigen Text, der m.M.n. wichtige Momente innerhalb der aktuellen Dynamiken treffend analysiert.