Nun also Potsdam. Früher oder später musste es den Versuch geben, auch in Potsdam die rassistische Stimmungsmache auf den Straßen zu forcieren. Nachdem im Spätherbst 2014 ein Versuch scheiterte, ist es nun eine lose Gruppierung um den Neonazi Christian Müller, die mit dem Label „Pegida“ versucht neonazistischen, rassistischen und verschwörungsideologischen Inhalten in Form von „Abendspaziergängen“ eine Bühne zu geben. Bereits von Beginn an war klar, dass offensichtliche Verbindungen zu neonazistischen Strukturen bestehen und diese zum Teil deckungsgleich mit dem Organistationsteam sind.
Anfang des Jahres wurde bekannt, dass am
11. Januar eine rassistische Versammlung auf dem Bassinplatz in Potsdam
stattfinden soll. Am 8. Januar gab dann der Potsdamer Christian Müller
auf einer rassistischen Versammlung in Oranienburg bekannt, dass er für
die Organisation dieser Demonstration verantwortlich ist und dass der
Berliner „Pegida“-Ableger „Bärgida“ diese auch unterstützen und sich
daran beteiligen wird. [1] Mit zwei Bussen kamen schließlich auch etwa
100 Rassist_innen, Neonazis und Hooligans im Anschluss an die
„Bärgida“-Kundgebung von Berlin nach Potsdam.
Der geplante Aufmarsch konnte durch antifaschistische Gegenwehr
verhindert werden und ein weiterer Termin für den zweiten Versuch des
Rassist_innen-Aufmarsches ließ nach dem Frust auf Seiten der
„Pogida“-Teilnehmer_innen nicht lange auf sich warten.
Bei der Bewerbung des für den am 20. Januar geplanten Aufmarsches wurde klar, dass sich hier nicht nur die als „verwirrt“ dargestellten Rassist_innen wiederfinden werden, sondern organisierte Neonazis aus unterschiedlichen Strukturen – NPD, „Der III. Weg“ und neonazistische Hooligan-Zusammenschlüsse aus Berlin und Brandenburg.
Diese Tendenz ist nicht erstaunlich. Seit über einem Jahr nutzen
organisierte Neonazis aus Brandenburg, und vor allem auch aus Potsdam,
die Möglichkeit sich an rassistischen Aufmärsche zu beteiligen und damit
direkt Einfluss auf deren Ausrichtung zu nehmen. Neben der reinen
Beteiligung spielten und spielen die neonazistischen Zusammenhänge aus
und um Potsdam eine große Rolle in der Organisierung rassistischer
Mobilmachung. Kampagnen wie „Ein Licht für Deutschland gegen
Überfremdung“ wurden von Neonazis aus Potsdam und dem Umland ins Leben
gerufen. [2] Mehrere Kundgebungen gegen vermeintlichen „Asylmissbrauch“
wurden durch Potsdamer Neonazis und die neonazisische Kleinstpartei „Der
III. Weg“ initiiert und organisiert.
Aus Potsdam nahmen im vergangenen Jahr mehrere Neonazis an rassistischen
Aufmärschen in ganz Brandenburg und darüber hinaus teil. Beispielsweise
beteiligte sich der Potsdamer RechtsRock-Musiker und
„Preussenstolz“-Sänger Patrick Danz regelmäßig an den
rassistischen Demonstrationen des „Bürgerbündnis Havelland“ in Rathenow,
die Mitglieder der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ Tim
Borowski, Phillip Hinzman oder Martin Klahr zeigten
sich ebenso bei verschiedenen „Abendspaziergängen“ und anderen
rassistischen Protesten. Für Potsdam-Mittelmark und Havelland sind es
vor allem Neonazis von „Der III. Weg“ und NPD-Strukturen, die sich aktiv
in die rassistischen Diskurse einbringen. Maik Eminger und Mirko Kubeler verteilten beispielsweise am 17. Juni 2015 in Damsdorf Flugblätter der Partei anlässlich einer „Anwohnerinformation“. [3]
Für die „besorgten“ Bürger_innen ist diese Präsenz neonazistischer
Strukturen nicht störend – die Masse ist für ihre Diskurse
entscheidender, als die konkrete Auseinandersetzung mit den, scheinbar
„nur“, Mitlaufenden – schließlich eint sie der Gedanke des überhöhten
Nationalismus und des völkischen Rassismus. Dass in ganz Deutschland
Neonazis an den aktuellen rassistischen Diskursen teilnehmen, die
Veranstaltungen besuchen oder diese organisieren ist selten Grund zur
Distanzierung. Da ist es egal, ob die NPD die „Abendspaziergänge“ in
Oberhavel steuert oder dass Neonazi-Kader wie Maik Eminger oder Maik
Schneider Redebeiträge halten, ist es egal, dass organisierte Neonazis
regelmäßig an den Versammlungen der vermeintlich besorgten, tatsächlich
aber rassistischen Bürger_innen teilnehmen, diese maßgeblich
beeinflussen und aus deren Schutz heraus People of Color,
Antifaschist_innen oder Journalist_innen angreifen.
„Pogida-Abendspaziergang“ als neonazistische Demonstration
Im Wesentlichen handelte es sich bei den beiden Demonstrationsversuchen um einen mehr oder weniger klassischen Neonaziaufmarsch. Beim ersten Versuch am 11. Januar prägten noch hauptsächlich Rassist_innen aus Berlin das Bild der Versammlung. In der Hoffnung, dass der zweite Versuch erfolgreich, durch die Polizei, durchgesetzt werden kann, kamen am 20. Januar auch organisierte Neonazis aus Potsdam zum Startpunkt von „Pogida“. Neben organisierten Potsdamer und Berliner Neonazis aus dem Kameradschafts- und Parteispektrum waren auch zahlreiche Neonazis aus dem Hooliganmilieu anwesend, welche vereinzelt auch Quarzhandschuhe auf der Versammlung trugen. Ergänzt wurde ihr deutlich aggressives Auftreten, nicht wenige waren vermummt, mit Parolen wie „Hier marschiert der nationale Widerstand“ oder gegen Antifaschist_innen gerichtete Sprechchöre. Mindestens eine Person zeigte den „Hitlergruß“ und wurde am späten Abend aus dem kurzzeitigen Gewahrsam entlassen. Weiterhin versuchten Rassist_innen Journalist_innen und Gegendemonstrant_innen einzuschüchtern und anzugreifen.
Auf dem Bassinplatz tummelten sich außerdem „Reichsbürger_innen“ und NPDler_innen aus Berlin und Brandenburg. Darunter waren auch Stephan Böhlke, Christoph Kastius, Reichsbürger aus Berlin, sowie Lars Günther, Anmelder und Redner einer neonazistischen Demonstration in Bad Freienwalde am 31. Oktober 2015. Diese wurde über die Facebookseite „Brandenburg erwacht“ überparteilich beworben. [4]
Aus NPD-Strukturen beteiligte sich Maik Schneider an der „Pegida“-Veranstaltung am 20. Januar in Potsdam.
Bereits im Vorfeld bewarb die NPD den geplanten rassistischen
„Abendspaziergang“ durch Potsdam. Auch ließ die „Märkische Allgemeine
Zeitung“ (MAZ) Maik Schneider das Verhindern des ersten
„Pogida“-Aufmarsches kommentieren – ohne anscheinend zu wissen, dass sie
einen NPD-Funktionär und Neonazi-Kader interviewen. [5] Maik Schneider
wird in diesem Jahr voraussichtlich sein Abitur an der
Heinrich-von-Kleist Schule in der Potsdamer Innenstadt absolvieren.
Erfahrungen, wie sich in rassistische Diskurse und „Nein zum
Heim“-Gruppierungen einzumischen ist und wie die selbsternannten
„Wutbürger_innen“ durch seine Präsenz zu bestärken und zu lenken sind,
hat er in der Vergangenheit fleißig gesammelt. Bei der massiven Störung
einer „Anwohnerinformation“ in Nauen am 12. Februar 2015, wie auch bei
mehreren dortigen rassistischen Versammlungen war er anwesend bzw.
federführend. [6]
Auch bei der „Pogida“-Versammlung am 20. Januar übernahm er die Rolle des Organisators, nachdem sich Christian Müller erneut als unfähig erwies. Er redete auf den ursprünglichen Anmelder Müller permanent ein und nahm nach dessen Auflösung der Veranstaltung selbst die Zügel in die Hand. Dabei formierte er viele Teilnehmer_innen hinter sich und versuchte über die Gutenbergstraße doch noch einen Aufmarsch zu bewerkstelligen. Dafür sprach er auch bei den verantwortlichen Polizeikräften vor.
Bereits im MAZ-Artikel von 19. Januar kündigt Christian Müller an, dass
seine Veranstaltung auch Hooligans mit ihrer Anwesenheit bereichern
werden – wer sich jedoch nicht benimmt, wird aus der Veranstaltung
ausgeschlossen. Er beschrieb, dass vor allem aus dem BFC und
Hertha-Umfeld sich interessierte Rassist_innen und Neonazis angekündigt
haben. [7] Bereits beim ersten „Pogida“-Auftritt, der durch Blockaden
und direkte Aktionen verhindert werden konnte, waren Neonazis aus dem
Fußball-Hooliganspektrum anwesend – beispielsweise die BFC-Anhänger Marcus Schiller und Sven Lisch.
Weiterhin waren der Werderaner Tim Borowski und Phillip Hinzmann, beide aktive Mitglieder bei „Der III. Weg“, auf der zweiten „Pogida“-Veranstaltung anzutreffen.
Auf Tim Borowskis neonazistischer
Einstellung und Praxis wiesen wir bereits vor wenigen Wochen hin – er
ist regelmäßiger Gast in der Selbsthilfewerkstatt nahe der
Geflüchtetenunterkunft am Schlaatz, von der aus letztes Jahr mindestens
zwei rassistische Übergriffe stattfanden. [8]
Nach einem Ausbruchversuch mit etwa 20-30 weiteren Neonazis versuchten
sie an der Wilhelmgalerie eine Gruppe von Antifaschist_innen
anzugreifen. Sie konnten dabei abgewehrt werden und musste sich
daraufhin in der Wilhelmgalerie verschanzen. Außerdem ist Marco Helmstedt, langjährig als Gewalttäter mit Hooligan-Affinität in der neonazistischen Szene aktiv, als Teilnehmer zugegen gewesen.
Eine Gruppe von etwa 30 Neonazis, angeführt von Maik Schneider und oben
genannten Potsdamer Neonzis, wurde am Ende der Versammlung über die
Humboldtbrücke und Zentrum-Ost zum Hauptbahnhof geleitet.
Anmelder Christian Müller und das Orgateam – Rassist_innen, Neonazis, Schoah-Leugner_innen
Christian Müller ist Initiator und Hauptorganisator der
rassistischen Proteste in Potsdam. Vor seiner
Demonstrations-„Offensive“ in Potsdam bewegte sich Müller im
Organsiationskreis von „Bärgida“. Dafür verteilte er Flyer, u.a. auch in
der Potsdamer Innenstadt, und beteiligte sich organisatorisch an den
Versammlungen. Außerdem posierte er mit Transparenten, u.a. des
rassisistischen Newsblogs „pi-news“ und trat als Redner auf. Im sozialen
Netzwerk Facebook war er maßgeblich an der Gründung der Gruppe „Wir für
Deutschland – Wir sind das Volk“ beteiligt, über die mittlerweile bis
zu 4000 Menschen rassistische Inhalte teilen. In Bezug auf seine
Demonstrationen in Potsdam bekräftigte er gegenüber der MAZ explizit:
„Nazis dürfen bei uns mitlaufen“. [9] Kein Wunder, ist doch Christian
Müller selbst einer.
Der im August 1983 geborene Müller kann als ehemaliges Mitglied der NPD
und deren Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) auf
langjährige Erfahrungen in rassistischen und neonazistischen Strukturen
zurückgreifen. Beispielsweise vertrat ihn der Neonazianwalt sowie
ehemaliger Vorsitzende der „Wikingjugend“ und der „Heimattreue Deutschen
Jugend“ (HDJ) Wolfram Nahrath in einem Strafprozess, in dem Müller
verurteilt wurde. Müller musste zuvor außerdem eine mehrjährige
Haftstrafe absitzen und im Anschluss verschiedene Bewährungsauflagen
erfüllen.
Jegliche Distanzierungen von „Nazis“, die er auf seinen Kundgebungen
beteuerte, führt er selbst mit seinen Aktivitäten, auch im Internet, ad
absurdum. Hunderte Likes bei neonazistischen, völkisch-rassistischen,
esoterischen, verschwörungsideologischen, antisemitischen und
geschichtsrevisionistischen Facebook-Seiten zeugen von einer
grundsätzlich menschenverachtenden Meinung und Ideologie. In zahlreichen
Facebook-Gruppen mit diesen menschenfeindlichen Ausrichtungen
diskutiert er mit Gleichgesinnten und vernetzt sich. Mit seinem neuen
Facebook-Profil, das alte war bis mitte Januar 2016 in Benutzung, führt
er diese Aktivitäten fort.
Kontakte hat Müller offenbar auch zur NPD Oberhavel und den Strukturen
der von der NPD gesteuerten und organisierten rassistischen Proteste in
Oranienburg, Velten und Zehdenick. Er verteilte Flyer zur Bewerbung
jener Demonstrationen in Oranienburg, die mutmaßlich vom dortigen
NPD-Kader Robert Wolinski erstellt werden. Im selben
Stil wurden auch Flyer für den Aufmarsch am 20. Januar in Potsdam
erstellt und verbreitet. Robert Wolinski und NPD-Abgeordneter im
Kreistag Havelland Michel Müller sind außerdem Mitglieder der Facebook-Gruppe „Potsdam Wir für Deutschland Wir sind das Volk!!!“ (sic).
Die Gruppe „Potsdam Wir für Deutschland Wir sind das Volk!!!“ wurde
durch Müller am 29. Dezember 2015 erstellt und dient seitdem der
Vernetzung zwischen den Organisator_innen der „Pogida“-Aufmärsche und
potentiellen Symphatisant_innen sowie der Verbreitung von rassistischer
und neonazistischer Propaganda. Bis zum 26. Januar traten 232 Menschen
bei und diskutieren in einer begrenzten Sphäre über „Asylmissbrauch“,
„linke Gewalt“ und die „linksfaschistische rote SA“. Verweise zu
RechtsRock der Bands „Tätervolk“ und „Nordfront“ oder Inhalte der
völkisch-rassistischen Strömung „Identitäre Bewegung“ stoßen, nicht
überraschend, auf keinen Widerspruch. Inhaltliche Beiträge sind rar und
kommen über Schlagworte und Phrasen mit zu vielen Ausrufezeichen und
Rechtschreibfehlern nicht hinaus.
Administriert wird die Gruppe neben Christian Müller von sechs weiteren Personen, darunter seine Ehefrau Anika Keller.
Anika Keller fiel in der Vergangenheit vor allem durch ihre regelmäßige Teilnahme an den rassistischen „Bärgida“-Versammlungen in Berlin auf. Dort trug sie auch ein Transparent des rassistischen Newsblogs „pi-news“. Wie ihr Ehemann, ist Keller aktives Mitglied in verschiedenen rassistischen und neonazistischen Facebook-Gruppen.
Und auch für „Pogida“ tritt sie öffentlich auf, beispielsweise erstellte sie eine Facebook-Veranstaltung für den rassistischen „Abendspaziergang“ am 20. Januar, da ihr Mann auf dem sozialen Netzwerk gesperrt sei. Die Versammlung sei, von ihr formuliert, „Gegen Sexuelle übergriffe an Frauen“, „Gegen Gewalt gegenüber Polizeistreitkräfte“ und „Gegen Flüchtlingspolitik“ (sic) gerichtet. Formulierungen, die identisch auf selbst hergestellten „Plakaten“, am jeweiligen Vortag des geplanten Aufmarsches, im Potsdamer Stadtteil Zentrum-Ost auftauchten. Diese erstellte Anika Keller zusammen mit Daniela Weirich, einer weiteren Administratorin oben genannter Facebok-Gruppe und Mit-Organisatorin von „Pogida“.
Daniela Weirich ist für die Erstellung und vor allem Verteilung dieser Plakate in Zentrum-Ost verantwortlich. Da sie im Humboldtring wohnt, fasste sie den Entschluss am Abend des 10. und 19. Januar jeweils etwa 20-30 Exemplare an Laternen im Stadtteil und in angrenzenden Tram-Haltestellen anzukleben. Ebenso verbreitet sie offen (neo)nazistische und rassistische Inhalte auf ihrer Facebook-Seite. Neben der Forderung „Nationaler Widerstand“ und Äußerungen gegen „Scheiss Linksfaschisten“ teilt sie auch verschiedene geschichtsrevisionistische Propaganda. Offen leugnet sie die Schoah und verbreitet einen Zusammenschnitt von Hitler-Reden, unterlegt mit historischen und zeitgenössischen Filmaufnahmen. Gleichzeitig beklagt sie: „Potsdam ich bin enttäuscht von eurer Einstellung ! Es ist kein offener Dialog möglich keine sachlichen Diskussionen […] Das frage ich mich ernsthaft wenn mir der Mund verboten wird !!“ (sic).
Weiterhin ist Marcel Franke
Administrator in der Facebook-Gruppe „Potsdam Wir für Deutschland Wir
sind das Volk!!!“. Er gibt an, Polizist bei der Bundespolizei zu sein,
und teilt Inhalte von verschiedenen „Pegida“-Ablegern, der AFD und
anderen rassistischen Gruppierungen.
Relativ bedeckt hält sich „Chris Goth“, ebenfalls
Administrator in der Gruppe. Offen teilt er Inhalte der neonzistischen
Kampagne „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“ und bekennt „Ich
liebe Deutschland“ – in den Grenzen des Deutschen Kaiserreiches
1871-1918.
Sechster im Bunde ist Michele Hipler. Seine
Mitgliedschaft, gerade als Admin, ist am wenigsten kongruent zu den
anderen oben genannten. Neben einer Freundschaft zum Potsdamer Neonazi
Björn Theißig und Neonzi-Hooligan Markus Schiller sowie rassistischen
Inhalten á la „Bärgida“ oder „Frankfurt (Oder) wehrt sich“ bekundet er
eben auch Sympathien für die Partei „DIE LINKE.Potsdam“ oder die eher
antifaschistische Anhängerschaft des „Ostblock Babelsberg“. Eine wirre
ideologische Ausrichtung, mit Versatzstücken der gesamten deutschen
politischen Landschaft finden sich ebenso wie Symboliken der Hells
Angels und anderer Rocker-Vereinigungen oder aus
Graffiti-/HipHop-/Streetgang-Zusammenhängen.
Siebter, und auch Ältester, unter den Administrator_innen ist Uwe Grosse.
Dessen Kinder wurden von ihm offenbar ohne Distanzierung von
nazistischer Propaganda erzogen – auf einem Bild posieren die beiden mit
ihrem Vater mit aufgemalten Hitlerbärten. Dazu werden von Freund_innen
und von Grosse selbst wohlwollende Kommentare abgegeben. Weiterhin
„liked“ er die NPD sowie die völkische Band „FreiWild“ und positioniert
sich im deutschen Opferdiskurs als gebeutelter Deutscher, den „Sie“
immer nur als „die NAZIS“ bezeichnen würden.
Als Plattformen für rassistische und
gegen Geflüchtete gerichtete Propaganda dienen in und um Potsdam
außerdem die Facebook-Seite „Patrioten Potsdam“, die am 3. Januar 2016
eingerichtet wurde. Innerhalb von drei Wochen konnten nicht mehr als 74
„Likes“ generiert werden. Weiterhin wurde am 13. Januar die Seite
„Pogida“ eingerichtet. Damit übernahmen die Rassist_innen direkt die
eigentlich von Antifaschist_innen erdachte satirische Abkürzung für
„Pegida“-Potsdam – „POtsdamer Gegen die Islamisierung des Abendlandes“.
Diese Seite konnte innerhalb einer Woche immerhin 102 Menschen für sich
gewinnen. Inhaltlich sind sich beide Seiten sehr nahe. Es fällt jedoch
auf, dass bei „Patrioten Potsdam“ aggressivere Parolen verkündet werden
und Sympathien gegenüber neonazistischen Hooligans offen gezeigt werden.
Christian Müller scheint währenddessen durch seinen Misserfolg beim
ersten Aufmarschversuch am 11. Januar derart verunsichert worden zu
sein, dass er die Facebook-Seite „Pogida“ am Tag nach ihrer Gründung mit
einem Stern bewertete – „Da die Linke Antifa so aggressiv gegen
friedliche PoGiDa Teilnehmer vor gegangen ist. Der Abendspaziergang
abgesagt werden musste aus Sicherheitsgründen Seitens der Polizei.“
(sic).
Am 22. Januar wurde nun die Facebook-Seite „Po-Gi-Da“, mit nach vier
Tagen 8 „Likes“, eingerichtet. Sie soll offenbar die Seite „Pogida“, auf
der seit dem 13. Januar keine neuen Beiträge erschienen, ablösen.
Zum Umgang mit „Pogida“
Die Teilnehmenden als „verwirrt“ oder
„lächerlich“ darzustellen und sich über „fehlende“ Rechtschreibung
lustig zu machen, kann keine Strategie sein. Eine langfristige und
nachhaltige Schwächung menschenverachtender Strukturen kann
hauptsächlich mit einer fundierten und sinnvollen Kritik erreicht werden
– nicht mit der Reproduktion klassistischer Ressentiments. Einen
kleinen Teil möchten wir dazu mit unseren Recherchen über die Strukturen
hinter „Pogida“ beitragen.
Es darf nicht vergessen werden, dass diese Menschen ihren Rassismus
ernst meinen und nicht nur auf Kundgebungen kundtun, sondern im
alltäglichen Leben ausleben und sich motiviert fühlen diesen stärker zu
artikulieren und aktiv umzusetzen.
Dass organisierte Neonazis Teil dieser Bewegung sind, ist kein Geheimnis
– nur leider wird oftmals vergessen, wie gut sie ihre
Menschenverachtung und die Praxis bereits organisiert haben.
Auch wenn sich verschiedene Menschen in Potsdam momentan relativ stark und mitunter offensiv gegen die „Pegida“-Bewegung einsetzen, so fällt doch auf, dass ein koordiniertes Vorgehen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit jeglicher Art selten vorkommt. Es ist wichtig wahrzunehmen, dass organisierte und gewaltbereite Neonazis, die z.T. bereits jahrelange einschlägige Haftstrafen hinter sich haben, an diesen Veranstaltungen, die sich hinter dem harmlos klingenden Wort „Abendspaziergang“ verbergen, teilnehmen. Diese Personen sind aber auch abseits davon aktiv – und das eben nicht nur in Potsdam, sondern im ganzen Land Brandenburg und z.T. bundesweit. Eine antifaschistische und zivilgesellschaftliche Intervention darf sich dabei nicht auf die eigene Scholle beschränken, sondern muss vernetzt und koordiniert dort stattfinden, wo Neonazis und andere Menschenfeinde auftreten.
[1] https://soundcloud.com/s-ren-kohlhuber/bargida-goes-potsdam
[2] http://www.inforiot.de/potsdamgransee-lichtermaersche-gegen-asylsuchende/
[3] https://www.youtube.com/watch?v=fJZQ3sqgRSk (ab 04:44)
[4] http://www.inforiot.de/braunes-wochenende-in-brandenburg/
[5] „Märkische Allgemeine Zeitung“, Ausgabe vom 12. Januar 2016; vgl. https://twitter.com/alx_froehlich/status/687021914116780032
[6] https://presseservicern.wordpress.com/2015/02/13/nauen-stadtverordnetenversammlung-stimmt-uber-grundstuck-fur-asylunterkunft-ab-auslanderfeindliche-parolen-im-publikum-fuhren-zur-saalraumung-neonazis-provozieren-vor-dem-gebaude/
[7] http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Hooligans-wollen-zur-Pegida-Demo-in-Potsdam
[8] http://arpu.blogsport.eu/2016/01/13/hier-macht-man-sich-noch-selbst-die-haende-schmutzig-die-selbsthilfewerkstatt-potsdam-und-ihre-verstrickungen-ins-neonazistische-milieu/
[9] http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/hitler-gruss-bei-pegida-demo
Galerien zu den Aufmärschen am 11. und 20. Januar 2016 in Potsdam:
11. Januar 2016
https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157663273494882
https://www.flickr.com/photos/anton_lommon/albums/72157662879856890
20. Januar 2016
https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157663188913340
https://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157663596817022
http://www.demotix.com/news/9497066/pegida-movement-abandons-march-potsdam-germany#media-9496903
Wenn ihr Personen erkennt oder andere Informationen über „Pogida“ beisteuern könnt, dann meldet euch unter arpu [at] riseup.net oder mit Hilfe unseres verschlüsselten Kontaktformulars.
Bild 1: Der Neonazi Christian Müller am 24. Januar 2016 auf einer Aufführung der „Langen Kerls“ am Schloss Sanssouci
Bild 2: Der NPD-Kader Maik Schneider am 20. Januar 2016 auf der „Pogida“-Demo – er trat in Verhandlung mit der Polizei um doch noch einen Aufmarsch durchführen zu können
Bild 3: Maik Schneider in Diskussion mit dem Anmelder Christian Müller
Bild 4: Tim Borowski (Bildmitte, grüne Jacke, schwarz-gelbes T-Shirt) und Marco Helmstedt (direkt dahinter) am 20. Januar 2016 mit dem Überbleibsel der „Pogida“-Demonstration
Bild 5: Phillip Hinzmann (ganz links mit grün-karrierter Mütze) am 20. Januar 2016 auf der „Pogida“-Demonstration
Bild 6: Der Neonazi Christian Müller in Berlin
Bild 7: Christian Müller bei Facebook – eine Collage aus verschiedenen menschenverachtenden Inhalten
Bild 8: Die Mitglieder der Gruppe „Potsdam Wir für Deutschland Wir sind das Volk!!!“ (sic)
Bild 9: Anika Keller, Mitorganisatorin von „Pogida“ und Ehefrau von Christian Müller
Bild 10: Anika Keller am 5. Oktober 2015 mit „PI-News“-Transparent bei „Bärgida“
Bild 11: Die Schoah-Leugnerin Daniela Weirich in ihrer Wohnung
Bild 12: Daniela Weirich leugnet die Schoah – eine von vielen neonazistischen Bekundungen ihrerseits
Bilder mit Bildunterschriften: https://linksunten.indymedia.org/en/node/166711
Artikel auf der AR_P//U-Website mit allen Bildern und Bildunterschriften: http://arpu.blogsport.eu/2016/01/26/pegida-potsdam-rassist_innen-und-neo...
Antifaschistische Recherche_Potsdam//Umland
Beziehung zu "Wir für Berlin & Wir für Deutschland"
Wie sehen die AutorInnen des Artikels die Beziehung der Kernfiguren - speziell Christian Müller - zur Berliner Gruppe "Wir für Berlin & Wir für Deutschland" um Enrico Stubbe? Sind die Namensähnlichkeit und die Vorliebe (s. Bewertung) für den Pro Deutschland KV Marzahn (auch Stubbes parteipolitische Heimat) Zufall oder gibt es hier nach Meinung der AutorInnen Beziehungen und wenn ja wie sind sie geartet?
an den ersten kommentierer, ins blaue
an den ersten kommentierer:
das ist jetzt ein tip ins blaue. ich sag mal so: soll ich sehr überrascht tun, wenn sich herausstellt, dass die leute derzeit kräftig auf fb zu "Lisa" posten?
Eigene Inhalte
Es muss klar werden, dass ein rein antifaschistischer Abwehrkampf sinnlos ist gegen die immer mehr erstarkenden reaktionären Kräfte. Stattdessen ist es an der Zeit eigene, klassenkämpferische, antikapitalistische also kommunistische Inhalte in die Gesellschaft zu tragen und damit gleichzeitig antifaschistisch und antirassistisch zu agitieren. Denn wenn man die stummen und mörderischen Zusammenhänge zwischen Markt und reaktionärer Bewegung klar macht, kann auch ein Ausweg aus dieser Misere aufgezeigt werden. Der Großteil der radikalen Linken ist so sehr in der bürgerlichen Gesellschaft gefangen, dass ihre einzigen Mittel sind, sich entweder polemisierend an den Staat zu wenden oder andererseits sich pseudoradikal gegen Unterdrückungsmechanismen zu wehren, die nunmal in diesem System immanent sind.
Die Lösung kann also nicht sein eine besser organisierte Antifa aufzubauen, weil diese eben nur Symptome bekämpft, sondern eine zielgerichtete, kommunistische Gegenbewegung mit eigenen Inhalten aufzubauen, die den MEnschen klar machen, dass sie noch so sehr gegen Ausländer und Politik hetzen können, aber das sie dennoch mit zunehmender Verbesserung der Produktivkräfte(Maschinen usw.) überflüssig gemacht werden.
re. eigene inhalte