[P] „Pegida“-Potsdam – Rassist_innen und Neonazis

Der Neonazi Christian Müller am 24. Januar 2016 auf einer Aufführung der „Langen Kerls“ am Schloss Sanssouci

Nun also Potsdam. Früher oder später musste es den Versuch geben, auch in Potsdam die rassistische Stimmungsmache auf den Straßen zu forcieren. Nachdem im Spätherbst 2014 ein Versuch scheiterte, ist es nun eine lose Gruppierung um den Neonazi Christian Müller, die mit dem Label „Pegida“ versucht neonazistischen, rassistischen und verschwörungsideologischen Inhalten in Form von „Abendspaziergängen“ eine Bühne zu geben. Bereits von Beginn an war klar, dass offensichtliche Verbindungen zu neonazistischen Strukturen bestehen und diese zum Teil deckungsgleich mit dem Organistationsteam sind.

 

Anfang des Jahres wurde bekannt, dass am 11. Januar eine rassistische Versammlung auf dem Bassinplatz in Potsdam stattfinden soll. Am 8. Januar gab dann der Potsdamer Christian Müller auf einer rassistischen Versammlung in Oranienburg bekannt, dass er für die Organisation dieser Demonstration verantwortlich ist und dass der Berliner „Pegida“-Ableger „Bärgida“ diese auch unterstützen und sich daran beteiligen wird. [1] Mit zwei Bussen kamen schließlich auch etwa 100 Rassist_innen, Neonazis und Hooligans im Anschluss an die „Bärgida“-Kundgebung von Berlin nach Potsdam.
Der geplante Aufmarsch konnte durch antifaschistische Gegenwehr verhindert werden und ein weiterer Termin für den zweiten Versuch des Rassist_innen-Aufmarsches ließ nach dem Frust auf Seiten der „Pogida“-Teilnehmer_innen nicht lange auf sich warten.

Bei der Bewerbung des für den am 20. Januar geplanten Aufmarsches wurde klar, dass sich hier nicht nur die als „verwirrt“ dargestellten Rassist_innen wiederfinden werden, sondern organisierte Neonazis aus unterschiedlichen Strukturen – NPD, „Der III. Weg“ und neonazistische Hooligan-Zusammenschlüsse aus Berlin und Brandenburg.


Diese Tendenz ist nicht erstaunlich. Seit über einem Jahr nutzen organisierte Neonazis aus Brandenburg, und vor allem auch aus Potsdam, die Möglichkeit sich an rassistischen Aufmärsche zu beteiligen und damit direkt Einfluss auf deren Ausrichtung zu nehmen. Neben der reinen Beteiligung spielten und spielen die neonazistischen Zusammenhänge aus und um Potsdam eine große Rolle in der Organisierung rassistischer Mobilmachung. Kampagnen wie „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“ wurden von Neonazis aus Potsdam und dem Umland ins Leben gerufen. [2] Mehrere Kundgebungen gegen vermeintlichen „Asylmissbrauch“ wurden durch Potsdamer Neonazis und die neonazisische Kleinstpartei „Der III. Weg“ initiiert und organisiert.
Aus Potsdam nahmen im vergangenen Jahr mehrere Neonazis an rassistischen Aufmärschen in ganz Brandenburg und darüber hinaus teil. Beispielsweise beteiligte sich der Potsdamer RechtsRock-Musiker und „Preussenstolz“-Sänger Patrick Danz regelmäßig an den rassistischen Demonstrationen des „Bürgerbündnis Havelland“ in Rathenow, die Mitglieder der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ Tim Borowski, Phillip Hinzman oder Martin Klahr zeigten sich ebenso bei verschiedenen „Abendspaziergängen“ und anderen rassistischen Protesten. Für Potsdam-Mittelmark und Havelland sind es vor allem Neonazis von „Der III. Weg“ und NPD-Strukturen, die sich aktiv in die rassistischen Diskurse einbringen. Maik Eminger und Mirko Kubeler verteilten beispielsweise am 17. Juni 2015 in Damsdorf Flugblätter der Partei anlässlich einer „Anwohnerinformation“. [3]


Für die „besorgten“ Bürger_innen ist diese Präsenz neonazistischer Strukturen nicht störend – die Masse ist für ihre Diskurse entscheidender, als die konkrete Auseinandersetzung mit den, scheinbar „nur“, Mitlaufenden – schließlich eint sie der Gedanke des überhöhten Nationalismus und des völkischen Rassismus. Dass in ganz Deutschland Neonazis an den aktuellen rassistischen Diskursen teilnehmen, die Veranstaltungen besuchen oder diese organisieren ist selten Grund zur Distanzierung. Da ist es egal, ob die NPD die „Abendspaziergänge“ in Oberhavel steuert oder dass Neonazi-Kader wie Maik Eminger oder Maik Schneider Redebeiträge halten, ist es egal, dass organisierte Neonazis regelmäßig an den Versammlungen der vermeintlich besorgten, tatsächlich aber rassistischen Bürger_innen teilnehmen, diese maßgeblich beeinflussen und aus deren Schutz heraus People of Color, Antifaschist_innen oder Journalist_innen angreifen.

 

 

„Pogida-Abendspaziergang“ als neonazistische Demonstration


Im Wesentlichen handelte es sich bei den beiden Demonstrationsversuchen um einen mehr oder weniger klassischen Neonaziaufmarsch. Beim ersten Versuch am 11. Januar prägten noch hauptsächlich Rassist_innen aus Berlin das Bild der Versammlung. In der Hoffnung, dass der zweite Versuch erfolgreich, durch die Polizei, durchgesetzt werden kann, kamen am 20. Januar auch organisierte Neonazis aus Potsdam zum Startpunkt von „Pogida“. Neben organisierten Potsdamer und Berliner Neonazis aus dem Kameradschafts- und Parteispektrum waren auch zahlreiche Neonazis aus dem Hooliganmilieu anwesend, welche vereinzelt auch Quarzhandschuhe auf der Versammlung trugen. Ergänzt wurde ihr deutlich aggressives Auftreten, nicht wenige waren vermummt, mit Parolen wie „Hier marschiert der nationale Widerstand“ oder gegen Antifaschist_innen gerichtete Sprechchöre. Mindestens eine Person zeigte den „Hitlergruß“ und wurde am späten Abend aus dem kurzzeitigen Gewahrsam entlassen. Weiterhin versuchten Rassist_innen Journalist_innen und Gegendemonstrant_innen einzuschüchtern und anzugreifen.

Auf dem Bassinplatz tummelten sich außerdem „Reichsbürger_innen“ und NPDler_innen aus Berlin und Brandenburg. Darunter waren auch Stephan Böhlke, Christoph Kastius, Reichsbürger aus Berlin, sowie Lars Günther, Anmelder und Redner einer neonazistischen Demonstration in Bad Freienwalde am 31. Oktober 2015. Diese wurde über die Facebookseite „Brandenburg erwacht“ überparteilich beworben. [4]

 

Der NPD-Kader Maik Schneider am 20. Januar 2016 auf der „Pogida“-Demo – er trat in Verhandlung mit der Polizei um doch noch einen Aufmarsch durchführen zu könnenAus NPD-Strukturen beteiligte sich Maik Schneider an der „Pegida“-Veranstaltung am 20. Januar in Potsdam.
Bereits im Vorfeld bewarb die NPD den geplanten rassistischen „Abendspaziergang“ durch Potsdam. Auch ließ die „Märkische Allgemeine Zeitung“ (MAZ) Maik Schneider das Verhindern des ersten „Pogida“-Aufmarsches kommentieren – ohne anscheinend zu wissen, dass sie einen NPD-Funktionär und Neonazi-Kader interviewen. [5] Maik Schneider wird in diesem Jahr voraussichtlich sein Abitur an der Heinrich-von-Kleist Schule in der Potsdamer Innenstadt absolvieren. Erfahrungen, wie sich in rassistische Diskurse und „Nein zum Heim“-Gruppierungen einzumischen ist und wie die selbsternannten „Wutbürger_innen“ durch seine Präsenz zu bestärken und zu lenken sind, hat er in der Vergangenheit fleißig gesammelt. Bei der massiven Störung einer „Anwohnerinformation“ in Nauen am 12. Februar 2015, wie auch bei mehreren dortigen rassistischen Versammlungen war er anwesend bzw. federführend. [6]

Maik Schneider in Diskussion mit dem Anmelder Christian MüllerAuch bei der „Pogida“-Versammlung am 20. Januar übernahm er die Rolle des Organisators, nachdem sich Christian Müller erneut als unfähig erwies. Er redete auf den ursprünglichen Anmelder Müller permanent ein und nahm nach dessen Auflösung der Veranstaltung selbst die Zügel in die Hand. Dabei formierte er viele Teilnehmer_innen hinter sich und versuchte über die Gutenbergstraße doch noch einen Aufmarsch zu bewerkstelligen. Dafür sprach er auch bei den verantwortlichen Polizeikräften vor.

 

Tim Borowski (Bildmitte, grüne Jacke, schwarz-gelbes T-Shirt) und Marco Helmstedt (direkt dahinter) am 20. Januar 2016 mit dem Überbleibsel der „Pogida“-DemonstrationBereits im MAZ-Artikel von 19. Januar kündigt Christian Müller an, dass seine Veranstaltung auch Hooligans mit ihrer Anwesenheit bereichern werden – wer sich jedoch nicht benimmt, wird aus der Veranstaltung ausgeschlossen. Er beschrieb, dass vor allem aus dem BFC und Hertha-Umfeld sich interessierte Rassist_innen und Neonazis angekündigt haben. [7] Bereits beim ersten „Pogida“-Auftritt, der durch Blockaden und direkte Aktionen verhindert werden konnte, waren Neonazis aus dem Fußball-Hooliganspektrum anwesend – beispielsweise die BFC-Anhänger Marcus Schiller und Sven Lisch.
Weiterhin waren der Werderaner Tim Borowski und Phillip Hinzmann, beide aktive Mitglieder bei „Der III. Weg“, auf der zweiten „Pogida“-Veranstaltung anzutreffen.

Phillip Hinzmann (ganz links mit grün-karrierter Mütze) am 20. Januar 2016 auf der „Pogida“-DemonstrationAuf Tim Borowskis neonazistischer Einstellung und Praxis wiesen wir bereits vor wenigen Wochen hin – er ist regelmäßiger Gast in der Selbsthilfewerkstatt nahe der Geflüchtetenunterkunft am Schlaatz, von der aus letztes Jahr mindestens zwei rassistische Übergriffe stattfanden. [8]
Nach einem Ausbruchversuch mit etwa 20-30 weiteren Neonazis versuchten sie an der Wilhelmgalerie eine Gruppe von Antifaschist_innen anzugreifen. Sie konnten dabei abgewehrt werden und musste sich daraufhin in der Wilhelmgalerie verschanzen. Außerdem ist Marco Helmstedt, langjährig als Gewalttäter mit Hooligan-Affinität in der neonazistischen Szene aktiv, als Teilnehmer zugegen gewesen.
Eine Gruppe von etwa 30 Neonazis, angeführt von Maik Schneider und oben genannten Potsdamer Neonzis, wurde am Ende der Versammlung über die Humboldtbrücke und Zentrum-Ost zum Hauptbahnhof geleitet.

 

 

Anmelder Christian Müller und das Orgateam – Rassist_innen, Neonazis, Schoah-Leugner_innen


Der Neonazi Christian Müller in BerlinChristian Müller ist Initiator und Hauptorganisator der rassistischen Proteste in Potsdam. Vor seiner Demonstrations-„Offensive“ in Potsdam bewegte sich Müller im Organsiationskreis von „Bärgida“. Dafür verteilte er Flyer, u.a. auch in der Potsdamer Innenstadt, und beteiligte sich organisatorisch an den Versammlungen. Außerdem posierte er mit Transparenten, u.a. des rassisistischen Newsblogs „pi-news“ und trat als Redner auf. Im sozialen Netzwerk Facebook war er maßgeblich an der Gründung der Gruppe „Wir für Deutschland – Wir sind das Volk“ beteiligt, über die mittlerweile bis zu 4000 Menschen rassistische Inhalte teilen. In Bezug auf seine Demonstrationen in Potsdam bekräftigte er gegenüber der MAZ explizit: „Nazis dürfen bei uns mitlaufen“. [9] Kein Wunder, ist doch Christian Müller selbst einer.
Der im August 1983 geborene Müller kann als ehemaliges Mitglied der NPD und deren Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) auf langjährige Erfahrungen in rassistischen und neonazistischen Strukturen zurückgreifen. Beispielsweise vertrat ihn der Neonazianwalt sowie ehemaliger Vorsitzende der „Wikingjugend“ und der „Heimattreue Deutschen Jugend“ (HDJ) Wolfram Nahrath in einem Strafprozess, in dem Müller verurteilt wurde. Müller musste zuvor außerdem eine mehrjährige Haftstrafe absitzen und im Anschluss verschiedene Bewährungsauflagen erfüllen.

Christian Müller bei Facebook – eine Collage aus verschiedenen menschenverachtenden InhaltenJegliche Distanzierungen von „Nazis“, die er auf seinen Kundgebungen beteuerte, führt er selbst mit seinen Aktivitäten, auch im Internet, ad absurdum. Hunderte Likes bei neonazistischen, völkisch-rassistischen, esoterischen, verschwörungsideologischen, antisemitischen und geschichtsrevisionistischen Facebook-Seiten zeugen von einer grundsätzlich menschenverachtenden Meinung und Ideologie. In zahlreichen Facebook-Gruppen mit diesen menschenfeindlichen Ausrichtungen diskutiert er mit Gleichgesinnten und vernetzt sich. Mit seinem neuen Facebook-Profil, das alte war bis mitte Januar 2016 in Benutzung, führt er diese Aktivitäten fort.
Die Mitglieder der Gruppe „Potsdam Wir für Deutschland Wir sind das Volk!!!“ (sic)Kontakte hat Müller offenbar auch zur NPD Oberhavel und den Strukturen der von der NPD gesteuerten und organisierten rassistischen Proteste in Oranienburg, Velten und Zehdenick. Er verteilte Flyer zur Bewerbung jener Demonstrationen in Oranienburg, die mutmaßlich vom dortigen NPD-Kader Robert Wolinski erstellt werden. Im selben Stil wurden auch Flyer für den Aufmarsch am 20. Januar in Potsdam erstellt und verbreitet. Robert Wolinski und NPD-Abgeordneter im Kreistag Havelland Michel Müller sind außerdem Mitglieder der Facebook-Gruppe „Potsdam Wir für Deutschland Wir sind das Volk!!!“ (sic).

 

Die Gruppe „Potsdam Wir für Deutschland Wir sind das Volk!!!“ wurde durch Müller am 29. Dezember 2015 erstellt und dient seitdem der Vernetzung zwischen den Organisator_innen der „Pogida“-Aufmärsche und potentiellen Symphatisant_innen sowie der Verbreitung von rassistischer und neonazistischer Propaganda. Bis zum 26. Januar traten 232 Menschen bei und diskutieren in einer begrenzten Sphäre über „Asylmissbrauch“, „linke Gewalt“ und die „linksfaschistische rote SA“. Verweise zu RechtsRock der Bands „Tätervolk“ und „Nordfront“ oder Inhalte der völkisch-rassistischen Strömung „Identitäre Bewegung“ stoßen, nicht überraschend, auf keinen Widerspruch. Inhaltliche Beiträge sind rar und kommen über Schlagworte und Phrasen mit zu vielen Ausrufezeichen und Rechtschreibfehlern nicht hinaus.
Administriert wird die Gruppe neben Christian Müller von sechs weiteren Personen, darunter seine Ehefrau Anika Keller.

 

Anika Keller, Mitorganisatorin von „Pogida“ und Ehefrau von Christian MüllerAnika Keller fiel in der Vergangenheit vor allem durch ihre regelmäßige Teilnahme an den rassistischen „Bärgida“-Versammlungen in Berlin auf. Dort trug sie auch ein Transparent des rassistischen Newsblogs „pi-news“. Wie ihr Ehemann, ist Keller aktives Mitglied in verschiedenen rassistischen und neonazistischen Facebook-Gruppen.

Anika Keller am 5. Oktober 2015 mit „PI-News“-Transparent bei „Bärgida“Und auch für „Pogida“ tritt sie öffentlich auf, beispielsweise erstellte sie eine Facebook-Veranstaltung für den rassistischen „Abendspaziergang“ am 20. Januar, da ihr Mann auf dem sozialen Netzwerk gesperrt sei. Die Versammlung sei, von ihr formuliert, „Gegen Sexuelle übergriffe an Frauen“, „Gegen Gewalt gegenüber Polizeistreitkräfte“ und „Gegen Flüchtlingspolitik“ (sic) gerichtet. Formulierungen, die identisch auf selbst hergestellten „Plakaten“, am jeweiligen Vortag des geplanten Aufmarsches, im Potsdamer Stadtteil Zentrum-Ost auftauchten. Diese erstellte Anika Keller zusammen mit Daniela Weirich, einer weiteren Administratorin oben genannter Facebok-Gruppe und Mit-Organisatorin von „Pogida“.

 

Die Schoah-Leugnerin Daniela Weirich in ihrer WohnungDaniela Weirich ist für die Erstellung und vor allem Verteilung dieser Plakate in Zentrum-Ost verantwortlich. Da sie im Humboldtring wohnt, fasste sie den Entschluss am Abend des 10. und 19. Januar jeweils etwa 20-30 Exemplare an Laternen im Stadtteil und in angrenzenden Tram-Haltestellen anzukleben. Daniela Weirich leugnet die Schoah – eine von vielen neonazistischen Bekundungen ihrerseitsEbenso verbreitet sie offen (neo)nazistische und rassistische Inhalte auf ihrer Facebook-Seite. Neben der Forderung „Nationaler Widerstand“ und Äußerungen gegen „Scheiss Linksfaschisten“ teilt sie auch verschiedene geschichtsrevisionistische Propaganda. Offen leugnet sie die Schoah und verbreitet einen Zusammenschnitt von Hitler-Reden, unterlegt mit historischen und zeitgenössischen Filmaufnahmen. Gleichzeitig beklagt sie: „Potsdam ich bin enttäuscht von eurer Einstellung ! Es ist kein offener Dialog möglich keine sachlichen Diskussionen […] Das frage ich mich ernsthaft wenn mir der Mund verboten wird !!“ (sic).

 

Weiterhin ist Marcel Franke Administrator in der Facebook-Gruppe „Potsdam Wir für Deutschland Wir sind das Volk!!!“. Er gibt an, Polizist bei der Bundespolizei zu sein, und teilt Inhalte von verschiedenen „Pegida“-Ablegern, der AFD und anderen rassistischen Gruppierungen.
Relativ bedeckt hält sich „Chris Goth“, ebenfalls Administrator in der Gruppe. Offen teilt er Inhalte der neonzistischen Kampagne „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“ und bekennt „Ich liebe Deutschland“ – in den Grenzen des Deutschen Kaiserreiches 1871-1918.
Sechster im Bunde ist Michele Hipler. Seine Mitgliedschaft, gerade als Admin, ist am wenigsten kongruent zu den anderen oben genannten. Neben einer Freundschaft zum Potsdamer Neonazi Björn Theißig und Neonzi-Hooligan Markus Schiller sowie rassistischen Inhalten á la „Bärgida“ oder „Frankfurt (Oder) wehrt sich“ bekundet er eben auch Sympathien für die Partei „DIE LINKE.Potsdam“ oder die eher antifaschistische Anhängerschaft des „Ostblock Babelsberg“. Eine wirre ideologische Ausrichtung, mit Versatzstücken der gesamten deutschen politischen Landschaft finden sich ebenso wie Symboliken der Hells Angels und anderer Rocker-Vereinigungen oder aus Graffiti-/HipHop-/Streetgang-Zusammenhängen.
Siebter, und auch Ältester, unter den Administrator_innen ist Uwe Grosse. Dessen Kinder wurden von ihm offenbar ohne Distanzierung von nazistischer Propaganda erzogen – auf einem Bild posieren die beiden mit ihrem Vater mit aufgemalten Hitlerbärten. Dazu werden von Freund_innen und von Grosse selbst wohlwollende Kommentare abgegeben. Weiterhin „liked“ er die NPD sowie die völkische Band „FreiWild“ und positioniert sich im deutschen Opferdiskurs als gebeutelter Deutscher, den „Sie“ immer nur als „die NAZIS“ bezeichnen würden.

 

Als Plattformen für rassistische und gegen Geflüchtete gerichtete Propaganda dienen in und um Potsdam außerdem die Facebook-Seite „Patrioten Potsdam“, die am 3. Januar 2016 eingerichtet wurde. Innerhalb von drei Wochen konnten nicht mehr als 74 „Likes“ generiert werden. Weiterhin wurde am 13. Januar die Seite „Pogida“ eingerichtet. Damit übernahmen die Rassist_innen direkt die eigentlich von Antifaschist_innen erdachte satirische Abkürzung für „Pegida“-Potsdam – „POtsdamer Gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Diese Seite konnte innerhalb einer Woche immerhin 102 Menschen für sich gewinnen. Inhaltlich sind sich beide Seiten sehr nahe. Es fällt jedoch auf, dass bei „Patrioten Potsdam“ aggressivere Parolen verkündet werden und Sympathien gegenüber neonazistischen Hooligans offen gezeigt werden.
Christian Müller scheint währenddessen durch seinen Misserfolg beim ersten Aufmarschversuch am 11. Januar derart verunsichert worden zu sein, dass er die Facebook-Seite „Pogida“ am Tag nach ihrer Gründung mit einem Stern bewertete – „Da die Linke Antifa so aggressiv gegen friedliche PoGiDa Teilnehmer vor gegangen ist. Der Abendspaziergang abgesagt werden musste aus Sicherheitsgründen Seitens der Polizei.“ (sic).
Am 22. Januar wurde nun die Facebook-Seite „Po-Gi-Da“, mit nach vier Tagen 8 „Likes“, eingerichtet. Sie soll offenbar die Seite „Pogida“, auf der seit dem 13. Januar keine neuen Beiträge erschienen, ablösen.

 

 

Zum Umgang mit „Pogida“


Die Teilnehmenden als „verwirrt“ oder „lächerlich“ darzustellen und sich über „fehlende“ Rechtschreibung lustig zu machen, kann keine Strategie sein. Eine langfristige und nachhaltige Schwächung menschenverachtender Strukturen kann hauptsächlich mit einer fundierten und sinnvollen Kritik erreicht werden – nicht mit der Reproduktion klassistischer Ressentiments. Einen kleinen Teil möchten wir dazu mit unseren Recherchen über die Strukturen hinter „Pogida“ beitragen.
Es darf nicht vergessen werden, dass diese Menschen ihren Rassismus ernst meinen und nicht nur auf Kundgebungen kundtun, sondern im alltäglichen Leben ausleben und sich motiviert fühlen diesen stärker zu artikulieren und aktiv umzusetzen.
Dass organisierte Neonazis Teil dieser Bewegung sind, ist kein Geheimnis – nur leider wird oftmals vergessen, wie gut sie ihre Menschenverachtung und die Praxis bereits organisiert haben.

Auch wenn sich verschiedene Menschen in Potsdam momentan relativ stark und mitunter offensiv gegen die „Pegida“-Bewegung einsetzen, so fällt doch auf, dass ein koordiniertes Vorgehen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit jeglicher Art selten vorkommt. Es ist wichtig wahrzunehmen, dass organisierte und gewaltbereite Neonazis, die z.T. bereits jahrelange einschlägige Haftstrafen hinter sich haben, an diesen Veranstaltungen, die sich hinter dem harmlos klingenden Wort „Abendspaziergang“ verbergen, teilnehmen. Diese Personen sind aber auch abseits davon aktiv – und das eben nicht nur in Potsdam, sondern im ganzen Land Brandenburg und z.T. bundesweit. Eine antifaschistische und zivilgesellschaftliche Intervention darf sich dabei nicht auf die eigene Scholle beschränken, sondern muss vernetzt und koordiniert dort stattfinden, wo Neonazis und andere Menschenfeinde auftreten.

 

 

[1] https://soundcloud.com/s-ren-kohlhuber/bargida-goes-potsdam
[2] http://www.inforiot.de/potsdamgransee-lichtermaersche-gegen-asylsuchende/
[3] https://www.youtube.com/watch?v=fJZQ3sqgRSk (ab 04:44)
[4] http://www.inforiot.de/braunes-wochenende-in-brandenburg/
[5] „Märkische Allgemeine Zeitung“, Ausgabe vom 12. Januar 2016; vgl. https://twitter.com/alx_froehlich/status/687021914116780032
[6] https://presseservicern.wordpress.com/2015/02/13/nauen-stadtverordnetenversammlung-stimmt-uber-grundstuck-fur-asylunterkunft-ab-auslanderfeindliche-parolen-im-publikum-fuhren-zur-saalraumung-neonazis-provozieren-vor-dem-gebaude/
[7] http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Hooligans-wollen-zur-Pegida-Demo-in-Potsdam
[8] http://arpu.blogsport.eu/2016/01/13/hier-macht-man-sich-noch-selbst-die-haende-schmutzig-die-selbsthilfewerkstatt-potsdam-und-ihre-verstrickungen-ins-neonazistische-milieu/
[9] http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/hitler-gruss-bei-pegida-demo

 

 

Galerien zu den Aufmärschen am 11. und 20. Januar 2016 in Potsdam:


11. Januar 2016

https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157663273494882
https://www.flickr.com/photos/anton_lommon/albums/72157662879856890

 

20. Januar 2016

https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157663188913340
https://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157663596817022
http://www.demotix.com/news/9497066/pegida-movement-abandons-march-potsdam-germany#media-9496903

 

Wenn ihr Personen erkennt oder andere Informationen über „Pogida“ beisteuern könnt, dann meldet euch unter arpu [at] riseup.net oder mit Hilfe unseres verschlüsselten Kontaktformulars.

 

Bild 1: Der Neonazi Christian Müller am 24. Januar 2016 auf einer Aufführung der „Langen Kerls“ am Schloss Sanssouci

Bild 2: Der NPD-Kader Maik Schneider am 20. Januar 2016 auf der „Pogida“-Demo – er trat in Verhandlung mit der Polizei um doch noch einen Aufmarsch durchführen zu können

Bild 3: Maik Schneider in Diskussion mit dem Anmelder Christian Müller

Bild 4: Tim Borowski (Bildmitte, grüne Jacke, schwarz-gelbes T-Shirt) und Marco Helmstedt (direkt dahinter) am 20. Januar 2016 mit dem Überbleibsel der „Pogida“-Demonstration

Bild 5: Phillip Hinzmann (ganz links mit grün-karrierter Mütze) am 20. Januar 2016 auf der „Pogida“-Demonstration

Bild 6: Der Neonazi Christian Müller in Berlin

Bild 7: Christian Müller bei Facebook – eine Collage aus verschiedenen menschenverachtenden Inhalten

Bild 8: Die Mitglieder der Gruppe „Potsdam Wir für Deutschland Wir sind das Volk!!!“ (sic)

Bild 9: Anika Keller, Mitorganisatorin von „Pogida“ und Ehefrau von Christian Müller

Bild 10: Anika Keller am 5. Oktober 2015 mit „PI-News“-Transparent bei „Bärgida“

Bild 11: Die Schoah-Leugnerin Daniela Weirich in ihrer Wohnung

Bild 12: Daniela Weirich leugnet die Schoah – eine von vielen neonazistischen Bekundungen ihrerseits

 

 

 

Bilder mit Bildunterschriften: https://linksunten.indymedia.org/en/node/166711

 

Artikel auf der AR_P//U-Website mit allen Bildern und Bildunterschriften: http://arpu.blogsport.eu/2016/01/26/pegida-potsdam-rassist_innen-und-neo...

 

Antifaschistische Recherche_Potsdam//Umland

arpu[at]riseup[punkt]net

GPG-Key

arpu.blogsport.eu

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Wie sehen die AutorInnen des Artikels die Beziehung der Kernfiguren - speziell Christian Müller - zur Berliner Gruppe "Wir für Berlin & Wir für Deutschland" um Enrico Stubbe? Sind die Namensähnlichkeit und die Vorliebe (s. Bewertung) für den Pro Deutschland KV Marzahn (auch Stubbes parteipolitische Heimat) Zufall oder gibt es hier nach Meinung der AutorInnen Beziehungen und wenn ja wie sind sie geartet?

an den ersten kommentierer:

 

das ist jetzt ein tip ins blaue. ich sag mal so: soll ich sehr überrascht tun, wenn sich herausstellt, dass die leute derzeit kräftig auf fb zu "Lisa" posten?

Es muss klar werden, dass ein rein antifaschistischer Abwehrkampf sinnlos ist gegen die immer mehr erstarkenden reaktionären Kräfte. Stattdessen ist es an der Zeit eigene, klassenkämpferische, antikapitalistische also kommunistische Inhalte in die Gesellschaft zu tragen und damit gleichzeitig antifaschistisch und antirassistisch zu agitieren. Denn wenn man die stummen und mörderischen Zusammenhänge zwischen Markt und reaktionärer Bewegung klar macht, kann auch ein Ausweg aus dieser Misere aufgezeigt werden. Der Großteil der radikalen Linken ist so sehr in der bürgerlichen Gesellschaft gefangen, dass ihre einzigen Mittel sind, sich entweder polemisierend an den Staat zu wenden oder andererseits sich pseudoradikal gegen Unterdrückungsmechanismen zu wehren, die nunmal in diesem System immanent sind.

Die Lösung kann also nicht sein eine besser organisierte Antifa aufzubauen, weil diese eben nur Symptome bekämpft, sondern eine zielgerichtete, kommunistische Gegenbewegung mit eigenen Inhalten aufzubauen, die den MEnschen klar machen, dass sie noch so sehr gegen Ausländer und Politik hetzen können, aber das sie dennoch mit zunehmender Verbesserung der Produktivkräfte(Maschinen usw.) überflüssig gemacht werden.

schon mal daran gedacht, dass nicht alle "Linken" Kommunisten sind? gleichwohl an der these, ein bloßer "abwehrkampf" bringe nichts, etwas dran sein dürfte!