Bochum – short notice zur „Bürgerwehr Wattenscheid“

NPD-Bochum und die "Bürgerwehr Wattenscheid"

Auch in Bochum-Wattenscheid will sich eine „Bürgerwehr“ gegründet haben - so die örtliche facebook-site der NPD. Belegen soll das ein Foto, was den NPD- Landesvorsitzenden und Bochumer Ratsherrn Claus Cremer auf einer verschneiten Wiese im Kreise von rund 20 anonymisierten Personen zeigt.

 

Claus Cremer stellt eine Schnittstelle zwischen den Kameradschaften und der sich bürgerlich-bieder gebenden NPD dar. Dafür spricht sein Werdegang in der Wattenscheider Naziszene der 90er Jahre, beim „Freier Widerstand Wattenscheid“, seine Partnerschaft mit Daniela Wegener, der früheren Kameradschaftsführerin der „Sauerländischen Aktionsfront“ und Vorsitzenden der 2011 verbotenen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG), seine Verurteilung für eine volksverhetzende Rede, die er anlässlich einer NPD-Demo gegen den Bochumer Synagogenneubau 2004 hielt, und seine zahlreichen Beteiligungen bei Auftritten der Partei „Die Rechte“.

 

Der Ton der örtlichen NPD-Internet-Auftritte war in den letzten Jahren betont völkisch und rassistisch. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wurde im ethnisierenden Modus agitiert und rassistisch gehetzt. Und um Handlungsfähigkeit zu beweisen drang Claus Cremer im April 2015 in eine Flüchtlingsunterkunft in Wattenscheid ein. Dort dokumentierte er angebliche Beschädigungen durch die Flüchtlinge. Seit der Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge hat sich der Ton und die Aggressivität bei der NPD um ein Beträchtliches gesteigert - und die sexistischen Übergriffe zu Silvester in Köln bilden die passende Legitimation zu Aufrufen zur Bewaffnung und Selbstjustiz.

 

Die Umsetzung dieser Propaganda zur bewaffneten Politik will Claus Cremer anscheinend mit seinem facebook Auftritt dokumentieren. Wieviel Inszenierung hinter dieser Aktion des zur narzistischen Selbstüberschätzung neigenden Wattenscheiders steckt, ist nicht klar. Claus Cremer gilt als organisatorisch unfähig und hat als lokal verantwortlicher NPD-Vorsitzender in den letzten Jahren mit Markus Schumacher, Andre Zimmer und Christian Schemm immer wieder psychisch kranke, gewaltaffine und unberechenbare Personen an die Partei gebunden, die die NPD für OrdnungsbürgerInnen in einen schlechten Ruf brachten.

 

Fest steht, dass ein Bochumer Ratsherr zu extra-legalen, rassistisch motivierten und gewaltorientierten Aktionen aufruft. Und das dies einer in der Rechten weit verbreiteten Grundstimmung entspricht.

 

Generell gilt für Bochum, dass über die antifaschistischen Aktivitäten autonomer und unabhängiger Antifaschistinnen in den letzten 25 Jahren das öffentliche Auftreten von Nazis in Bochum auf diese immer als Bomerang wirkte. Sie wurden stetig blockiert, behindert, geoutet und ihr Vorgehen in der Öffentlichkeit mit Aktionen und Berichten zurückgedrängt. (Was bürgerliche Organisationen dabei für eine Rolle spielten, ist alles andere als ein Ruhmesblatt.) Das führte dazu, dass Nazis in Bochum kaum die Öffentlichkeit suchten und suchen. Sie weichen a) lieber in die Nachbarstädte aus und b) organisieren sie sich abseits der wahrnehmbaren Öffentlichkeit, d.h. in Stadtteilen, Subkulturen, Rocker- und Fußballstrukturen.

 

So befinden sich Bochumer AntifaschistInnen im Vergleich zu den Nachbarstädten in einer fast luxuriösen Situation, sich nicht ständig mit rechten Kundgebungen und Demonstrationen beschäftigen zu müssen. Und eigentlich wäre viel Zeit und Raum da, den sich unsichtbar entwickelnden lokalen Nazistrukturen und den kommunalen rassistischen AkteurInnen auf den Pelz zu rücken. Da die meisten „AntifaschistInnen“ sich aber schon früher einen feuchten Kehricht um die praktische Seite des Antifaschismus bekümmert haben und ihren Namen lieber unter irgendwelchen Presseerklärungen sahen, schreibt eine jede/r etwas zum aktuellen Rassismus und der extremen Rechten, der/die sich dazu berufen fühlt und sich etwas davon verspricht.   -   Business as usual.

 

Somit existiert eine gravierende Leerstelle in Bochum. Ein blinder Fleck in dem rechte Milieus, wie die lange ignorierte Szene um die „Brigade Bochum“, Nazistrukturen wie die in Bochum bis zur Verhaftung von Olaf Ogorek gänzlich unbekannte „Old School Society“, aber auch Anschläge vorbereitende „einsame Wölfe“ heranwachsen können und wo Bestrebungen wie die der „Bürgerwehr Wattenscheid“ auf ein weitaus gewalttätigeres Potential treffen kann.

 

In diesem Sinne:

take care about your local Naziscene

 

(p.s.: Natürlich kümmert man sich in Bochum auch nicht um die AfD. Für Grüne und „Die Linke“ ist das zu unbequem und höchstens ein Wahlkampfthema zur Selbstinszenierung. Und die bundesdeutsche „Antifa“ hat vielleicht gelernt auf die „militante Rechte“ zu reagieren, aber auf die extreme Rechte, die aus der Mitte der Gesellschaft hervortritt weiß sie weder Rat noch Tat.)

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http://www.derwesten.de/staedte/bochum/neue-buergerwehr-sorgt-fuer-unruhe-id11487644.html

 

Flüchtlingsdebatte


SPD vermutet: NPD steckt hinter Wattenscheider Bürgerwehr

22.01.2016

 

Bochum. Mit Skepsis und Sorgen betrachten Polizei und Politiker die Gründung einer „Bürgerwehr“ in Wattenscheid. SPD vermutet, dass die NPD dahinter steckt.

 

In Wattenscheid soll sich eine sogenannte Bürgerwehr formiert haben. „Sie kommt aus dem Bereich der NPD“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel auf Anfrage dieser Redaktion. Die Polizei bestätigt bislang zwei „Begehungen“ und äußert „große Sorge und Skepsis“. Die Aktivisten selbst treten öffentlich nicht in Erscheinung.

22 Frauen und Männer, 21 Köpfe mit schwarzen Balken unkenntlich gemacht: So zeigt sich die „Bürgerwehr Bochum-Wattenscheid“ auf einem von der NPD verbreiteten Foto, das am Ehrenmal in Wattenscheid aufgenommen wurde. Erkennbar ist allein NPD-Ratsherr Claus Cremer (37), der in einer Pressemitteilung zwar erklärt, dass „auch Mitglieder der NPD aktiv sind“. „Wir haben die Bürgerwehr aber nur unterstützt, nicht initiiert. Das sind ganz normale Durchschnittsbürger“, so Cremer. Dem widerspricht Serdar Yüksel (42). „Die NPD umgibt sich mit einem neuen Mantel, um Aktivisten zu gewinnen. Das hat nichts mit bürgerlichem Engagement zu tun. Dahinter stehen mehrheitlich bekennende Rechtsradikale. Wir dulden das nicht!“


Parteien protestieren


Wie es heißt, soll es aktuell auch im Raum Langendreer/Werne Bestrebungen geben, eine Bürgerwehr zu gründen. Wegen der politischen Dimension hat das Polizeipräsidium den Staatsschutz eingeschaltet. Der Polizei sind zwei Zusammenkünfte in Wattenscheid bekannt: vor einer Woche am Ehrenmal und am letzten Mittwoch, als eine Hand voll Mitglieder mittags durch die Wattenscheider City „patrouillierte”. Polizeisprecher Axel Pütter: „Wir haben allergrößte Skepsis. Es ist unsere Aufgabe, die öffentliche Ordnung sicherzustellen.“
Die Facebook-Seite der „Bürgerwehr Bochum-Wattenscheid“ mit zuletzt über 500 Mitgliedern wurde vor wenigen Tagen aus dem Netz genommen. Laut NPD war es zu „Drohungen von Linken“ gekommen. Derweil protestieren immer mehr Parteien und Verbände scharf gegen die „Bürgerwehren“: neben der SPD u.a. die Grüne Jugend und die Medizinische Flüchtlingshilfe . Die Soziale Liste hat eine Anfrage an den Rat gestellt und verlangt von den Behörden umfassende Aufklärung.

Der mehrfache Versuch der WAZ, in dieser Woche direkt mit Mitgliedern der „Bürgerwehr“ in Kontakt zu treten, blieb bis Freitagabend erfolglos.


Jürgen Stahl

 

 

 

 

Kommentar
Falsche „Beschützer“


Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch“ (Bert Brecht): Es ist Hoch-Zeit für Rattenfänger. Sie sind auf der Pirsch nach willig-dumpfem Gefolge. Darauf lauernd, die allzu berechtigten Sorgen und Ängste immer mehr Menschen angesichts immer mehr Flüchtlingen zu missbrauchen, Hass zu schüren, zu hetzen, bürgerliche Schichten mit radikalem Gedankengut zu infizieren.

In Wattenscheid ist es mutmaßlich die NPD, die ihr braunes Süppchen kocht. Auch wenn sich der Parteichef nur als „Unterstützer“ geriert: Nicht nur SPD-Politiker Yüksel glaubt, dass es die NPD ist, die hinter der Gründung der so genannten Bürgerwehr steckt. Ziel: die Stimmung gegen Flüchtlinge anzuheizen und so neue Mitglieder zu ködern. Warum sonst ist außer dem rechtskräftig verurteilten Volksverhetzer Cremer kein anderer der „Durchschnittsbürger“ bereit, sich öffentlich zu seinem „gemeinnützigen“ Engagement zu bekennen?

Bochum braucht keine „Bürgerwehr“. Die Polizei hat das Gewaltmonopol. Wer – wohlmeinend – als „Beschützer“ auftreten will, muss wissen, dass er sich vor einen rechtsextremen Karren spannen lässt.