Zum Versagen der Zivilgesellschaft und den antifaschistischen Strukturen – ein Hilferuf aus Gera

Flyer 17.10.

Ein Artikel zu den Naziaktivitäten in Gera und ein Aufruf zu Gegenprotesten.

 

Was ist passiert?


Am Abend des 10. Oktober marschierten über 1000 Rassist*innen ungehindert durch die Stadt Gera und konnten ihre Propaganda nahezu unwidersprochen verbreiten. So folgten dem Aufruf der Anmelderin Sarah Schumann Rassist*innen und besorgte Bürger aus dem Umfeld der Gruppen „Wir lieben den Saale-Holzland-Kreis“, „Wir lieben Gera“, den Naziparteien „Der 3. Weg“ und „Die Rechte“, dem ThüGida Umfeld, den örtlichen NPD Verbänden und auch aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft. So hatte unter anderem Norbert Geißler, ein Geraer CDU Stadtrat öffentlich sein Kommen angekündigt um „zu hören, was dort so gesagt werde“ (1).  Dass die Zeichen, die durch solche Aussagen gesetzt werden die Mobilisierung der Nazis zusätzlich befeuern und dadurch mitursächlich für den gestrigen Erfolg der Rassist*innen sind, ist nicht unwahrscheinlich.

 

Die Themen, welche der Kreisverbandsvorsitzende der Greizer NPD, David Köckert, in seiner „Rede“ ansprach, waren, wie zu erwarten war, erneut eine krude Mischung aus Lügen, Faktenverdrehung und pathetischer „Wir sind das Volk“- Rhetorik. So beklagte er, dass eine Statue auf dem Gelände der zukünftigen Landesaufnahmestelle am Geraer SRH Klinikum, nur umgesetzt werde um die Asylbewerber*innen nicht zu verärgern, verschwieg aber, dass die „Umsiedlung“ der Statue schon länger Wunsch der Klinikleitung war (2+3).  Auch eine unbelegte Geschichte über eine „schwangere deutsche Frau, die in Gera von Asylanten geschändet wurde“ durfte natürlich nicht fehlen.

 

Mit einer von dieser Rhetorik aufgeheizten Menge zogen die Rassist*innen durch Gera und die Ordnungsbehörden kamen ihnen dabei auch noch entgegen: So wurde eine komplett andere und deutlich längere, als die angemeldete Route durch Gera genommen. Während bei antirassistischen Gegenprotesten wie am 21.09. vor der neuen Unterkunft in Gera-Liebschwitz von Polizei und Ordnungsbehörden peinlich genau darauf geachtet wurde, dass Teilnehmer*innen die zugewiesene Fläche nicht verlassen, scheinen für die „besorgten Bürger“ die Mühlen der Bürokratie recht glatt zu laufen.

 

Ihren Abschluss fand die Demonstration dann mit dem gemeinschaftlichen Singen aller drei Strophen des Deutschlandliedes sowie der gegenseitigen, lautstark zum Ausdruck gebrachten Versicherung darüber, wer denn das Volk sei, ihr Ende. (4) Im Anschluss daran zogen kleine und große Gruppen von Nazis durch Gera. Im Rausch ihres Erfolges meldeten die Nazis noch am selben Abend, dass sie am nächsten Samstag, dem 17. Oktober erneut marschieren wollen.

 

Doch nicht nur auf ihren Demonstrationen, auch abseits derer, scheinen die Nazis aus Gera und dem Umland eine neue Eskalationsstufe erreichen zu wollen. Es häufen sich in den letzten Wochen Angriffe auf Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen (5) und Aktionen gegen die geplante Unterkunft am Geraer Klinikum:

So gelang es in der letzten Woche  gleich zweimal einer Gruppe Menschen in das angeblich gut bewachte ehemalige Klinikumsgebäude einzudringen. Der erste Versuch, die dortigen Wasserhähne zu manipulieren, misslang jedoch. Doch kurz darauf wurde erneut eine alkoholisierte Gruppe von Menschen mit Softair und Messer im Gebäude aufgegriffen.

Zudem tauchten im Geraer Umland fremdenfeindliche Transparente auf, die jedoch schnell entfernt werden konnten. Auch kam es im Stadtbild zu Nazischmierereien (7).

Weiterhin sammelten sich Nazis im Anschluss an ihre Demonstration erneut vor einer alternativen Szenekneipe in Gera-Debschwitz um das seit der Eröffnung dieser anhaltende Bedrohungsszenario aufrechtzuerhalten.

 

Die Probleme der Provinz – Zu den Gegenveranstaltungen in Gera

Gera ist nun nicht die einzige Stadt, in der sich die antifaschistischen Strukturen mit derartigen Problemen konfrontiert sehen. Höchst problematisch zeigt sich die Lage allerdings dadurch, dass der Zulauf zu den Gegenveranstaltungen allmählich versiegt. Während zu Zeiten des Nazifestivals „Rock für Deutschland“ die Gegenproteste durch Mitstreitende aus anderen Städten unterstützt wurden, scheint es, dass Gera abseits dieser Großevents aufgegeben wurde. Während zur ersten Demonstration aus dem ThügIda-Umfeld in Gera durchaus noch Zulauf zu den Gegenprotesten aus anderen Städten zu bemerken war und die Aktionen an diesem Tag zumindest für Gera als Erfolg zu verbuchen waren (so konnten sich immer wieder Blockadepunkte bilden, auch wenn diese letztendlich nicht gereicht haben, um effektiv zu blockieren), stellte die diesmalige Teilnahmebereitschaft einen neuen Tiefpunkt dar.  So folgten dem Aufruf letzter Woche nur ca. 100 Menschen, die sich zu einem „Friedensgebet“ an der Salvatorkirche sammelten. An Blockadeversuche war bei einem solchen Zahlenverhältnis nicht zu denken: so belief sich der Protest auf Sprechchöre, als die Nazis an der Gegenkundgebung vorbeigeführt wurden.

 

Was nun? – Aufruf zu Gegenprotesten am 17.10.2015

Trotz aller Widrigkeiten, die Protesten in dieser Stadt entgegenstehen, ist es notwendig den Protest gegen derlei Veranstaltungen aufrechtzuerhalten. Sonst bleibt zu befürchten, dass die Naziaktivitäten und –demonstrationen sich hier weiter intensivieren, da Gera unter den Nazis als Stadt bekannt wird, in der nicht mit Störungen zu rechnen ist.

Dieser Artikel stellt somit einen Versuch da, auf unsere Situation in Gera aufmerksam zu machen, in der Hoffnung, dass Gera wieder als Ziel von Mobilisation erwogen wird.

Der nächste Termin, der hierfür in Betracht kommt, ist der nächste Samstag (17.10.2015) an dem die Nazis erneut marschieren wollen.

 

Angemeldet hat erneut „Wir lieben Gera“, Startpunkt soll das Kultur- und Kongresszentrum (KuK) sein.

 

Damit ihr die Möglichkeit habt, euch in Gera zurechtzufinden, wird es an den Kundgebungspunkten Flyer für den Tag geben, eine Karte wird vorab hochgeladen.

 

Nähere Infos findet ihr im Laufe dieser Woche hier.

Mit antifaschistischen Grüßen,

Menschen aus Gera.

 

 

1 http://www.otz.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/CDU-Stadtrat-kuendigt-Teilnahme-bei-Thuegida-Demo-in-Gera-an-487405255

2 http://www.otz.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Kritik-an-Demontage-Akt-Plastik-vor-Fluechtlingsheim-in-Gera-weggeraeumt-953340774

3 facebook.com/SRH.WKG/posts/1211574135526550
4 http://www.tlz.de/startseite/detail/-/specific/Asylgegner-gehen-in-Gera-...
5 https://linksunten.indymedia.org/de/node/155014
6   http://gera.otz.de/web/lokal/leben/blaulicht/detail/-/specific/Im-Schutz...
7 http://gera.otz.de/web/lokal/leben/blaulicht/detail/-/specific/Hakenkreu...

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nannte Jigoro Kano eines seiner beruehmtesten Werke ueber die von ihm konzipierte Kampfkunst Judo. Einfach zwei jahre aus dem Tegesgeschehen zurückziehen, sich mit Geist und Techniken des Judo vertraut machen und dann weitersehen. Mind over muscels - thats waht antifascism is about. Learn it.

liebe autor_innen,

eine vernetzung ist dringend notwendig, könnt ihr nicht einen webauftritt organisieren, mit dem mensch verschlüsselt kommunizieren kann? Ein linksunten Aufruf ist schwierig zu kategorisieren, weil er von jedem hätte geschrieben sein können und die Mobilisierung für aussenstehende meiner meinung nach zu unkonkret ist. und kommt am besten zum antira ratschlag, um sich kennen zu lernen.

 

mit solidarischen Grüßen!