Am Sonntag, den 15. März, marschierten gegen 13:00 Uhr etwa 20 vermummte Nazis durch die Darmstädter Innenstadt. Dabei riefen sie Parolen und zeigten den Hitler-Gruß. Wie dem Polizeibericht und dem „Darmstädter Echo“ zu entnehmen ist, wurden daraufhin 13 Personen vorläufig festgenommen, um zu prüfen, ob diese an jenem Aufmarsch teilgenommen hatten. Gegen die Teilnemer wurde Strafanzeige erstattet. Seit dem 1. Mai 2008 tritt die „Kameradschaft Darmstadt“ öffentlich in Erscheinung. Seitdem mehren und radikalisieren sich offensichtlich auch rechte Aktivitäten in Darmstadt und in den umliegenden Gemeinden.
Neben ihrer unsäglichen Homepage tauchten zunächst hauptsächlich Flugblätter der KS-Darmstadt auf, die besonders im Bereich der vorderen Bergstrasse in mehreren Orten in Briefkästen verteilt wurden. Ihr Inhalt bestand weitgehend aus primitiver Hetze gegen AusländerInnen, Homosexuelle, Arbeitslose und Linke.
Auf ihrer Homepage bezeichnen sich die Mitglieder offen als Neonazis. Das hat einen gewissen Seltenheitswert. Die meisten Nazigruppierungen bemühen sich um ein bürgernahes Image und bedienen sich verschleiernder Floskeln um ihre wahren Absichten zu verdecken. Die NPD bezeichnet sich zum Beispiel als nationaldemokratisch, die meisten Kameradschaften dagegen bezeichen sich schlicht als Nationalisten. Es ist klar, dass auch hier genau die gleiche nationalsozialistische Ideologie dahinter steckt, aber kaum eine Gruppe bezeichnet sich so offen selbst als Nazi, wie es die KS-Darmstadt tut. Ebenso kommt es auch vermehrt zu Sprüherein, wie Hakenkreuzen und rechte Parolen. Dies geschah unter anderem in Dieburg, Weiterstadt sowie am Büro der Linkspartei und dem Sitz des DGB in Darmstadt.
Die KS Darmstadt produziert eine Reihe von Aufklebern in Auflagen von offensichtlich mehreren tausend Stück. Inhaltlich entsprechen diese weitgehend einer Serie, die in der Vergangenheit vom „Aktionsbüro Rhein/Neckar“(einem Zusammenschluss mehrerer Kameradschaften und anderer Nazi-Organisationen aus der gleichnamigen Region) produziert wurden. Die KS Darmstadt tauschte auf diesen nur die angegebene Internetadresse gegen ihre eigene aus.
Auf diesen Aufklebern finden sich die für Nazis obligatorischen Forderungen wie „Kriminelle Ausländer ausweisen“ (Wobei der Zusatz „Kriminelle“ dazu dient, einen eventuellen Strafverfahren zu entgehen) oder „Sozialismus geht nur national“. Auch hier dient die Umschreibung „nationaler Sozialismus“ lediglich als Code für den Nationalsozialismus, um nicht wegen Volksverhetzung oder dergleichen belangt zu werden.
Diese Aufkleber tauchten unter anderem massiv in der Region Bensheim/ Heppenheim sowie in den letzten Wochen auch in der Darmstädter Innenstadt auf. In Heppenheim wurden an mehreren Dutzend Aufklebern die Fingerabdrücke des Heppenheimers Stefan Jährling durch die Polizei aufgenommen und Strafanzeige erstattet. Jährling gehörte schon zur mittlerweile aufgelösten Kameradschaft Bergstrasse und wird jetzt zum Führungskreis der KS-Darmstadt gerechnet. Außerdem kandidierte Jährling bei der Landtagswahl am 18.1. in Heppenheim als zweiter Wahlkreiskandidat für die NPD.
Am 14.03 versuchten Nazis auch im Böllenfaltor-Stadion im F-Block Propaganda und Aufkleber der KS-Darmstadt zu verteilen. Da sie von anwesenden Antifaschisten erkannt wurden, konnte dies jedoch durch die Hilfe der Ultras Darmstadt, die sich schon seit langem antifaschistisch engagieren, verhindert werden. Die Nazis mussten das Stadion verlassen und wurden dabei von der Polizei aufgegriffen, die ihre Personalien feststellten.
In der jüngsten Vergangenheit kam es neben diesen Propagandaaktionen zusehend auch zu gewaltätigen Aktionen oder Drohungen von Rechten gegen vermeintliche AntifaschistInnen. So warfen Unbekannte in der Nacht zum 31. Januar die Scheibe des Linkspartei-Büros in der Rheinstraße ein. An diesem wahren schon in der Vergangenheit rechte Sprühereien (siehe oben) und Aufkleber der KS Darmstadt aufgetaucht. Da die Tat auch im direkten Zusammenhang mit einer antifaschistsichen Demonstration am 31. Januar in Heppenheim zu stehen scheint ist davon auszugehen , dass es sich hierbei um eine Aktion aus dem Umfeld der KS-Darmstadt handelt.
In der Nacht vom 27. Februar erschienen gegen 24 Uhr vier vermummte Persononen vor der Tür eines vermeintlichen Antifaschisten, bedrohten ihn verbal, riefen rechtsradikale Parolen, beklebten den Hauseingang mit mehreren Aufklebern der KS-Darmstadt und verschwanden daraufhin fluchtartig mit einem um die Ecke geparkten PKW. Ihren letzten öffentlichen Auftritt hatte die KS-Darmstadt beim bundesweiten Naziaufmarsch am 14. Februar 09 in Dresden.
Auf der Internetseite der antifaschistischen Gruppe „Recherche Ost“ befindet sich ein Foto, welches Mitglieder der KS-Darmstadt mit ihren Transparent bei der Teilnahme an diesem Aufmarsch zeigt. Ganz rechts am Transparent ist deutlich Andeas Jäckel aus Bensheim zu sehen. Auch er ist, so wie Stefan Jährling (Im Bild etwas undeutlich 2 Reihen hinter ihm), ehemaliges Mitglied der KS-Bergstrasse. Es ist davon auszugehen, dass Jäckel nun Anführer der KS Darmstadt ist (Die Angabe, der Anführer der Gruppe wohne in Alsbach, die ein Sprecher der Anti-Nazi-Koordination am Sonntag gegenüber dem Darmstädter Echo machte, müssen wir an dieser Stelle leider dementieren). Jeckel fungiert ebenfalls als öffentlicher Ansprechpartner für den NPD-Kreisverband Bergstrasse.
Auf dem linken Internetportal Indymedia Deutschland befinden sich unter einem Bericht zu dem Naziaufmarsch in Dresden zwei weitere Bilder der KS-Darmstadt, die sich aufgrund des gleichen Transparents wie auf den Bild bei der Gruppe Rechereche Ost ohne weiteres zuordnen lässt. Auf dem ersten Bild ist in der Mitte mit der schwarzen Kapuze wieder der Anführer Andreas Jäckel zu sehen. Auf dem zweiten Bild aus Dresden lassen sich deutlich andere Mitglieder der KS-Darmstadt am Transparent erkennen, die zum Teil namentlich bekannt sind.
Nach diesem Aufmarsch kam es zu einem Übergriff von Nazis auf einem Bus des DGB auf einer Autobahnraststätte. Dabei wurden AntifaschistInnen zum Teil schwer verletzt. Nachträglich wurd der Bus der angreifenden Nazis durch die Polzei kontrolliert. Dabei wurde bekannt, dass auch Nazis aus Darmstadt, dem Landkreis Darmstadt-Dieburg und der Bergstrasse in dem Bus saßen und deshalb wohl auch an dem Übergriff beteiligt waren.
Auf dem gleichen Internetportal befindet sich auch ein Bericht zu einem Naziaufmarsch in Wetzlar am 11.10.08. Auch hier befindet sich unter dem Beitrag ein Bild, das Mitglieder der KS-Darmstadt bei der Teilnahme an diesem Aufmarsch zeigt. Auch hier ist wieder Andeas Jeckel zu sehen (2. Person von rechts), sowie Stefan Jährling direkt hinter ihm (mit Glatze und Kinnbart).
Dass am vergangen Sonntag 20 vermummte Nazis durch die Stadt laufen, kann nicht losgelöst von den oben beschriebenen Ereignissen betrachtet werden. Auch wenn die KS Darmstadt in der Stadt relativ isoliert ist und über keinen öffentlichen Treffpunkt oder eine sie unterstützende rechte Szene verfügt, wird sie in ihrem Auftreten zunehmend dreister und versucht ihre politsichen Gegner zu bedrohen und einzuschüchtern.
Wir rufen endschieden dazu auf, sich von diesen Versuchen nicht beeindrucken zu lassen. Wir gehen davon aus, dass die Nazis den Aufmarsch am Sonntag nicht als Erfolg werten. 20 Personen sind eine eher geringe Teilnehmerzahl und in ihren eigenen Medien sprechen die Nazis nicht von dieser Aktion. Würden sie diese als Erfolg werten, wäre eine größere mediale Aufbereitung zu erwarten. Das derartige Organisationen ihre Misserfolge einfach verschweigen, ist hingegen im Allgemeinen üblich. Außerdem kann eine deratige Aktion durch die Rechten kaum als Erfolg gewertet werden, wenn mehr als die Hälfte der TeilnehmerInnen den restlichen Tag auf dem Polizeipräsidium verbringen mussten und nun eine Strafanzeige zu erwarten haben.
Man sollte diese Aktionen aber zum Anlass zu nehmen, sich diesen Bestrebungen mit aller Macht entgegenzustellen, antifaschistisch aktiv zu werden und sich zu organisieren. Wir rufen dazu auf, wachsam zu sein, entschlossen gegen diese Nazi-Gruppierung vorzugehen und sich nicht darauf zu verlassen, dass dies durch staatliche Behörden erledigt wird. Nationalsozialistische Organisationen haben in der Vergangenheit Erfahrungen damit gemacht, eine effektive Verfolgung durch den Staat weitestgehend zu vermeiden. Sie stellen ihre Inhalte so dar, dass jede und jeder verstehen kann was gemeint ist, es strafrechtlich jedoch kaum greifbar ist. Zudem bestehen die Organisationen nur informell, sodass es schwer nachzuweisen ist, wer konkretes Mitglied ist. So gelang es dem Staat meist nur, gegen einzelne Nazis bei konkreten Delikten vorzugehen, nicht aber gegen ganze Organisationen. Das zeigt sich auch daran, dass die Ermittlungen gegen die KS-Darmstadt wegen den Inhalten ihrer Internetseite eingestellt werden mussten.
Schon allein deshalb können wir das Thema Antifaschismus nicht in staatliche Hände legen, sondern sehen uns gezwungen selbstorganisiert gegen dieses Treiben vorzugehen:
Zusammen – auf allen Ebenen – mit allen Mitteln.
Die Einschätzung, die KS-Darmstadt sei nur eine Art virtuelles Label für allerlei Naziaktivitäten südlich von Darmstadt, können wir nicht teilen. Auch wenn große Teile der Gruppe nicht aus Darmstadt kommt, lässt sich der lokale Bezug nicht verleugnen. Die Mitglieder kommen zum Teil auch einfach nur aus den angrenzenden Orten im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Zudem ist Darmstadt ganz klar der aktuelle Schwerpunkt ihrer Aktionen. Es ist auch offenschtlich, dass die KS-Darmstadt nicht nur eine Art Label ist, sondern ein organisierter Zusammenhang, der gemeinsam öffentlich Auftritt, Aktionen druchführt und hirarchisch strukturiert ist.
Ebenso ist die in diversen Medien geäußerte Behauptung falsch, die meisten Nazis seien außerhalb von Darmstadt in der KS-Bergstrasse und im Nibelungensturm Odenwald organisiert. Beide Gruppierungen haben sich schon vor Jahren aufgelöst. Ihre ehemaligen Mitglieder sind nun zum Teil in der KS-Darmstadt aktiv.
An dieser Stelle wollen wir auch schon einmal auf den anstehenden Naziaufmarsch am 1. Mai 09 in Mainz aufmerksam machen. Auch hier ist, schon allein wegen der unmittelbaren räumlichen Nähe mit einer Beteiligung der Darmstädter Nazis zu rechnen. Aber auch falls deren Beteiligung ausbleiben sollte, ist es nicht minder wichtig, dass sich alle antifaschistischen und emanzipatorischen Menschen, sowie Organisationen diesem Aufmarsch in den Weg stellen und ihn verhindern.
Pressemitteilung der Antifaschistische Linke Darmstadt
Aufkleber
Die Aufkleber sind auch schon in größerer Anzahl in Ludwigshafen aufgetaucht, was wohl stark für eine Verbindung dieser Nazi-Szenen spricht, obwohl diese räumlich doch ein gutes Stück auseinander liegen.
nazi
auf den bild ganz rechts der typ mit dem nationaler sozialist t-shirt ist Patrick Malzkorn er ist seit mitte 2008 mitglied der ks-darmstadt und war früher bei der aktionsgruppe windeck in nrw
jeckel
der typ heißt andreas jeckel
nicht jäckel wie gelegentlich hier genannt