Ein Rückblick auf den 20.06. von turn*left Frankfurt
Am 20.06.2015 unternahm der sogenannte Widerstand Ost/West (WOW) in Frankfurt/Main den Versuch, eine Großdemonstration mit tausend TeilnehmerInnen abzuhalten. Damit ist der rassistische Haufen, der sich aus Pegida-Zusammenhängen, Nazi-Hoolspektrum, Autonomen NationalistInnen und anderen Dummbratzen zusammensetzt, aus verschiedensten Gründen gescheitert.
Der Tag
Bereits im Vorhinein gab es berechtigte Zweifel, wo die herbeifantasierten tausend TeilnehmerInnen der WOW-Inszenierung herkommen sollten. Der Versuch, die zahlreichen Spaltungen innerhalb der verschiedenen Pegida- und Hogesaableger der letzten Monate wieder zusammen zu bringen und diesen versuchten Neustart auch noch in Frankfurt/Main zu starten, kann zu recht als größenwahnsinnig bezeichnet werden.
Ihr Scheitern lässt sich vermutlich auf mehrere Faktoren zurückführen. Das eigene Überschätzen des Mobilisierungspotenzials und der Vandalismus bei der versuchten Zuganreise aus Mannheim sind nur zwei Beispiele für die Beschränktheit der VeranstalterIn und TeilnehmerInnen selbst. Entscheidender ist jedoch, dass an diesem Tag ca. 3000 Antifaschist_innen sich das Ziel gesetzt haben, sowohl die Anreise zum Kundgebungsort (Rossmarkt) als auch die Demonstration des WOW zu verhindern. Es gab eine Reihe von Blockaden, Spontandemonstrationen, einen flexiblen Finger und fleißige Kleingruppen, die trotz beschissener Ausgangslage alles dran setzten, den Tag für den WOW zum Desaster zu machen. Und soviel lässt sich sagen: Auf dem Rossmarkt kamen nicht mehr als 180 TeilnehmerInnen an…
Mit einem – wie sollte es anders sein – Großaufgebot der Bullen wurde der Kundgebungsort weiträumig abgesperrt, überwacht und verteidigt. Das führte einerseits dazu, dass die Redebeiträge und Miniroute des WOWs kaum Öffentlichkeit bekamen. Andererseits konnte deren Kundgebung und verkürtzter Rundgang auch durch die Gegenproteste nicht verhindert oder großartig gestört werden. Tomaten und Eier waren das Maximum, was beim vorüberziehenden WOW-Haufen als machbar erschien. Die „Antwort“ der Bullen: same procedure as every time: Es gab Kessel, Personalienfestellungen, Festnahmen und eine Reihe von verletzten Gegendemonstrant_innen. Die große Toleranz und Ignoranz der Bullen beim Flaschenwurf eines WOW-Teilnehmers, dem Fund von Schutzwesten und Messern in Ester Seitz Anreisekonvoi, Hitlergrüßen während der Kundgebung usw. verdeutlicht die ungleiche Behandlung von WOW-TeilnehmerInnen und Gegendemonstrant_innen.
There are Nazis in town, what about organizing?
Wir als Gruppe turn*left haben gemeinsam mit unterschiedlichen linksradikalen Gruppen und Aktivist*innen aus dem feministischen, antirassistischen und antifaschistischen Spektrum dazu aufgerufen, die Demonstration von Widerstand Ost/West zu verhindern (http://turnleft.noblogs.org/2015/06/widerstand-ostwest-laeuft-nicht-kommt-am-20-juni-2015-nach-frankfurt/#more-892). Daraufhin haben wir uns an den Vorbereitungen für dieses Vorhaben sowie am sogenannten Antifa-Finger, welcher sich am 20.06 am Paulsplatz getroffen hat, beteiligt.
Wie in anderen politischen Bereichen ist es uns auch bei der Verhinderung von Nazi-Aufmärschen wichtig möglichst gesellschaftlich-breite Bündnisse aufzustellen und in diesen solidarisch über die Blockade als Akt des zivilen Ungehorsams zu diskutieren und diese schließlich gemeinsam umzusetzen. Im Rahmen des 20.06. ist dies teilweise gescheitert bzw. hinter früheren Ant-Nazi-Bündnissen in Frankfurt zurück geblieben, da unsere Bemühungen um eine tragfähige und breite Zusammenarbeit zu spät begonnen haben und zähe Diskussionsprozesse innerhalb des antifaschistischen Spektrums die Ansprache mit anderen möglichen Partner_innen erschwerten. An dieser Stelle möchten wir jedoch nicht weiter auf diese zermürbende Auseinandersetzung eingehen, dies sollte solidarisch und reflektiert an anderer Stelle geschehen.
Schlussendlich haben wir uns – entgegen unserer eigentlichen Praxis – für eine Arbeit und Mobilisierung innerhalb eines fast ausschließlich linksradikalen und (post-)autonomen Spektrums entschieden. Und dies nicht nur, weil wir uns selbst in diesem verorten und mit unseren Genoss*innen gerne auf die Straße gehen, sondern auch, da wir den Eindruck hatten, dass dieses Spektrum noch nicht ausreichend angesprochen wurde.
There are Nazis in town, what have we done?
Zum Auftakt des Antifa-Fingers am Paulsplatz kamen über 700 Leute. Im Laufe des Tages sind wir immer wieder auseinander gegangen aber auch wieder zusammen gekommen. Der Finger hat an verschiedenen Punkten blockiert und die Anreise von Nazis verzögert und verhindert sowie immer wieder für dynamische Präsenz antifaschister Aktionen in der Stadt gesorgt. Funktioniert hat dies auch aufgrund der vielen weiteren Menschen, die sich an den Blockaden und Aktionen gegen WOW an dem Tag beteiligt haben.Umso mehr bedauern wir, dass es keine bessere, spektrenübergreifende Zusammenarbeit gab.
Wir sind hier genau richtig!…
…Doch eine Portion Selbstkritik ist aus unserer Perspektive angebracht: Der Finger war einerseits in manchen Situationen zu statisch, träge und technisch überbelegt, wo er hätte dynamischer sein können. Ein Beispiel ist der Sammelpunkt, an dem der Finger mit dem Aufstellen des Lautis und allem Schnick-Schnack zu lange gebraucht hat, um loszukommen. Andererseits hätte es an den Blockaden vielleicht mehr Infrastruktur gebraucht – wie Musik und Wasser – damit die Leute längere Zeit hätten durchhalten können.
Ein schnelleres herankommen an die Punkte, an denen die Bullen die Nasen reingelassen haben, wäre wünschenswert gewesen. Allgemein wären die Versuche der Verhinderung bzw. der Blockade des WOW-Aufmarsches an dem Tag wahrscheinlich fruchtbarer gewesen, hätte es ein besser koordiniertes Blockadekonzept mit allen Akteur*innen, die dieses Ziel geteilt haben, gegeben. Auch wenn ein bitterer Nachgeschmack bleibt und vielleicht das Gefühl aufkommt es hätte mehr getan werden können, darf mensch nicht zu streng mit sich selbst sein. Denn schließlich waren wir Mal wieder mit einer aggressiven Polizei konfrontiert, wobei der Finger zu einem ihrer primären Angriffsziele zählte. Dies haben die Bullen kurz nach dem Losgehen des Fingers auch schnell klar gemacht, indem sie wiederholt den Finger angegriffen und fast alle Transpis, inklusive des Fronttranspis, abgezogen haben. So oder so wurde aus unserer Perspektive trotz dessen vieles gewagt und sinnvolle Moves vollbracht.
Als die Fingerinfrastruktur sich am Ende an der Hauptwache bis auf den Lauti aufgelöst hat, hätte dies jedoch besser kommuniziert werden sollen. Insbesondere weil viele Aktivist*innen dies nicht mitbekommen haben, anderseits die Nazis aber gerade liefen und somit Verwirrung darüber bestand, was jetzt zu tun sei, bis eigenständig Dynamiken entstanden sind. Als Gruppe begrüßen wir, dass viele nicht einfach stehen geblieben sind als die Nazis liefen und kritisieren, dass ebenfalls aus den Reihen der Gegenproteste aufgerufen wurde, eben dies zu tun. Allerdings ist die Polizei als es zu Dynamiken kam und nicht mehr mehrere hundert Menschen gemeinsam unterwegs waren, in der Goethe-Straße eskaliert, woraufhin es zu Verletzten, zum Teil auch Schwerverletzten und einem Kessel in der Junghofstraße mit über 100 Leuten gekommen ist. Immer wieder wurden Aktivist*innen im Kessel während der Identitätsfeststellung dazu genötigt, sich vermummt abfilmen zulassen. All dies verurteilen wir und sind wütend darüber, dass sich die Polizei – wie auch schon in den letzten Wochen bei den Protesten gegen Pegida – im Recht fühlt, auf Aktivist*innen einzuschlagen und repressiv zu begegnen. Es ist offensichtlich, dass die Bullen über weite Strecken nicht so sehr einem rechtsstaatlichen Verfolgungswillen bei Straftaten gefolgt sind, sondern viel mehr Wert auf die Verletzung von möglichst vielen Gegendemonstrant*innen gelegt haben. Wir sehen dies als einen wiederholten Angriff auf Antifaschist*innen, die sich immer wieder Rechten und Rassisten in den Weg stellen und genau dafür von den Cops zusammengeschlagen und eingeschüchtert werden.
An dieser Stelle wollen wir uns auch nochmal insbesondere bei denen bedanken, die sich um alle Verletzen und den von Repression Betroffenen gekümmert haben.
Und an alle Betroffenen nochmal der Hinweis sich bei der Roten Hilfe zu melden, damit wir gemeinsam einen solidarischen Umgang mit der Repression finden.
There are Nazis in town, where are you?
Ganz sind wir unserem Anspruch, die gesamte Veranstaltung der Rassisten und Nazis zu verhindern, nicht gerecht geworden. Dafür waren diese zu gut geschützt und die Anzahl der Gegendemonstrant*innen für das martialische Polizeiaufgebot insgesamt zu gering. Insbesondere hat uns die geringe Teilnehmer*innenzahl aus dem bürgerlichen Lager überrascht. Aber auch in unseren eigenen Reihen haben wir Leute vermisst, was wir nicht richtig verstehen angesichts der Lage in diesem beschissenen Land: Im letzten Sommer und danach gab es eine beängstigende Welle von antisemitischen Attacken und Ausschreitungen. Und ebenfalls seit letztem Sommer werden bundesweit Geflüchtete und deren Sammelunterkünfte massiv angegriffen, das Asylrecht wurde kürzlich abermals repressiver gestaltet und rechte und neonazistische Kräfte haben Aufwind bekommen. In dieser gesellschaftlichen Situation ist bitter nötig, sich diesen Strukturen entgegen zu stellen und- soweit möglich – diese anzugreifen und zu zerschlagen.
Es hat uns viel Kritik erreicht, wegen des Stils und der Ästhetik der Mobilisierung (u.a. zu mackermäig und fehlender Frankfurt-Bezug) und wir werden sie uns – auch wenn die Meinungen über diese Kritik bei uns auseinandergehen – für zukünftige Mobiliserungen merken. Dann werden wir das Ganze auch wieder mit genügend Zeit für die Diskussionen um Mobiliserung(-sstil) angehen.
Generell stellen wir fest – insbesondere mit Blick auf unsere eigenen Reihen -, dass zu spät angefangen wurde, sich mit WOW und alles was daraus jetzt noch folgen mag auseinanderzusetzen. Das sollte in Zukunft wieder besser klappen. Auch wenn man in Frankfurt nicht allzu oft, im Vergleich zu anderen Orten, mit Nazis konfrontiert ist, darf das Gespür für die Gefahr und die Konsequenzen, die von rechter und neonazistischer Ideologie und Organsierung ausgehen, nicht verloren gehen.
Wir wünschen uns, dass möglichst viele Leute sich an den Gegenaktivitäten gegen Nazis und Ideenverwandte beteiligen. Je mehr wir sind, desto mehr können wir machen und uns schlussendlich besser gegen Übergriffe, auch seitens der Poizei, schützen. Allerdings kann keine Mobi das Bewusstsein ersetzen, dass es richtig und wichtig ist, sich gegen Nazis und andere rechte Scheiße zu organisieren und auf verschiedenen Ebenene aktiv zu werden.
Jeder Versuch in Frankfurt von Rechten und Nazis Fuß zu fassen, gestaltet sich mehr als schwer… und bei jedem weiteren verbessern sich unsere Strategien dagegen.
Achtet auf Ankündigungen! Alerta Antifaschista!
turn*left (http://turnleft.noblogs.org/)
Zum Weiterlesen
Pressemitteilung: facebook.com/nopegidaffm/posts/433109726848723:0
Bericht des Ermittlungsausschusses: http://ea-frankfurt.org/20062014-erste-kurze-bilanz-der-proteste-gegen-d...
Im Vorfeld
Ihr habt im Vorfeld viel zu wenig unternommen um mehr Leute nach Frankfurt zu bringen. Es gab keinen einzigen Aufruf, auf dem man Gruppen ausserhalb
von Frankfurt lesen konnte.
Das war schon die 1. Nachlässigkeit und es gab nicht ein Bündnis sondern mehrere, die sich nicht genügend koordiniert haben.
Das Ihr die bürgerlichen Kräfte nicht hoffiert habt fand ich richtig, denn eine Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Kräften ist weitgehend abzulehnen.
Dass Ihr nicht nur auf Frankfurt fixiert seit, könnt Ihr im November unter Beweis stellen, da findet nämlich in Weinheim an der Bergstrasse der
Bundesparteitag der NPD statt und den gilt es zu verhindern, mit allen Mitteln und auf allen Ebenen.
Keinen Fußbreit dem Nazigeschmeiß!!!