Hört auf uns zu instrumentalisieren!

Regenbogenfahne

In einem offenen Brief kritisieren 30 in Berlin lebenden queere Aktivist_innen aus dem Nahen Osten den Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) und das schwule Anti-Gewalt Projekt MANEO für ihre Teilnahme an der anti-palästinensischen Gegendemonstration zum Al-Quds-Tag. Im Brief vergleichen die Unterzeichner_innen die Instrumentalisierung des palästinensischen Anliegens durch die Al-Quds-Demonstration mit der zynischen Vereinnahmung des Kampfes von LGBTs, um von den Verbrechen der israelische Besatzung abzulenken und diese zu „pinkwashen“. Die Beteiligung von den beiden LGBT-Organisationen an einer Demonstration von Kriegsbefürwortern und Neo-Konservativen sei ein Schlag ins Gesicht für queere Organisationen aus der Region. Daher fordern die Unterzeichner_innen den LSVD und MANEO dazu auf, auf eine Teilnahme an der Demonstration zu verzichten.

 

Hört auf uns zu instrumentalisieren!


Queere und feministische Aktivist_innen aus dem Nahen Osten rufen den Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) und das schwule Anti-Gewalt Projekt MANEO dazu auf, ihre Unterstützung für die Demonstration gegen den Al-Quds-Tag zurückzuziehen.

Als queere Aktivisten aus verschiedenen Ländern des Nahen Osten, einschließlich dem Iran, Palästina, Ägypten, dem Libanon, der Türkei und Kurdistan, sind wir erschüttert zu erfahren, dass der Berliner Flügel des LSVD und MANEO an der Demonstration gegen den Al-Quds-Tag teilnehmen werden – einer Demonstration, die von militaristischen, rechten, und anti-palästinensischen Organisationen ausgerichtet wird.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass diverse repressive Regime in unserer Region den gerechten, palästinensischen Kampf für Befreiung von Apartheit und Besatzung dazu benutzen, um von der eigenen katastrophalen Politik abzulenken. Die Al-Quds-Demonstration, die hier alljährlich in Berlin von Unterstützern des iranischen Regimes organisiert wird, ist Teil dieser traurigen Tradition. Wir brauchen keine leeren Reden von der „Befreiung Jerusalems“: Sie sind nichts als ein zynischer Schachzug einer Regierung, die selber religiöse Minderheiten, Queere und Frauen verfolgt und die das syrische Regime, das in den letzten Jahren massenhaft Palästinenser ermordete und verhungern ließ, militärisch unterstützt. Für uns ist die Solidarität mit dem palästinensischen Volk Teil eines universalen Kampfes für Freiheit in der gesamten Region, für alle Geschlechter und Ethnien – und kein Anliegen, das zum Verdecken schrecklichster Verbrechen ausgenutzt werden darf.

Trotz unserer Opposition gegen die Al-Quds-Demonstration sehen wir auch in der Gegendemonstration eine Veranstaltung, die ähnlichen Schemata folgt: der gerechte Kampf von LGBTs wird instrumentalisiert, um von den Verbrechen der Besatzung abzulenken und die israelische Apartheid auf zynische Art und Weise zu „pinkwashen“. Die Gegendemonstration, die sich angeblich gegen Homophobie und Antisemitismus richtet, wird mehrheitlich von Organisationen getragen, die in der Vergangenheit die israelischen Massaker in Gaza und dem Libanon unterstützt haben. Einige von ihnen befürworten klar die Argumentationen rechter und rassistische Politiker in Israel und den USA, die oftmals sowohl gegen die Rechte von Queeren als auch gegen Menschenrechte gewirkt haben. So wird diese Demonstration beispielsweise von der Junge Union, dem Jugendverband der CDU, unterstützt – einer Partei, die die legale und soziale Gleichstellung von LGBTQs in Deutschland kategorisch ablehnt und blockiert. Dies zeigt, wie zynisch diese angebliche Demonstration gegen Homophobie tatsächlich ist.

Die Beteiligung des LSVD und von MANEO an dieser Demonstration ist auch für queere Aktivisten aus dem gesamten Nahen Osten ein Schlag ins Gesicht. Den Kampf für sexuelle Befreiung mit Besatzung und Krieg zu verbinden, ist nicht nur unmoralisch, sondern bedroht auch unseren Einsatz für sozialen Wandel in den Gesellschaften, in denen wir aufgewachsen sind. Die Aussage des Direktors des LSVD, für ein „friedliches Miteinander mit Israel- und Regenbogenflaggen“ demonstrieren zu wollen, ist unglaublich furchtbar in Anbetracht des Massakers an 2300 Palästinensern in Gaza vor genau einem Jahr im Namen dieser gleichen Flagge. Auch die systematische Erpressung palästinensischer LGBTQs durch die israelischen Geheimdienste, die kürzlich bekannt wurde, deckt die Lüge in Israels „Schwulenrechte-Agenda“ auf.

Wir rufen Euch daher auf, eure Unterstützung für diese Demonstration sofort zurückzuziehen. Informiert Euch über die Situation von LGBTQs im Nahen Osten und arbeitet mit Organisationen, die in der Region aktiv sind zusammen, anstatt schlecht durchdachte Aussagen zu machen, die einen beharrlichen Missachter von Menschenrechten wie den Staat Israel unterstützen.

Berlin, den 10. Juli 2015

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