Köln: „Nein“ zu Austerity und Deutsch-Europa!

Köln: „Nein“ zu Austerity und Deutsch-Europa! 1

In Köln sind am Freitag, im Vorfeld des Referendums in Griechenland, sind unter dem Motto "NEIN – OXI – NO zur Sparpolitik – Solidarität mit den Menschen in Griechenland" 600 Menschen auf die Straße gegangen. Der Antifa AK Köln (..umsGanze!) hat auf der Demo folgendes Flugblatt verteilt.

Nein zu Austerity und Deutsch-Europa!
Ja zum selbstbestimmten Leben jenseits von Staat, Schäuble und Spardiktat

Die jüngste Eskalationsstufe im Konflikt zwischen EU-Institutionen und griechischer Regierung ist eine Zäsur. 

Erstens aufgrund dessen, dass mit Griechenland zum ersten Mal eine Industrienation beim IWF in Zahlungsverzug geraten ist – und dadurch allgemeine Verwirrung herrscht, wie damit umzugehen ist. Zweitens aufgrund der Tatsache, dass nach zähen Verhandlungen, wobei sich vor allem die EU-Institutionen sehr störrisch gaben, überhaupt ein Referendum in Griechenland bezüglich der „Hilfe“ aus Europa abgehalten wird. Schon 2011 wollte der damalige sozialdemokratische Ministerpräsident Papandreou ebenfalls ein Referendum über das erste sog. „Rettungspaket“ der Troika abhalten, doch wenige Tage später ruderte er zurück. Die Gefahr, durch das Referendum eine potentielle Absage von der Bevölkerung für das Rezept Austerity einzuholen und damit die Euro-Mitgliedschaft aufs Spiel zu setzen, war zu existentiell für die Währungsunion und das Schicksal Griechenlands. Nun allerdings ist bei einem „Nein“ am Sonntag die Tür zum ideologischen sowie reellen Zusammenbruch dieser Währungsunion und ihrer ganzen bisherigen krisenpolitischen Implikationen von Enthaltsamkeit und Spardiktat erstmals weit aufgestoßen. Denn ein möglicher Grexit könnte im stark zerrütteten Europa Leuchtturmeffekt haben. Unzufriedene aller Couleur und aller Länder würden in die Hände spucken und ihre alternativen Bestrebungen (ob progressiv und solidarisch oder reaktionär und gegeneinander) in Stellung bringen. Das ganze aktuelle politische und ökonomische Gefüge dieses Kontinents wäre damit wie bisher nur selten seit der Krise bedroht. Diese Tatsache hebt das griechische Referendum auf eine gesamteuropäische Dimension und erklärt die allgemeine Nervosität nicht nur unter den Technokrat*innen von Austerity in Europa, dass nun ausgerechnet (!) die griechische Bevölkerung selbst über diese Schlüsselfrage entscheiden soll. 

 

Die große Koaltion steht bei den Verhandlungen als Vorreiterin für ideologische Starrsinnigkeit und Selbstzerstörungs-Politik mit verheerenden Folgen. 
Bis hierhin wurde weiträumig der Analyse Glauben geschenkt, dass Deutschland als dominante Macht in der EU und einer der Hauptarchitekten des Euro ein Auseinanderfallen mindestens der Währungsunion mit allen Mitteln verhindern will. Diese Haltung hat Gründe: die europäische Union und insbesondere die Währungsunion ist ein Sprungbrett für ökonomische und damit einhergehende politische Weltmachtbestrebungen Deutschlands. Das Rezept: Die exportorientierte Wirtschaftspolitik bei stark gedeckelten Lohnstückkosten und relativ dezimierten Sozialstaat resultiert in hohen Absatzmärkten und soliden schwarzen Zahlen. Dieses Rezept, so der Gedanke, funktioniert bei uns und muss es demnach überall. So wird es gleich auf ganz Europa übertragen – nichts anderes ist unter der vor allem von deutscher Seite angepeitschte „Austerity“-Politik in Europa zu verstehen. Denn wenn Europa auf der ökonomischen Bühne der ganz Großen mithalten kann, profitiert auch und vor allem Deutschland. Damit dies gelingt, muss die Rettung der Euro-Zone höchste Priorität haben. Doch die Interessen der Machthabenden sind widersprüchlich, was die Verschiebung der Priorität nun zeigt: die Beseitigung der links dominiert griechischen Regierung ist so viel wert, dass gar die bisher als absolut geglaubte Zusammenhaltung des Euro aufs Spiel gesetzt wird. Es wird keinerlei Abweichung seitens der Syriza-Regierung hingenommen, sondern sie wird direkt konfrontiert – unter dem Risiko des Grexits. Diese Politik ist im wahrsten Sinne des Wortes selbstzerstörerisch; schließlich hätte die Annahme von Syrizas Kompromissvorschlag die griechische Regierungspartei stark zerrissen, vielleicht sogar gespalten und zu Neuwahlen geführt, weil sie gegen das Mandat der Bevölkerung verstoßen würden. Das wäre eine nachhaltige Schwächung der progressiven Syriza. So wird durch völlig starrköpfige Verhandlungsstrategie ein soziales und politisches Desaster in Griechenland sowie unabsehbare Folgen für Europa – der eigenen Machtbasis – in Kauf genommen.

 

Demokratie? Partei ergreifen für das selbstbestimmte Leben jenseits von Staat und Kapital! 

Deutschlands Haltung und die der EU-Institution in den Verhandlungen ist allerdings aus ihrer Sicht nicht völlig irrational. Die häufig vorgenommene Gegenüberstellung „EU-Institutionen = undemokratisch“ vs. „SYRIZA-Regierung = demokratisch“ ist nicht ausreichend. Jenseits der Tatsache, dass einige EU-Institutionen der Krise tatsächlich ad-hoc-eingerichtete Körperschaften sind und strenggenommen nicht gewählt wurden, sind doch die meisten Schlüsselfiguren der Verhandlungen gewählte Staatsvertreter bzw. Vorsitzende von Kommissionen und im bürgerlich-demokratisch Sinne damit auch Vertreter*innen des Volkes, genau wie Syriza. Es geht also gar nicht um die Frage, OB sie jemanden vertreten, sondern WEN. Während die EU-Institutionen im Namen und im Interesse von – oldschoolig gesprochen – Kapitalist*innen (jenen, die bereits mehr als genug haben, deren Reichtum gesichert wird mit Umverteilung von unten nach oben) Krisenpolitik betreiben, sieht sich die griechische Regierung als Vertreterin von Arbeiter*innenklasse und Kleinbürger*innentum. Logischerweise steht sie daher auch für eine ganz andere politische wie ökonomische Lösung aus der Krise: Reichtum besteuern, Umverteilung von oben nach unten, kleine Unternehmen wirtschaftlich ankurbeln. Aus Sicht der europäisch Herrschenden ist also jede Abweichung Syrizas damit eine Systemfrage und wird daher massiv bekämpft. Bürgerliche Demokrat*innen und Parlamentarier*innen sind sie alle – die Frage muss lauten: für wen machen sie Politik? Es geht hier um die Art und Weise der Sicherung von Kapitalakkumulation, keineswegs um dessen Überwindung, was unser eigentliches Anliegen ist. Dennoch sind wir als Kommunist*innen hier in der Pflicht, die Sicherung des materiellen Überlebens von abertausenden reellen Existenzen zu befürworten und die Notbremse im Zug der permanenten Anpassung Europas an Deutschlands und damit Erschwerung des Umsturzes der Verhältnisse in unserem Sinne zu ziehen. Denn während wir unter sogenannten „Volksvertreter*innen“ wie Syriza überhaupt erst revolutionäre Türen auftreten, Räume besetzen und Fragen nach dem selbstbestimmten Leben jenseits von Staat und Kapital offensiver aufs Tableau bringen können, folgt das aktuelle Austerity dem Dogma der Alternativlosigkeit vom Neoliberalismus und macht politische Aktivist*innen wie uns überflüssig.

 

Seite an Seite mit den Geknechteten und Erniedrigten in ganz Europa! 

Jetzt ist Solidarität angesagt, doch mit wem überhaupt? Was auf die ohnehin stark krisengebeutelten Griech*innen zukommt, ist hart: bei einem „Ja“ im Referendum wird die Austeritypolitik verewigt und die Verelendung wird bis auf weiteres fortgesetzt. Die von Syriza angeführte Regierung wird in ihrem zentralen Anliegen – Austerity zu stoppen – versagt haben und eventuell fallen. Was darauf folgt, ist wahrscheinlich eine Regierung deutlich weiter rechts. Wenn die Griech*innen mit „nein“ stimmen, sind sie die Last und Fremdbestimmung der EU-Institutionen zwar vielleicht erst einmal los, könnten aber aus dem Euro fliegen und wir erleben ein historisches Novum. Panik und eine stark abgewertete Währung wären die unmittelbare Folge. Was danach geschieht, ist unklar. Es ist also so oder so Solidarität angesagt. Aber womit oder mit wem? Die Solikampagne „WeLoveGreece“ fordert Liebe für eine ganze Nation. Abgesehen davon, dass dieses Motto einschlägigen Rechtsradikalen eigen ist, kann dieser Ausdruck falscher nicht sein. Liebe – das zeigte uns u.a. Psychoanalyse und die kritische Theorie – ist zwar ein unterschätztes und außergewöhnliches Phänomen, aber sie allein kann keinen materiellen sozialen Kahlschlag stoppen. Eine Nation oder ein ganzes Land haben wir noch nie geliebt und werden es auch in Zukunft nicht, Deutschland genauso wenig wie Griechenland. Solidarisch sind wir mit den Klassen und Schichten, die ohnehin den ärgsten Überlebenskampf zu führen und unter Austerity am meisten zu leiden haben – nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa: die meisten Lohnabhängigen, Prekarisierte, Geflüchtete, Illegale. Das Referendum ist kein nationales, sondern es trägt europäische Strahlkraft. Es geht um den Widerstand der Geknechteten und Erniedrigten auf einem ganzen Kontinent, (wieder einmal) exemplarisch am Krisenlabor Griechenland. Wir fordern über das aktuelle sowie über das der reaktionären Alternativen von Europa hinaus zu gehen, hin zu einem selbstbestimmten Leben, jenseits von Staat, Schäuble, Spardiktat und diesem elendigen Kapitalismus, ohne den uns diese ganzen Krisen erspart geblieben wäre. Ein „Nein“ am Sonntag wäre schonmal ein Bekenntnis in die richtige Richtung. Lasst uns dieses Bekenntnis – hier aus dem Herzen der Bestie – unterstützen.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

der Schäuble hatte bereits längst die Kredite bei der Kreditanstalt gesperrrt

Weil Hr. Schulz sich völlig dreist und mit Drohungen gegen die Bevölkerung Griechenlands in den Wahlkampf eingemischt hat:

https://secure.avaaz.org/en/petition/European_Parliament_Investigate_EP_...