Das "Horrorhaus" von Berlin

Erstveröffentlicht: 
21.06.2015

Monströse Zustände in der Grunewaldstraße 87 - eine Spurensuche - Von Sidney Gennies - Erst waren es nur ein paar Roma-Familien. Dann kamen immer mehr in die Berliner Grunewaldstraße 87. Es war der Beginn einer monströsen Geschichte. Nun gibt es Hinweise auf die Hintergründe.

 

Es ist Schichtbeginn in der Grunewaldstraße 87 in Berlin-Schöneberg. Acht Uhr morgens. Ein Streifenwagen fährt vor und hält in einer Seitenstraße. Warnblinker, die Polizisten richten ihren Blick auf den Eingang des Gründerzeithauses. Routineeinsatz. Es ist jeden Tag das Gleiche. Nacheinander kommen die Bewohner aus dem Haus. Zuerst eine kleine Familie. Die Mutter mit ihrem wallenden Rock, wie ihn viele Frauen aus Roma-Familien tragen. Der Vater in Jogginghose, in der Hand eine kleine Flasche Wodka Gorbatschow. Die Kinder, ein Junge und ein Mädchen, beide nicht älter als zehn, trotten hinterher. Sie tragen Blumen aus rosa Plastik. Sie beginnen zu streiten, unverständlich, die ganze Straße kann es hören, die Polizisten bleiben entspannt. Der Junge schmeißt seine Kunstblumen auf den Boden, schreit. Man darf unterstellen: Heute will er nicht betteln gehen.

 

So beginnt ein normaler Wochentag in einem Haus, in dem nichts mehr normal ist. Drazen Dedus erlebt das seit Monaten, oder besser: durchlebt. Seine graue Strickjacke hat er bis oben zugezogen, es nieselt. Die grauen Haare sind streng zurückgekämmt. Dedus mag Ordnung. Jahrzehntelang war er Hausmeister hier. Er bückt sich und klaubt die Kunstblüten vom Boden.

Das Monster, es zeigt sich noch nicht

Seit 1975 lebt Dedus in der Grunewaldstraße 87, fast sein ganzes Leben, heute ist er 46. Das Haus hat sich verändert, hat ihn verändert. Es ist seine persönliche Hölle geworden und die aller, die dort leben. Wie viele das eigentlich genau sind, weiß niemand. „Horrorhaus“ nennen es die Medien. Und wenn Dedus sich manchmal fühlt, als lebte er in einem Horrorfilm, dann ist diese morgendliche Szene nur das Präludium. Jene Stelle, an der der Zuschauer merkt, dass hier irgendetwas Monströses vor sich gehen könnte, aber das Monster sich noch nicht zeigt.

 

Dedus weiß nur, was es aus diesem Haus gemacht hat. Er betritt den Hof. Läuft vorbei an uringetränkten Matratzen neben den Mülltonnen. Es ist noch einer der besseren Tage, einer, an dem sich noch erahnen lässt, wie schön es hier einst war, weil der Gestank noch erträglich ist. Zwei Quergebäude hat die ehemals stolze Immobilie. Erbaut 1889 von Ferdinand Braune. Seine Nachfahren, erst Horst, später Peter Braune vermieteten es über Generationen. Dann wechselten die Eigentümer.

 

Das Treppenhaus hat Drazen Dedus vor ein paar Jahren noch selbst gestrichen. Die gelbe Farbe blättert von der Wand. Jemand hat mit Edding verzerrte Fratzen darauf gemalt. Durch das Treppenhaus muss jeder gehen, der auf die Toilette möchte. Das Haus hat noch Etagentoiletten, es ist lange nichts mehr gemacht worden. Dedus hat sich ein Klo in die Wohnung bauen lassen. Vorsichtig öffnet er die Tür zum Gemeinschaftsklo. Ein langer schmaler Gang, am Ende eine Schüssel, hunderte Fliegen schwirren durch den Raum. Auf dem Boden fünf Haufen menschlichen Kots. Damenbinden, vollgesogen mit Blut, säumen den Weg zur Toilette. Drazen Dedus macht ein Foto mit seinem Handy. Erst vor wenigen Tagen ist hier geputzt worden.

 

Dedus’ Mutter, die auch in dem Haus wohnte, hat es nicht mehr ausgehalten, sie musste sich immer wieder erbrechen, der Stress, der Gestank. Sie ist in ihren Heimatort gefahren, 60 Kilometer entfernt von Zagreb in Kroatien. Drazen Dedus glaubt, dass genau das der Plan war.

Das Monster, es lauert im Hintergrund

Er erinnert sich noch gut an jene Nacht im September 2014. Ein paar Kleinbusse fahren vor. Neue Mieter, alle Roma. Sie ziehen im Hochparterre ein. 15 Leute mit ihren Kindern. „Wir dachten, es sind Flüchtlinge“, sagt Dedus. Es fehlte ihnen an allem. Die Nachbarn brachten Decken, Besteck, einen Fernseher, Gardinen, Kleidung für die Kinder. Er erinnert sich auch, wie die Neuen zu einer Weihnachtsfeier Gebäck vorbeibrachten. Schaut mal, was wir in Rumänien so essen. Ja, ab und zu lag der Müll neben der Tonne, ja dann und wann wurde zu laut gefeiert – nichts, was man im nachbarschaftlichen Gespräch nicht hätte klären können. Dann kamen immer mehr. Am Ende waren es 200. Zusammengepfercht in Wohnungen, die eigentlich unbewohnbar sind. Teilweise gesperrt und mit Brettern zugenagelt. Sie brachen sie einfach auf und richteten sich dort ein. Videos aus dieser Zeit zeigen, wie Möbelstücke im vierten Stock aus dem Fenster fliegen, im Hof landen, wo die Kinder sich die Zeit vertreiben. Am Ende ist der Müllberg im Hof so groß, dass auf Drängen der Mieter ein Laster mit Baggerschaufel anrücken muss. Es hilft nichts, es wird schlimmer.

 

Seit Januar schläft Drazen Dedus nur noch mit Oropax. Wenn er überhaupt schläft. Damit er die Schreie nicht hört. Von den Männern, die sich prügeln. Von den Frauen, wenn ihre Männer sie schlagen. Von den Kindern. Die Schreie eines vierjährigen Mädchens wird er nie vergessen. Sie hatte sich mit kochendem Wasser übergossen. Sie ist jetzt in einem Krankenhaus, außer Lebensgefahr. Niemand hatte sie beaufsichtigt.

Seit die Roma da sind, gibt es neue „Hausmeister“ in der Grunewaldstraße 87. Männer, die niemand so recht kennt. Sie teilen die Wohnungen zu, nehmen den Roma Geld ab, für was auch immer. Längst nicht alle, die im Haus leben, sind auch dort gemeldet, sagt die Polizei.

„Da haben wir die Strategie erkannt“, sagt Dedus. Jemand benutzt die Roma, um die Altmieter aus dem Haus zu vertreiben. Um es sanieren und teuer verkaufen zu können. So lautet der Verdacht. Das Monster, das haben die Bestandsmieter schnell erkannt, hat nicht die Gestalt der Roma. Es lauert im Hintergrund.

 

Kann sein, was einfach nicht sein darf?

Um das Unbegreifliche zu verstehen, muss man sich entfernen von diesem Ort. Im Rathaus Schöneberg, ein paar hundert Meter von der Grunewaldstraße 87 entfernt, sitzt die Grünen-Politikern Sibyll Klotz im dritten Stock in ihrem Büro. Sie ist Stadträtin für Gesundheit und Soziales. Eine Frau, die erkennbar nicht an Monster glaubt, aber an Paragrafen. Sie hat ein paar Ordner vor sich auf dem Tisch. Gefüllt mit Schreiben der Wohnungsaufsicht an den Eigentümer der Grunewaldstraße 87. Mehr als 260 DinA-4-Seiten in ein paar Monaten. Darin ist alles dokumentiert. Irrsinn, wie ihn nur das Amtsdeutsch in Worte zu fassen vermag: „Meldung im Februar über verschmutzte Außentoiletten (die Fäkalien wurden daher in Müllsäcken aus dem Fenster geworfen) führte am 06. 03. 2015 zu einer durch die Hausverwaltung beauftragten Grundreinigung.“ Sibyll Klotz schiebt ihre Brille auf die blonden schulterlangen Haare, die Augen weit offen, und sagt, der Eigentümer habe mitteilen lassen, die Verschmutzung sei eben „nutzerbedingt“.

Das Monster, es hat viele Gesichter

„Das ist nicht kulturell bedingt“, sagt Klotz. „Niemand macht so etwas freiwillig.“ Und weil sie eben rechtlich gern auf der sicheren Seite ist, muss auch sie ihren Verdacht vorsichtig formulieren. „Es ist nicht ausgeschlossen“, sagt sie deshalb, „dass der Eigentümer die neuen Mieter mit der Entmietung beauftragt hat.“ Sie selbst war natürlich schon in dem Haus. Sie versteht die Wut. Die einzige Waffe aber, die sie habe, sei das Wohnungsaufsichtsgesetz. In Paragraf 11 steht: „Die Wohnungsbehörde soll, bevor sie eine Anordnung erlässt, zunächst versuchen, den (...) Besitzer (...) unter Fristsetzung zur freiwilligen Abhilfe zu veranlassen.“ Das ist auch geschehen. Hundertfach sogar. Jeder Mangel muss einzeln aufgeführt werden. Und hundertfach hat der Eigentümer reagiert. Müll beseitigen und das Haus reinigen lassen. Doch die Neumieter sorgen dafür, dass das Haus in kürzester Zeit wieder unbewohnbar wird. Das Gesetz ist in solchen Fällen machtlos, sagt Klotz. Es muss ein neues her, keine Einzellösung für dieses Haus, denn sonst, das schwingt mit, könnte es solche Zustände bald auch in anderen Immobilien geben, wo Mieter unerwünscht sind.

 

Sie lässt jetzt prüfen, ob man das Haus nicht unter Zwangsaufsicht stellen kann. Es ist mehr als ungewiss, ob das klappt. Und noch etwas anderes macht ihr Sorgen. Das Haus ist zum Zufluchtsort für kriminelle Banden geworden, die ihre Kinder zum Betteln schicken und zum Stehlen, Frauen prostituieren sich – angeblich freiwillig. Ein ganzer Kiez droht zu kippen. Ein paar Läden in der Grunewaldstraße haben schon dicht gemacht. Andere verschließen die Türen. „Bitte klopfen“, steht dann am Eingangsschild. Es muss etwas grundsätzlich falsch laufen, wenn eine Politikerin der Grünen sich mit einem Hilferuf an einen CDU-Innensenator wendet. Sie will ihn auffordern, das Gebiet zu einem „Gefährlichen Ort“ zu erklären. Die Polizei hat dann mehr Befugnisse. Anlasslose Kontrollen, Überwachungskameras, so etwas. Sie schreibt einen Brief.

Es ist natürlich Zufall, aber noch während sie tippt, erlebt Drazen Dedus in der Grunewaldstraße 87 seinen 143. Polizeieinsatz in diesem Jahr. Zwei Streifenwagen, ein Mannschaftswagen. Die Beamten betreten das Haus, eine Hand an der Waffe. Das belegen Fotos, denn natürlich ist alles dokumentiert. Man habe in der Vergangenheit gelernt, dass man in diesem Haus nicht vorsichtig genug sein kann, heißt es von der Polizei. Zweimal war das SEK schon da.

Das Monster, es ist vielleicht nicht einmal in Berlin

Diesmal soll ein Halbstarker die Tochter eines Nachbarn mit einem Messer bedroht haben. Er wollte ihren Tretroller. Der Nachbar hat hinten eine Kfz-Werkstatt, sie ist geschlossen, die Tochter hat er erst einmal weggebracht. Drazen Dedus steht davor, den Blick immer schräg nach oben gerichtet, wegen der Windeln. Zwei liegen schon im Hof. Er geht weiter, immer dicht an der Hauswand entlang. Routine des Irrsinns.

Wer trägt Schuld? Kriminelle? Der Eigentümer? Eine überforderte Verwaltung? Das Monster hat viele Gesichter.

Wie immer, wenn etwas nicht richtig läuft in der Grunewaldstraße 87 schaut Herr G. vorbei. Herr G. ist also eigentlich ständig da. Ein junger, sportlicher Typ im blauen Strickpulli. Er arbeitet für eine Anwaltskanzlei, die wiederum von der GmbH beauftragt ist, der das Haus gehört. Herr G. hat es eilig. Herr G. hat es immer eilig, wenn er hier ist, denn wer will hier schon gern sein. Auf die Frage, ob er der Mann sei, der die Eigentümer vertritt, bellt er nur „Nein“ – und vielleicht ist das nicht einmal gelogen. Laut Grundbucheintrag vom November 2014, Blattnummer 30653, gehört das Haus der G 87 Grundbesitz GmbH. Die residiert formell in der Keithstr. 2 - 4, einem Büroturm gegenüber der Urania. Sicher ist aber nur, dass sie sich dort einen Briefkasten mit der Spreewälder Massivhaus, der Alpha-Plan und der Knaackstr. 7 GmbH teilt. Geschäftsführer ist jeweils Klaus Breckner. Ein Blick ins Handelsregister zeigt, dass an der GmbH mit 94 Prozent die Crewkerne Immobilien GmbH beteiligt ist, die wiederum zu 95 Prozent einer Firma mit Sitz in Zypern gehört und zu fünf Prozent einem gewissen Vladyslav D. mit Sitz in Kiew. Das Monster, es ist vermutlich nicht einmal in Berlin.

 

Klaus Breckner jedenfalls möchte diesen Titel ganz sicher nicht. Noch am Freitag schickt er eine persönliche Stellungnahme an den Tagesspiegel: „Zusammengefasst muss ich Ihnen sagen, dass mir die Situation dort auch nicht gefällt und so keineswegs gewollt ist.“ Und dass selbstverständlich kein Entmietungskonzept für das sanierungsbedürftige, denkmalgeschützte Haus existiere. Es seien nur einige „Kurzzeitmietverträge mit, wie wir später erfuhren, Roma Familien“ geschlossen worden. Einige hätten aber schon zugesagt, das Haus bald zu verlassen. Dann werde es eine Modernisierung geben, die Mieten im gesetzlichen Rahmen erhöht und am Ende „die Wohnungen den Mietern im Vorkaufsrecht oder Kapitalanlegern zum Kauf angeboten“.

Im Internet wird das Haus ohne Angabe der Adresse als „Wunderschöner Altbau (...) in einer Toplage von West-Berlin“ schon angepriesen. Kaufpreis: 5,8 Millionen Euro. Die Renditeerwartung muss hoch sein. Eine Bonitätsprüfung von Breckners Alpha-Plan GmbH listet Schulden in Höhe von 3,8 Millionen Euro auf. Vermerk: Hohes Risiko für Investoren. Ratingklasse: D.

 

Übersetzt heißt das, Griechenland ist derzeit kreditwürdiger.

Im sogenannten Horrorhaus geht es um viel Geld und Macht. Drazen Dedus kann sich die Ausmaße nur schlecht vorstellen. Er wohnt für 332 Euro Kaltmiete auf 61 Quadratmetern. 18 andere Bestandsmieter gibt es noch. Zehn von ihnen bereiten eine Sammelklage vor, eine Abmahnung ist bereits verschickt. Es wird Monate dauern und am Ende doch nichts bringen, wenn er sich seine Wohnung nicht mehr leisten kann. Ja, er lebt in einem Horrorfilm. Und wie in jedem Horrorfilm, sind die Statisten erledigt, bevor das Monster zur Strecke gebracht werden kann.

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Das ist doch alles rassistische übertriebene Kacke. Die Leute sind Refugees weil sie in Rumänien , Tschechien und Bulgarien täglich diskriminiert und verfolgt werden.  Sie werden benachteiligt, man anthält ihene Bildung und Job von denen sie ihre Familien ernähren können vor. Deutschland hat sich durch seinen weltweiten Ausbeuterkapitalismus doch schon mit Reichtümern vollgesogen. Da kann es wohl von dem fetten Kuchen auch ein paar Krümel an benachteiligte Menschen abgeben. Vor allem wenn man Hunderttausende ihrer Gorßelterngeneration durch die Mordindustrie der KZs systematisch abgeschlachtet hat. Da sollte man sich lieber schämen noch ihre Nachkommen nochmal rassistisch zu diskriminieren und stattdesen ein bisschen Wiedergutmachung leiste.

Roma sind ganz normale Menschen wie du und Ich. Durch solche Lügenberichte wird nur rassistische Stimmung angefacht. Wozu das fürht hat man ja schon in Solingen und Rostock Hoyerswerda gesehen. 

Warum bleiben so verzerrte Rassistenberichte überhaupt hier unkommentiert Stehen. Das die Grüne Stadträtin Sibyll Klotz diese Menschen angreift und bei der rassistischen Hetze GEGEN die Roma Refugees mitmacht statt FÜR sie zu sprechen zeigt einfach nur wie tief die Grünen mit dem Kopf im Arsch des Faschistischen Establishments stecken. Absolut unwählbar diese Partei. Die sollten sich lieber für dir Roma einsetzen, solange sie dazu nicht stellung beziehen sind sie für uns unglaubwürdig. Sagen sie wollen den Refugees vor Lampedusa Helfen und hetzen gegen die Refugees vor ihrer Haustür. Es gibt genügend Beispiele das Roma genau so Erfolg haben und es genau so weit bringen wie alle anderen Menschen auch. Da wären Sido, Drafi Deutscher, Menowin Fröhlich und die allseits besonders bei queeren Menschen beliebte und erfolgreiche Schlagersängerin Marianne Rosenberg um nur einige Roma zu erwähnen. Im Kernforschungszentrum in Genf ist einer der Professoren desen Namen ich atM nicht im Kopf habe übrigens auch ein Roma und der steht selbst Steven Hawking nur in wenig nach. Ich wohne leider in einem Kaff in Schleswig Holstein, aber die berliner Genossen sollten auf jeden Fall hin und ihre Solidarität mit den Menschen ausdrücken und Frau Klotz mal zur Rede stellen ob sie nicht vielleicht in die NPD rüberwechseln möchte. Da kann sie ihre ablehnende Haltung gegenüber Menschen die hilfesuchend zu uns kommen und die unterstützung rassistischer und antiziganistischer Hetze auch viel offener ausleben. Passt besser zu ihnen frau Klotz , ehrlich.

REFUGEES WELCOME, und zwar ALLE !!!!!!!!!!!! Bring your Familys!!!!!!