Bombenexplosion bei Wahlkampfveranstaltung der linken HDP in Diyarbakir

Nach der Explosion

Heute Nachmittag sind in Diyarbakir auf der Wahlveranstaltung der linken HDP zwei Bomben explodiert. Eine internationale Delegation zur Beobachtung der am Sonntag stattfindenden Parlamentswahlen in der Türkei war vor Ort. Es wird derzeit von über 6 Toten und Hunderten Verletzten gesprochen. In zahlreichen Städten in der Bundesrepublik gab es heute Solidaritätskundgebungen.

 

Teilnehmer_innen der Delegation sind heute nachmittag zu der letzten Wahlkampfveranstaltung der HDP vor der Wahl am Sonntag in der Türkei gegangen. Die Stimmung war anfangs sehr ausgelassen. Tausende Menschen strömten gegen 15 Uhr durch die ganze Stadt zu dem Veranstaltungsort, junge Frauen und Männer, Kinder, Jugendliche und alte Leute. Die meisten von ihnen tragen Fahnen, Haarbänder, Schals oder Tücher mit der kurdischen Fahne oder den Symbolen der HDP. Auch einige LGBT-Fahnen sind vertreten. Überall strecken uns Menschen das Victory-Zeichen entgegen und es liegt eine hoffnungsvolle Stimmung in der Luft. Trotz unterschiedlicher Befürchtungen scheint die Veranstaltung friedlich zu verlaufen. Es wird gesungen, getanzt, Sprechchöre gerufen - offiziell heißt es später bis zu 200.000 Menschen hätten sich auf dem Platz und in den Straßen vor der Bühne versammelt. 

 

Anfangs gibt es live- Musik von der Bühne, im Anschluss sprechen unterschiedliche kurdische und türkische Redner_innen über die Notwendigkeit eines friedlichen Zusammenlebens der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Minderheiten in Freiheit. Die Menge applaudiert begeistert. Kurz bevor der Co-Vorsitzende der HDP Selahattin Demirtas reden soll, gibt es die erste Detonation rechts von der Bühne. Die meisten Menschen, die etwas weiter weg stehen, können nicht einordnen, was passiert. Keine zwei Minuten später gibt es ein weitere, stärkere Detonation, die noch weit entfernt zu spüren ist und es steigt Rauch auf. Es werden schwer verletzte Menschen an uns vorbei getragen, mit starken Verbrennungen, die Kleidung zerrissen und blut überströmt. Da kaum Krankenwägen kommen, werden die Verletzten in privaten Autos oder den Wahlkampfautos der HDP abtransportiert. Kurz nach den Explosionen kommt es zudem zum Ausfall des Handynetzes. Die Menschenmenge strömt indes zum Ausgang des abgesperrten Geländes, wo Wasserwerfer und gepanzerte Polizeiautos warten. Dadurch wird die Menge provoziert, es kommt zu Auseinandersetzungen und Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas. Immer wieder fahren Autos mit Verletzten Menschen an uns vorbei. Menschen berichten uns, dass sie neben den Detonationen Menschen ohne Gliedmaßen liegen gesehen hätten.Immer wieder laufen blutende Menschen an uns vorbei.

 

Ein Arzt, der kurzfristig im lokalen Krankenhaus eingesprungen ist um die Verletzten zu versorgen, spricht von 6 Toten und Hunderten Verletzten, viele mit Verbrennungen und einige mit fehlenden Gliedmaßen. Während in den internationalen Medien teilweise noch ein technischer Fehler für die Explosion in Erwägung gezogen wird, zeigen uns Leute hier Filme von der Stelle der Explosion, wo ein zerfetzter Mülleimer zu sehen ist, in dem eine der Sprengsätze versteckt gewesen sein soll. Ein technischer Grund scheint mehr als unwahrscheinlich. Auch der türkische Energieministers Taner Yıldız sagt, es handele sich bei den Detonationen nicht um eine Explosion des Trafos.

 

Wenig später ruft die HDP die Menschen auf, sich vor der Parteizentrale in Diyarbakir erneut zu treffen. Wieder kommen sehr viele Menschen. Die Stimmung ist aufgeheizt, Sprechchöre der kurdischen Bewegung werden gerufen und Erdogan als Mörder angeklagt. Selahattin Demirtas ruft zur Ruhe auf. Die Leute sollen sich nicht provozieren lassen. Aus der Kundgebung entwickelt sich eine Demonstration in Richtung Innenstadt. Als Polizeifahrzeuge durch die Menge fahren, eskaliert die Situation erneut. Wieder kommt es zu Tränengas und Wasserwerfereinsatz; die Auseinandersetzungen dauern noch lange an. Im Fernsehen und über SMS bekommen wir mit, dass Blutkonserven gebraucht werden um die vielen Verletzten behandeln zu können.

 

In mehreren deutschen Städten gab es heute Abend bereits Solidaritätskundgebungen.

 

weitere infos:

http://civaka-azad.org/

https://www.jungewelt.de/2015/06-06/070.php

http://kurdischenachrichten.com/2015/06/explosionen-bei-hdp-wahlkampfver...

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