(bn) Der erste Mai: Demos und Straßenfest

Anarchie

Dieser Text versucht sich an einer politischen Bewertung der Geschehnisse rund um den ersten Mai 2015 in Bonn und soll einen Überblick bieten wie die einzelnen Aktionen verlaufen sind.

Bereits in der Walpurgisnacht hat in der Bonner Altstadt eine autonome Demonstration stattgefunden. An der Demonstration haben sich etwa 40 Personen beteiligt. Die Demonstration startete laut und kraftvoll und bewegt sich zügig durch die Straßen. Am Rande der Demo wurde immer wieder verschiedene Pyrotechnik abgebrannt und der Großteil der TeilnehmerInnen war von Beginn vermummt.

Die Altstadt war gut belebt, da viele zumeist junge Menschen sich in den Kneipen trafen, um in den Mai zu feiern. So haben viele Menschen mitbekommen, dass sich die Demo unter dem Motto „Lets take back our Future!“ formiert hat. Zumeist neugierig schauten PassantInnen der Demo zu.
Von Anfang bis Ende der Demonstration ließen sich die Pigs nicht blicken; so hat es weder während oder nach der Demo keine Personalienfeststellungen oder gar Festnahmen gegeben. Zumindest ist uns dies nicht bekannt.

 

Im Anschluss etwa 15 Minuten nachdem sich die Demo zerstreut hatte, fiel auf, dass einige Streifenwagen im Viertel umher fuhren und scheinbar den Unruheherd suchten. Die Staatsmacht war also nicht in der Lage zu intervenieren und so wird die Demo von uns als Erolg gewertet. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich einige Menschen selbstbestimmt die Stadt als Ort der politischen Auseinandersetzung angeeignet haben, ohne vorher bei den Bütteln des Staates hierzu um Erlaubnis zu bitten.

Am ersten Mai selbst hat das Libertäre Forum zur libertären 1. Mai Demonstration aufgerufen. Ab 14:00 Uhr versammelten sich die TeilnehmerInnen am Kaiserplatz. Um etwa 14:45 Uhr startete dann die eigentliche Auftaktkundgebung mit Redebeiträgen von der ASJ Bonn und vom Infoladen Köln.
Um 15:00 Uhr ist die Demonstration laut General-Anzeiger-Bonn mit etwa 300 TeilnehmrInnen losgezogen. Lautstark ist die Demo am Hauptbahnhof vorbei und anschließend durch die Innenstadt gezogen. Es gab immer wieder vereinzelte Böllerwürfe aus der Demonstration heraus. Insgesamt hat die Demo jedoch keinen Bezug zu Orten hergestellt, an denen sie vorbei gezogen ist. Hier hätte es einige Anknüpfungspunkte für eine militante Praxis gegeben.

 

Am Friedensplatz hat es eine Zwischenkundgebung gegeben auf der die „Kampagne LIZ – Für ein libertäres Zentrum“, FeministInnen und die TierechtsgruppeBonn jeweils ein Rede gehalten haben. Anschließend ging es noch ein bisschen durch die Innenstadt und dann am Bertha-von-Suttner-Platz vorbei in die Altstadt.

 

Dieses Jahr ist die libertäre Demo erstmals am internationalistischen Straßenfest vorbei gezogen. Hier kam es zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen politischen AkteurInnen. So provozierten TeilnehmerInnen aus der libertären Demo antisemitische Ausfälle von TeilnehmerInnen des internationalistischen Festes. Diese reagierten auf das Zeigen von Israelfahnen mit Parolen wie „Intifada bis zum Sieg!“ und Beleidigungen. So zeigte sich, dass Teile des Festes an der Marienschule klar antisemitische Ressentiments vertreten und gar den Mord an JüdInnen gut heißen. An dieser Stelle möchten wir jedoch auch darauf hinweisen, dass dies nicht auf den Großteil des internationalistischen Festes zutrifft. Die meisten Gäste dort schauten der Demonstration eher neugierig und interessiert zu.

 

Besonders antisemitisch sind Teile der „Antikapitalistischen Aktion Bonn“, sowie der selbsternannten „Bonner Jugendbewegung“ aufgefallen. Von den anderen organisierenden Gruppen des Festes an der Marienschule fordern wir eine klare Distanzierung zu solch antisemitischen Vorfällen und eine politische Isolierung von den oben genannten Gruppierungen.

 

Wir würden uns für die Zukunft kontroverse Diskussionen zwischen den verschiedenen Spektren wünschen, dies kann selbstverständlich nur auf der Grundlage einer Negation des Antisemitismus stattfinden. Die Aufforderung des Stadtrates Jürgen Repschläger zum Arzt zu gehen, auf Grund einer „kranken“ Politiksicht nehmen wir als Zumutung wahr, denn nicht das Aufbegehren gegen Antisemitismus ist Wahnsinn, sondern die Verbreitung und Reproduktion antisemitscher Stereotype ist das eigentlich Kranke, wenn man sich denn derartig ausdrücken möchte.

 

In diesem Zusammenhang halten wir es für sinnvoll noch einmal zu betonen, dass wir uns mit der kurdischen Bewegung in Deutschland und Rojava solidarisch verstehen, nicht zuletzt weil in Rojava das Projekt einer ganzheitlichen Emanzipation auf praktischer Ebene versucht wird und die KurdInnen weltweit die Einzigen sind, die dem Terror und Krieg des IS konsequent die Stirn bieten.

Die libertäre Demonstration endete auf dem Frankenbadplatz wo im Anschluss ein anarchistisches Straßenfest stattfand. Dieses war durchgehend gut besucht.

 

Immer wieder gab es von Einzelpersonen und Gruppen Redebeiträge; beispielsweise zu Gewerkschaftsfreiheit und FLTI*Rechten. Die Gruppe Phönix formulierte, wie auch schon in den voran gegangenen Jahren, eine Kritik an der Fetischisierung von Lohnarbeit. Zwischen den Redebeiträgen gab es Livemusik.

 

Der Filmverein „MuM“ war mit einem eigenen Stand auf dem Straßenfest vertreten. Mit kreativer Vermummung hat der Verein dazu eingeladen ein eigenes Statement zum ersten Mai in Bonn abzugeben. Für uns ist es unverständlich, warum der Verein nicht mit einem eigenen Filmteam die Demonstration begleiten durfte. Aus Gründen der Antirepression und für eine zielgerichtete Medienöffentlichkeit halten wir es für sinnvoll Demonstrationen mit eigenen Kameras zu begleiten. Uns ist nicht klar, wieso dies vom LiFo anders gesehen wird. Hierzu würden wir uns über eine kurze Stellungnahme freuen.

 

Für positive Kritik und eigene Geschichtsschreibung finden wir es wichtig auch eigene Medienerzeugnisse vorzuhalten.

 

Irritiert hat uns auch, dass einige aufrufende Gruppen sich leider nicht die Arbeit gemacht haben mit einem aktuellen Aufruf für die Demonstration zu mobilsieren, sondern hier einfach die gleichen Aufrufe wie 2014 genutzt wurden. Selbstverständlich ist am 1. Mai die Thematik jeweils eine ähnliche, aber die gesamtgesellschaftliche und politische Situation verändert sich durchaus innerhalb eines Jahres. Wir würden es begrüßen, wenn die aufrufenden Gruppen sich auf ein Thema einigen würden und sich in der Vorbereitung auf aktuelle Geschehnisse und Debatten beziehen. Nur so kann sich ein wirklich emanzipatorischer Prozess gut entwickeln.

 

Wir möchten im Bezug auf feministische Inhalte anmerken, dass wir prinzipiell solidarisch mit feministischen Themen- und Aktivitätsfeldern sind. Im Diskurs stört uns jedoch eine generelle Abwertung von cis-Männern und die Behauptung, das „Antifaboiz“ und „Manarchists“ wie diese im Aufruf beschrieben, prinzipiell keinen positven Bezug zu Feminismus haben und den Themenkomplex des Sexismus nur als Nebenwiderspruch wahrnehmen. Uns ist nicht klar aus welchen Erfahrungen solche Thesen aufgestellt werden und empfinden diese auch als prinzipiell unsolidarisch anderen Politikfeldern gegenüber. Auch hier würden wir uns über eine Stellungnahme freuen und gerne den Weg in gemeinsame Diskussionen finden.

 

Insgesamt sind wir mit dem Verlauf der beiden Tage jedoch nicht unzufrieden. Wir freuen uns generell darüber, dass rund um den ersten Mai in Bonn politische Aktivität stattfindet, Menschen sich vernetzen und zusammen kommen.

Einige Autonome im Mai 2015

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Danke für den (interessanten) Bericht.

"Uns ist nicht klar aus welchen Erfahrungen solche Thesen aufgestellt werden (...)"

Word.

aha der einzige sinn von diesen dämlichen israel-fahnen ist also andere zu provozieren. schön, dass das endlich mal so offen ausgesprochen wird.

 

nationalismus raus aus den köpfen!

Naja, also Provokation triffts immer noch eher als Nationalismus, aber letztlich nicht der eigentliche Grund sondern höchstens ein (gern gesehener?) Nebeneffekt. Es geht diesen Leuten um Solidarität (!) mit dem Staat (!) Israel als Schutzraum für Jüdinnen_Juden in einer Welt deren gesellschaftlichen Verhältnisse (einen zum Teil eliminatorischen) Antisemitismus (re-)produzieren. Mit Nationalismus hat das nichts zu tun, den sie propagieren keine(n) irgenwie israelische(n) Nation(alismus), sondern halten den Staat (!) Israel  in den gegenwärtigen (!) gesellschaftlichen Verhältnissen für ein mehr oder weniger notwendiges übel.  Verdammt, warum sind so viele Linke zu dumm sich endlich mal mit Begriffen (bzw. deren Inhalt) wie Staat, Nation und Nationalismus auseinanderzusetzen? Ist im übrigen auch eine Grundvorraussetzung nicht nur wenn man Staat, Nation und Nationalismus, sondern auch wenn man Antideutsche korrekt kritisieren will, bzw. generell, wenn man eine adequate Analyse und Kritik der bestehenden Gesellschaft zustande bringen will, jenseits platter Parolen

"ein mehr oder weniger notwendiges übel":

Diese Message lässt sich durch das Verwenden der Flagge aber nicht transportieren. Wer behauptet, die "gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse" zu bedenken, dem/der/denen sollte klar sein, dass Menschen mit Flaggen als Fans wahrgenommen werden.

 

"zu dumm", "eine Grundvorraussetzung", "korrekt kritisieren", "jenseits platter Parolen":

Das liest sich ja ganz schön elitär.

Einige Menschen waren mehr als empört darüber, dass bei einer libertären Demo, die sich explizit gegen staatliche und regional begründete Identität richtete Israel-Flaggen geschwenkt wurden.

 

Dass die Leute mit der Flagge direkt und vor Ort darauf angesprochen wurden und nicht reagierten war schlichtweg ignorant.


Das dieses auch ganz speziell an dem Punkt getan wurde an dem ein anderes Straßenfest flankiert wurde spricht sehr deutlich dafür, dass es als Provokation gedacht war.

Mit ein paar weniger besonnen agierenden Teilnehmer*Innen auf beiden Versammlungen hätte dieser Moment durchaus auf eine völlig unnötige Eskalation der Lage hinaus laufen können.

Solidarität mit denen, die diesen Konflikt endlich gemeinsam überwinden wollen und sich nicht an Symbolen festhalten, die mit Krieg und Elend assoziiert werden.

 

Antinationale Solidarität.

Parolen wie  „Intifada bis zum Sieg!“ein antisemitische Ressentiments ist ??

 

For social justice, not Israel, should be the Jewish way to vote

 

http://jfjfp.com/?p=71358

"eine generelle Abwertung von cis-Männern"

wo hat die denn bitte stattgefunden? habe nichts derartiges mitbekommen

 

"Uns ist nicht klar aus welchen Erfahrungen solche Thesen aufgestellt werden"

schön für euch, das ihr solche erfahrungen noch nicht machen musstet, das privileg haben leider nicht alle.

Na herzlichen Glückwunsch, einen Haufen Rumgestänker habt ihr zusammenbekommen. Der Satz "Wir würden uns für die Zukunft kontroverse Diskussionen zwischen den verschiedenen Spektren wünschen [...]" passt so überhaupt nicht in den Rest vom Artikel. Mehr Selbstreflexion, weniger Überheblichkeit, dann klappts auch mit dem*der politischen Nachbarn*Nachbarin.

 

Das heißt übrigens nicht, dass ich eure Kritik(en) ungerechtfertigt finde. Aber der Ton macht die Musik. Wollt ihr einen konstruktiven Diskurs zustande bringen oder euch nur mit anderen Linken die Köpfe einhauen?

 

Ihr habt ne Stadt, wo 300 Leute zu ner libertären Demo kommen, macht was draus!