Gentrifizierung auf Ugandisch

Mbale, Ostuganda: “regain the glory” mit Bulldozern

Hat man die Gelegenheit, ans andere Ende der Welt zu reisen, frappieren manchmal gar nicht so sehr die viel zitierten Unterschiede, sondern genau jene Dinge, die einem so bekannt vorkommen.

 

Und jene Ähnlichkeiten, die man überhaupt nicht erwartet hat, fallen am meisten auf. Die sozioökonomischen und politischen Probleme ost- und zentralafrikanischer Länder sind mannigfaltig – an klassische Gentrifizierungsprogramme denkt man nicht zuerst, wenn man in die Region fährt.

 

Doch genau das passiert derzeit in Uganda. Ende Februar in der ostguandischen Stadt Mbale. An einer Straßenecke hat sich eine Menge von etwa zwei Dutzend Menschen versammelt, die interessiert das Geschehen auf der anderen Straßenseite beobachten. Ein Bagger hat gerade den Rückwärtsgang eingelegt, um ein weiteres Mal gegen einen provisorischen Vorbau eines Gebäudes zu donnern. Am Boden liegen Holz- und Blechteile, die der Bagger bereits abgeräumt hat. Die ZuseherInnen sind spürbar empört, auch wenn kaum jemand etwas sagt. Ein etwa 40jähriger Mann steht kopfschüttelnd neben mir. Davon ausgehend, dass ich nicht weiß was los ist, erklärt er mir, dass die Behörden illegale Anbauten und Gebäude zerstören. Die Aktion war bereits in den Tageszeitungen angekündigt worden, deshalb bin ich bereits informiert. Mit Blick auf die versammelte Menge meint mein Gesprächspartner: „They are angry, they are not happy about this.“

 

Der Unmut rührt daher, dass nicht ganz klar ist, was es mit den Zerstörungen auf sich hat und die ganze Aktion stark nach Korruption riecht. Die Stadtverwaltung von Mbale hat vor allem kleine Geschäftstreibende im Visier, die ihre Verkaufsflächen durch Vordächer erweitert haben oder kleine Zubauten als Lagerräume errichtet haben. Aber auch illegale Verkaufsstände und Kioske werden weggeräumt. Die Tageszeitung Daily Monitor zitiert einen „businessman“, der erzählt, dass Beamte illegal Grundstücke verkauft oder gegen Geld nichts gegen deren Nutzung unternommen haben – und dieselben Beamte koordinieren nun den Abriss der auf diesen Grundstücken errichteten Bauten. Offizielle Begründung für die Aktion: der ehemalige Ruf Mbales, eine saubere und ordentliche Stadt zu sein soll wieder hergestellt werden. „To regain the glory of Mbale“, lautet der offizielle Spruch der Stadtverwaltung für das Programm. Der Satz prangt sogar auf den Uniformen der Arbeiter, die die Abrisse durchführen.

 

Einige Tage später beginnt eine ähnliche Aktion in Kabalagala, dem Vergnüngungsviertel der ugandischen Hauptstadt Kampala. Dort reiht sich ein Lokal neben das andere, dazwischen Straßenstände, Buden, Grills. Viele davon waren ebenfalls ohne Genehmigung aufgestellt worden. Die Arbeitslosigkeit insbesondere von Jugendlichen in Uganda ist hoch, und Ess- oder Trinkbares auf der Straße zu verkaufen ist für viele Menschen die einzige Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen. Dass es mal wieder jene trifft, die versuchen irgendwie durchzukommen, empört die Menschen.

 

Die meisten der Schaulustigen in Mbale dürften nicht unmittelbar von den Räumungen betroffen sein, doch die Willkür der Behörden bei deren gleichzeitiger Unfähigkeit, die tatsächlichen sozialen Probleme anzupacken, löst bei den Leuten Unverständnis aus. Ein paar Polizisten beobachten angespannt die Situation. Doch obwohl viele den Caterpillar stundenlang beobachten und auf seinem Zerstörungsweg begleiten, versucht niemand etwa, das Ganze zu stoppen. Dafür fehlt dann doch die direkte persönliche Betroffenheit. Eine Frau geht murmelnd und kopfschüttelnd an uns vorbei. Dann blickt mich mein neue Bekannter an und fragt mich, woher ich eigentlich komme. „Austria“, antworte ich. „Ah“, sagt er erfreut: „Vienna, right? Red Bull Salzburg!“ Und schon haben wir ein neues Gesprächsthema.

 

- Von Karl Schmal / Fotos: Lower Class Magazine

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