[Thiazi-Prozess] 7. Verhandlungstag

Thiazi-Pressegruppe

Der siebte Verhandlungstag im «Thiazi-Prozess» am Dienstag, den 17. Februar 2015, startet verspätet um 13 Uhr. Mit der zeitlichen Verlegung soll den Angeklagten die Möglichkeit eingeräumt werden, sich mit ihren Verteidiger_innen auf die bevorstehende Aussagen in der Einlassung abzustimmen. Richter Goebels eröffnet die Verhandlung mit den Worten: „Nach dem Wirrwarr der letzten Male wollen wir heute ein bisschen Struktur reinbekommen.“ Er bezieht sich damit auf die zum Teil inkonsistenten Aussagen Wagners und die inhalts- und strukturlosen Ausführungen, die Stetefeld und Schuster in ihrer Einlassungen am 27. und 28. Januar 2015 getätigt haben.

 

 Einlassung Stetefeld: „Ich bekämpfe heute das, was ich früher aufgebaut habe“

 

Stetefelds Rechtsanwalt Zuberbier beginnt mit dem Verlesen der verschriftlichten Einlassung seines Mandanten. Stetefeld äußerst sich zunächst ähnlich, wie es bereits getan hat, zu seinen Beweggründen, die ihn veranlassten, Verantwortung im «Thiazi-Forum» zu übernehmen. Durch eine Google-Suche nach rechter Musik sei er auf das Forum gestoßen. Um Beiträge verfassen zu können, hätte er sich direkt angemeldet. Er gibt nachfolgend u.a. an, dass er während seiner Ausbildung zum Biotechniker nur über wenig Bafög verfügte und somit versucht habe, über viel Aktivität im Forum einen Posten als Bereichsbetreuer zu erhalten, um somit kostenlos an die im Forum hinterlegten Musik-Inhalte zu gelangen, zu denen sonst nur Fördermitglieder Zugang gehabt hätten, die an das «Thiazi-Forum» spendeten.

Stetefeld gibt an, dass er seiner Schätzung nach für mehr als 1.000 Beiträge und Inhalte verantwortlich gewesen sei, die im «Thiazi-Forum» publiziert worden sind, hauptsächlich im Bereich Banddiskografien. Immer wieder sei er auf den Begriff „indizierte Musik“ gestoßen, womit er zunächst nichts anfangen konnte. Er habe sich dann dazu belesen und sich entschlossen, die Indexliste abzubilden. Damals sei er zunächst noch davon ausgegangen, dass indizierte Musik nicht generell verboten sei, sondern nur nicht verbreitet werden dürfe. Die Veröffentlichung hätte er damals als „Akt gegen die staatliche Zensur“ gesehen. Im Zuge seiner weiteren Beschäftigung sei ihm dann aber durchaus bewusst gewesen, dass Titel auf der Indexliste verboten seien und volksverhetzende Inhalte aufwiesen; er ist sich ebenfalls sicher, dass auch alle anderen Beteiligten dies wussten. Wiederholt bezieht er sich auf die angebliche Unwissenheit der anderen Angeklagten: Selbstverständlich wussten alle von den strafbaren Äußerungen und Handlungen im Forum und seiner Meinung nach wäre es auch wesentliches Ziel des «Thiazi-Forums» gewesen, dies zu ermöglichen. Die Umstrukturierung der Belegschaft nach diversen Outings der Antifa auf anonymisierte Benutzernamen sollte nach Stetefeld die Fortführung von «Thiazi» gewährleisten.

Im letzten Teil seiner Einlassung schildert Stetefeld eine Reflektion seiner Tätigkeit innerhalb der extrem rechten Szene und sein Engagement als Betreuer im «Thiazi-Forum». Seine damalige Tätigkeit sei ihm heute „zutiefst zuwider“, er könne es leider nicht mehr ungeschehen machen, er arbeite daran, seinen Lebensstil zu ändern und würde in verschiedenen Projekten, so beispielsweise in der Arbeit mit Geflüchteten, mitwirken. Weiter heißt es u.a.: „Ich möchte glaubhaft meine Abkehr zur rechten Szene zeigen – heute bekämpfe ich das, was ich früher aufgebaut habe.“ Ob Stetefelds Abkehr von der extrem rechten Szene auf die drohende Strafverfolgung zurückzuführen ist oder ob tatsächlich ein Umdenkprozess eingesetzt hat, lässt sich nach derzeitigem Stand noch nicht abschätzen.

 Einlassung Wagner: „Ich konnte mich nicht vom Forum trennen, das ist so wie all die Gegenstände in meinem Katzenkeller“

 

Die Einlassung Wagners fällt im Folgenden wesentlich kürzer aus. Ihr Rechtsanwalt Melsheimer begründet dies damit, dass sie sich bereits bei den letzten Verhandlungstagen umfassend geäußert habe.

Wagner leitet ihre Ausführungen mit den Worten ein, sie hätte sich nach dem letzten Mal noch einmal „vertieft Gedanken“ über die Hintergründe ihrer Tat gemacht, die folgende Einlassung lässt das jedoch nicht erkennen. Sie gibt lediglich an, dass sie der Anklage Recht gibt und dass „man manchmal erst von außen darauf aufmerksam gemacht werden muss, dass man etwas Falsches tut“. Damals hätte sie das nicht erkannt. Hätte man ihr die Vorwürfe allerdings schon eher vorgehalten, hätte sie das wahrscheinlich auch schon früher verstanden und damit aufgehört. Wagner gibt ebenfalls zu, dass das «Thiazi-Forum» den wesentlichen Zweck verfolgte, strafbare Handlungen zu ermöglichen. Von dem Forum mit all den technischen Aspekten hätte sie sich trotzdem einfach nicht trennen können; das könne man auch den „armen BKA-Beamten mit der Katzenhaarallergie“ fragen, der ihren zugestellten „Katzenkeller“ durchsuchen musste. Wagners Einlassung bleibt äußerst dünn. Kurz verweist sie noch darauf, dass sie sich durchaus einsichtig zeige, da sie dem BKA die Verschlüsselungsdaten ja nicht hätte geben müssen, sich damit aber kooperativ gezeigt habe, und dass sie sich bereits 2003 privat von der rechten Szene getrennt habe und heute keine Kontakte mehr hätte.

 Einlassung Schuster: „Aussagen wie „hängende Neger“ sind in der Szene normal und alltäglich gewesen.“


Ein wenig umfangreicher fällt Schusters Einlassung aus, die von seinem Rechtsanwalt Schroth vorgetragen wird. Der erste Teil widmet sich Schusters Einstig in die extrem rechte Szene. Als Grund hierfür führt er unter anderem an, er habe „Stress mit Ausländern“ gehabt, unter Androhung von Gewalt seien ihm an der Bushaltestelle beispielsweise mal Zigaretten abgenommen worden. Durch weitere Konflikte mit Migrant_innen habe sich bei ihm und seinen Freunden dann Frust und Hass gegen diese entwickelt.

Auch Schuster sei durch eine Google-Suche zunächst auf «Skadi.net» gestoßen. Er hätte er schon immer Interesse an Nazimusik gehabt und hätte sich schnell beim «Thiazi»-Vorläufer eingebracht, indem er im Musikbereich Songtexte einstellte, die er aus Booklets abtippte oder vom Zuhören mitschrieb. Im Forum hätte er dafür Anerkennung bekommen, was er sehr genoss. Dass diese Anerkennung dabei lediglich in Form virtueller Danksagungen, bei «Skadi.net» „Renommeepunkte“ genannt, stattfand, scheint Schuster trotzdem stolz gemacht zu haben.

Er erkannte auch das Potential von Nazimusik für die Nachwuchsköderung: Eines seiner Ziele sei es gewesen, Menschen über die Musik für die extrem rechte Szene zu begeistern. Dass die Inhalte einiger Songs strafbar waren, sei ihm bewusst gewesen, er hätte sich darüber aber keine Gedanken gemacht, da der Server in den USA stand und Äußerungen wie „hängende Neger“ usw. in der Szene normal und alltäglich gewesen seien.

Er gibt an, dass er bereits im Jahre 2008 den Versuch unternommen hätte, sich vom «Thiazi-Forum» und der extrem rechten Szene zu lösen. Er habe keine „Lust und Nerven“ mehr gehabt, vor allem weil er sich in der Karlsruher Naziszene mit Anfeindungen aus den eigenen Reihen konfrontiert sah, weil er, seinen Ausführungen zufolge, zu kritisch war und Sachen hinterfragt hat; er wäre „nicht rechts genug“ gewesen und wäre u.a. aufgrund seiner Behinderung angegangen worden.

Mit einem perfiden stolzen Beigeschmack gibt Schuster zu, dass er eine „gewichtige Rolle“ im «Thiazi-Forum» vertrat. Er ist sich heute bewusst, ein Teil einer kriminellen Vereinigung gewesen zu sein; das sei aber nicht sein Ziel und ihm damals auch nicht bewusst gewesen.

 

Der Prozesstag endet mit mit zwei Beweisanträgen von Stetefelds Rechtsanwalt Zuberbier.

  • Antrag auf Abspielen eines MDR-Trailers
    Rechtsanwalt Zuberbier beantragt, dass in einer der nächsten Verhandlungstage, ein dreiminütiger MDR-Trailer abgespielt wird, der den „ernsthaften Ausstiegswillen“ Stetefelds kurz nach der Freilassung zeigen soll.
  • Vorladung eines Zeugen
    Rechtsanwalt Zuberbier beantragt, einen Mitarbeiter vom Aktionsplan Saalekreis (Lokaler Aktionsplan für Demokratie und Toleranz, LAP) als Zeugen zu befragen. Dieser könnte u.a. Stetefelds „unmissverständliche Distanzierung“, sein Engagement, die Authenzität seiner Veränderung sowie die Anfeindungen, denen sich sein Mandant aus der rechten Szene ausgesetzt sieht, bezeugen.

So endet der siebte Verhandlungstag im «Thiazi-Prozess». Viele neue Erkenntnisse bringt er nicht, was jedoch aufgrund der maximal einstündigen Prozessdauer auch eher schwierig umzusetzen gewesen sein dürfte. Die Verhandlung ist aufgrund der zeitlichen Verschiebung in den Nachmittag hinein, der Unterbrechungen und den Kopierpausen in die Länge gezogen worden. Der für den Folgetag angesetzte Prozesstermin wird aufgehoben. Richter Goebels möchte die nächsten zwei Verhandlungstage am 24. und 25. Februar 2015 mit der Beweisaufnahme starten. Als Zeuge wird Kriminaloberkommissar Wagner vom BKA vorgeladen. Es ist anzunehmen, dass sich Ruthenberg, der als einziger der vier Angeklagten keine Einlassung getätigt hat, in der Beweisaufnahme speziell verantworten muss.

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1. Verhandlungstag, 28. November 2014

2. Verhandlungstag, 18. Dezember 2014

3. und 4. Verhandlungstag, 7. und 8. Januar 2015

5. und 6. Verhandlungstag, 27. und 28. Januar 2015

7. Verhandlungstag, 17. Februar 2015

Für die außerordentliche Mühe und die dieses Mal sehr zeitnahe Veröffentlichung des Inhaltes vom 7. Verhandlungstag. Ihr seid dazu die einzige ausführliche Quelle ! Danke, dass ihr euch diese Arbeit macht !!

Der Danksagung schließe ich mich an. Hat mich auch sehr gefreut, dass es dieses Mal so zeitnah war.

Mir würde die Zeit einfach zu leid tun, am Ende über 30 Tage zu vergeuden, um diesen blöden Nazischeiß zu verfolgen. Wichtig ist nur was am Ende an Strafe rauskommt aber nicht jedes Husten im Saal.  Nur die Urteile interessieren mich wirklich.

solche Gerichtsverhandlungen wurden viel zu lange viel zu nachlässig behandelt.

Man kann darüber Einblicke in Strukturen und Verbindungen bekommen, die man sonst so nie bekommen würde.

Das ist alles andere als vergeudete Zeit.

Einen Riesen Dank auch von mir an die Leute, die sich die Mühe machen.

find die prozessbeichte immer sehr interessant, danke für eure mühe!

 

gibts eigentlich noch bessere bilder von stetefeld und wagner?