[Marokko] Razzien, Gewalt und Abschiebungen an der EU-Außengrenze: Marokko räumt die Wald-Camps um Melilla

No Border. No Nation. Stop Deportation.

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In den letzten Tagen hat der marrokanische Staat - finanziert von der EU - eine großangelegte Räumungsaktion in den Wäldern um Nador (Grenzstadt zur spanischen Enklave Melilla) durchgeführt. Wir möchten dem allgemeinen Schweigen in der deutschsprachigen Presse etwas entgegensetzen und rufen zu Solidarität auf! 

 

In den frühen Morgenstunden des 10. Februar hat die Polizei die Wald-Camps in Gurugu gestürmt, welche in den letzten Jahren die Basis für die Attacken auf den Zaun von Melilla waren. Mehr als 1000 Leute aller Nationalitäten wurden festgenommen, die Camps zerstört und niedergebrannt. Das Gleiche wiederholte sich wenige Tage später am 13. Februar in den Wäldern in der Umgebung von Nador, von wo aus sich viele Migrant*Innen (auch viele Frauen und Kinder) mit dem Boot auf den Weg nach Spanien machen. Diesmal wurden 200 Menschen festgenommen, die anderen waren vorgewarnt und hatten sich versteckt. Die Migrant*Innen wurden in ein Auffanglager in der Nähe von Nador gebracht, und von dort mit Bussen in Zentren in Südmarokko gebracht. Seit Tagen sitzen die Verhafteten nun in improvisierten Unterkünften fest, die Haftbedingungen sind hart, die Rechte der Gefangenen werden mit Füßen getreten: Unter den Verhafteten sind Minderjährige und Menschen mit Aufenthaltstitel, sie sitzen tagelang fest ohne den Haftgrund oder das weitere Vorgehen zu erfahren. Hinter den Kulissen laufen Verhandlungen mit den Botschaften ihrer Herkunftsländer ab, diese sollen die anstehenden Abschiebungen akzeptieren. Bisher haben sich Mali und Senegal dazu bereit erklärt, Kamerun verweigert. Mauretanien hat gestern an der Grenze zwei Bussen die Durchfahrt verwehrt. Vieles erinnert an die desaströsen Massenabschiebungen von hunderten Migrant*Innen in die Wüste Nähe der algerianischen Grenze in 2005.

 

Auch für die Hinterbliebenen ist die Situation extrem hart: Die Camps sind zerstört, das wenige Hab und Gut was die Migrant*Innen normalerweise zumindest ein wenig vor Wind und Wetter schützt, ist verbrannt. Viele schlafen in den Büschen, aus Angst doch noch der Polizei in die Hände zu fallen. Es regiert Furcht und Misstrauen, Migrant*Innen werden rassistisch beschimpft und teils auch von der lokalen Bevölkerung ausgespäht und verraten. Unklar ist weiterhin, ob Marokko ernsthaft versucht, alle Sans-Papiers abzuschieben; seit das 2014 Regularisierungsprogramm abgeschlossen ist bestand Angst, dass es jetzt wieder vermehrt zu Abschiebungen kommt. Diese Furcht scheint sich bisher nur für Nador zu bestätigen, in anderen Städten wurden zwar vorübergehend auch Menschen kontrolliert, bedrängt und festgenommen, es finden aber (noch?) keine Razzien in anderen Camps oder Stadtvierteln (wie zum Beispiel Cassiago an der Grenze zur spanischen Enklave Ceuta oder Boukhalef/Tangier) statt.

 

Marokko rechtfertigt diese unmenschliche und vollkommen abstruse Aktionen mit einem Menschenrechtsdiskurs, den sie wohl eins zu eins von Europa abgeschrieben haben. Die Räumung der Camps diene dazu, die Menschen zu "befreien", die sich in den Händen von Schmugglern und Menschenhändlern befinden. Damit werden genau die Bilder reproduziert, die uns auch von den europäischen Regierungen und Medien eingetrichtert werden: Die Menschen, die in den marokkanischen Wäldern leben seien eine Bedrohung; Dschihadismus, Ebola oder Mafia, die Gründe sind austauschbar, der Rassismus ist der gleiche.

 

Solch klare Worte sind beim marokkanischen Staat allerdings extrem unbeliebt. Den kritischen Medien und Menschenrechtsorganisationen werden Informationen und der Zugang zu den Camps verweigert, der AMDH (Association Marocaine des Droits Humains) wurde gestern in Rabat sogar das Büro durchsucht und zwei Journalist*innen wurden verhaftet. Auch wird Marokko nicht gerne darauf angesprochen, dass sie für die Europäische Union den Wachhund spielt. Für das Terrorisieren von Migrant*Innen und Geflüchteten wird Marokko großzügig von der EU und von Spanien entlohnt.

 

Deshalb liegt es an uns, Verantwortung für das zu übernehmen, was sich an den Außengrenzen Europas abspielt. Macht mobil gegen die zunehmende Abschottung Europas!

 

SOLIDARITÄT MIT DEN MIGRANTEN IN NORDMAROKKO!

STOP THE WAR AGAINST MIGRANTS!

FREEDOM OF MOVEMENT! NO BORDERS!

 

Weitere Infos auf beatingborders.wordpress.com sowie twitter (@NoBordersMaroc)

BITTE VERBREITET UNSEREN SPENDENAUFRUF FÜR SOLI MIT DEN BETROFFENEN: https://beatingborders.wordpress.com/2015/02/11/call-out-for-support-after-massive-police-raids-and-deportations-in-gurugu/

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Dieser Artikel wurde von no-racism.net übernommen und in der Artikelsammlung zum Thema :: grenzregime marokko (http://no-racism.net/thema/115) veröffentlicht. Dort finden sich Berichte und Hintergrundinfromationen aus den vergangenen 10 Jahren.

 

Ein Hintergrundartikel vom September 2013 :: Über die Grenzen - wo Afrika und die EU nur Zäune trennen. Immer wieder schaffen es einzelne Leute oder ganze Gruppen gemeinsam über die mörderischen Grenzanlagen zu überwinden, begleitet von systematischer Gewalt auf beiden Seiten des Zaunes.

 

Folgendes Aussage ist einige Jahre alt, sie ist aber nach wie vor zutreffend. Anstatt dass sich die Situation der Migrant_innen verbessern würde, werden ihre Rechte mehr und mehr mit Füßen getreten:

 

"Wir schwarzen Flüchtlinge sehen uns auch einem sozialen und institutionellen Rassismus gegenüber, welchen wir bisher noch in keinem anderen Land erlebt haben. So können Sie verstehen, dass das Maß der Gewalt, welches wir in Marokko erleiden und wo wir schlimmer als Verbrecher_innen behandelt werden, uns dazu veranlasst, unser Leben zu riskieren, um in ein anderes Land zu gelangen, in welchem die Genfer Konvention respektiert wird. Ich hoffe nur, dass dieses mal kein Flüchtling sterben musste und wenn doch, dass sein Tod wenigstens dazu dient, dass die europäischen und internationalen Behörden uns zuhören." (:: Ein Flüchtling von der Elfenbeinküste)