Interview: Antikapitalistisches Bündnis in Griechenland

ANTARSYA

Das antikapitalistische Bündnis ANTARSYA in Griechenland tritt dafür ein, dass Lohnabhängige für ihre Forderungen kämpfen. Ein Gespräch mit Lefteris Arabatzis, der in Berlin lebt und Mitglied von ANTARSYA ist. Bei den Parlamentswahlen erhielt das Bündnis 0,64 Prozent der Stimmen.

 

Bei den Wahlen in Griechenland bekam die Linkspartei SYRIZA 36 Prozent der Stimmen – links von ihr stehende Kräfte wie KKE und ANTARSYA blieben marginal. Wie bewertest du die Ergebnisse?

 

Alle linken Parteien zusammen bekamen 42,5 Prozent der Stimmen im ganzen Land, in manchen ArbeiterInnenbezirken der großen Städte sogar mehr als die Hälfte. Dieser Erfolg ist ein Ergebnisse der Kämpfe der letzten fünf Jahre.

 

Im Jahr 2009 holten die zwei großen Parteien, die konservative Nea Dimokratia und die sozialdemokratische PASOK, zusammen 77 Prozent der Stimmen – jetzt kamen sie nur auf32 Prozent. Die große Angst der herrschenden Klasse ist, dass dieser Linksruck weitergehen wird, dass die Hoffnungen der ArbeiterInnen zu offenem Klassenkampf führen können.

 

Welche Hoffnung auf offenen Klassenkampf verheißen die ersten Tage der neuen Regierung?

 

Schon in den ersten Tagen erlebten wir große Widersprüche zwischen den Hoffnungen der Massen und den Kompromissen der SYRIZA-Führung. Die erste Enttäuschung war die Koalition mit der rechten, nationalistischen und rassistischen Partei der "Unabhängigen Griechen" (Anel). Dafür gibt es keine Entschuldigung. SYRIZA wollte sehr schnell eine Regierung bilden, um in den Märkten die Angst vor Instabilität zu verrringern.

 

Bereits im Jahr 2012 hat SYRIZA sehr viele ihrer radikalen Forderungen aufgegeben, und jetzt in der Koalition noch mehr. Es hieß, sie würde die Privatisierung des Hafens von Piräus stoppen. Doch dann hat sich Wirtschaftsminister Varoufakis in einem Interview damit einverstanden erklärt. Es hieß, dass alle in den letzten Jahren entlassenen Staatsbediensteten wieder eingestellt werden würden. Jetzt ist nur noch von 3.500 die Rede, und ohne Lohnerhöhung im Jahr 2015. Genauso hat sich der Ordnungsminister Panousis gegen den Abriss des Zaunes an der Grenze ausgesprochen.

 

Wie erklären Sie sich diese Haltung der Regierung?

 

SYRIZA hat die Illusion, dass man mit Institutionen wie der Europäischen Union oder der Europäischen Zentralbank verhandeln kann, dass man sie sogar verändern kann. Doch kann die EU links werden? Tsipras erklärt seit langem, dass er gegen "einseitige Maßnahmen" ist. Das ist ungefähr so, als würde eine Gewerkschaft in Verhandlungen gehen und von vornherein sagen, dass sie nicht streiken wird.

 

Welche Haltung nimmt das Bündnis ANTARSYA dazu ein?

 

Ich habe SYRIZA in der Vergangenheit kritisiert und werde es weiterhin tun. Aber unsere Aufgabe ist es nicht, diese Partei zu denunzieren, sondern eine linke ArbeiterInnenopposition auf der Straße aufzubauen.

 

Dafür gibt es Ansätze: Am 11. Februar rufen die ArbeiterInnen des geschlossenen Fernsehsenders ERT zu einer Großdemonstration auf, damit sie sofort an ihre Arbeit zurückkehren können. Und diese Woche hält die Gewerkschaft der staatlichen Angestellten einen Kongress ab, um ihre Aktionen zu planen. Schon jetzt besuchen Delegationen die MinisterInnen, um sie unter Druck zu setzen.

 

Die ArbeiterInnenklasse Griechenlands hat in den letzten fünf Jahren vier Regierungen gestürzt. Sie kann auch die Sparpolitik der EU stoppen. Wir sagen den ArbeiterInnen: "Wartet nicht auf die MinisterInnen! Kämpfen wir selbst mit Streiks und Betriebsbesetzungen!" In nächster Zeit werden wir Aufstände der Basis erleben, denn in Krisenzeiten kann es keine Kompromisse zwischen Arbeit und Kapital geben.

 

Wie wollt ihr das verwirklichen?

 

Die wichtigste Forderung ist "Wir zahlen nicht!" Die Schulden müssen sofort und komplett gestrichen werden. Das war übrigens auch die Forderung des linken Flügels von SYRIZA bis 2012. Dazu brauchen wir den Austritt aus dem Euro und der EU, denn diese Institution wird immer auf Seite der KapitalistInnen sein. Wir brauchen die Verstaatlichung der Banken und Großkonzerne, um Kapitalflucht zu stoppen – und das kann nur mit wirklicher ArbeiterInnenkontrolle umgesetzt werden. Das sind die Voraussetzungen dafür, dass wir nicht die Krise bezahlen.

 

Wir brauchen aber dringend die Solidarität der ArbeiterInnen aus ganz Europa. Jeder Kampf der Beschäftigten hier in Deutschland ist die beste Unterstützung für uns in Griechenland. Die EU, diese Festung Europa, wollen wir zerstören.  Denn unsere gemeinsame Flagge ist nicht blau, sondern rot.

 

Interview: Wladek Flakin, Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO)

 

Eine kürzere Version des Interviews erschien in der jungen Welt am 10.2.

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Druck von der Straße ist jetzt extrem wichtig, damit Syriza nicht zu viele Zugeständnisse macht. Andererseits darf man aber auch nicht der Illusion eines radikalen Bruchs mit dem Kapital verfallen, wie ihn Antarsya oder die KKE anstreben. Denn das Kapital sitzt aktuell (noch) am längeren Hebel und könnte derzeit Griechenland den Nazis preisgeben. Diese Strategie verfolgen Merkel und Schäuble, denn sie wissen, dass ohne den von Syriza angestrebten Kompromiss, Griechenland wirtschaftlich derart am Boden ist, das Syriza scheitern und die extreme Rechte das Ruder übernehmen wird. Für Merkel und die Hardliner des Sparkurses ist das eine ideologische und keine ökonomische Frage.

Also wie bisher die deutschen Medien reagieren wird dies in die Richtung gehen. 
Der Finanzminister wurde ja schon als Antisemit bezeichnet.
Und die Vorschläge Syriza´s sind in vielen Punkten deckungsgleich mit den EURO-Kritikern 2010, welche damals von der Presse als Europafeinde, Nationalisten und Egoisten zerrissen worden.
Fast 5 Jahre später ist all das prophezeite eingetreten. Nach 5 Jahren Leid für griechische Rentner, Arbeitslose,... ist man an dem Punkt angelangt, wo das damals vorgeschlagene umgesetzt werden soll. Nur diesmal von griech. Sozialisten.
Die Presse wird in alle Richtungen gegen Syriza schießen NAZI, Sozialist, Putinfreund, Europafeind.
Bin bin gespannt.
Und ihr solltet Ruhe bewahren und nicht gleich vor der griech. Botschaft demonstrieren, weil in der BILD von Antisemiten oder "Syrizas Politik: Nur eine griechische Interpretation von Nationalsozialismus???" steht ;-) 

Das wäre ohne eine weltweite linke Bewegung auch keine gute Idee.