Rechtsintellektueller Brandstifter

Erstveröffentlicht: 
30.12.2014
Von Samuel Salzborn*
 Der russische Philosoph Aleksandr Dugin ist als Stichwortgeber in rechtsextremen Kreisen stark nachgefragt – gegen den universalen, aufgeklärten, zivilisatorischen Ansatz der westlichen Aufklärung stellt Dugin einen partikularistischen Eurasismus.

 

Aleksandr Dugin ist einer der einflussreichsten Intellektuellen in Russland, seine Bücher werden an den dortigen Militärakademien gelesen, medial ist er dauerpräsent – und er ist ein Shooting Star in der rechten Szene Deutschlands, wieder einmal. Nachdem Dugin schon in den 90er Jahren vor allem in der neurechten Szene rezipiert wurde und intensive Kontakte zu Alain de Benoist, Jean-François Thiriart, Claudio Mutti und Robert Steuckers pflegte, ist er als intellektueller Stichwortgeber heute in extrem rechten Kreisen wieder stark nachgefragt. Die rechtsextreme Zeitschrift „Zuerst!“ (4/2014) interviewte ihn Mitte des Jahres 2014 ausführlich, auch in der „Sezession“ (61/2014) fand sich ein ausführliches Autorenporträt. Ein Buch von Dugin über Geopolitik wird seit geraumer Zeit in rechtsextremen Medien beworben, ist aber bisher nicht lieferbar.

 

Aber: Was will Dugin? Dugins Anspruch ist es, eine „Meta-Ideologie der Feinde der offenen Gesellschaft“ zu formulieren. Er verbindet dabei geopolitische Forderungen mit historischen und mythologischen Grundüberlegungen. Sein Kernanliegen lässt sich als antiliberal, antiwestlich, antiamerikanisch und antisemitisch klassifizieren, in seiner geopolitischen Zielrichtung als antinational, eurasisch, imperial und reichisch, in seiner historischen Grundierung als antiwissenschaftlich und mythologisch, traditionalistisch und christlich-orthodox und in seinem Menschenbild als antiindividualistisch und antipersonal sowie als religiös-kulturell und kollektivistisch. Dugin ist ein erklärter „radikaler Gegner der Verwestlichung, des Liberalismus und des entweihten Lebensstils“, wie er in seinem Buch „Pop-kul’tura i znaki vremeni“ (Popkultur und Zeichen der Zeiten, 2005) schreibt.

 

Drei Achsen als „geopolitische Zukunft Russlands“


Der Dreh- und Angelpunkt in Dugins Denken ist die Ablehnung des Universalismus, den er als „Mondialismus” begreift und der für ihn vor allem durch die Juden und durch Amerika repräsentiert wird. Gegen den universalen, aufgeklärten, zivilisatorischen Ansatz der westlichen Aufklärung stellt Dugin einen partikularistischen Eurasismus. Von Moskau ausgehend sieht Dugin drei Achsen als „geopolitische Zukunft Russlands“, die für den eurasischen Block bei einer „Neuverteilung der Welt“ strategisch von grundsätzlicher Bedeutung seien: die westliche Achse Moskau-Berlin, die östliche Achse Moskau-Tokio und die südliche Achse Moskau-Teheran. Dugin denkt dabei in antagonistischen Gegensatzpaaren, deren geopolitisch-mystischer Ausgangspunkt der Gegensatz von Eurasismus und Atlantismus ist, womit Dugin eine Sakralisierung der Geografie vollzieht.

 

Während in Dugins Theorie der Eurasismus für das Element Erde und damit für das Land und den Kontinent steht, steht der Atlantismus für das Element Wasser und damit für die See und die Insel. Hiermit verbunden wird die Entgegensetzung von Tellurokratien und Thalassokratien, die von Rom und Karthago, die von Raum und Zeit, die von Herzland und Weltinsel, die von Held und Händler, die von Kämpfer und Kapitalist und die von Tradition und Moderne wie auch die von traditionaler Religion und Antichrist. In einem seiner wichtigsten Werke mit dem Titel „Osnovy geopolitiki. Geopolitičeskoe buduščee Rossii“ (Grundlagen der Geopolitik. Die geopolitische Zukunft Russlands, 1997) führt Dugin dies folgendermaßen aus: „Das Hauptgesetz der Geopolitik ist die Behauptung des fundamentalen Dualismus, der im geografischen Aufbau des Planeten und in der historischen Typologie der Zivilisationen wiedergespiegelt ist. Dieser Dualismus äußert sich in der Antithese von ‚Tellurokratie‘ (Land-Mächte) und ‚Thalassokratie‘ (Meeres-Mächte).“

 

Der Westen als Ort der Dekadenz und Täuschung


Zentral an den dualistischen Gegensatzpaaren ist, dass sie Eigenschaften symbolisieren, also mit der Erde und damit der Tellurokratie, sprich: Russland, eben stabile Ordnungen in dauerhaft sesshaften Kontexten bei ausgeprägter Hierarchie verbunden werden, mit dem Wasser und damit der Thalassokratie, sprich: Amerika, hingegen bewegliche und weiche (Un-)Ordnungen, geprägt von nomadischen Wanderungen und demokratischer Partizipation. Außerdem assoziiert Dugin mit den dualistischen Antagonismen auch Himmelsrichtungen, die prägend sind für seine geopolitische Aufteilung der Welt in einen Kampf von Osten und Norden auf der einen gegen Westen und Süden auf der anderen Seite.

 

In Dugins spiritueller Weltdurchdringung stehen sich diese beiden Seiten geopolitisch gegenüber, in „Misterii Evrazii“ (Die Mysterien Eurasiens, 1991) betont er die zentrale Bedeutung des geografischen Nordens als heilig und Ursprung von bedeutenden Menschen und Kulturen. In Anlehnung an die griechische Mythologie begreift Dugin den Norden als „Hyperborea“, in der griechischen Mythologie der Ort jenseits des Nördlichen, benannt nach Boreas, dem Gott des (winterlichen) Nordwindes, dem eine intensive Verbindung mit dem Gott des Lichts, Apollo zugeschrieben wurde, und an die Nazi-Ideologie, nach der der Nordpol der Ursprung der „arischen Rasse“ sei. Der Osten ist für Dugin als Ort des Sonnenaufgangs der Ursprung ewiger Weisheit, wohingegen der Westen – in dem bekanntlich die Sonne untergeht – Ort der Dekadenz und Täuschung, kurzum: des Unterganges ist. Im Bild der Sonne bleibend verkörpert der Süden für Dugin demgemäß die Vergänglichkeit.

 

Den gegenwärtigen geopolitischen Zustand sieht Dugin geprägt von Universalismus und Unipolarität, gegen die er Partikularismus und eine „antiglobalistische und antiimperialistische Front“ stellt, in der sich alle „Traditionalisten“ gegen „den Westen und die Globalisierung“ wie gegen „die imperialistische Politik der Vereinigten Staaten“ stellen sollten, da die Globalisierung „seelisch“ das „Reich des Antichristen“ sei, wie er in seinem bislang einzigen deutschsprachig erschienenen Buch „Die Vierte Politische Theorie“ (2013) schreibt. Darin benennt er auch klar und deutlich sein politisches Ziel: „Das amerikanische Imperium gehört vernichtet.“ Dass er damit zu einem intellektuellen Kronzeugen für die deutsche Rechte wird, wundert kaum.

 

* Prof. Dr. Samuel Salzborn ist Professor für Grundlagen der Sozialwissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen Hinweis: Eine ausführlichere Analyse der Theorien von Dugin erscheint demnächst im „Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung“ 2014/2015 (Brühl 2015).

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Ja, schon richtig...Alexandr Dugin ist ein mit esoterisch-völkischem Vokabular vollgestopfter russischer "Gelehrter", der eine 'eurasische` Welterneuerung mit Russland als Zentrum propagiert - Putin soll ja ganz begeistert von ihm sein, die deutschen Rechtsradikalen mögen ihn, weil er so schön mythologisch von der kommenden epochalen Zeitenwende raunt.  Der Herr Professor Salzborn disqualifiziert sich aber als Kritiker des neurechten russischen Mystikers, wenn er ihn ausschließlich aus der Perspektive des westlich - aufgeklärten, zivilisatorischen, liberalen, demokratisch- individualistischen Sichtweise angreift. Der "Atlantismus" von Salzborn, d.h. die Unfähigkeit, sich die Entwicklungsfähigkeit der Welt  außerhalb des Rahmens westlich-kapitalistischer Modelle überhaupt vorstellen zu können, kann dem Mystizismus dieses russischen "Eurasiers" nichts entgegensetzen. Der Mann ist nach Salzborns Kritik "antiliberal" - sollten wir also der FDP beitreten? Dugin ist "antiamerikanisch" - sollten wir also die Kritik an der Kriegstreiberei der NATO lieber sein lassen? Dugin wird als "antinational" klassifiziert- sollten wir also zunächst einmal wieder lernen, Deutschland zu lieben? Der Mann wird als "kollektivistisch" kritisiert - sollten wir also lernen, jeden Versuch gemeinschaftlichen Handelns als protofaschistisch-völkische Zusammenrottung zu denunzieren? Es hilft alles nix: den mythologischen Neokonservatismus unter russischen Intellektuellen mit dem Verweis auf das Ensemble westlicher Werte beizukommen, sollte man der Bundeszentrale für politische Bildung und der Atlantikbrücke überlassen.