Seit 24 Jahren besteht das Autonome Zentrum in Wuppertal an der Gathe. Auch uns ist es gut bekannt von Konzerten oder Veranstaltungen, die dort regelmäßig stattfinden. Nun soll das AZ einem Moschee-Neubau der DITIB weichen. Am 18. Oktober ist eine Demonstration für den Erhalt des AZ Wuppertal an der Gathe geplant. Wir sprachen mit Anna und Ingo aus dem AZ Wuppertal über den aktuellen Stand und die öffentliche Debatte um das AZ.
Anna: Der uns bekannte aktuelle Planungsstand von DITIB und Stadt ist, dass das geplante „Islamische Zentrum“ auch das Gelände des AZ mit einschließt. Die Stadt ist scheinbar scharf auf eine angebliche schicke Eckrand-Bebauung, und die DITIB will offensichtlich einen riesigen Bau realisieren. Wir schätzen, dass die Bauarbeiten etwa 2016 beginnen sollen. Die offizielle Position der Stadt ist, dass das AZ dann weichen müsse, es aber ein Ersatzobjekt geben soll. Bis jetzt wurden uns dazu aber keinerlei Angebote gemacht!
Ingo: Mit unserer Demoankündigung haben wir es tatsächlich ganz gut geschafft, die Debatte um das AZ auf die Tagesordnung in der Stadt zu setzen; außerdem gab es jetzt in der Elberfelder Nordstadt zwei kurzfristige Hausbesetzungen, die zwar nicht direkt etwas mit dem AZ zu tun hatten, aber auch in diesem Zusammenhang für großen Wirbel gesorgt haben.
i Furiosi: Kannst du ganz kurz was zur Geschichte des AZ sagen? Wann ist es entstanden, wie ist die rechtliche Situation heute?
Ingo: Die ersten Initiativen für selbstverwaltete Räume im Tal gab es vor 41 Jahren. Diese entwickelten sich weiter und nahmen immer wieder andere Formen an. 1990 wurde dann das Autonome Zentrum durchgesetzt und existiert nach einem Umzug nun an der Gathe. Das Gebäude, in dem das AZ ist, gehört der Stadt und wird über einen Wohlfahrtsverband (sehr sehr günstig) an uns vermietet; es kann aber mittlerweile halbjährlich gekündigt werden.
i Furiosi: Nun soll das AZ einem Moschee-Neubau weichen. Wie geht ihr damit um, es ist natürlich schwierig sich gegen einen Moschee-Neubau zu positionieren.
Anna: Ja, sehr schwierig! Wir stellen z.B. fest, das in den Kommentarspalten der Westdeutschen Zeitung zu den Artikeln über die Auseinandersetzung um das AZ unheimlich viel rassistische Gülle abgelassen wird. Dagegen positionieren wir uns natürlich! Wir sagen aber auch klar, dass wir uns nicht verdrängen lassen. Letztlich sind wir der Meinung, dass das Gelände groß genug ist, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir wollen aber nicht verhehlen, dass die DITIB als türkische Staatsmoschee - gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in der Türkei - im AZ natürlich extrem kritisch gesehen wird. Dabei ist natürlich klar, dass die Besucher*innen der Moschee, genauso wie die Besucher*innen einer evangelischen oder katholischen Kirche, sehr unterschiedlich sind und nicht mit der offiziellen Politik der DITIB einverstanden sein müssen.
i Furiosi: Mischen sich Nazis und/oder Rechtspopulist*innen ein? Gerade PRO NRW ist ja für ihre antimuslischen Ressentiments und Proteste gegen Moscheen bekannt.
Ingo: Ja, PRO NRW ist 2012 gegen die Moschee aufmarschiert. Das AZ hat dort stark gegen die PROler*innen mobilisiert, und die DITIB-Gemeinde, die jetzt noch auf der anderen Straßenseite gegenüber vom AZ ist, hat sich natürlich auch gegen die deutschen Rassist*innen positioniert.
i Furiosi: Die Nazis kündigen eine Gegenkundgebung zu euer Demonstration an, in der sie ein „Nationales Jugendzentrum“ fordern. Was bedeutet das für die AZ-Demo, und gab es auch schon im Vorfeld Angriffe der Nazis auf das AZ?
Anna: Das bedeutet für den 18.10.2014 einen Großkampftag ab 15 Uhr in Wuppertal. Wir wollen zunächst massiv gegen die Nazizusammenrottung vorgehen und im Anschluss für den Erhalt des Autonomen Zentrums an der Gathe demonstrieren. Für uns ist es sehr wichtig, an diesem Tag auch die Nazis in die Schranken zu weisen, denn der Kampf gegen Nazis und Rassist*innen verschiedenster Couleur ist schon immer wichtiger Teil unserer Politik gewesen. Da das Nazipack ebenfalls um 15 Uhr mit einer Kundgebung starten will, ist es ganz wichtig, dass ihr in Gruppen anreist, um den antifaschistischen Selbstschutz zu garantieren. Es ist noch unklar, wo die Nazis auflaufen werden, deshalb haltet euch auf dem Laufenden. Auf jeden Fall ist der Kirchplatz in der Innenstadt von Wuppertal-Elberfeld ein guter Anlaufpunkt, auch für Infos; von dort aus wird ja auch später die phänomenale Tanz-Kampf-Demo starten.
Ingo: In der Vergangenheit hat es immer wieder Aktionen der Nazis am AZ gegeben. Die beiden großen Naziaufmärsche in den letzten Jahren waren ebenfalls explizit gegen das AZ gerichtet.
i Furiosi: Was plant ihr neben der Demonstration für den Erhalt des AZ, wie kann man euch unterstützen?
Ingo: Es laufen die ganze Zeit kleinere und mittlere Aktionen und Aktiönchen im Stadteil. Es wird gemeinsam öffentlich gekocht, der Sperrmüll gegen das Ordnungsamt verteidigt und öffentliche Filmvorführungen durchgeführt.
Anna: Konkret für die Demo planen wir außerdem eine Veranstaltungstour: Meldet euch, wenn ihr eine Infoveranstaltung machen wollt! Bei der Gelegenheit können wir unser Vorgehen genau besprechen. Und ganz wichtig: Bringt am 18.10. viel Schwung, Kreativität und gute Laune mit!
i Furiosi: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview ist in der Düsseldorfer Stadtzeitung Terz erstveröffentlicht worden.
Infoveranstaltungen
6.10. | Hamburg | Rote Flora | 19:30
07.10. | Köln | Autonomes Zentrum | 20:00
15.10. | Düsseldorf | Linkes Zentrum | 20:00
In die Offensive
Warum ist es so schwer sich gegen ein Moscheeneubau zu positionieren? Sollte doch ganz einfach sein, sich gegen sämtliche Religionen auszusprechen und nicht zu dulden, dass irgendeine von ihnen einen Freiraum ersetzt. Der Protest wäre bei einer katholischen Kirche wohl eindeutiger und weniger kooperativ. Hätte schon eine Idee für einen Flyer, Wenn Kopftuch, dann selbstbestimmt zur Vermummung, Autonomie ist Freiheit und keine sexistische Unterdrückung. Gegen Religionen. Keine Moschee statt AZ! Dies Haus ist unser Haus.
Dann noch ein berechtigtes, sich klar abgrenzendes Flugblatt gegen DITIP und die Hausaufgaben sind gemacht.
Was das mit RassistInnen von Pro NRW gemein hat? Nichts, absolut nichts, gegen die sehen wir uns gemeinsam beim Protest.
wäre schön...
...allerdings ist es wirklich ein Balanceakt dies der Öffentlichkeit darzustellen (die ja nicht nur aus linksradikalen Medien besteht) ohne einen rassistischen Diskurs zu verstärken, der auf jeden Fall vorhanden ist - weil das ja ganz sicher nich so von den bürgerlichen Medien weitergeragen wird wie gewollt. Klar könnte darauf geschissen werden, aber zumindest ich kann verstehen wenn das AZ in Wuppertal so ein Experiment und mögliche Folgen lieder vermeiden möchte. Und die zweite Problematik: Du agierst auch als Anarchist*in in einem Viertel nicht alleine, es gibt zwischen Läden, Projekten, Menschen und auch der Moschee Verbindungen die du nicht einfach ignorieren kannst. Und die allgemeine Unterstützung des AZ in der Wuppertaler Nordstadt ist nicht von alleine gekommen. Bei so etwas handelt es sich um eine sensible Sozialstruktur.
Massemedien lügen...
Die Öffentlichkeit (das eigene Viertel) sollte durch eigene Publikationen und persönliche Gespräche informiert werden. Von Massenmedien wie die WZ, die für mich kein Teil der Öffentlichkeit sind, ist nichts zu erwarten. Denen würde ich kein Interview geben. Sie könnten sich über Flugblätter, AZ Homepage, Beiträge auf Linksunten oder auch von Freien Radios genug Information einholen.
Artikel in der Gaidao
In der aktuellen Ausgabe der Gaidao gibt es auch einen Bericht zur Situation in Wuppertal:
http://fda-ifa.org/gai-dao-nr-46-oktober-2014/
Weitere Infoveranstaltung
10.10. | Duisburg | Syntopia | 19:30
13.10. | Siegen | VEB | 19:00
und Morgen um 15:00 Sielwallhaus in Bremen
Gathe
Die Stadt hat es taktisch sehr klug gemacht. Durch die leider von Gutmenschentum durchsetzte Presse und geistfreien Köpfen, wird ein NEIN zur Moschee im Bereich des AZ, direkt mit - an dieser Stelle dummen - Füllwörtern wie Intoleranz oder Islamfeindlichkeit gleichgesetzt.
Man spielt damit, dass das linke Dogma ein NEIN zu Muslimen nicht zuließe. <<< kein Witz!
Letztlich ist das Bauvorhaben aber eines der Ditib und nicht von Gläubigen an sich, sodass dieses Thema schon mal gegessen ist. Die Ditib wird seit Jahren kritisch in den Medien beleuchtet und daher ist auch Kritik an einem NEIN auf Grund der Faktenlage eher ein Vorteil, da diese Leute sich dann erklären müssen, warum sie so eine rechte Organisation wie die Ditib dort anpflanzen wollen.
Die Stadt will mit ihrer Hinhaltetaktik dafür sorgen, dass sie als tolerant dasteht und auf der anderen Seite das "Problem" mit den Linken am AZ beseitigt. Eine Alternative wurde ja bis jetzt nicht genannt.
Ich persönlich sehe auch keinen Grund dieses Gebäude zu verlassen, so ein Ding kriegen wir nie wieder und es ist auch noch an der Hauptstraße um zu zeigen "hier, ist kein Platz für rechtes Pack". Irgendwo versteckt und ohne Anbindung, würde es doch indirekt auch eine Abschiebung des politisch-kritischen Spektrums bewirken.
Weiter sehe ich es als fruchtbaren Boden dort im Umfeld Kirchen, eine Moschee und das AZ zu haben. Wenn wir uns der Gentrifizierung (Ditibisierung) hingeben, bringen wir damit auch keine Toleranz in die Gegend.
AZ muss bleiben. Dialog statt Ditib. ;)