[Maulbronn] „Ich wollt' alles laden, was Beine hat...“

Amtsgericht Maulbronn

...aber es hat alles nichts gebracht!

Am Dienstag, den 30.09.2014 fand am Amtsgericht Maulbronn (bei Pforzheim) ein Prozess wegen angeblich gemeinschaftlich geleistetem Widerstand gegen Polizeibeamte statt. Dabei saßen 3 AntifaschistInnen aus Stuttgart auf der Anklagebank, die am 25.05. 2013 sich dafür eingesetzt haben, dass der geplante Naziaufmarsch in Karlsruhe nicht stattfinden kann. Durch mehrere spektrenübergreifende Blockaden konnte dieser auch erfolgreich verhindert werden und die Nazis standen lediglich für kurze Zeit und abgeschottet von der Öffentlichkeit auf dem Bahnhofsvorplatz. Hier ist es gemeinsam gelungen, den faschistischen Aufmarsch zu unterbinden.

 

Während der Rückfahrt, von Karlsruhe nach Stuttgart, kam es im Regionalzug zu Angriffen der Polizei auf AntifaschistInnen. Frustrierte Nazis, hatten in Mühlacker eine Spontandemonstration durchgeführt. Beim Einsteigen in den Zug protestierten AntifaschistInnen gegen den rechten Mob. Die PolizistInnen gingen massiv gegen diese vor und setzten hierbei unter Anderem Pfefferspray in dem geschlossenen Zug ein. Hierbei waren sie auch bereit, schwere Verletzungen bei den Betroffenen in Kauf zu nehmen.

 

Der Prozess

Auf die Repression vor Ort folgten Kriminalisierungsversuche in Form von Ermittlungsverfahren. So wurden unter Anderem die drei AntifaschistInnen wegen „Widerstand“ angeklagt. Bereits im Vorfeld hatten die AnwältInnen eine Einstellung des Verfahrens beantragt. Dies wurde genauso wie eine Beiordnung als PflichtverteidigerInnen abgelehnt. So fand also dieser Prozess in aller Ausführlichkeit statt um die Angeklagten und ihren notwendigen Widerstand zu kriminalisieren.

Hierfür wurden insgesamt 8 PolizistInnen aus dem knapp 700 Kilometern entfernten Ratzeburg (Schleswig-Holstein) geladen um möglichst detailliert darzustellen wie, wann und wo die AntifaschistInnen sich strafbar gemacht hätten. Der Richter untermalte dies mit den Worten „Ich wollt' alles laden, was Beine hat...“, doch das alles hat nichts gebracht. Bis auf die Satzstellung, Kommasetzung und Wortwahl übereinstimmende Polizeiberichte ließen keinen Zweifel mehr daran, dass die Berichte nicht zufällig miteinander übereinstimmen, sondern zusammen geschrieben werden oder, wie einer der Zeugen es ausdrückte „sich einander geholfen wird“. Nach dieser Feststellung, bemerkte der Richter selbst, dass das Bildmaterial nicht mit dem Inhalt der Berichte übereinstimmt und zudem die Aussagen der Zeugen sich voneinander unterscheiden und sogar von ihren „eigenen Berichten“ abweichen. Begründet wurde dies ihrerseits interessanterweise stets mit den gleichen Ausreden wie „das ist halt auch schon lange her“, „in einer solchen Situation denkt man auch nicht über alles nach“ und ähnlichen Bemerkungen. Währenddessen konnte man vor allem bei den jüngeren PolizistInnen beobachten, wie diese spätestens bei den Fragen der AnwältInnen nervös wurden und sich selbst in eine missliche Lage katapultiert hatten.

Aussagen, die den Pfeffersprayeinsatz rechtfertigen sollten, rundeten die abstruse Situation ab, indem ein Bulle begründete: „Sind ja zierliche Personen, da tut man sich natürlich schwer mit körperlichen Mitteln...“, daher habe er gegenüber Frauen in dem Zug das Pfefferspray eingesetzt.

 

Nach ausführlichen Befragungen, wiederkehrendem Aufstöhnen selbst auf Seiten des Richters und der Staatsanwaltschaft bezüglich der Beweismittel der Polizei, fand der Prozess nach fünfeinhalb Stunden ein Ende, indem das Verfahren gegen das Ableisten von Arbeitsstunden bzw. Geldstrafe eingestellt wurde. Dies war ein Angebot des Richters, worauf sich auch die Staatsanwältin einlassen musste, da offensichtlich war, das keine Beweise für Straftaten vorhanden vorhanden waren. Eine Einstellung ohne Auflagen oder ein Freispruch war, wie so oft in politischen Verfahren, nicht durchsetzbar gewesen.

 

Auch dieser Prozess zeigte wieder einmal, wie AntifaschistInnen kriminalisiert und eingeschüchtert werden sollen. Offensichtlich haltlose Verfahren werden zur Anklage gebracht und sollen die Betroffenen einschüchtern. Doch für uns ist klar: offensiver Antifaschismus ist notwendig legitim. Die Angriffe der Repressionsorgane gilt es gemeinsam und solidarisch zu beantworten. Darüber hinaus werden wir weiterhin daran arbeiten, eine Gesellschaft frei von Diskriminierung, Ausbeutung und Unterdrückung zu gestalten!

 

Antifaschismus ist und bleibt legitim!

 

Artikel in der Pforzheimer Zeitung

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Ende, indem das Verfahren gegen das Ableisten von Arbeitsstunden bzw. Geldstrafe eingestellt wurde. Dies war ein Angebot des Richters, worauf sich auch die Staatsanwältin einlassen musste, da offensichtlich war, das keine Beweise für Straftaten vorhanden vorhanden waren


Das verstehe ich nicht ganz. Entweder keine Beweise, dann Freispruch. Oder schwammige Beweise und ein Richter ohne Bock, dann Einstellung gegen Auflagen.

Es ist mir absolut unklar, warum Leute sich auf so einen Scheiß einlassen. Nur zur Info, es gibt mehr als eine Instanz. Ich will ja niemandem vorschreiben, was in so einem Fall zu tun ist. Aber taktisch klüger wäre es eventuell, sich verurteilen zu lassen und in die Berufungsverhandlung zu gehen.

Jedenfalls wenn, wie ihr schreibt, keine Beweise da sind. Richter deren Urteile aufgehoben werden erfahren dadurch in der Regel so ne Art "Disziplinierungseffekt". Das nächste mal denken sie dann zweimal nach, bevor sie ohne Beweise Verurteilen.

Dann ist da noch der Straftatbestand der Rechtsbeugung. Wo ein Richter ohne Grund verurteilt, macht er sich eventuell selbst strafbar.

Wieso schlucken wir Einstellungen gegen Auflagen, wenn wir uns sicher sind, nichts getan zu haben und es außerdem keine Beweise gegen uns gibt?

Du unterstellst in deinem Kommentar, dass Menschen in der BRD freigesprochen werden, wenn keine Beweise vorliegen die eine Straftat belegen. Das ist leider eine völlig falsche Grundannahme. Es werden ständig Leute verurteilt ohne das sie irgendetwas gemacht haben und in politischen Verfahren sind astreine Freisprüche die absolute Ausnahme.

 

Deine Bereitschaft durch alle Instanzen zu gehen, hört sich zwar sehr heroisch an, aber gerade an dem oben geschilderten Fall kann man sich doch relativ leicht vorstellen, was das bedeutet. 8 Bullenzeugen die pro Instanz 2 Tage Dienstausfall haben und vom nördlichsten Arsch der Welt zum südlichsten gurken, Gerichtskosten und die eigenen Anwälte... Das sind minimum 5.000 Euro pro Instanz die du berappen musst wenn du auch nur zu einem Tagessatz verurteilt wirst. Ausserdem haben Verurteilungen auch immer Auswirkungen auf andere mögliche Verfahren (folgende oder vorangegangene bspw. Bewährungswideruf etc.). Nicht zu unterschätzen ist auch die psychische Belastung die so ein Verfahren mit sich bringen kann (ist ja nicht so, dass die Repression immer wirkungslos verpufft, relativ häufig funktioniert sie auch).

 

Bei der Entscheidung eine Einstellung dieser Art anzunehmen, stellt sich immer die Frage ob politisch oder juristisch noch irgendwas zu holen ist. Vermutlich haben die Leute vorort das so eingeschätzt, dass ein glatter Freispruch weder in Maulbronn noch eine Instanz höher in Stuttgart drinnen ist. Dann lieber an einen gemeinnützigen Verein bisschen Geld zu zahlen und der Scheiss ist vom Tisch, finde ich hier eine Durchaus legitime Herangehensweise.

8 Bullenzeugen die pro Instanz 2 Tage Dienstausfall haben und vom nördlichsten Arsch der Welt zum südlichsten gurken, Gerichtskosten und die eigenen Anwälte...

Haben die Zeugen Verdienstausfall angemeldet? Für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst ist das eigentlich eher unüblich und zwar möglich, aber nicht vorgesehen. Und wenn man Bock drauf hat, Gerichte selbst zuzubereiten, braucht man auch nicht unbedingt eine_n Anwält_in. Ich persönlich halte Laienverteidigung für die emanzipativere Variante. Die Entscheidung ist natürlich jeder_m Angeklagten selbst überlassen.

Und wenn man seinen Lebensstil darauf auszurichten vermag (das können/wollen verständlicherweiße nicht alle) kann man eine Vermögensauskunft abgeben und diese Beträge unter "Schulden, die mich nicht interessieren" abheften.


Nicht zu unterschätzen ist auch die psychische Belastung die so ein Verfahren mit sich bringen kann

Nicht zu unterschätzen ist aber auch, was eine Einstellung gegen Auflage mit einem macht. Je nach Auflage kann eine aufrechte Verurteilung einfacher zu verarbeiten sein als eine Einstellung. Kommt natürlich auf die individuelle Situation an und darauf, wie dringend man ein sauberes Führungszeugnis braucht.

 

Ich hoffe, es wird klar, dass beide Herangehensweisen ihre Vor- und Nachteile haben, die ich nochmal deutlich machen sollte. Und auch wenn höhere Instanzen meiner Wahrnehmung nach etwas häufiger freisprechen und die angesprochen Disziplinierungseffekt durch aus da ist, muss es keine höhere Instanz geben. Wenn du zu maximal 15 Tagessätzen verurteilt wirst, muss das Landgericht deine Berufung nicht zur Verhandlung annehmen.