Am vergangenen 6. Oktober, zwei Jahre nach dem Wahlbetrug, der den Beitritt Costa Ricas zum Freihandelsabkommen mit den USA besiegelte, fand ein öffentlicher Marsch für die Würde des Südens im Süden Costa Ricas statt. Mehr als 150 AktivistInnen marschierten vom Eingang der indigenen Gemeinde Térraba bis zum Zentrum des Kantons Buenos Aires. Schritt für Schritt brachte der Protestzug die 13 km hinter sich. Unterschiedliche Gruppierungen im Süden Costa Ricas sehen sich mit verschiedensten Bedrohungen konfrontiert.
Ausweitung der Ananasfarmen | Staudammprojekt "P.H. Diquís" | Internationaler Flughafen | Yachthäfen für Luxusboote | Thunfischzucht in Aquakulturen | Das Autonomiegesetz für die indigenen Gemeinden.
Die südlichen Provinzen Costa Ricas gehören zu den ärmsten des Landes. Von 1930 an begann die United Fruit Company ihre Bananenplantagen von der Karibikküste an die Pazifikküste zu verlegen. Seitdem dominieren Monokulturen und Viehzucht die Landschaft im Süden Costa Rica.
Ab 8 Uhr morgens versammelten sich die Demonstrierenden am Eingang der indigenen Gemeinde Térraba um gemeinsam den Marsch auf der Interamericana, der Hauptverkehrsstraße zwischen Costa Rica und Panama, zu beginnen.
Kurze Zeit später begann der Marsch auf beiden Fahrstreifen der Interamericana mit dem 13 km entfernten Ziel Buenos Aires. Von Anfang an begleiteten Polizisten den Protestzug. Auf Motorädern und in kleinen Einsatzfahrzeugen beschränkten sie sich jedoch weitestgehend auf die Regulierung des Verkehrs und störten den Ablauf der Demonstration kaum.
Mit kleinen Pausen zogen die AktivistInnen in Richtung Buenos Aires. AnwohnerInnen in der Nähe der Straße sowie Menschen in Fahrzeugen wurden durch Flyer und mündlich über den Anlass der Demonstration informiert. Auf dem Weg stießen immer wieder Sympathisanten hinzu, der Zug erweiterte sich auf 150 Personen und mehrere Fahrzeuge. Einige der TeilnehmerInnen waren schon seit 2 Uhr morgens auf den Beinen um zu Fuß den Weg von ihren Gemeinden bis zum Treffpunkt zurückzulegen. Andere kamen schon am Vortag mit einem Bus aus dem 5 Stunden entfernten "Valle Central" um ihre Solidarität mit den sozialen Kämpfen in den südlichen Gebieten zu bekunden.
Um 9:10 Uhr überquerte der Demonstrationszug den Río Térraba und verließ damit indigenes Gebiet. Außerhalb des indigenen Gebiets machten die AktivistInnen einen Fahrstreifen frei, um die wartenden Fahrzeuge passieren zu lassen. Diese Maßnahme beruhte auf einem Kompromiss zwischen dem Recht auf Versammlungsfreiheit und den Bedürfnissen der Menschen, die in Bussen oder Privatfahrzeugen die Strecke passieren mussten.
Im Protestzug vereinten sich Kleinkinder, die von ihren Müttern getragen und gestillt wurden, Jugendliche, Studierende sowie Bauern und Bäuerinnen, die teilweise schon über 90 Jahre alt waren. Die schwächsten unter den TeilnehmerInnen konnten sich in dem Bus, der die Demonstration begleitete, ausruhen, um der prallen Sonne zu entkommen. Aufgrund der extremen Hitze einigten sich die Demonstrierenden um 11:30 Uhr darauf, die letzten paar Kilometer bis zur Ausfahrt von Buenos Aires im Bus zurück zu legen.
Um die Mittagszeit erreichten die Demonstrierenden ihr Ziel Buenos Aires. Auf den letzten Kilometern von der Ausfahrt bis zum Zentrum kam der Protestzug an den Gebäuden des "Instituto Costarricense de Electricidad (ICE)" vorbei, welche das Staudammprojekt Diquís plant. Diese Gelegenheit nutzten die AktivistInnen, um ihren entschlossenen Widerstand gegen das Projekt mit Sprechchören und Reden zu untermauern.
Auf dem Weg vom ICE zur Gemeindeverwaltung gesellten sich noch mehr Menschen zu den Demonstrierenden und viele bekundeten ihre Solidarität aus ihren Häusern oder aus ihren Fahrzeugen.
Um kurz nach 13 Uhr fand dann die Abschlusskundgebung vor der Gemeindeverwaltung statt. Der Präsident der Gemeinde, Sr. Juan Bautista Blanco von der Partido Acción Ciudadana (PAC), der in indigenem Gebiet lebt obwohl er kein Indigena ist, hatte vor einigen Monaten einen Brief an das Nationalparlament geschickt, in welchem er draum bat, das Gesetz für die Autnomie der indigenen Gebiete nicht zu verabschieden.
Außerdem begann während der Abschlusskundgebung ein Mitarbeiter des ICE die TeilnehmerInnen der Kundgebung zu filmen, was diese berechtigterweise als Provokation empfanden. Der ehemalige Mitarbeiter der Zeitung "Al Día", die von der größten Mediengruppe Costa Ricas "La Nación" herausgegeben wird und ehemalige Mitarbeiter des Fernsehsenders "Canal 6", Oscar Ruin Cruz, musste daraufhin von rund einem dutzend Polizisten geschützt werden. Diese Einschüchterung wiegt besonders schwer, wenn man bedenkt, dass einigen AktivistInnen im Vorfeld der Demonstration mit der Enteignung ihrer Ländereien gedroht wurde, falls sie an den Protesten teilnehmen sollten.
Während der Abschlusskundgebung kamen viele der AktivistInnen zu Wort. Ein Aktivist, der vor einigen Jahren ins Gefängnis gesperrt wurde, weil er sich gegen die Abholzung von Urwäldern in der Region wehrte, erinnerte die ZuhörerInnen an die verschiedenen Deklarationen über die Rechte von Indigenen und die zahlreichen Gesetze, die von der Regierung verabschiedet bzw. ratifiziert wurden. Trotz dieser Deklarationen hat die Regierung den Bedürfnissen der indigenen Gemeinden aber kaum Beachtung geschenkt
Den ganzen Tag konnten Fahrzeuge des ICE in der Nähe der Demonstration beobachtet werden, was die AktivistInnen zusätzlich provozierte. Als Reaktion auf diese Provokationen wurde für kurze Zeit ein Fahrzeug des ICE blockiert, das schwere Maschinen transportierte. Die Rolle des ICE ist zwiespältig. Vor nicht einmal 10 Jahren haben weite Teile der Gesellschaft das ICE gegen die Privatisierung (COMBO) verteidigt. Für die indigenen Gemeinden, die im Flutungsbereich des geplanten Staudamms ihre Heimat haben, hat das ICE verständlicherweise nicht den sozialen Charakter, den viele Costa Ricaner dem staatlichen Unternehmen zuschreiben.
Nach der Abschlusskundgebung versammelten sich die AktivistInnen in einem großen Saal, um gemeinsam zu Essen und über künftige Aktionen zu diskutieren. Um ca 15:30 Uhr begann sich die Versammlung zu zerstreuen und die Menschen kehrten zu ihren Gemeinden zurück.
¡Nein zur Ausweitung der Ananasplantagen!
Die Bananenplantagen, die noch vor wenigen Jahrzehnten das Landschaftsbild beherrschten, sind durch Plantagen von Ananas und einer Afrikanischen Palme, die zur Gewinnung von Biodiesel und Öl angebaut wird, ersetzt worden. Die Ananasfrüchte werden fast komplett nach Europa und in die USA exportiert.
Aufgrund des intensiven Anbaus dieser Monokulturen enstanden zahlreiche Konflikte in diesem Teil Costa Ricas. Durch die Zerstörung von natürlichen Ressourcen in Zusammenhang mit der Ausweitung des Ananasanbaus musste die lokale Bevölkerung ihre Wirtschaftsweise verändern.
Die Ananasplantagen entziehen den natürlichen Flussystemen große Mengen an Wasser, um die Felder zu bewässern. Dieses Wasser wird auf den Feldern mit Agrochemikalien verschmutzt und sickert teilweise wieder zurück in die Flüsse. Die flussabwärts gelegenen Gemeinden sind somit den gefährlichen Chemikalien schutzlos ausgeliefert. Das verunreinigte Trinkwasser verursacht Krankheiten und Konzentrationsstörungen. Insbesondere die ArbeiterInnen in den Ananasplantagen sind den Chemikalien schutzlos ausgelifert. GewerkschafterInnen, die die miserablen Arbeitsbedingungen anprangern, werden mit dem Tod bedroht.
mehr Info:Frente de afectados por la expansión Piñera
Der Anbau der Afrikanischen Palme ist bisher noch nicht so weit verbeitet, aber es gibt Investoren, die, unterstützt von der Universidad de Costa Rica, Forschungen betreiben, die auf eine effizientere Verwertung des Öls als Biodiesel hinzielen. Mit dem nahenden "Peak Oil" und den steigenden Preisen für Kraftstoffe wird diese Monokultur wohl in Zukunft weiter expandieren.
¡Brot für heute - Hunger für morgen!
Um Energie geht es auch bei den BefürworterInnen des Staudammprojekts Diquís. Schon seit 1964 versucht das ICE ein Staudamprojekt in der Region durchzuführen. Obwohl die BürgerInnen theoretisch EigentümerInnen des ICE sind, fällt das Unternehmen immer wieder durch Projekte auf, die das Land nicht voran bringen. Das "Staudammprojekt Boruca" wurde vor wenigen Jahren aufgrund des Widerstands indigener Gemeinden aufgegeben.
Leider sieht es nun aber so aus, als ob das ICE nicht wirklich nachgegeben hat, sondern nun einfach unter einem neuen Namen (Diquís) und ein bisschen weiter flussaufwärts einen neuen Anlauf versucht. Das Projekt Diquís ist zwar etwas kleiner als sein Vorgänger Boruca, aber mit einer Leistung von 631 MW wäre es immer noch der mit Abstand größte Staudamm Zentralamerikas.
In Costa Rica versuchen die Politiker und Funktionäre mit Schreckensszenarien ihren Willen durchzusetzen. Unberechtigte Angst vor Stromausfällen soll die Bevölkerung zu Befürwortern des Projekts machen. Diese Lügen kennen wir auch in Deutschland, wo die Atomlobby behauptet, dass die Lichter ausgehen würden falls die Atomkrafwerke vom Netz gingen. In Wirklichkeit ist Deutschland aber, wie auch Costa Rica, Exporteur von elektrischer Energie. Nichtsdestotrotz hat Präsident Oscar Ariaz das Staudammprojekt zum "nationalen Interesse" erklärt, was einige Hindernisse für die Genehmigung aus dem Weg räumt.
Die Realisierung des Staudammprojekts Diquís würde die Vertreibung von mehr als 1100 Personen bedeuten, über 200 archäologische Fundstätten überfluten und 800 Hektar fruchtbares Land bedecken.
Aber der Kampf gegen Staudammgroßprojekte kann auch erfolgreich sein, wie das Beispiel von "La Parota" in Mexiko zeigt. Eine dezentralisierte Stromerzeugung durch viele kleine Wasserkraftwerke, wie zum Beispiel der Staudamm "El Encanto" könnten die Versorgungssicherheit garantieren ohne Menschen zu vertreiben und archaeologische Schätze zu zerstören.
¡Das Land gehört dem, der es bearbeitet!
Landkonflikte bestimmen auch die Problematik rund um den geplanten internationalen Flughafen auf dem Gebiet der Gemeinde "Finca 9". Die Regierung in San José will dort einen Flughafen errichten, um die Entwicklung des Tourismus der südlichen Provinzen zu förden. Diese etwas abgelegene Region hat mit dem Nationalpark Corcovado und der "Bahía Drake" viele touristische Highlights zu bieten. In der Gemeinde "Finca 9" leben ca. 40 Familien, die sich vornehmlich Mais, Maniok, Bohnen und Kochbananen anbauen. Bis vor 9 Jahren wurde auf den 240 Hektar der Gemeinde Bananen von der Firma "Corbana" angebaut. Die Firma verschwand, ohne den Arbeitern die ausstehenden Löhne zu bezahlen und sich um die Gesundheitsversorgung zu kümmern, wie es das Gesetz vorschreibt.
Nachdem "Corbana" verschwand, organisierten sich die Bauern und Bäuerinnen in der Kooperative INFOCOOP. Das "Netzwerk von Landfrauen" und die Gruppe zur "Verteidigung der Ländereien" kämpfen gemeinsam gegen die Funktionäre, die sich über die Entscheidungen der Generalversammlungen hinwegsetzen. Die Funktionäre drohten den Frauen, sie aus der Kooperative auszuschließen, falls diese an dem Demonstrationszug teilnehmen würden. Das würde den Verlust der Landtitel für die Frauen bedeuten.
Der Fall der "Finca 9" hat eindeutige Parallelen zu dem geplanten Flughafenausbau in San Salvador de Atenco, México (Video 1, Video 2, Chronologie, Artikel) wo die Regierung von Vicente Fox versuchte, Ländereien zu räumen um einen neuen Großflughafen für Mexiko City zu bauen.
Die DemonstrantInnen protestierten gemeinsam für ein Gesetz, das den indigenen Gemeinden in Costa Rica mehr Autonomie zugestehen würde. Dieses Gesetz liegt nun schon seit 15 Jahren beim Gesetzgeber, ohne dass dieser darüber entscheidet. Nicht unterstützt wird der Vorschlag zudem vom Präsidenten der Nationalen Kommission für indigene Angelegenheiten (CONAI). Dieser weist das Projekt zurück mit der Begründung, dass keine neuen Gesetze notwendig seien. Wichtiger sei es, die bereits existierenden Gesetze wirklich umzusetzen. Sprecher von indigenen Organisationen halten dagegen, dass die Funktionäre des CONAI das Projekt nicht unterstützen, weil diese von dem aktuellen System profitieren. Sie werfen der Behörde vor, die Ressourcen, die für die Entwicklung der indigenen Gemeinden bestimmt sind, zu verschwenden und vornehmlich für persönliche Zwecke zu verwenden. Durch das neue Gesetz würde die Verwaltung der indigenen Gemeinden neu organisiert werden, was die Zukunft des CONAI in Frage stellen würde. Das Gesetz für die Autonomie der indigenen Gemeinden würde außerdem das Recht auf geistiges Eigentum der Indigenen schützen, das durch den Freihandelsvertrag mit den USA bedroht wird.
Die Bedrohungen des "Golfo Dulces"
Neben diesen akuten Problemen gibt es auch den Plan, Aquakulturen für die Aufzucht von Thunfischen im Golfo Dulce zu errichten. Abgesehen von den fehlenden Untersuchungen über den Einfluss der Aquakulturen auf das sensible Ökosystem kann mit ähnlichen Problemen wie in den chilenischen Lachsfarmen gerechnet werden. Dort werden Fische mit Antibiotika und Pestiziden behandelt, was eine permanente Verseuchung des Wassers verursacht und Bakterien gegen Antibiotika resistent macht.
Die Tatsache, dass die Fische auf kleinstem Raum zusammengepfercht werden, macht ihre medikamentöse Behandlung unumgänglich, garantiert jedoch nicht die erfolgreiche Bekämpfung aller Krankheiten.
Außerdem ist zu vermuten, dass die schlechten Arbeitsbedingungen, unter denen die ArbeiterInnen in Chile leiden, sich auch in Costa Rica wiederholen werden. Schließlich sind es die selben internationalen Firmen, die die Fischfarmen betreiben.
Wie in vielen Teilen des Landes wird auch im Golfo Dulce der Bau eines Yachthafens vorangetrieben. Letztes Jahr sahen sich die privaten Investoren gezwungen, das umstrittene Projekt des Yachthafens in Puerto Viejo aufzugeben. Auch das Projekt der "Marina Cocodrille Bay" liegt zur Zeit auf Eis, weil das Verfassungsgericht einer Klage der Gemeinde von Puerto Jimenez gegen das Projekt stattgegeben hat. Währenddessen versucht die Regierung, ein Gesetz durchzudrücken, das die Genehmigungsverfahren für Yachthäfen vereinfacht, indem es notwendige Studien zur Umweltverträglichkeit als Voraussetzung streicht und somit den Investoren entgegenkommt. Einige Abgeordnete hegen jedoch Zweifel, dass diese Gesetzesinitiative verfassungskonform ist und haben bereits Untersuchungen eingeleitet.
Der Bau eines Yachthafens schafft in Wirklichkeit lediglich temporäre Arbeitsplätze während der Konstruktionsphase. Wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, wird der Betrieb der Marina durch Fachpersonal sichergestellt, dass voraussichtlich von den Betreibern aus dem Ausland rekrutiert wird. Außerdem findet eine Privatisierung des öffentlichen Raums statt, weil die Strände im Bereich des Yachthafens nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich wären. Die mehr als 250 Luxusyachten würden mit ihren Treibstoffen und Abfällen das sensible Ökosystem im Golfo Dulce langfristig beeinflussen.
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