Wer hat angefangen? Gaza – ein Gefängnis ohne Wärter.

Gaza-Mauer

 Dem tagelangen Bombardement folgt laut Ankündigung der israelischen Regierung vom 17.7.2014 der militärische Einmarsch in Gaza – ein Gefängnis ohne Wärter. Wenn in einem Gefängnis eine Revolte ausbricht, die Gefangenen die Erniedrigungen nicht mehr aushalten, dann trifft es selten oder gar nicht die Gefängnisverwaltung, schon gar nicht die politisch Verantwortlichen. Meist werden Wärter als Geisel genommen, manchmal sogar Mitgefangenen, um dieses Kontinuum der Erniedrigung und Demütigung zu durchbrechen.

 

Der Gazastreifen hat eine Fläche von 360 Quadratkilometer, nicht einmal halb so groß wie Berlin. Dort leben ca. zwei Millionen Menschen, u.a. auch Flüchtlinge, die ihr Zuhause verlassen mussten, als sie im Zuge der Staatsgründung Israels 1948 vertrieben wurden.

Der Gazastreifen wurde im ›Sechs-Tage-Krieg‹ von der israelischen Armee 1967 besetzt. Man begann – wie in allen besetzten Gebieten – auch dort mit dem Aufbau »jüdischer Siedlungen«. Nachdem die Besatzung in vielerlei Hinsicht zu teuer wurde, verkündet die israelische Regierung 2004 den Rückzug aus Gaza. Seitdem ist Gaza ein Gefängnis ohne Wärter. Ein ›Freiluft-Gefängnis‹, das die Gefangenen selbst verwalten, während die Mauern immer höher gezogen werden, immer unüberwindbarer geworden sind.

Gaza ist komplett vom Wohlwollen des israelischen Staates abhängig. Der israelische Staat kontrolliert fast alle (Grenz-)Zugänge, bis auf einen Grenzübergang zu Ägypten. In der Regel beugt sich die die ägyptische Regierung dem Druck, auch diese Grenze geschlossen zu halten.

Gaza ist seit 2005 ein besetztes Gebiet ohne Besatzer. Fast alle elementaren Lebensbedingungen in Gaza werden durch den israelischen Staat diktiert. Seit Jahren betreibt die israelische Regierung eine Politik der ›De-Entwicklung‹, gerade auch durch die systematische Strangulierungspolitik. Man will Lebensbedingungen schaffen und aufrechterhalten, die zum Sterben zu viel sind und zum Leben zu wenig - und wundert sich darüber, dass Menschen himmlische Versprechungen der Hölle auf Erden vorziehen.

Gegen diese Lebensbedingungen zu rebellieren, ist legitim und richtig. Überall in der Welt. Auch in Gaza.

Anfang ohne Ende

Als Anlass, als Auslöser für den Krieg gegen Gaza wird die Entführung und Ermordung von drei jungen israelischen Siedlern im besetzten Westjordanland genannt. Die israelische Regierung macht die Regierung im Gaza, die Hamas, verantwortlich und kündigte nach dem Fund der Leichen massive Kriegshandlungen an.

Dass diese Morde in eine Staatshandlung verwandelt wurden, für die die Hamas-Regierung im Gaza verantwortlich sein soll, ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert. Zum einen hat die israelische Regierung bis heute keine Beweise dafür vorgelegt, dass die Hamas, die im Westjordanland weder die politische noch militärische Macht besitzt, diese Morde veranlasst bzw. durchgeführt hat. Zum anderen existiert nach Lesart der israelischen Regierung gar keine legitime Regierung im Gaza, geschweige denn wird Gaza als hoheitliches Gebiet wahrgenommen. Wenn es um politische Verhandlungen geht, lehnt die israelische Regierung grundsätzlich die gewählte Regierung im Gaza als Verhandlungspartner ab – wenn es um die Suche nach Schuldigen geht, dann ist die Hamas-Regierung für alles verantwortlich, was im Gaza oder sonstwo passiert.

Während die israelische Armee Teile des Westjordanlandes militärisch abriegelt und durchkämmt und mit der Bombardierung des Gazastreifens beginnt, wird am 2. Juli 2014 ein Palästinenser tot aufgefunden. Wenige Tage später werden mehrere Verdächtige festgenommen. Nach israelischen Quellen wurde dieser Mord von israelischen Siedlern begangen, die bereits Geständnisse abgelegt haben sollen.

Die israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kommentierte die Festnahme israelischer Siedler, dass man zwischen Terror und Terror nicht unterscheiden wolle.

Dann stellt sich die Frage: Ist die Verhaftung von über 500 Personen, die man für Hamas-Mitglieder oder für verdächtig hält, kein Terror? Ist die Bombardierung von bislang über 1.000 ›Zielen‹ im Gaza kein Terror? Gehört es zu den Selbstverständlichkeiten der israelischen Gesellschaft, dass Beweise erst gar nicht mehr gesucht und vorgelegt werden, und man bei der ›Suche‹ der Tatverdächtigen bislang über 200 Menschen ermordet und dies als Kollateralschaden abtut? Entscheidet in Israel, eine parlamentarisch verfasste Demokratie, die Armeeführung, wer aus guten, legitimen Gründen ermordet werden darf und wer bedauerlicherweise, aber notwendig als ›unschuldiges‹ Opfer dran glauben muss?

Medienberichten zufolge hat der israelische Geheimdienst bereits am 26. Juni 2014 die Entführer der ermordeten Siedler identifiziert. Warum werden die Beweise nicht einem Gericht vorgelegt? Wer bestimmt in Israel, wer die ›Hintermänner‹ dieses Mordanschlages sind?

 

Zu Recht fragt Moshe Zuckermann, mit Blick auf diesen dritten Krieg der israelischen Armee gegen Gaza: Wer hat angefangen? Wer hat welches Recht zu welchen Handlungen? Wo ist der Ausgangspunkt dieses mörderischen Konfliktes?

Ganz sicher sind es nicht die ermordeten israelischen Siedler. Genauso wenig ist der Raketenbeschuss durch die Hamas mit der Ermordung eines Palästinensers durch israelische Siedler zu erklären.


Aber wo beginnt der Anfang?

Diese Frage stellt sich immer wieder, mit geradezu biblischer Ausdauer.

Die einen, die Religiösen, betrachten Israel in den (Mandats-)Grenzen von 1948 nur als ein vorläufiges, flüchtiges Ereignis. Sie sehen den Gott verheißenen Staat Israel erst kommen – irgendwo zwischen Euphrat und Nil. Für sie sind also Vertreibung und Besetzung keine (Kriegs-)Verbrechen, sondern Gottes Wille. 

Obwohl der Staat Israel bis heute von säkularen Parteien dominiert wird, scheint diese biblische Verheißung bis die Verfasstheit des Staates Israel hinein: Bis heute sind die Grenzen Israels nicht festgelegt.

Andere sehen den Ursprung des Konfliktes in der Gründung des Staates Israels, die – entgegen israelischen Sagen - kein unbewohntes Land vorfand, sondern die Vertreibung der dort Lebenden zur Voraussetzung hatte, damit es einen ›jüdischen Staat‹ geben konnte.

Wer den Anfang später verortet, sieht in der Besetzung des Gaza-Streifens, die Besetzung des Westjordanlandes, der Besetzung der Golan-Höhen in Syrien 1967 den Beginn einer unlösbaren Tragödie.

Jenseits dieser zeitlichen Vermessungen, sehen einige – auch in Israel - die Tragödie darin, dass der israelische Staat ein jüdischer Staat sein will, was die Vertreibung des Nicht-Jüdischen bedingt, die Grundlage eines demographischen Krieges, der mit nicht-militärischen Mitteln tagtäglich stattfindet. 

›Hamas‹ und ›Israel‹ sind nicht zwei Seiten einer Medaille

Eine der zentralen Grundideen einer politischen Linken (jenseits aller notwendigen Unterschiede) ist, Herrschaftskritik zu betreiben, sich jeder Herrschaftslogik zu widersetzen. Wenn dies immer noch gilt, dann kann man Gottesverheißungen und Besatzungen, Raketenbeschuss und außergerichtliche Hinrichtungen, Selbstmordanschläge und Bombardierungen durchaus einordnen.

Dann geht es nicht darum, was schlimmer ist, was (nur) eine Reaktion ist, was der Antwort vorausging. Dann wäre der gemeinsame Ausgangspunkt folgender:


Der Schlüssel zur Beendigung von Besatzung und Vertreibung liegt nicht dort, wo diese Unterdrückung erlebt wird, sondern dort, wo sie erzeugt und aufrechterhalten wird.

Wer einen dezidiert ›jüdischen Staat‹ als einzige politische Antwort auf die Shoa und den nach wie vor existenten Antisemitismus sieht , ohne gleichzeitig und vehement für einen lebensfähigen palästinensischen Staat einzutreten, der kann diesen politischen Irrsinn nur mit Terror und Krieg ›verteidigen‹.


Wenn die US-Regierung und alle Regierungen und Medien abwärts den Krieg der israelischen Armee in Gaza als »Recht auf Selbstverteidigung« preisen, dann könnte man sarkastisch antworten: Gerade die US-Regierung und die ganze ›Achse des Guten‹ verstehen etwas von Selbstverteidigung – wenn man sich deren Kriege im Irak, in Lybien, in Syrien vergegenwärtigt.

Tatsächlich verteidigt der israelische Staat nicht das Recht aller Bürger, würdevoll zu leben, sondern die fortgesetzte Weigerung, einer Zwei-Staaten-Lösung zuzustimmen. Seit Jahren liegt dieser politische Ausweg auf den Tisch. Seit Jahren unternimmt die israelische Regierung alles, um an der Kriegslogik festzuhalten:

Sie setzt mit geradezu brachialem Irrsinn den Siedlungsbau (in Ostjerusalem, in der Westbank und im Westjordanland) fort und verbarrikadiert mit jeder neuen Siedlung den notwendigen Rückzug aus den besetzten Gebieten.

Sie unternimmt alles, um eine Vereinigung der beiden politischen Strömungen (Hamas und PLO) zu verhindern, wozu auch dieser weitere Krieg in Gaza seinen Beitrag leisten soll.

Sie verhält sich fortgesetzt wie eine Besatzungsmacht, die bestimmt, wie sich die unterdrückte Bevölkerung zu artikulieren hat, welche Repräsentanten sie ›wählen‹ darf. Abgesehen davon, haben auch die Menschen im Gaza das Recht, eine schlechte, reaktionäre Regierung zu wählen – nicht nur in Israel.

Für eine Ende national-religiöser Umklammerungen

Für diese Zwei-Staaten-Lösung muss man weder die PLO, noch die Hamas mögen. Man darf und kann sie auch – aus politischen, emanzipatorischen Gründen – ablehnen.

Die Zwei-Staaten-Lösung hat nichts mit einer Utopie gemein. Aber die Verwirklichung kann dazu beitragen, dass die eigentlichen Probleme in Israel und Palästina zum Tragen kommen. Und die liegen in den jeweiligen zerklüfteten und zutiefst gespaltenen Gesellschaften. Dabei hilft einem weder die Tora, noch der Koran. Dann ginge es endlich um die jeweiligen politischen und ökonomischen Klassen. Diesen ständig durch Krieg(sgefahr) erstickten Kampf fürchten die israelische Regierung, die PLO und die Hamas gemeinsam.


Wolf Wetzel


Weitere Texte zum Israel-Palästina-Konflikt finden sich hier: http://wolfwetzel.wordpress.com/category/04-texte/nahost-israel-palastina/

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Danke an Wolf Wetzel für die Erinnerung an das wesentliche: die Grenzen verlaufen zwischen Oben und Unten.

 

Inzwischen sind es bereits über 500 palestinensische und 29 isralische Todesopfer, die für den Irrsinn der Besatzungspolitik gestorben sind.

Sicherlich mag eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem lebensfähigem Palästina ein (oder der einzig mögliche?) Schritt sein, den aktuellen Krieg politisch zu lösen.

Die Hoffnung, daß sich beide Gesellschaften dann nur noch mit sich selbst bzw. ihrem jeweiligen Oben und Unten klassenkämpferisch befassen, sollte aber nicht zu hoch gehängt werden: Es bleiben die Enge und die räumliche Nähe, das Wohlstandsgefälle, die ethnischen und religiösen Spannungen, die unterschiedlichen politischen Systeme und nicht zu vergessen der Kampf ums Wasser.

dass in Gaza gibt es einen Massaker ..

Deutsche Familie in Gaza getötet
http://www.tagesschau.de/ausland/israel-gaza-122.html

Merkel says Hamas has new weapons, Israel has right to defense
http://www.reuters.com/article/2014/07/18/us-palestinians-israel-merkel-...

gefunden beim "Deutschlandfunk":

lohnt sich anzuhören:

http://www.deutschlandfunk.de/anti-israelische-proteste-wer-hat-uns-das-...

 

Guter Text W.Wetzel!!!

... Super Interview mit Rolf Verleger.

Respekt für den Mann.

"Man will Lebensbedingungen schaffen und aufrechterhalten, die zum Sterben zu viel sind und zum Leben zu wenig - und wundert sich darüber, dass Menschen himmlische Versprechungen der Hölle auf Erden vorziehen."

 

Diese perfiden Juden aber auch, die sogar noch hinter dem Islamismus stecken.

 

Fakten sehen so aus:

 

Lebenserwartung Gazastreifen: 74,6 Jahre; Türkei: 73,3 Jahre

 

Da war wohl mehr der Wunsch Vater des Gedankens...

... von der Lebenserwartung auf Lebensqualität und Lebensperspektive zutreffend?

In Teilen jedenfalls. Ich bezog mich in erster Linie aber auf das obsessive Geschwafel von "zum Sterben zuviel" und "Hölle auf Erden". Dass im Gaza-Streifen an Lebensqualität und Lebensperspektive zu wünschen übriglässt, will ich gar nicht bestreiten. Das liegt aber vorrangig an der Hamas.

Die von außen geschlossenen Grenzen tragen nicht dazu bei? Dein Kommentar ist reine Propaganda. Schlechte Propaganda.

Ich würde dir vorschlagen:

 

Du verläßt dein angenehmes Zuhause und ziehst für läppische vier Wochen nach Gaza. Du darfst soviele Freunde wie nötig mitnehmen, damit ihr dort ganz selbstbestimmt leben könnt.... und dann reden wir noch einmal darüber, woran die Hamas schuld ist, woran Du und deine Freunde. Dann bleibt dir ein Zynismus über "obzessives Geschwafel" hoffentlich im Hals stecken - oder du hast keine Kraft mehr dazu.

Dann weißt du hoffentlich, wie dumm dein Gerede ist, dass an dem Leben in Gaza "vorrangig die Hamas" schuld ist.

Und was ich über Hamas und andere national-religiösen Wahnsinn halte, ist nachlesbar - nicht erst seit gestern.

 

Wolf Wetzel

"Nach Berechnungen der FAO lebten im Jahr 2006 81 % der 1,5 Millionen Einwohner des Gazastreifens ebenso wie 59 % der 2,4 Millionen Einwohner des Westjordanlandes unterhalb der Armutsgrenze. Nach FAO-Angaben waren 70 % der Bevölkerung im Gazastreifen nicht in der Lage, ihren täglichen Nahrungsmittelbedarf ohne zusätzliche Hilfe zu decken und hatten nur 2–3 Stunden pro Tag Zugang zu Wasser.[50] Seit 1949 ist der Gazastreifen wesentlich auf die Versorgung durch die UNRWA angewiesen. So versorgte die UNRWA Ende 2012 etwa die Hälfte der Bevölkerung mit Lebensmitteln.[51] Eine Gesundheitsstudie der WHO vom Juli 2009 kam zu dem Ergebnis, dass Untergewichtigkeit von Säuglingen (1,2 %) und Kindern bis 16 Jahren (1,4 %) im Gazastreifen leicht rückläufig sei und auf einem akzeptablen Niveau liege, während Übergewichtigkeit von Kindern zwischen 10 und 16 Jahren mit 15,9 % eine „hohe Verbreitung“ („high prevalence“) aufweise. Die Studie vermutet als Gründe Bewegungsmangel und unausgewogene Ernährung.[52]"

http://de.wikipedia.org/wiki/Gazastreifen#Bev.C3.B6lkerung

... genauer hinzuschauen:

 

Nach dem Multidimensional Poverty Index http://en.wikipedia.org/wiki/Multidimensional_Poverty_Index der Vereinten Nationen liegen die "Occupied Palestinian Territories" auf einer Skala von 0 (keine Armut) bis 100 (totale Armut) bei 0,007, also etwas schlechter als Lettland (0,006). Demgegenüber Jordanien: 0,008; Ägypten: 0,024; Marokko: 0,048; Irak: 0,059; Yemen: 0,283. Fazit: mit Ausnahme der Golfstaaten sind die Lebensbedingungen wohl in keinem unabhängigen arabischen Staat besser.

Dann zieh doch hin, wenn es dort so schön ist!

Ach, und vergiss nicht deine deutsche Staatbürgerschaft vorher abzulegen!

Dann versuch so zu leben und zu handeln wie die dort lebenden Menschen. (abgesehen von eindeutig politisch motiviertem Verhalten)

Auch wenn das ein Gedankenmodell ist das schier unmöglich umzusetzen ist, dir scheint das Leben der palestinensischen Bewohnerschaft ja ein "Hort der Freiheit und des Wohlstandes, der Selbstbestimmung und der Versorgungsfreiheit (Elektrizität,Wasser etc.) zu sein.

Und damit sind eindeutig die Diktate des Israelisch Staates gemeint.

Nicht die zweifellos existierenden Zwangsverältnisse die aus der Praxis der Hamas Regierung herrühren.

 

Nach dem ersten Bombardement hättest du dir eingeschissen und würdest mit deinem Rollkoffer und den Bildern der Leichen deiner Nachbarschaft im Kopf, zum nächsten Flughafen hetzen wollen....

.... Ach - geht ja nicht so einfach. Bist ja  nun "arabischer Palestinenser"!

Klugscheisser!

ganz ehrlich zum einen geht die Skala von 0 bis 1,0 zum anderen bedeutet auch der Wert 0 noch Armut, oder meinst du dass es keine Armut in Weißrussland gibt welches einen Wert von 0,0000000 hat? Das ist das Problem wenn man von Indexen und Mathematik etc. keinen Plan hat. Dezibel ist z.B. eine Skala welche nicht linear ist und den Schalldruck angibt, doch können Menschen schon in einem Bereich von -5dB Töne wahrnehmen... Aber Hauptsache irgendeinen Quatsch rausgehauen. Und wo hast du das mit der Lebenserwartung im Gazastreifen her? Würde mich mal interessieren. Hab grad nicht die Muse das rauszusuchen.

Das ist doch ein zumindest in kleinen Teilen sinnvoller Beitrag. Die Skala geht von 0 bis 1, genau. Dumm von mir. Du bist aber wirklich von der Muse der Arithmetik geküsst, was? Das Beispiel Schalldruck ist allerdings haarsträubender Blödsinn, da die Formel, nach der dieser Armutsindex berechnet wird, keine negativen Ergebnisse zulässt. Da fehlte dann wohl wiederum die Muse.

ein "klerikalfaschistisches Amalgam" finde sich in Israel,
so Rolf Verleger im Deutschlandfunk. Er analogisiert so die Kooperation von Kirche und Politik (welche sich zum Beispiel in Punkto Antisemitismus einig waren, etwa während des Zweiten Weltkriegs) um dadurch dem jüdischen Staat faschistische Eigenschaften zuzuschreiben. Irgendwie verwunderlich, dass ein Typ wie Netanjahu auf einmal auf Augenhöhe mit Franco gesehen wird. Verständnisheischend für die Hamas hingegen die Bemerkung "Dass die dann ihre komischen Raketen [aus dem Gazastreifen, Anm.] abschießen, das ist nicht schön, aber das ist doch eine verständliche Folge all dieser Dinge" - was sind denn all die Dinge? Und wieso überhaupt "komische Raketen"? Das was da in Richtung Israel durch die Luft fliegt ist genau so wenig "komisch" wie die Rakete aus einem Helikopter oder eine ferngelenkte Explosivwaffe die in Gaza einschlägt. Vielleicht trägt das Abwehrsystem Iron Dome dazu bei einige Raketen zu eliminieren, das Bedrohungsszenario indes bleibt gleich unkomisch (auch wenn sogenannte Menscherechtler wie etwa Hans-Joachim Heintze in der Zeit auf die Idee kommen und meinen "Israel hat jedoch gezeigt, dass es in der Lage ist, die meisten der Raketen abzufangen und zu zerstören. Angemessene Selbstverteidigung hieße daher, der Hamas mitzuteilen, dass man weitere Maßnahmen ergreifen werde, wenn sie den Raketenbeschuss nicht beendet" - also einfach hoffen dass die Abwehr funktioniert & die Menschen wegen der zu erwartenden noch größeren Bedrohung ständig in Bunkern sitzen lassen, während die israelische Regierung zur Hamas nur mal "DuDu, böse böse" sagen sollte...).
Der Ruf Verlegers wie auch Wetzels Kausalitäten zu beachten ist verständlich, doch was wenn der Fall, auf welchen man sich bezieht, bereits in der Vergangenheit verschieden beurteilt wurde? Ähnlich wie Wetzel kommt auch Verleger zur Erkenntnis: "der Gazastreifen ist ein großes Gefängnis" (auch 2010 von Uno-Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten, John Holmes, so genannt) - & kann an der Stelle etwa die Frage aufwerfen aus welchem Gefängnis die umgebende Bevölkerung mit Raketen beschossen wird - dass da Drogen drin kursieren & auch Waffen ist wahrscheinlich, doch ein Angriff über die Gefängnismauern rüber - um was zu erreichen (einen Ausbruch?)??

Wolf Wetzel meint
"Seit Jahren liegt dieser politische Ausweg auf den Tisch. Seit Jahren unternimmt die israelische Regierung alles, um an der Kriegslogik festzuhalten" & verdreht damit Tatsachen bzw. weist damit die Ursache am fehlenden Frieden einseitig dem jüdischen Staat ("alles nur Kriegslogik") zu. Des weiteren meint Wetzel, dass derjenige, welcher die Forderung nach einem "dezidiert ›jüdischen Staat‹ als einzige politische Antwort auf die Shoa und den nach wie vor existenten Antisemitismus [...] [aufstellt, Anm.], der kann diesen politischen Irrsinn nur mit Terror und Krieg ›verteidigen‹" - und leugnet damit das viel häufiger zufindende größere Verständnis für den (hilflosen & verzweifelten) Terror aus dem Gazastreifen, der in Israel willkürlich einschlägt (früher gab es Suizidattentäter); der jüdische Staat wird zum politischer Irrsinn gemacht, derweil nicht die jüdische Staatsgründung den irrsinnigen Moment darstellt (& auch nicht die damit einhergehenden Aufgaben zur Aufrechterhaltung & Funktionalität der staatlichen Gewalten) sondern der praktizierte Antisemitismus, welcher in Wellen immer wieder Menschen an den östlichen Rand des Mittelmeeres spülte. Mit der Staatsgründung 1948 wurde den Juden in vielen angrenzenden arabischen Staaten die Ausreise nach Israel empfohlen (sie wurden auch gern von dort gewaltätig vertrieben) - der Staat wurde und wird also (nicht zu Unrecht) von außen als dezidiert jüdisch gesehen, ohne dass dies mit Krieg verteidigt werden müsste.

Die Forderung nach einer Einigung der Klassen dürfte schwer fallen - in Israel sind ungleich mehr Menschen beschäftigt als in den palästinensisch verwalteten Gebieten (wo es, etwa im Gazastreifen, neben der typischen im Knast zu findenden Arbeit als Gärtner, Bombenbauer oder Familienvater auch sonst nichts weiter geben kann). Die Begrifflichkeiten mit denen die Lage des Gaza beschrieben wird ist auch bezeichnend - en vogue ist zur Zustandsbeschreibung auch "Ghetto", was die Situation ebenso wenig (trotz prima Foto oben) trifft.