Das Bundesinnenministerium hat 76 neue "Beweissicherungs- und Dokumentationskraftwagen" gekauft.

Beweissicherungs- und Dokumentationskraftwagen

Um Personen und Versammlungen aus der Distanz besser überwachen und kontrollieren zu können, haben sich die Bereitschaftspolizeien der Länder 52 neue "Beweissicherungs- und Dokumentationskraftwagen" (BeDoKw) beschafft. Sie sind mit einem bis zu 4 Meter hoch ausfahrbaren Kameramast ausgestattet, auf dem eine bewegliche Einheit aus Videokamera mit Zoomfunktion, aber auch ein Richtmikrofon fixiert ist. Auch die Bundespolizei hat eine Bestellung über weitere 24 Fahrzeuge aufgegeben. Die Beschaffung ist Teil der Aufrüstung des Fuhrparks deutscher Polizeibrhörden, denn zeitgleich wurden 78 neue Wasserwerfer beschafft.

 

Der "Beweissicherungs- und Dokumentationskraftwagen" soll aktuelle Lageinformationen visuell und akustisch aufzeichnen und computergestützt bearbeiten. Zwei "Operateure" sind an einem Arbeitsplatz im Innern der Fahrzeuge entweder für Kamerabedienung, Mastbedienung und Aufzeichnung oder Video- und Bildbearbeitung zuständig. Mit Klimatisierung und Zusatzheizung haben sie es dabei schön bequem. Die aufbereiteten Daten können an Lagezentren übermittelt werden. Jeder BeDoKW ist zusätzlich mit einem Drucker bestückt, um Bilder von unliebsamen Personen zügig an Polizeikräfte auszuhändigen. Dann können sie von speziellen Polizeitruppen aus der Menge herausgegriffen werden.

 

Wie das geht, zeigt die Firma ESG, die ein Zusatzmodul für am Einsatz beteiligte Polizeikräfte anbietet: Die Insassen des BeDoKW sind über ein Führungssystem mit zwei Zügen einer "Beweis- und Festnahmeeinheit" vernetzt. Eine Truppe startet einen Scheinangriff zur Ablenkung, während die andere eine vom BeDoKW identifizierte Person herausgreift. Der Einsatzleiter erhält das Foto hierfür per Funk auf einen Tabletcomputer.

 

"Zielverfolgung" und "Kommunikationsüberwachung"

 

Die Mercedes-Fahrzeuge werden vom italienischen Rüstungskonzern Finmecchanica bzw. dessen deutschen Ableger Elettronica in Meckenheim gefertigt. "Entdecken, identifizieren und stören" nennt der Geschäftsführer Gerhard Henselmann die Leistungsmerkmale der Elettronica-Produkte.

Je nach "Kundenwunsch" können Abnehmer die BeDoKW mit "individueller technischer Ausstattung" nachrüsten. "Im Besonderen" liefere Elettronica "innovative Lösungen für die Einsatzprofile "Suche & Peilung", "Beobachtung und Überwachung", "Zielverfolgung" und "Kommunikationsüberwachung". Der Berliner Innensenat gibt die Kosten der Fahrzeuge mit "zirka 179.000 Euro" an. Unklar ist, ob es sich dabei um die Basisversion oder ein aufgemotztes Fahrzeug handelt.

 

Die BeDoKW sind mit einem Kommunikationssystem und Data-Links für Mobilfunknetze ausgestattet. Optional können weitere Netzwerkdienste genutzt werden, etwa "Video-Links oder WiFi". Laut Elettronica werde das Videosignal in HD-Qualität aufgezeichnet. Im Videostream können einzelne Personen markiert werden, eine Software verfolgt diese dann selbständig. Eine ähnliche Funktion hatte ein Fraunhofer-Institut für Bundeswehr-Drohnen entwickelt.

 

Zur ebenfalls einrüstbaren Abhörtechnik gehören Plattformen zur Fernmeldeaufklärung (COMINT) und Signalerfassung (SIGINT). Damit kann jede funkgebundene Kommunikation abgehört und lokalisiert werden. Auch Sensoren zum Aufspüren von Gasen werden angeboten. Die für die wunschgemäße Ausrüstung der BeDoKW zuständige Partnerfirma Medav schreibt, die Kombination der Fähigkeiten "Sehen" und "Peilen" könne bei "verdeckt oder offen geführten Ermittlungen und Einsatzszenarien, z. B. Demonstrationen, Versammlungen sowie Personen- und Objektsuche" zur Anwendung kommen.

Medav ist spezialisiert auf das Aufspüren und Abhören elektronischer Signale. Elettronica ist in einem ähnlichen Segment aktiv: Um Flugzeuge vor Raketen zu schützen, arbeitet die Firma mit einer israelischen Firma laut dem Bonner "Generalanzeiger" an einer "lasergestützten Selbstschutzeinrichtung".

 

Alle Kosten trägt das Bundesinnenministerium

 

Elettronica spricht von "kontinuierlichen Bestellungen aus dem zivilen als auch dem wehrtechnischen Bereich". Auch die Bundespolizei beschafft insgesamt 24 BeDoKW. Lediglich die Polizei Kroatiens habe ein weiteres, einzelnes Fahrzeug bestellt. Die Meldung erweckt so den Eindruck, die Serie der BeDoKW sei ausschließlich für die deutsche Polizei entwickelt worden.

 

Das Bundesinnenministerium bestätigt das. Demnach hatte eine Bund-Länder-Projektgruppe unter Leitung der Bundespolizei die "technisch-betriebliche Bedarfsbeschreibung" für die Fahrzeuge erstellt und eine Leistungsbeschreibung mit dem Beschaffungsamt des Ministeriums abgestimmt. Die Beschaffungsmaßnahme "im engeren Sinne" sei durch das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern "realisiert" worden.

 

Aber auch das Militär gehört zu den potentiellen Abnehmern: Der BeDoKW wurde, obwohl mit der Bundespolizei durch eine zivile Behörde entwickelt, auch auf einer "Hausmesse" der Bundeswehr vorgestellt. Schwerpunkte der Veranstaltung waren die Themen "Elektronische Aufklärung", "Kommunikationsaufklärung" und "Kommunikationsstörung". Auch auf einer der größten, weltweiten Messe für Polizei, Geheimdienste und Militär wurde der BeDoKW bereits präsentiert.

 

Das Bundesinnenministerium will im Gegensatz zum ausführenden Unternehmen keine Angaben machen, mit welcher Überwachungstechnik die BeDoKW der Polizei ausgerüstet sind. Auch welche weiteren Produkte anderer, auf Überwachungstechnologie spezialisierten Firmen verbaut werden, bleibt geheim. So kann die Öffentlichkeit nicht erfahren, welche Anwendungen, um "visuell und akustisch aufzuzeichnen, zu selektieren, zu analysieren und bei Bedarf an übergeordnete Stellen zu übermitteln", eingebaut sind.

 

Es ist zwar unwahrscheinlich, dass alle BeDoKW mit Anlagen zum Überwachen des Mobilfunks, etwa den sogenannten IMSI-Catchern, durch die Gegend fahren. Möglich wäre aber dennoch, dass das ein oder andere Fahrzeug von Bundes- und Länderpolizei mit mehr Spionagetechnik ausgestattet ist.

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Ihr wisst nicht zufällig was für ein Kameramodell verbaut wurde/wird?

Auch wenn eure Infos sehr gut sind, basieren sie doch auf den öffentlich zugänlichen Seiten der Firmen, oder?

 

Interessant wäre, auch noch die Qualität der Mikrofonanlage, zwecks Störung durch Geräusche, soll heißen:

Kann die verbaute Anlage Störgeräusche(Trillerpfeifen, lautes Schreien, Tröten und so weiter) heraus filtern um dann Gespräche aufzuzeichnen und wenn ja, in was für einer Qualität können diese Geräte trotz Störgeräuschen aufgezeichnet werden.

 

Dasselbe gilt für die Kamera, vor allem in der Dämmerung/Nachts.

Ist es möglich besagte Kamera durch, beispielsweise eine Lichtquelle auf Kopfhöhe in der Aufnahme zu stören?(Geht ganz gut bei den kleineren, digitalen Handkameras der Bullen, die größeren mit dem großen Objektiv sind da weniger Störanfällig)

 

Ist vielleicht noch zu erwähnen das am hinteren Ende dieser Einsatzfahrzeuge eine kleine Kamera am oberen Ende der Türen angebracht ist, die ebenfalls aufzeichnet, somit fällt der tote Winkel durch fehlende Fenster im Heck weg.

 

Ansonsten erstmal danke für die Recherche.

Eine Frage die schon länger im Raum steht: Wie kommen die Bilder der einzelnen Bedo-Bullen innerhalb der EHu-Züge zur Auswertung? Gibt es auch da Möglichkeiten, bspw. per Mobilfunk, Einzelbilder von den Handycams der Bullen zum BeDo-Wagen zu schicken und von dort zu verteilen? Oder läuft das heutzutage doch noch "analog", dh BeSi-Bulle funkt nach Sichtung auf seinem Minibildschirm Personenbeschreibungen durch, oder gibt das Band an so einem Wagen oder - viel später erst - nach Einsatzende in der Zentrale "per Hand" ab?

Nun ich vermute mal, dass das etwas professionellere Kameras sein dürften. Sicher wird man diese blenden können, jedoch kann ich mir gut vorstellen dass die soviel Geld ausgeben, dass sie mit Multispektralkameras ausgestattet sind. Also Kameras die auf mehreren Wellenlängen als dem sichtbaren Bereich operieren. Nimmt diese Kamera dann auch den Infrarot-Bereich auf, nutz dir die Taschenlampe wenig, da sie auf einer anderen Wellenlänge arbeitet. Evtl wird aber die Blende beeinflusst sodass auch der IR-Bereich betroffen ist dennoch kann per Software mittels Kontrastexpansion im Nachhinein oder sogar live der blendene Kanal einfach abgeschalten werden.

 

Am wirkungsvollsten dürften immer noch Laserpointer sein, selbst schwache Geräte erzeugen auf den Punkt eine enorme Leuchtstärke (Lux=Lichtmenge pro Fläche). Es gibt da ja sogenannte Diffusor-Aufsätze um eine größere Fläche mit Laserlicht zu bestrahlen.

Hat das Kamera-System mehrere Objektive für mehrere Bereiche dürfte es aber verdammt schwierig werden das System zu überlisten.

 

Ich denke hier könnte die Community mal kreative Forschungsarbeit leisten Methoden zu entwickeln diese Kameras auszuhebeln. Es gab da ja schonmal ein Versuch einer berliner Künstlergruppe - da gibg es aber um die allumfassende alltägliche Überwachung mittels Kameras.

 

http://www.oberwelt.de/projects/2008/Filo%20art.htm

http://de.indymedia.org/2008/02/207708.shtml

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