Ein Aufruf antifaschistischer Gruppen zu den Protesten gegen den geplanten Aufmarsch rechter Kräfte und fundamentalistischer Christen am 28.06.2014 thematisiert wie die „Allianz im Hintergrund“ den politischen Druck der „Allianz auf der Straße“ dankend aufnimmt um das gemeinsame Ziel eines Rollbacks in der Gesellschaft und speziell im Ländle voran zu treiben. Auslöser des seit einigen Monaten wiederkehrenden rechten „Spektakels“ ist der Versuch der baden-württembergischen Landesregierung im Bildungsplan für 2015 auch die sexuelle Vielfalt innerhalb der Gesellschaft zu thematisieren. Am 19.06.2014 fand der, von Evangelikalen organisierte, „Christustag“ im Stuttgarter Neckarstadion statt, auf dem auch für die rechte Demonstration am 28. Juni geworben wurde.
Es gibt jedoch Anhaltspunkte, dass der „Christustag“ und der dort vorhandene Werbestand der Demo für Alle ein Wendepunkt für einen weiteren Rollback bis in die CDU und die württembergische Landeskirche hinein sein könnte.Aus aktuellem Anlass wollen wir noch einmal erklären, was die beiden Allianzen unterscheidet und was die Allianzen verbindet sowie auf die Entwicklungen im Rahmen des „Christustages“ eingehen.
Auf der einen Seite gibt es die Allianz auf der Straße. Sie ist ein Sammelbecken für christliche Fundamentalisten, Homophobe und Rechtspopulisten, die bei ihren reaktionären Demos auch Nazis in ihren Reihen akzeptiert haben. Sie trugen eine seltsame Panikmache (Frühsexualisierung) und Hetze (Pädagogik statt Pädologik) auf die Straße. Mit dem aus Frankreich übernommenen Konzept der „Demo für alle“ wollen sie sich einen anschlussfähigen Charakter geben. Dem Vorbild folgend, träumen sie davon Hunderttausende auf die Straße zu bringen. Was sie verschweigen, ist, dass aus der „Demo für alle“ die „Tage des Zorns“ entstanden sind. Anfang Februar 2014 liefen unter diesem Motto Neonazis durch Paris und riefen „Jude verpiss dich“ und einige feierten den Holocaustleugner Faurisson. Der Rechtsruck in Frankreich brachte bei der Europawahl den Sieg der Front National. Das wiederum ist auch in Deutschland das Ziel. Mit dem Netzwerk der AfD-Kandidatin Beatrix von Storch wird versucht, die Demos der Allianz auf der Straße bei uns zu professionalisieren, denn bisher gelang es nicht, politisch Druck aufzubauen.
Ende März fand ein Treffen zwischen Ministerpräsident Kretschmann und acht Vertretern sowie einer Vertreterin aus evangelikalen Kreisen, der sogenannten Allianz im Hintergrund, statt. Kurz darauf wurde verkündet, dass Änderungen am Bildungsplan gemacht werden und wenige Zeit darauf eine Verschiebung bekannt wegen Problemen bei der Umsetzung. Der Erfolg war der Allianz im Hintergrund vorbehalten.
Die Empörung der Allianz auf der Straße über ihre Nichtberücksichtigung bei der Gesprächsrunde schien schon damals seltsam angesichts der dadurch erfolgten Legitimation ihrer Aktionen und dem damit einhergehenden politischen Erfolg der Allianz im Hintergrund. Auch damals wirkte die Distanzierung der Allianz im Hintergrund von den rechten Protesten in Stuttgart angesichts des dankbar aufgenommenen Drucks der Allianz auf der Straße nur sehr vage. Aufgrund des gefährlichen Potenzial war es verständlich, obwohl darauf nicht genau hingewiesen wurde. Gleich zur ersten Demo hatte sich Gabriel Stängle, der durch die Allianz im Hintergrund unterstützte Initiator, der den Anstoß durch seine Petition gegen den Bildungsplan 2015 gab, sich von rechter Hetze distanziert. Angeblich sollte nur eine Diskussion auf sachlicher Basis geführt werden. Auch aufgrund der Nähe zur CDU und deren Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder wahrte die Allianz im Hintergrund zumindest in der Öffentlichkeit die Distanz zu der, durch die AfD und weiteren rechten Kräften dominierte, Allianz auf der Straße, was nur durch einige Überschneidungen aufgebrochen wurde. Zum Beispiel die Rede von Christoph S. (Vorsitzender des evangelischen Arbeitskreises der CDU) bei der Demo im April. Er ist auch Pastor bei der evangelikal fundamentalistischen Ablegergemeinde des Feuerbacher Gospelforums in Heilbronn.
Beim sogenannten „Christustag“ wurde dieses Aufbrechen fortgesetzt und noch deutlicher. Auch wenn im offiziellen Programm es aus politischem Kalkül oder aufgrund organisatorischer Defizite kein Infostand der „Demo für alle“ angekündigt war, wurde dieser dennoch genehmigt und durchgeführt. Auf der Homepage der „Demo für alle“ ist nun ein Bericht veröffentlicht über den erfolgreichen Verlauf der Mobilisierungsaktion beim Christustag. Darin steht: „Viele kamen an den Stand und bedankten sich für das Engagement der DEMO FÜR ALLE, darunter auch der Initiator der Petition gegen den Bildungsplan 2015, Gabriel Stängle. Viele versprachen bei der anstehenden Demo auf alle Fälle dabei sein zu wollen. Auch einige Verantwortungsträger aus Kirche und der Organisation des Christustages bedankten sich ausdrücklich für die Arbeit von DEMO FÜR ALLE. Eine rundum gelungene Aktion!“
Die Äußerungen im Internet sind als Beweis für die rein taktischen Beweggründen der Allianz im Hintergrund zu werten, als diese sich öffentlich von den rechten Demos distanzierte. Unter der Hand gibt es Zustimmung während offiziell Hetze abgelehnt wird.
Was jedenfalls sicher ist: Auf den Bildern des Infostands beim „Christustag“ sind Benjamin F. und Simon Müller zu sehen zu sehen. Benjamin F. ist Aktivist bei der Hetzseite PI-News und deren Stuttgarter Gruppe sowie bei einer Aktionsgruppe für verfolgte Christen. Im Internet Hetzartikel zu schreiben auf Demos in Anti-Antifa-Manier politische Gegner zur filmen, zu fotografieren, anschließend zu veröffentlichen und noch weitere Aktionen zu planen scheint seine spezielle Auffassung seines Glaubens und der Nächstenliebe zu sein. Er fungiert als Bindeglied zwischen der Allianz im Hintergrund und der Allianz auf der Straße. Gleichzeitig zeigt dies auch die enge Verbindungen der Netzwerke von Beatrix von Storch, ihrer Partei der AfD und des Hetzportals PI-News.
Simon Müller hingegen ist Mitglied der selbsternannten „Konservativen Aktion Stuttgart“, einer Gruppe junger Neurechter und Burschenschaftler. Während sich Müllers Aktivitäten in der Vergangenheit beispielsweise um das als „islamkritisch“ titulierte Rassistenwochenende 2011 in Stuttgart drehten scheint sein Herz mittlerweile für die Familie zu schlagen – im wahrsten Sinne des Wortes. Schon im Februar erschien er mit Kind und Kegel auf der ersten rechten Demo, mittlerweile gehört er wohl zum lokalen Organisationsteam der Demos in Stuttgart.
Für uns ist die Präsenz der „Demo für alle“ mit bekannten rechten Aktivisten auf dem „Christustag“ ein Weckruf und ein Zeichen dafür, dass die Hetze der Demo anschlussfähiger wird und weitere Kreise zieht.
Dass uns bisher keine Infos zu Gegenprotesten oder wenigstens Kritik aus diesen oder liberaleren Kreisen erreicht, verwundert nicht. Das Problembewusstsein für reaktionäre Hetze in den eignen Reihen ist nach unserer Einschätzung wenig bis überhaupt nicht ausgeprägt. Wie sich die Mobi-Aktion bei den an sich zurückhaltenden Pietisten auswirkt hängt natürlich auch davon ab, wie sich die Allianzen im Hintergrund weiter zu der Allianz auf der Straße verhalten. Nicht alle sind so emsig und aktiv wie der Bruder Benjamin F oder Simon Müller.
Wir hoffen dass hier zumindest offiziell weiterhin eine klare Trennlinie gezogen und die Mobi-Aktion beim Christustag ein einmaliger Ausrutscher bleiben wird. Wobei uns dies natürlich nicht davon ablenkt, dass die inhaltlichen Schnittmengen groß sind und die Überschneidungen aktuell wachsen. Auch wenn der Aufruf der Aktion „Aufstehen“ (gegen eine Abwertung von christlichen Werten) der lebendigen Gemeinde verklausuliert, eine Diskriminierung von LSBTTIQ und sexueller Vielfalt ist, gibt es auch Unterschiede. Diese genau heraus zu arbeiten sehen wir eher als Aufgabe der Politik und der Kirchen, sowie anderer ChristInnen an. Leider haben wir große Zweifel daran, dass hier eine Auseinandersetzung stattfindet. Denn im Hinblick auf das Großevent evangelischer Kirchentag 2015 in Stuttgart wurden beim „Christustag“ harmonische Töne angeschlagen. Die Konservativen scheinen etwas Kreide zu fressen, die Liberalen klatschen Beifall und die Kirchführung freut sich. Ein „Kirchenkampf“ soll vermieden und der „Kulturkampf“ befriedet werden. Gleichzeitig sollen jedoch auch die reaktionärsten Positionen noch einen Platz haben.
Wir sind Antifaschisten und eigentlich an Kirchenpolitik so interessiert wie am Wetterbericht. Erst wenn eine Sturmwarnung vermeldet wird hören wir zu. So etwas braut sich jedoch gerade zusammen. Eine Verbindung rechtsklerikaler Positionen mit rechter Politik, die auf der Straße aktiv ist, kennen wir bisher vor allem aus Osteuropa. Die schon seit Jahrhunderten existierenden Pietisten haben uns, solange sie unter sich in ihren Bibelkreisen und christlichen Themen fokussiert waren, bisher so in Aufregung versetzt wie Lieschen Müller und Peter Allerwelt. Wir finden es äußerst bedenklich was sich momentan in der Kirche in unserem Bundesland und unser Stadt abspielt. Dass dies so wunderbar funktioniert und alle unfähig bzw. unwillig sind etwas zu unternehmen macht klar, dass wir die Sache selbst in die Hand nehmen müssen.
Fazit: Allianz im Hintergrund – Allianz auf der Straße? Wer was? Alles kompliziert. Wenn es einfacher wird wäre dies jedoch sehr gefährlich. Denn wenn sich die reaktionären Überschneidungen auf der Straße vereinen und weiter den Rollback vorantreiben ist das Spiel mit dem Feuer entzündet – der Blick nach Frankreich oder Osteuropa genügt. Dort haben Faschisten mit dem Thema Homophobie erfolgreich einen kleinen aber gemeinsamen reaktionären Nenner für eine breite rechte Bewegung gefunden. Die Gewalt hat zugenommen und die Gefahr für Andersdenkende und speziell LSBTTIQ-Menschen hat sich vergrößert. Dies gilt es hier im Keim zu ersticken!
Ausblick: Wir werden daher am 28. Juni 2014 und darüber hinaus genau beobachten wie die beiden Allianzen sich zueinander verhalten und wenn notwendig werden wir allen keine Möglichkeit geben ihre Hetze auf die Straße zu tragen. Auf irgendwann verbesserte Bildung oder das selbstständige Verschwinden reaktionärer Tendenzen und Haltungen in unserer Gesellschaft zu hoffen reicht nicht aus. Solche Tendenzen wollen wir direkt dort bekämpfen wo sie auftreten. Am 28.06.2014 versuchen sie ihre Hetze in Stuttgart auf die Straße zu tragen und dabei auch den gemeinsamen Nenner mit Stuttgarter Otto- und Anna-NormalbürgerInnen offenzulegen und zu nutzen. Daher halten wir es nach den aktuellen Entwicklungen noch wichtiger den anachronistischen Zug der rechten Allianz(en) zu seinem Desaster zu machen.
Alle die sich bisher zurückhaltend verhalten haben rufen wir auf angesichts der Entwicklungen ihr Verhalten zu überdenken und am 28.06.2014 die Proteste gegen die rechte Demonstration mit vielfältigem und entschlossenem antifaschistischen Widerstand zu unterstützen.
Am 28. Juli raus auf die Straße! Treffpunkt: 13.30 Uhr Stauffenbergplatz!
Gegen rechte Allianzen und Homophobie!
Weitere Infos: www.gegenrechteallianzen.tk
naja
Danke für die Hintergrundinfos zu den Organisatoren der homophoben Demos.
Aber ich würde das Ganze nicht überbewerten. Eine Spinnergruppe hat nen Infostand auf der Veranstaltung von anderen Spinnern. Keine allzu große Überraschung und auch keine neue "Gefahrenlage".
bitte?
Würde die Initiative ganz definitiv auch nicht runterspielen wollen. Demo für alle bezieht sich klar auf die "manif por tous", die in Frankreich Hunderttausende für die Homophobe Sache gewinnen konnte. Mit "Drittem Weg" und "Identitären" kupfern Deutschlands radikale Rechte weiterhin in Frankreich ab, wo gerade alles andere als ein Linksruck statt findet. Klar sind das Spinner und Spinnerinnen, aber ungefährlich macht die das nicht. Die sollten lieber früher als später das Fürchten lernen. Im Zweifel bewerten die Antifas hierzulande die Entwicklung falsch und die Akzeptanz dieser bürgerlichen Fasci der Neuzeit wächst. In Teilen zeigt sich dass sie gut vernetzt sind und auch Resourcen mobilisieren können. Die Anschlußfähigkeit der neuen Rechten ist massiv und eine sehr clevere Taktik. Lasst uns weiterhin an deren Masken zerren und Schellenwälder pflanzen.
Geschichtshinweis
Du klingst wie die große Zahl der "mittigen" Verharmloser antisemitischer Hetze in der Weimarer Republik. Für die waren die Nazis bis Anfang der 30er (!) Jahre auch nur "Spinner", die man nicht überbewerten sollte. Am Ende ermöglichte diese "Mitte" erst die Machtübertragung an Hitler.
Damals wie heute
Damals: "Verjudung"
Heute: "Homosexualisierung"
Paranoide Feindbilder, die Menschenleben kosten.
Und die in Zeiten der (Dauer-) Krise ganz gezielt gefördert werden.
Im Kern müssen die Homohasser und Faschisten hier nur an die reaktionäre,
chauvinistische und homophobe Politik der Regierung Merkel (samt der Mehrheitsbeschaffer
von der "S"PD), die Schwulen und Leben weiterhin demonstrativ gleiche Rechte verwehrt und deren Lebensgemeinschaften
und Familien immer wieder herabwürdigt sowie auf EU-Ebene jeden effektiven Schutz vor Diskriminierung sabotiert,
anknüpfen.
Und nicht zufällig gehen die Parteifreunde Merkels nicht nur in diesem Fall, sondern in ganz Europa auch zunehmend
wieder offene Bündnisse mit Faschisten ein, um jede fortschrittliche Krisenlösung im Interesse der breiten Masse
der lohnabhängigen Menschen mit allen Mitteln zu unterbinden.