[S] Antifaschist zu Geldstrafe verurteilt

Antirepressionsinfo der Roten Hilfe

Am heutigen Donnerstag, den 12. Juni wurde ein Antifaschist aufgrund von Blockaden gegen einen rechten Aufmarsch zu einer Geldstrafe von 600 € verurteilt, nachdem er Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt hatte.

 

Vorgeschichte


Am 01.02.2014 sammelten sich in Stuttgart Rechte, Konservative und religiösen Fundamentalisten zur ersten homophoben Demonstration gegen den Bildungsplan 2015. Aus dieser Demonstration entwickelte sich die rechte Allianz als ein neues politisches Phänomen! Erneute Demos folgten im , März und April. Während die Demo am 01.02.2014 noch erfolgreich gestört und blockiert werden konnte, wurden die folgenden Aufzüge der rechten Allianz durch massive Polizeigewalt und anderen Repressionen, wie beispielsweise die Ingewahrsahmnahme von über 70 AntifaschistInnen, am 05.04.2014. ermöglicht. Am 03.05.2014, wurden die Pläne einer erneuten rechten, homophoben Demonstration durchkreuzt. Sämtliche Plätze in der Stuttgarter Innenstadt waren durch Kundgebungen von antifaschistischen Gruppen, Personen oder Organisationen belegt. Auf diese erfolgreichen antifaschistischen Blockaden und Interventionen folgen nun massenweise polizeiliche Vorladungen, Strafbefehle und Prozesse. Seit Monaten sucht die Stuttgarter Polizei auf linken und antifaschistischen Veranstaltungen mit „Fotosammelalben“ nach angeblichen „Störern“ und hindert diese meist an der Teilnahme, lediglich mit der Begründung an den Aktionen gegen die rechte Allianz in den vergangenen Monaten teilgenommen zu haben.

 

Vorabkundgebung auf dem Schlossplatz


Bereits vor dem Prozess sammelten sich etwa 30 solidarische ProzessbeobachterInnen zu einer Kundgebung am Stuttgarter Schlossplatz. Neben Flyern gegen die nächste anstehende rechte Demonstration am 28.06.2014 wurden außerdem das neue Antirepressionsinfo der Roten Hilfe Stuttgart verteilt, welches insbesondere auf die „Stuttgarter Verhältnisse“ eingeht, sowie Reden über die Wichtigkeit antifaschistischen Widerstandes gegen die rechten Allianzen gehalten.Neben den KundgebungsteilnehmerInnen befanden sich in unmittlebarer Nähe mehrere Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei, welche versuchten die Kundgebung zu krminalisieren

 

Penible Kontrollen vor dem Sitzungssaal


Nach der Kundgebung zogen die TeilnehmerInnen geschlossen zum Amtsgericht zur solidarischen Prozessbeobachtung. Das Gericht hatte im Vorhinein Durchsuchungen und Personalausweiskopien der ProzessbeobachterInnen angeordnet. Über eine halbe Stunde dauerten die peniblen Kontrollen, bis der Sitzungssaal voll mit solidarischen ProzessbeobachterInnen und bewaffneten Polizisten, sowie Justizbeamten war. Trotzdem schafften es aufgrund der Größe des Sitzungssaales es nicht alle BeobachterInnen in den Sitzungsaal.

 

Schon zu Beginn der Verhandlung war der Verurteilungswille der Staatsanwaltschaft und des Richters Gauch klar. Der Angeklagte verweigerte konsequent jegliche Stellungsnahme zu den Vorwürfen vor Gericht. Nach Sichtung der Polizeivideos und -fotos vom 01.02.2014 wurde der bekannte Schreibtischtäter Stadtmüller vom Dezernat Staatsschutz der Stuttgarter Kriminalpolizei als einziger Zeuge geladen.

 

Politische Motivation kaum zu leugnen


Dieser erklärte, dass er sämtliche Personen, welche er durch deren regelmäßige Teilnahme an linken und antifaschistischen Demonstrationen und Protesten kenne, angezeigt habe. Am 01.02.2014 waren dies allein 40 Anzeigen, die Stadtmüller verfasst hatte. Dass hier eine politische Motivation seitens der Ermittungsbehörden vorliegt, lässt sich kaum leugnen.

 

30 Tagessätze à 20 Euro


Im Anschluss an die Zeugenbefragung wurden die Plädoyers gehalten. Der obereifrige Staatsanwalt forderte 40 Tagessätze a 20€. Die Anwältin des Angeklagten wies auf den politischen Hintergrund des Prozesses, sowie die Notwendigkeit antifaschistischen Engagements hin und forderte Freispruch. Zum Schluss verlas der Angeklagte eine politische Erklärung, welche vom Publikum mit langem Applaus beantwortet wurde.

 

Der Richter zog sich kurz zurück und verurteilte den Angeklagten anschließend zu 30 Tagessätze à 20€. Sein Urteil begründete er mit phrasenhaften Floskeln zur Demokratie und Meinungsfreiheit. Eine politische Tiefe war in der Argumentation des Richters nicht zu erkennen.

Im Anschluss an die Verhandlung zog ein Großteil der ProzessbeobachterInnen wieder zum Schlossplatz, an dem die erste erfolgreiche Blockade stattgefunden hatte, und es wurde erneut eine Kundgebung als Mobilisierung zu den anstehenden Protesten und Blockaden gegen die rechte Allianz, abgehalten.

 

Never ending story.


Nach Abschluss der Kundgebung wurde ein Kundgebungs- und Prozessbeobachtungsteilnehmer von mehreren Polizisten festgehalten, kontrolliert und er bekam einer Anzeige wegen angeblicher Körperverletzung bei der 1. Mai Demonstration.

 

 

Weitere Infos zu kontinuierlicher antifaschistischer Arbeit in Stuttgart und den anstehenden Protesten am 28. Juni findet ihr unter:

www.antifa-stuttgart.tk

www.aabs.tk

www.gegenrechteallianzen.tk

 

Für Informationen über Antirepressionsarbeit und Tipps zum Verhalten bei Demos oder bei Vorladungen:

www.stuttgart.rote-hilfe.de

www.rote-hilfe.de

 

Im Anschluss dokumentieren wir die politische Erklärung des angeklagten Antifaschisten vor Gericht, sowie die Rede des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart & Region (AABS).

 

Die politische Erklärung des angeklagten Antifaschisten:


Zu den Vorwürfen habe ich heute nichts gesagt, zum politischen Hintergrund möchte ich mich allerdings äußern.

 

Ich sitze heute hier auf der Anklagebank.

Noch vor wenigen Tagen hatte mir das Gericht einen Brief geschickt, mit Sicherungsmaßnahmen für meinen Prozess, u.a. wurden bewaffnete Polizisten und vier Justizleute für den Prozess beantragt. Zuschauerinnen und Zuschauer mussten ihren Ausweis kopieren und sich durchsuchen lassen, bevor sie den Gerichtssaal betreten konnten. Die Repression, welcher wir auf der Straße in Form von Polizeigewalt, Kontrollen und permanentem Abfilmen und abfotografieren ausgesetzt sind, wird heute hier fortgeführt. Monatelang wurden Aktivistinnen und Aktivisten, welche gegen die rechte Allianz demonstriert hatten, mit Fotomappen von der Stuttgarter Polizei gesucht und bei anderen linken und antifaschistischen öffentlichen Versammlungen festgesetzt oder festgenommen.

 

Aber warum all das?

Mir wird vorgeworfen eine öffentliche Veranstaltung gestört zu haben. Es soll ein Prozess stattfinden, in dem jeglicher politischer Hintergrund anscheinend irrelevant sei, und es nur um eine kriminelle Handlung geht.

Vorgeworfen wird mir also, mich an antifaschistischen Blockaden beteiligt zu haben, konkret zivilen Ungehorsam geleistet zu haben.

Aktionsformen gibt es ganz verschiedene, doch nur die wenigsten werden nicht kriminalisiert.

Legitim ist hier allerdings nicht nur Protest, sondern auch aktiver Widerstand, das direkte Benennen und Aufzeigen der verschiedenen Teile der rechten Akteure sowie konkrete Schritte zur Verunmöglichung der Verbreitung ihrer Hetze!

 

Doch was steht dahinter?

Am ersten Februar demonstrierten mehrere hundert Menschen auf dem Schlossplatz gegen die Integration sexueller Vielfalt in den Bildungsplan 2015. Aufgerufen hatte eine Allianz aus Konservativen, Rechten und religiösen Fanatikern.

Neu war, dass sich Konservative aus der CDU und deren Jugendorganisation Junge Union gemeinsam auf Demonstrationen mit offen auftretenden Faschisten vereinten. Gemeinsam sollte gegen emanzipatorische Ansätze in Sachen sexuelle Vielfalt und sexuelle Orientierung Stimmung gemacht werden.

Von Rechts werden Ängste geschürt, dass traditionelle Werte und Normen der Gesellschaft sich weiter entwickeln und nicht für immer still stehen.

Eine rechte Allianz entsteht, welche mit einem Werte-Rollback Druck gegen die Regierung aufbauen will und offen für die Ungleichwertigkeit von Menschen eintritt. Aggressive Homophobie, frauenfeindliches Familienbild gepaart mit rechten Sprüchen und teilweise völlig sinnlosen Thesen.

 

Warum eine solche Bewegung?

Nicht Alle haben ein Interesse an einem solidarischen Miteinander, sondern versuchen immer wieder Spaltungen zwischen uns Menschen herbeizuführen. Geschlechter, Lebens- und Liebesformen, Religionen, Haut- und Haarfarben und vieles mehr werden von den Eliten und Profiteuren der aktuellen Verhältnisse genutzt, um einen Keil zwischen die Menschen zu treiben. Wenn wir uns unserer Gemeinsamkeiten und unserer gemeinsamen Interessen nicht bewusst sind, ist es viel einfacher, uns gegeneinander auszuspielen und Profit daraus zu schlagen.

 

Auch sehen wir diese rückwärtsgewandten Bewegungen nicht nur hier bei uns in Stuttgart. In wirtschaftlichen Krisenzeiten ist immer wieder ein erstarken rechter Kreise zu erkennen. Europaweit haben wir nicht nur bei den Europawahlen einen Rechtsruck beobachten können. In Frankreich beispielsweise folgten auf die homophoben „Manif pour tous“ Demonstrationen die so genannten „Tage des Zorns“, bei dem Tausende Rechte und Faschisten pogromähnlich Jagd auf Andersdenkende, Andersliebende und Andersgläubige machten.

 

Die Gefährlichkeit dieses neuen rechten Phänomens zeigt sich auch daran, dass recht schnell Medien und auch Politiker aus verschiedenen Parteien das Thema aufgriffen und die rechten Demos zwar als Spinner, allerdings nicht als illegitimes rechtes Konzept benannten. Die so genannte „Demo für Alle“ schaffte es sogar recht schnell einen gewissen politischen Druck von Rechts auf die Landesregierung auszuüben. Dadurch besteht auch die Gefahr, dass rechte, reaktionäre Positionen wieder gesellschaftlich anknüpfungsfähig werden.

 

Zurück zu der Demonstration der rechten Allianz und den Gegenprotesten im Februar:

Denn am ersten Februar gab es nicht nur neue rechte Konstellationen und reaktionäre Hetze auf dem Stuttgarter Schlossplatz.

Viele hundert Menschen hatten sich versammelt, um dem entschieden kontra zu geben. Gemeinsam wurde gegen die rechte Allianz protestiert. Die wenigen anwesenden Faschisten mussten aus der Demonstration unter Polizeischutz weggebracht werden. Es sammelten sich immer mehr Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten auf dem Schlossplatz, so, dass der rechte Aufmarsch ins Stocken geriet. Irgendwann, nach langem hin und her, war klar, die rechte Allianz wird heute keinen Erfolg in Stuttgart finden. Die Polizei beendete die rechte Demo aufgrund der antifaschistischen Gegenproteste.

 

Am 1. Februar gelang es vielen Menschen entschlossen und erfolgreich gegen eine menschenverachtende Demonstration in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs zu protestieren. Nach diesem antifaschistischen Erfolg sollen die Protestierenden jetzt durch polizeiliche Vorladungen, Strafbefehle und schikanöse Prozesse mundtot gemacht und eingeschüchtert werden.

Das wird, egal wie das Urteil heute hier ausfällt, nicht gelingen.

Sollen wir abwarten, bis die Rechten sich besser organisieren und stärker werden?

 

Im April musste die selbe rechte Demonstration aufgrund von verschiedenen Blockaden auf der Strecke umgeleitet und von martialisch auftretenden Polizeieinheiten abgeschirmt werden.

Letzten Monat, am 3. Mai wurde erneut ein Aufmarsch durch präventive antifaschistische Arbeit verunmöglicht.

Am 28. Juni soll es nun erneut eine homophobe Demonstration dieser rechten Allianzen geben.

Jetzt wurden die Vorbereitungen der Proteste in politisch breitere Kreise getragen und laufen auf Hochtouren.

Am Samstag, den 28. Juni wird es wieder entschlossenen Protest gegen Homophobie und neue rechte Allianzen geben. Treffpunkt hierfür ist der Stauffenbergplatz um 13:30 Uhr.

Heute nach dem Prozess werden wir für die Proteste auf dem Stuttgarter Schlossplatz werben.

 

Es heißt für uns Antifaschistinnen und Antifaschisten, dass wir dieses neue Phänomen angehen müssen. Das heißt konkret, dass wir uns selbst informieren und die Situation analysieren. Wir müssen durch breite Öffentlichkeitsarbeit die Legitimität dieser Bewegung gesellschaftlich absprechen. Das gehört genauso dazu, wie durch direkten, vielfältigen Widerstand diese rechten Allianzen zu verhindern!

 

Egal ob Polizeigewalt, Schikanen bei Protesten oder juristisches Vorgehen gegen uns Antifaschistinnen und Antifaschisten:

Sie werden uns nicht daran hindern, weiter entschlossen auf rechte Tendenzen in der Gesellschaft aufmerksam zu machen und gegen rechte Aktivitäten vor zu gehen.

 

Antifaschismus ist notwendig, wichtig und nicht kriminell!

 

Die Rede des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart & Region (AABS):

 

Heute findet ein Prozess gegen einen Antifaschisten vor dem Amtsgericht hier in Stuttgart statt. Ihm wird vorgeworfen sich an antifaschistischen Blockaden beteiligt zu haben.

 

Am 1.Februar haben hier auf dem Schlossplatz etwa 300 Rechte, christliche Fundamentalisten und rechts-konservative gegen den Bildungsplan 2015 demonstriert. In diesem soll die Thematik sexuelle Vielfalt aufgegriffen werden.

Geplant war, dass der homophobe Demozug 200 Meter zur Oper marschiert. Gleichzeitig gab es am Schillerplatz eine Kundgebung zur Akzeptanz sexueller Vielfalt.

Als die Leute vom Schillerplatz auf die Teilnehmer der rechten Demo trafen kam es schnell zu Auseinandersetzungen. Obwohl unter dem homophoben Demozug viele Kinder und Familien waren, verhielten sie sich aggressiv und griffen teilweise Passantinnen und Passanten an.

Trotzdem gelang es den antifaschistischen Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten den Demozug zu stoppen und sich der rechten Allianz in den Weg zu stellen. Die rechte Demo musste daraufhin aufgelöst werden.

Die Polizei ging an diesem Tag unstrukturiert vor.

Nach diesem antifaschistischen Erfolg kam es bei den weiteren Demos zu größeren Polizeiaufgeboten und Schikanen. Auch kam es nach den weiteren Protesten gegen Demos der rechten Allianz zu vielen Vorladungen und Strafbefehlen. Die Polizei und die Justiz versuchen die Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten, die sich den Homophoben in den Weg stellten, einzuschüchtern.

 

Die homophoben Demos sind ein neues Phänomen, bei dem sich Rechte und Konservative als bürgerliche „besorgte Eltern“ ausgeben. Unterstützt werden diese Demos von der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“. Bei den Aufmärschen werden Neonazis geduldet, die dort mitlaufen. Erstmalig laufen CDU, christliche Fundamentalisten und Faschisten Seite an Seite.

Die Gefahr einer rechten Allianz, welche eine Dynamik annimmt, besteht weiterhin.

Gemeinsam wird eine Ungleichwertigkeit von Menschen gefordert und Homosexualität mit Pädophilie gleichgesetzt. Weiter wird ein rückwärtsgewandtes Frauen- und Familienbild in die Öffentlichkeit getragen, andere Lebensformen werden diskriminiert.

 

Deshalb ist es notwendig sich auch in Zukunft entschlossen und vielfältig den rechten Allianzen entgegen zu stellen.

Wenn es weitere Demos gibt, werden wir ihnen auch in Zukunft entgegentreten. Konkret gibt es in 16 Tagen, am Samstag den 28. Juni, eine weitere Demonstration der rechten Allianz.

Auch diese werden wir blockieren!

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was sollte der genosse denn laut strafbefehl zahlen?

Dort wo sich die Bullen aus Ku Klux Klan-Mitglieder zusammensetzen - was offensichtlich niemanden stört - und Karriere machen, verwundert es nicht wenn einfach mal so pauschal 40 Antifaschisten angezeigt werden die man kennt. Aber, immer wieder gut das offenzulegen. Weiter so!

...also gegen welche(n) Paragraphen des Strafgesetzbuches soll der Angeklagte verstoßen haben? "Widerstand", "Nötigung" oder ...?

Und noch eine Frage: Wird der Angeklagte in Berufung gehen?

Solidarische Gruesse!

Gerichte sind zum Essen da!