[S] Revolutionärer 1. Mai in Stuttgart

Domonstrationszug

Breiter Antikapitalistischer Block auf Gewerkschaftsdemo // Revolutionäre Demo mit 1000 TeilnehmerInnen // Polizeiprovokationen geschlossen abgewehrt // Internationalistisches Straßenfest mit vielfältigem Kulturprogramm

 

Die revolutionäre 1. Mai Demonstration in Stuttgart jährte sich in diesem Jahr zum zehnten Mal.

Seit 2004 finden in Stuttgart Mobilisierungen der revolutionären Linken zum internationalen Kampftag der ArbeiterInnenklasse statt, die mit intensiver Vorfeldarbeit und vielfältigen Aktionen jedes Jahr eine der zentralen politischen Kampagnen bilden. Sie haben sich zu einem nicht zu unterschätzender Gradmesser für den Stand revolutionärer, linker Politik in der Region entwickelt.

 

Mobilisierung

Die diesjährige Mobilisierung zum 1. Mai bestand aus drei, einander ergänzenden Strängen:

Ein breites Bündnis aus Gewerkschaftsjugenden von ver.di und IG Metall, antifaschistischen und internationalistischen Gruppen, sowie revolutionäre Strukturen organisierte unter dem Motto „Gemeinsam streiken, Widerstand organisieren, die Verhältnisse ändern“ einen antikapitalistischen Block auf der traditionellen DGB-Gewerkschaftsdemonstration

Das lokale revolutionäre Bündnis an dem sich die DKP, Young Struggle und das Libertäre Bündnis Ludwigsburg und wir - die Revolutionäre Aktion Stuttgart - beteiligten, organisierte, wie bereits in den Vorjahren, die revolutionäre Demonstration, die dieses Jahr unter dem Aufruf „Nichts bleibt wie es ist! Gegen Krieg und Kapital – Für Revolution und Klassenkampf“ lief.

Zudem mobilisierten wir als Zusammenschluss „Perspektive Kommunismus“ mit anderen revolutionären Strukturen aus dem Bundesgebiet, auf die 1. Mai Aktivitäten in den jeweiligen Städten – in Berlin, Hamburg, Mannheim, München, Villingen-Schwenningen und eben auch in Stuttgart. Passend zur Veröffentlichung eines gemeinsamen Grundlagentextes, stellten wir den Aufruf unter den Slogan „Die Perspektive heißt Kommunismus! Heraus zum revolutionären 1. Mai!“

 

Flächendeckend verklebte und aufgehängte Plakate sorgten, ebenso wie mehrere Tausend verteilte 1.Mai-Zeitungen des bundesweiten Zusammenschlusses, für eine angemessene Präsenz der Mobilisierung in der engeren Region um Stuttgart. Ein Open-Air-Kino auf dem Stuttgarter Marienplatz, eine Infoveranstaltungen und Infotische in mehreren Stadtteilen mit viel positivem Feedback eine Woche vor dem 1. Mai, ergänzten das Printmaterial. Dass die beiden geplanten Veranstaltungen zur Ausbeutung von Näherinnen in Pakistan und zu den Hintergründen des 1. Weltkrieges, dessen Beginn nun 100 Jahre zurückliegt, wegen Zwischenfällen bei den ReferentInnen nicht in angedachter Form stattfinden konnten, ist gerade hinsichtlich der Brisanz beider Themen für die Linke heute sehr bedauerlich, hat der Mobilisierung im gesamten jedoch keinen Abbruch getan.

 

Antikapitalistischer Block

Der Antikapitalistische Block auf der DGB-Demo zählte zwischen 250 und 300 TeilnehmerInnen, die zu großen Teilen aus dem Umfeld von Gewerkschaftsjugenden und regionalen linken Gruppen

kamen. Der Bereich stellte von Beginn an den lebendigsten Teil der eher behäbig auftretetenden Gewerkschaftsdemo mit insgesamt immerhin 2500-3000 TeilnehmerInnen dar.

Mit Schildern, Transparenten, Sprühkreide, Moderationsdurchsagen und gemeinsamen Parolen machte der Block deutlich, dass es am 1. Mai auch heute noch um wesentlich mehr als verbesserte Tarifabschlüsse und sozial angehauchte Reformen geht. Eine Transpi-Aktion am Rande der Demo mit Pyrotechnik und dem Slogan „ Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft“ brachte die Sache auf den Punkt und sorgte für gehobene Stimmung. Um bereits angekündigten Polizeikontrollen zu umgehen, scherte der gesamte Block kurz vor dem Demo-Ende aus und zog direkt zum Auftaktkundgebungsplatz der revolutionären Demo. Das Manöver rief zwar Teile der zahlreich vertretenen Einsatzhundertschaften auf den Plan, konnte aber erfolgreich gegen die eher unkoordiniert auftretende Staatsmacht durchgesetzt werden.

 

Die Rückmeldungen zum antikapitalistischen Block in der Gewerkschaftsdemo waren durchweg positiv und interessiert. Sogar die gewerkschaftlichen OrganisatorInnen sehen die selbstbestimmte Initiative von der Basis als festen und legitimen Teil der Demo an, dem schon im Vorhinein spezielle Aktionsmöglichkeiten, wie die Verwendung von Sprühkreide und einem eigenen Lautsprecherwagen, eingeräumt wurden. Nachdem die AntikapitalistInnen die Demo mit dem Manöver verlassen hatten, wurde die anschließende revolutionäre Demo auf der Abschlusskundgebung des DGB sogar von der Hauptbühne aus angekündigt.

 

Revolutionäre Demonstration

Auch wenn der Lautsprecherwagen vor Polizeikontrollen geschützt werden konnte: zahlreiche DemoteilnehmerInnen wurden im Umfeld des weitläufig umstellten Platz der Auftaktkundgebung mit Personenkontrollen und Durchsuchungen schikaniert. Einzelne wurden hierbei gar wegen vermeintlichen Straftaten bei zurückliegenden antifaschistischen Protestaktionen gegen die rechten und homophoben Gegner des Bildungsplans 2015 in Gewahrsam genommen.

Bei einem Infostand vor der Demo beschlagnahmten Bullen willkürlich rote Fahnen, die als potenzielle „Schlagwaffen“ ausgelegt wurden.

 

Diese inzwischen üblichen Machtspielchen der Stuttgarter Polizeiführung konnten, ebensowenig wie das eher unfreundliche Wetter, verhindern, dass die revolutionäre Maidemo 2014 mit etwa 1000 TeilnehmerInnen bei weitem die größte der letzten 10 Jahren werden sollte. Der vordere Bereich lief in festen Reihen und ließ mit Schildern, Parolen und zahlreichen roten Fahnen eine klare kommunistische Ausrichtung erkennen. AktivistInnen der Refugee-Bewegung, GewerkschafterInnen, Leute aus dem Spektrum der S21 Bewegung, AnarchistInnen und viele mehr prägten die Demo und sorgten so dafür, dass die Demo mit einem sehr gemischten und breiten Spektrum linker Kräfte aufwartete.

 

Wie zu erwarten war, setzten die Bullen auch auf der Demo ihren repressiven Kurs fort. Ein massives Aufgebot begleitete die Demo durchgehend mit Spalier, mit Einheiten in Seitenstraßen und zeitweise einer extra Hundertschaft an der Spitze. Immer wieder wurde die Demo unter fadenscheinigen Begründungen angehalten und von mehreren Seiten bedrängt. Die Demospitze konnte alle direkten Provokationen jedoch mit einer guten Reihenstruktur zurückweisen und ihnen gentschlosenen Druck entgegensetzen.

 

Eine rote Rauchshow sorgte im Stuttgarter Süden für gute Stimmung und verdeutlichte, dass die Durchsetzung eigener Demonstrationsformen trotz übermäßiger Polizeipräsenz möglich ist. Für eine Flashmobaktion scherten etwa 15 AktivistInnen während der Demo mit einem Transparent aus, um zum „Ausländeramt“ zu ziehen, dort den Eingang mit Bauzäunen zu versperren und mit einem beschrifteten Rettungsboot und hinterlassenem Transparent auf die restriktive Flüchtlingspolitik der Herrschenden Europas hinzuweisen.

 

Abgesehen von einigen Rangeleien kam es zu keinen ernsthafteren Auseinandersetzungen. Eine selbstbewusste Demospitze und eine, im Vergleich zu letztem Jahr, weniger eskalative Bullenlinie, waren ausschlaggebend dafür.

 

Die Reden auf der Demo thematisierten aktuelle soziale und politische Kämpfe: den Widerstand gegen die erstarkenden rechten Bewegungen in Europa, den Kampf der Bevölkerung im syrisch-nordkurdischen Rojava für eine selbstbestimmtes, sozialistisches Gesellschaftsmodell, jenseits von Islamismus und Assad-Regime, zur besonderen Unterdrückung von Frauen im Kapitalismus, den aktuellen Kämpfen von Flüchtlingen und den aufkeimenden Protest gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. In einer abgespielten Rede zur Repression gegen linke Kräfte, wurde auf die unausweichliche Konfrontation mit der Konterrevolution im revolutionären Prozess eingegangen, wobei die Betonung auf einem offensivem Umgang mit staatlichen Angriffen und der stetigen Erweiterung eigener – auch militanter - Handlungspielräume lag.

 

Zum Abschluss hielten wir eine Rede zur Notwendigkeit einer effektiven revolutionären Organisierung. Thematisiert wurde das wechselseitige Verhältnis zwischen den verschiedenen Teilbereichskämpfen und revolutionären Strukturen, die einerseits praktisch in den Kämpfen präsent sind und zugleich ihre Zusammenführung im Aufbau einer proletarischen Gegenmacht mit einer kommunistischen Gesellschaftsperspektive betreiben. Der kontinuierliche und hartnäckige Aufbau einer revolutionären linken Bewegung im Zusammenspiel mit anderen fortschrittlichen Kräften und gegen die Angriffe des bürgerlichen Staates, wurde als Grundlage für zukünftige Umwälzungen unterstrichen. Die Rede wurde von Pyrotechnik begleitet und, ebenso wie in den Vorjahren, vermummt gehalten, um keine zu deutlichen Ermittlungshinweise für Kriminalisierungsversuche zu geben. Die Stuttgarter Behörden haben in der Vergangenheit bereits viel daran gesetzt, einigen GenossInnen, wegen vermeintlicher politischer Nähe zu uns, das Leben schwer zu machen.

 

Internationalistisches Fest

Im Anschluss an die Demo zog ein Großteil der TeilnehmerInnen weiter zum internationalistischen Fest im nahegelegenen Linken Zentrum Lilo Herrmann. Die Bullen folgten dem Zug mit behelmten und vermummten Einheiten und positionierten einen Kamerawagen in der Nähe. Um ihnen den Zugang zum Straßenfest zu verwehren und keine weiteren Übergriffe zuzulassen, blockierten einige hundert AktivistInnen kurzzeitig die Straße, bis abzuschätzen war, dass die Situation sich nicht weiter zuspitzen würde.

Der Tag endete mit einem gut besuchten Straßen- und Hausfest, das mit dem „Freien Chor Stuttgart“, der Scherben-Cover-Band „Einheizfront“, dem linken Rapper „Holger Burner“, diversen Infoständen und Stellwänden, dem inzwischen traditionellen „revolutionären Quiz“ und veganem Essen trotz schlechtem Wetter bis in die späten Abendstunden reichte.

 

Kurze Einschätzung

Der diesjährige 1. Mai in Stuttgart hat mit hoher TeilnehmerInnenzahl und dynamischer Mobilisierung gezeigt, dass das Potenzial für linke, klassenkämpferische Politik auch unabhängig von ereignisbezogenen Abwehrkämpfen in der Region hoch ist und im Vergleich zu den Vorjahren zugenommen hat. Deutlich ist, dass gerade die gegenseitige Bezugnahme verschiedener Spektren im Rahmen der Mobilisierung einen hohen Stellenwert einnimmt.

 

Die bundesweite Mobilisierung mit Aufruf und Zeitung konnte lokale Schwerpunkte mit klaren Positionen zur Einschätzung der kapitalistischen Entwicklung und Ansätzen revolutionärer Politik heute verbinden. Das gemeinsame Projekt „Perspektive Kommunismus“ ist in diesem Kontext, verbunden mit praktischer Arbeit, mit einem Grundlagentext in die Öffentlichkeit getreten – ein Signal, auch in Zukunft nicht als Papiertiger über den konkreten Kämpfen schweben zu wollen.

 

Erstrebenswert wäre sicherlich, gerade den anwachsenden Unmut über spürbare soziale Verschärfungen, in den nächsten Jahren Schritt für Schritt noch direkter in die noch weitgehend auf linke Akteure zugeschnittene Mai-Mobilisierungen zu integrieren. Die Herausforderung bleibt, die Perspektive einer kommunistischen Gesellschaftsordnung dabei deutlich zu benennen und plastisch zu machen – ohne sich vor unseren Begriffen zu verstecken, oder sich in Allgemeinplätzen zu verlieren.


 

Die Perspektive heißt Kommunismus!

Auch im nächsten Jahr heraus zum Revolutionären 1. Mai!

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Wieso müssen Fotos aus Stuttgart so oft die Gesichter der Leute offen zeigen? Verpixeln & Co ist nicht schwer aber sehr nützlich. Wer sich in der Szene auch nur ein bisschen auskennt - wie Cops, Faschos usw. es nun mal tun - erkennt auf diesen Fotos ohne Schwierigkeiten etliche Leute. Das gibt unnötigen und gefährlichen Einblick in die Szene. In Zukunft bitte nicht mehr! Wie sollen sich sonst noch lange Menschen für Aufgaben wie 1. Reihe finden?

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Polizei, Geheimdienste, Faschisten usw. können von einer Brücke, aus einem Fenster oder einem Auto Personen abfotografieren, dass heißt also, dass es keine Sicherheit gibt. Wer auf (öffentliche) Aktionen geht, kann erkannt und registriert werden, deshalb müssen wir unsere Strukturen absichern und verhindern, dass sie diese angreifen können. Natürlich können wir uns auch vermummen, allerdings isolieren wir uns dadurch nach außen und verschrecken genau die Leute, die wir erreichen wollen. Ich bin der Meinung, dass es in Stuttgart keine Szene gibt - und das ist auch gut so -, sondern eine Bewegung, welche sich nach außen nicht isoliert und zu feige ist, Gesicht zu zeigen. Deshalb: Solidarische Grüße nach Stuttgart!

Ich versteh nicht ganz was dein Problem ist. Alle Bilder sind so verpixelt, dass niemand was mit den Gesichtern anfangen kann! Wenn Faschos dich sowieso schon (sehr genau!) kennen, können sie evtl. mutmaßen (!) wo du bei dieser Demo gelaufen bist. Sonst nicht. Und die Bullen wissen das sowieso, weil sie selbst die ganze Zeit über gefilmt haben.

Klar, wenn es um strafrechtlich relevante Sachen geht, sollte noch intensiver verpixelt werden, aber bei einer einfachen Demo reicht es wenn die Leute nicht einfach erkannt werden können.

Auf Demos wird von allen Seiten und von unbekannten Leuten fotografiert wie Popstars.

Hier wird ganz selten in die Schranken gewiesen. So verwundert es auch nicht dass z.B. von den Homophoben Demos x pictures auftauschen.

Die Stuttgarter Zeitung bei Lucke auf wieder fotografiert von allen Seiten. Ebenso die AfD und PI-News wie die Anti Antifa. Darum sollten sich die Leute mal Gedanken machen wie damit umzugehen ist!

Sicherlich lässt sich über das eine oder andere Bild hier diskutieren. Ist jedoch einfach vor der Tastatur zu sitzen und sich zu beklagen

auf der Straße dann aber wild fotografieren lassen halte ich für so etwas von inkonsequent!