In der Nacht vom 11.5.2014 auf den 12.5.2014 hat sich eine bisher unbekannte KünstlerInnengruppe in das Finale des laufenden Europa-und Kommunal-Wahlkampf ungefragt eingemischt. Ihr Ziel waren dabei hauptsächlich die großen Wahlplakate im Rostocker Innenstadtbereich und rund ums Rathaus. Diese wurden mittels Farbe und Aufklebern zu politischen Kunstwerken umgestaltet. Laut ihrem Bekennerinnenschreiben hofft die Gruppe, den Angehörigen der Fraktionen, den MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung und dem OB, die sich wie selbstverständlich jeden Tag einreden, alle anderen Menschen zu vertreten, ein paar neue Perspektiven auf ihre Politik aufzeigen zu können.
Bericht in der Ostseezeitung vom 13.5.2014:
http://www.ostsee-zeitung.de/Extra/Aktuelle-Serien/Kommunalwahl-2014/Artikel-Kommunalwahl/Anschlag-auf-Wahlplakate
Der von der Gruppe verschickte Erklärbärentext:
Warum die Innenstadt ums Rathaus?
Marktplatz und Rathaus sind klassische Topoi des politischen Dialoges. Doch dieser kann immer weniger stattfinden, weil politische Prozesse wie pauschale Demonstrationsverbote zum 1. Mai, lebensgefährliche Polizeigewalt wie am 8. Mai in Demmin, ökonomische Verdrängungsprozesse (Gentrifikation) und der faktische soziokulturelle Ausschluss subalterner Bevölkerungsgruppen (Prekarisierung) dies zunehmend verunmöglichen. Stattdessen verkommen die Städte zu politikfreien Konsumzonen, in der ein selbstbestimmtes Leben gegenüber Verwertungslogiken zurückstehen muss. Deshalb haben wir uns entschieden, mit unseren Kunstwerken den kritischen Dialog wieder zurück ins Zentrum der Stadt zu tragen.
Warum die Wahlplakate?
Mit ihrer Inhaltsleere und Eintönigkeit, die sich nur aufgrund der abgedruckten Gesichter unterscheiden, symbolisieren diese Selbstzeugnisse der demokratischen Propaganda genau das Problem: Nach Wahlen ändert sich nichts, außer den Gesichtern. Auch wenn die regelmäßigen Wahlen und die lautstarken Inszenierungen drumherum ein anderes Bild erzeugen sollen, ist es leider ein Fakt, dass auch in einer Demokratie die wenigsten Menschen Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Auch in Demokratien werden die Reichen reicher und die Armen ärmer. Auch in Demokratien ist Rassismus und Sexismus allgegenwärtig. Auch in Demokratien basiert das Wirtschaftsleben auf Ausbeutung der Arbeitskraft. Auch Demokratien führen Krieg. Auch Demokratien überwachen die Menschen. Auch Demokratien profitieren von den neokolonialen Ausbeutungsverhältnissen der Weltwirtschaft. Auch in Demokratien werden Großprojekte gegen die Betroffenen von der Polizei durchgeprügelt.
Warum ausgerechnet die Wahlen?
Auch Demokratie ist ein Herrschaftssystem. Ein besonders effizientes Herrschaftssystem sogar. Denn in der Demokratie-Propaganda wird so getan, als könnte in der Demokratie über alles verhandelt werden und als könnten die Menschen sogar mittels Wahlen mehr tun, als die Gesichter auswechseln. Doch an den konkreten kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen können Wahlen nichts ändern. Im Gegenteil: Würden Wahlen etwas ändern, wären sie verboten.
Die demokratische Zensur unterlaufen
Anstatt den Parteien und die sie repräsentierenden gesellschaftlichen Eliten die Deutungshoheit über die Realität zu überlassen, haben wir die großen Wahlplakate rund um die Innenstadt und am Rathaus mit Inhalt gefüllt, der zwar wahr ist, aber im öffentlichen Diskurs nie benannt werden würde. Damit zeigen wir auf, dass es im demokratische Herrschaftsregime eine „softe Zensur“ gibt, die über herrschaftsförmig aufgeladene gesellschaftliche Normen regelt, was wann wie von wem gesagt werden darf. Dies unterlaufen unsere verbesserten Plakate. Unsere Kunstwerke u.a. am Rathaus tragen so wieder eine kritische Debatte in den öffentlichen Raum zurück.So haben wir uns ein Stück gesellschaftlicher Gestaltungsmacht und damit auch ein Stück „Stadt“ zurück genommen.
Rückeroberung des öffentlichen Raumes
Eine gerechtere Welt wird es nur geben, wenn endlich auf Herrschaft und Ausbeutung konsequent verzichtet wird. Eine gerechtere Welt wird es nur geben, wenn freie Menschen in freiwilligen, selbstbestimmten Vereinbarungen zusammen leben. Eine bessere Welt wird es nur geben, wenn sich endlich alle Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen erkämpfen. Einen Anfang haben wir heute Nacht vielleicht mit der temporären Rückeroberung des öffentlichen Raumes „Wahlplakat“ rund ums Rostocker Rathaus gemacht.
Eine Aktion des Kunst-Kommando „Wahlen ändern nichts außer den Gesichtern“ der Billboard Liberation Front Department Rostock-City Rules, Rostock, 12.5.2014
Auch lustig:
Witziges Sheepworld-Poster "Auch in der Demokratie ist alles doof":
https://linksunten.indymedia.org/de/node/113434
Adbusting-Aktion von Grünen Dissitenten in Rostock:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/111062
Verlinkt nochmal
Die Antwort aus Ffm
Europawahl