Wien/Vordernberg: Offener Brief an Verantwortliche für Schubhaftgefängnis

Knast

Offener Brief an SUE Architekten und alle anderen Architekturbüros, die sich am Wettbewerb für das Schubhaftzentrum Vordernberg beteiligt haben

In den vergangenen Monaten durftet ihr euch ausgiebig zu eurem Bau

 

äußern. Vom Rampenlicht des durch die Teilprivatisierung des Gefängnispersonals erzeugten Skan­ dals habt auch ihr euren Teil abbekommen. Während von allen möglichen Seiten Kritik an G4S und Auftragsvergabemethoden formuliert wurde, wurdet ihr in Zeitschriften interviewt, wart sowohl im staatlichen als auch im alternativen Rundfunk präsent und wurdet auf Universitäten und Festivals eingeladen um euer Projekt zu präsentie­ ren. In diesem Brief geht es nicht um Privatisierungen, um Vertragsklauseln oder um Seilschaften in der Politik. Es geht um eure Arbeit. Vor vier Jahren habt ihr euch für den Planungsauftrag des Schubhaftzentrums Vordernberg beworben, vor wenigen Tagen wurden die ersten Menschen in den Bau gebracht.

 

Ihr werdet nie in diesem Gefängnis, das ihr für andere entworfen habt, eingesperrt werden. Wie wird sich der Bau also in Zukunft für euch auswirken? Ihr habt wahr­ scheinlich in den letzten Wochen einiges an Schulterklopfern geerntet. Von der Kol­ leg*innenschaft des jungen befreundeten Büros, der Person die den Vortrag moderiert hat der durch Zwischenrufe einiger Anwesender gestört wurde, dem Architekturjour­ nalisten der kritischen Tageszeitung oder auch eurem privaten Umfeld. Schulterklopfen und unterstützende Worte. Dass ihr das Richtige getan habt, dass ihr euch nicht von diesen ahnungslosen Kritiker*innen unterkriegen lassen sollt. Gut möglich, dass ihr für euren Bau in absehbarer Zeit einen Preis für „Architektur und Menschenrechte“ erhalten werdet und sicher findet sich auch der eine oder die andere Insass*in, die euch bestätigen wird, im Abschiebegefängnis Vordernberg gäbe es bessere Haftbedingungen als in Italien, Griechenland oder Ungarn. Mit Sicherheit werden weit­ ere Jobs öffentlicher und privater Auftraggeber*innen folgen, die euch für eure „mutige Position“ in dieser Debatte loben.

 

Aber worin genau besteht diese „mutige Position“? Als die Entwürfe des Schubhaftz­ entrums zum ersten Mal präsentiert wurden, kam die einzig öffentlich wahrnehmbare Kritik von rechts. Der Bau sei zu luxuriös und zu teuer, die Personen sollten stattdessen besser sofort abgeschoben werden. Macht diese Kritik euer Projekt emanzipatorisch? In einem Zeitungsinterview äußert sich ein Architekt eures Büros bezüglich seiner Position zu von Abschiebung bedrohten Personen mit dem Satz: „Am liebsten würde ich sie alle umarmen.“ Dieses paternalistische Verständnis von Solidarität ist aber nur ein Teil der perspektivlosen Vorstellung von Veränderung. Wenn ihr nicht lächelnd für einen Fototermin mit der damaligen Innenministerin Fekter posiert, gebt ihr euch innerhalb der Architekturszene bewusst kritisch. Und trotz dem diplomatischen Auftre­ten gegenüber euren Auftraggeber*innen, glauben wir euch. Wir glauben euch ehrlich, dass es euch lieber wäre, es gäbe keine Aufträge für solche Bauten. Würde man fragen, würde der Großteil der Gesellschaft wahrscheinlich sagen, sie würden lieber in einer Welt ohne Ausbeutung und Machtverhältnisse leben. Die Frage ist also, wie man dort hinkommt. Ihr sagt, eure Architektur kann die Probleme der Österreichischen Politik nicht lösen. Das Architektur alleine keine Machtverhältnisse umwälzen kann, ist nichts Neues. Trotzdem seid ihr euch bewusst, das Architektur und somit eure Arbeit Teil ein­er kulturellen Hegemonie ist, die das Umfeld in dem wir leben täglich neu mitproduz­ iert. Auch das Innenministerium hat dies längst erkannt. Während ihr euch die Hände reibt und eure Freude darüber kundtut, eure Ideen gegenüber dem „immer sehr offenen Gesprächspartner“ Innenministerium durchgesetzt zu haben, sitzen die Angestellten dieses Gesprächspartners zufrieden in ihren Büros. Zufrieden darüber, mit minimalem Widerstand einen weiteren Schritt ihrer Politik durchgesetzt zu haben.

 

Wie für zeitgenössische Architektur üblich, enthält euer Entwurf einen theoretischen Überbau. In eurem Beitrag wird unter anderem von Offenheit gesprochen, von Kom­ munikation und darüber, wie sich diese Begriffe in dem Bau manifestieren. Ihr sprecht über einen Bau, der in einem einsamen Tal im Industriepark am Rand einer kleinen Gemeinde steht und sagt, die großen, straßenseitigen Fenster der Verhandlungsräume machen den Prozess der Migrationsbehörden „sichtbar“. In der für euer Handwerk so wichtigen dialektischen Praxis zwischen Realität und Repräsentation habt ihr euch völlig verloren. Obwohl vor ein paar Jahrzehnten die grundsätzliche Frage nach der Notwendigkeit von Gefängnisbauten viel stärker diskutiert wurde als das momentan der Fall ist, war es relativ unbedeutend ob ein Architekturbüro, das sich im Gefängnisbau bewährt hatte, gesellschaftlich anerkannt war oder nicht. Der Auftrag wurde trotzdem vergeben. Heute ist es anders, es scheint keinen Widerspruch mehr darin zu geben, am einen Tag eine Volksschule und am nächsten ein Abschiebegefängnis zu bauen. Ihr lasst euch nun als Reformer des Gefängnisbaus beglückwünschen. Beglückwünschen dafür, wie ihr euch dieser “komplexen Aufgabe” gestellt habt. Dabei war euer Zugang kaum anders als jener der anderen einundvierzig am Wettbewerb beteiligten Büros. Die „Offenheit“ des Baus, auf die ihr euch in eurem Entwurf genauso beruft wie eure Kolleg*innen dies in ihren tun, wurde bereits von der Bundesimmobiliengesellschaft in Absprache mit dem Innen­ ministerium vorgegeben. Diese „Offenheit“ war nicht euer Sprung nach vorn, es war die Idee jener Personen, die jeden Tag einen Abschiebebescheid nach dem anderen unter­ zeichnen.

 

Kritik an der grundsätzlichen Idee des Baus gab es schon während der Ausschreibungs­ phase. Jetzt, nach dem Wiederaufflammen der Debatte wird viel über Moral diskutiert. Über die Moral, ob ein*e Architekt*in ein Abschiebegefängnis bauen darf oder nicht. Dabei geht so eine allgemeine Moralfrage, abgesehen davon, dass sie sich häufig in ei­ nem end­ und ziellosen Diskurs über Reformfragen verläuft auch am konkreten Sach­ verhalt vorbei. Es geht nicht um eine hypothetische Fragestellung, ein „what if?“. Das Innenministerium hat einen Auftrag mit klaren Vorgaben erteilt, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten sozialen Kontext. Innerhalb dieser Vorgaben gab es einen gestalterischen Freiraum. Ihr konntet neben den Zellen auch Dachterrassen, Höfe, Gemeinschaftsräume oder eine Bibliothek planen, vielleicht auch beim Mobiliar mitbestimmen. Es geht nicht darum zu sagen, ihr hättet nichts Eigen­ ständiges entwickelt. Ihr habt professionell, kreativ und effizient das erledigt, zu was euch das Ministerium eingeladen hat. Ihr habt eine restriktive politische Strategie in ein Projekt verwandelt das abgesehen von seiner Nutzbarkeit auch noch als Aushängeschild eines fortschrittlichen Architekturdiskurses vorgestellt wird.

 

Eure Ausführungen und die eurer Kolleg*innen legen nahe, dass ihr euch mit dem Thema Schubhaft auseinandergesetzt habt. In den Texten geht es viel um individuelle Bedürfnisse der Eingesperrten, um Gefühle und auch Ängste. Allerdings bewegt sich eure Arbeit genau wie der Kampf um Bewegungsfreiheit nicht nur im Bereich der men­ schlichen Bedürfnisse und Emotionen. Hättet ihr den Auftrag auch angenommen wenn ihr vorher schon gewusst hättet, dass die Überstellung aus den anderen Haftanstalten in das Schubhaftzentrum Vordernberg laut Ministerium nur für jene Personen vorge­nommen werden soll, die mit den Behörden kooperieren? Also als Belohnung für jene, die keinen Widerstand (mehr) gegen ihre Abschiebung leisten. Für jene, die eben das nicht machen, was ihr indirekt vorgebt mit eurem Bau zu tun (denn wenn euer Entwurf am Ende nicht dazu da sein soll, irgendwann in einer Gesellschaft ohne Abschiebungen anzukommen, wofür kann er sonst gut sein?). Hättet ihr den Auftrag angenommen, wenn statt der Bundesimmobiliengesellschaft beispielsweise die EU Grenzschutzagen­ tur Frontex die Auftraggeberin gewesen wäre? Aber wichtiger eigentlich ist die Frage: Habt ihr in euren Planungstreffen, euren Brainstormings in denen ihr sicher viele auch unbezahlte Stunden darüber diskutiert habt, wie ihr den Alltag der eingesperrten Mi­ grant*innen verbessern könnt, ein einziges mal darüber nachgedacht, wieso eine Insti­ tution wie das Innenministerium so einen Auftrag zu diesem Zeitpunkt in dieser Art und Weise vergibt?

 

Vielleicht vergesst ihr diesen Brief kurz nachdem ihr ihn gelesen habt wieder. Vielleicht schreibt ihr eine Gegendarstellung oder stellt ihn auf eure Facebook­Seite, mit danken­ den Worten für den Beitrag zur kritischen Debatte für die ihr immer offen seid. Es ist egal wie ihr damit umgeht, eine Antwort ist nicht nötig. Mit der Planung des Schubhaft­zentrums Vordernberg habt ihr euren Standpunkt bereits dargelegt.

 

Recherchegruppe Vordernberg, 20. März 2014

 

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