In Orten wie Borna, Rötha, Frohburg, Geithain und Groitzsch hetzen "Bürgerinitiativen" gegen Asylsuchende. Hinter den rassistischen Protesten stehen Nazis.
Ungefähr 100 RassistInnen versammelten sich am vergangenen Sonnabend auf dem Marktplatz Borna, um unter dem Motto “Unsere Heimat – Unser Recht” gegen die nahe gelegene Asylbewerberunterkunft zu hetzen.
Bereits in der Silvesternacht war die Unterkunft, die Anfang Dezember 2013 in der ehemaligen Berufsschule eingerichtet wurde und bis März befristet 50 Asylsuchende beherbergen soll, Ziel eines rassistischen Angriffs geworden. Etwa 15 Personen, vermutlich ortsansässige Neonazis, hatten gegen 1 Uhr das Gebäude mit Steinen, Böllern und Feuerwerksraketen attackiert. Auch versuchten sie, in das Objekt, in dem sich zu diesem Zeitpunkt etwa 20 Personen aufhielten, gewaltsam einzudringen. Schlimmeres verhinderte in jener Nacht wohl nur die vom Wachschutz alarmierte Polizei.
JN-Transparent am 25. Januar 2014 auf dem Bornaer Markt. Das Transparent wurde am 29. Oktober 2013 im Leipziger Nazizentrum Odermannstraße 8 für solche Anlässe gemalt. Foto: linksunten.indymedia.org.
Hinter der gegenwärtigen rassistischen Mobilmachung in Borna steckt die selbsternannte Bürgerinitiative “Wir sind Borna”. Seit Ende November 2013 im sozialen Netzwerk Facebook aktiv, folgt sie einem gängigen Schema, in dem sich Nazis mitsamt ihrer völkisch-rassistischen Ideologie hinter einer biedermännischen Fassade zu verstecken versuchen.
Organisatoren sind bekannte Nazis
Als Initiator der Bornaer Bürgerinitiative gilt der aus Kohren-Sahlis stammende Stefan Frank Schubinski, der auch am 25. Januar im Namen von “Wir sind Borna” zu seinen KameradInnen sprach und dem neonazistischen “Freien Netz Borna-Geithain” zugeordnet werden kann. Für Flyer der Bürgerinitiative zeichnet Schubinskis Freundin Kati Köhler aus Borna verantwortlich. Schließlich waren es auch mehrheitlich AnhängerInnen der regionalen Naziszene, die sich zur Kundgebung einfanden, darunter der Geithainer NPD-Stadtrat und Kreisvorsitzende Manuel Tripp sowie die Bornaer Nazi-Urgesteine Robert Böttger und Peter Kühnel.
Mit Paul Rzehaczek und Stefan Trautmann, die unmittelbar zuvor einen thematisch ähnlichen Naziaufmarsch in Chemnitz besuchten, ließ sich auch die derzeitige Führungsspitze der sächsischen “Jungen Nationaldemokraten” blicken. Ohnehin machten sich die KameradInnen in Borna kaum Mühe, ein bürgerliches Image zu wahren. Mit einem Transparent, das den Slogan “Jedem Volk sein Land, nicht jedem Volk ein Stück Deutschland!” und das Logo der “JN” trug, machte man selbstsicher klar, wer hier den vermeintlichen Bürgerwillen auf die Straße trägt.
Stefan Schubinski, Redner und Initiator der Bürgerinitiative “Wir sind Borna”, und Kati Köhler auf einem Naziaufmarsch im Jahr 2013. Foto: linksunten.indymedia.org.
Die Kundgebung in Borna dürfte damit ihr Ziel – eine hohe Beteiligung der “Normalbevölkerung” nach dem Vorbild Schneebergs – nicht erreicht haben. Ähnlich erging es den Nazis bereits in der nahegelegenen Kleinstadt Rötha. Hier wurden Anfang November jene AsylbewerberInnen untergebracht, die später in die oben genannte Asylbewerberunterkunft in Borna umquartiert wurden.
“Bürgerinitiativen” als Tarnung
Schon in Rötha gründete sich unter dem Namen “Rötha wehrt sich” schnell
eine vermeintliche Bürgerinitiative nach bekanntem Schema. Eine
Demonstration am 14. November 2013 unter dem Motto “Nein zu
Asylmissbrauch – Mut zur Demokratie”, zu der die “Bürgerinitiative”
aufrief, wurde vom Neukieritzscher Neonazi Karsten Promnitz angemeldet, der ebenfalls dem “Freien Netz Borna-Geithain” entstammt.
Karsten Promnitz auf einem Naziaufmarsch im Jahr 2012. Foto: Sören Kohlhuber (flickr).
Schon der Demonstrationsaufruf der mob-orientierten selbsternannten Demokraten entspricht dabei einem immer wiederkehrenden, sich selbst entlarvenden Modell: Neben den üblichen Phrasen von entmündigten Bürgern, die stets “ungefragt” blieben, und dem obligatorischen Fingerzeig auf die angeblich “immensen Kosten” für den Steuerzahler, quillt der Text über vor rassistischen Ressentiments, getarnt als normale Sorgen und Ängste der Bevölkerung. So wird auf die “Gefahr steigender Kriminalitätsraten” hingewiesen, denn, so weiß man zu berichten, “Gewalt und Kriminalität steht in vielen Asylbewerberunterkünften an der Tagesordnung”. Auch sieht man die dörfliche Idylle in Gefahr und warnt vor Missständen, die in deutschen Metropolregionen vermeintlich vorherrschen – in Kreuzberg seien schließlich “mittlerweile nahezu alle Drogendealer sogenannte Flüchtlinge”.
Es sind die üblichen stumpfen und falschen rassistischen Klischees, mit denen man sich in letzter Zeit vermehrt konfrontiert sieht. Am Ende forderte die Bürgerinitiative in völkisch-rassistischer Manier ein Ende der “Überfremdung” und setzte sich mit den Wendeprotesten von 1989 auf eine Stufe – der Aufruf endet mit: “Wir sind das Volk”. Was dann als “Volk” aufmarschierte, war nichts anderes als eine klassische Nazidemonstration.
Regionale Nazi-Prominenz
Schlussendlich waren es etwa 100 Personen, größtenteils Neonazis aus der Region, die sich in Rötha zu einer Kundgebung am Marktplatz mit anschließendem Marsch in Richtung Asylbewerberunterkunft zusammenfanden. Wie später in Borna blieb auch hier die erhoffte “Mitte der Gesellschaft” dem Aufzug fern. Dafür trat mit dem NPD-Landesvize Maik Scheffler, dem schon erwähnten Manuel Tripp und dem Leipziger Multiaktivisten Alexander Kurth die regionale Naziprominenz als Redner auf.
Zumindest blieb die Hetze der Neonazis in beiden Orten nicht unwidersprochen. An einer antifaschistischen Demonstration in Rötha beteiligten sich 200 Personen, ein Friedensgebet beschützte unterdessen symbolisch das Hotel, in dem die Asylsuchenden untergebracht waren. Vor der Bornaer Unterkunft versammelten etwa 100 Menschen zu einer Mahnwache. In keinem Fall konnten die RassistInnen zur Unterkunft gelangen. Das Anzünden von Fackeln wurde ihnen in Rötha und Borna gleichermaßen untersagt.
Maik Scheffler und Alexander Kurth. Foto: Gamma.
Dabei sind Borna und Rötha nicht die einzigen Orte im Landkreis Leipzig, in denen die regionale Naziszene aus der aktuell wieder vermehrt zu Tage tretenden rassistischen Grundstimmung Kapital zu schlagen versucht. Weitere solcher “Bürgerinitiativen” entstanden in Frohburg, Geithain und Groitzsch.
Es genügt ein Gerücht
In der Stadt Frohburg mit ihren 10.000 Einwohnern sollen nach dem gängigen Verteilungsschlüssel zehn Asylsuchende dezentral untergebracht werden. Grund genug für lokale Neonazis, Anfang Januar 2014 auch hier eine “Bürgerinitiative”, wie üblich vorrangig im sozialen Netzwerk Facebook, unter dem Label “Frohburg wehrt sich” zu gründen. Fraglich ist jedoch, inwiefern sich Frohburg für eine rassistische Kampagne eignet, da die Zahl der untergebrachten Asylbewerber zum einen sehr klein ist und es den Nazis durch die dezentrale Unterbringung an einem “angreifbaren” Objekt fehlt. Vielleicht machen sich die Akteure hier deshalb überhaupt nicht erst die Mühe, sich einen biedermännischen Anstrich zu geben, denn die Facebookseite bewirbt in diesem Fall ganz unverhohlen für die “Nationalen Sozialisten Frohburg”.
In Geithain nimmt der Eifer, ständig neue Bürgerinitiativen zu gründen, auch skurrile Formen an. Hier gründete sich Anfang November 2013 eine Bürgerinitiative “Geithain wehrt sich”, obwohl in Geithain eine Unterbringung von Asylsuchenden überhaupt nicht zur Debatte steht.
Und in Groitzsch reichte schon das Gerücht, es sollen zehn Asylsuchende in der Stadt untergebracht werden, um ortsansässige RassistInnen in helle Aufregung zu versetzen. Seit Dezember 2013 ist man hier, ohne überhaupt Genaueres zu wissen, fleißig am Planen von Versammlungen gegen etwaige unterzubringende Asylsuchende. Schlüsselrollen in der Organisation nehmen hier die Groitzscher Nazis Lisett Freyer und Marcel Mälzer ein, die organisatorische Schützenhilfe vor allem vom eingangs erwähnten Manuel Tripp erhalten.
Lisett Freyer und Marcel Mälzer. Fotos: linksunten.indymedia.org.
Ob Rötha, Borna, Geithain, Frohburg oder Groitzsch – alle diese Städte im Landkreis Leipzig zeigen, dass hinter den vermeintlichen Bürgerinitiativen – ob als Initiatoren oder als helfende Hand – stets organisierte Nazis stecken. Vor allem unter dem Gesichtspunkt der anstehenden Landtags- und Kommunalwahlen, bei denen die NPD Asylpolitik zu einem Hauptwahlthema machen wird, ist eine weitere Verschärfung der rassistischen Stimmungsmache nicht unwahrscheinlich.
infos wachsen nicht am baum
vielen vielen dank für den artikel und für die dazugehörige recherchearbeit.