Fremdenfeindlichkeit in Bulgarien

Erstveröffentlicht: 
16.12.2013

Schwierige Situation für Flüchtlinge, die Regierung sieht das Land unter "Migrationsdruck" und setzt auf Grenzsicherung und beschleunigte Ausweisungen
"Die Flüchtlinge" und "Die Freunde der Flüchtlinge" wurden vom Bulgarischen Helsinki-Komitee (BHK) anlässlich des Tags der Menschenrechte am 10. Dezember 2013 zur den Personen des Jahres 2013 gekürt.    

 

Zum ersten Mal vergab die bulgarische Sektion der globalen Menschenrechtsorganisation die Auszeichnung "zwei in einem", an "zwei unlösbar miteinander verbundene Personengruppen", wie die Wettbewerbs-Jury erklärte. "Die Flüchtlinge erhalten sie für ihre Kraft, ihren Glauben und ihre Furchtlosigkeit, unter Lebensgefahr aufzubrechen, angetrieben von der großen Idee, in Würde zu leben", hießt es in ihrer Begründung zur Preisverleihung. Die Freunde der Flüchtlinge, eine informelle Gruppe Freiwilliger, die Spendensammlungen organisiert für die seit Sommer dieses Jahres verstärkt nach Bulgarien kommenden Asylsuchenden, erhielten die Ehrung dafür, dass sie sich "in Echtzeit um wirkliche Menschen in einem unvorbereiteten Staat und feindseligen öffentlichen Umfeld" sorgten.

Das BHK löckt gerne wider den Stachel und handelt sich dafür regelmäßig den Vorwurf ein, "antibulgarisch" zu sein. Mit seiner diesjährigen Persönlichkeitswahl hat es einen wunden Punkt der bulgarischen Gesellschaft berührt. Zwar verstehen sich die Bulgaren noch unter Rekurs auf die Rettung der bulgarischen Juden im 2. Weltkrieg per se als tolerantes Volk. Ihr Umgang aber mit den in das Balkanland kommenden Flüchtlinge ergibt ein differenziertes Bild. Aktionen der Hilfsbereitschaft der via Facebook organisierten Freunde der Flüchtlinge und anderer Nichtregierungsorganisationen steht die abweisende Haltung der Regierung und weiter Teile der Bevölkerung gegenüber. Sie sehen in den Immigranten eher eine "Bedrohung der nationalen Sicherheit" als hilfsbedürftige Menschen.

Unverhüllte Fremdenfeindlichkeit spricht aus Worten und Taten nationalistischer Kräfte. "Ein großer Teil der syrischen Flüchtlinge sind Verbrecher, kriminelle Typen. Es hat auch ziemlich viele Kopfabschneider darunter. Wir haben den Teufel in unser Haus gelassen. Die Probleme beginnen erst", sagte etwa Magdalena Tascheva, Parlamentsabgeordnete der Partei Ataka und Journalistin der gleichnamigen Tageszeitung. Gleich zwei nationalistische Gruppen durchkämmten gar Sofias Straßen mit sogenannten Bürgerpatrouillen, um nach Recht und Ordnung zu sehen. Es dauerte einige Wochen, bis Bulgariens Generalstaatsanwalt Sotir Tsatsarov die Polizeiführung aufforderte, die Amtsanmaßung zu unterbinden.

 

Bulgaren fühlen sich als EU-Bürger zweiter Klasse behandelt, viele wollen aber auch keine Immigranten aufnehmen

In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren war Bulgarien eher ein Auswanderungsland, denn ein Ort der Zuflucht. Rund zwei Millionen Bulgaren sollen in diesem Zeitraum ihr Land verlassen haben, um ihr Glück in wohlhabenderen Gegenden Westeuropas und Nordamerikas zu suchen.

Dass EU-Länder wie England nun Restriktionsmaßnahmen gegen die zum 1. Januar 2014 in Kraft tretende volle Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen erwägen, erregt in Sofia und Bukarest Empörung. Viele Bulgaren sehen sich durch die Abwehrmechanismen westeuropäischer EU-Länder ausgegrenzt und zu EU-Bürgern zweiter Klasse degradiert. Gleichzeitig sprechen sich aber viele von ihnen gegen die Aufnahme sogenannter illegaler Immigranten aus und und machen als Grund kulturellen und religiöse Unterschiede geltend.

Durchschnittlich kamen bisher jährlich rund eintausend Zuflucht suchende Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten nach Bulgarien. Im Verlaufe dieses Jahres sind es nun aber bereits mehr als zehn Mal so viel. Ende November bezifferte Innenminiser Tsvetlin Iovtschev die Zahl "illegaler Immigranten" auf 11 155.

Seit August verstärkte sich die Zuwanderung deutlich, von da an überquerten an manchen Tagen über einhundert Flüchtlinge die grüne Grenze zur Türkei. Es waren vor allem Syrer aber auch Menschen aus Krisenregionen wie Afghanistan, Irak oder Nordafrika. Mit über 3 600 Einwanderern markierte der Oktober den vorläufigen Höhepunkt.

 

Ein Zaun wird zur Abwehr von Immigranten an türkischer Grenze errichtet

Dass es dann im November 2013 nur noch rund halb so viele waren, schreibt Innenminister Iovtschev seinem Anfang des Monats vorgelegten Handlungsplan zu. Der hat zum obersten Ziel die Verminderung der Zahl der illegalen Grenzübertritte durch erhöhte Polizeipräsenz sowie eine Beschleunigung des Verfahrens zur Ausweisung derer, denen der Flüchtlingsstatus verwehrt wurde. Ab Januar 2014 soll auch das logistische Kernstück von Iovtschevs Strategie realisiert werden, die Errichtung eines dreiundreißig Kilometer langen und fünf Millionen Euro teuren Zauns an der türkischen Grenze.

"Der Prozess der Ausweisung läuft und ich denke, sehr bald werden wir das Niveau von zweihundert Personen pro Monat erreichen", äußerte sich Minister Ioftschev Mitte Dezember optimistisch. Ihm scheint die Ausnahmesituation eine Chance, sich persönlich als entschlossener Krisenmanager zu profilieren und von Überfremdungsängsten ergriffene Bulgaren für seine unpopuläre Regierung zu gewinnen. Die Beliebtheitswerte der aus Sozialisten und Vertretern der türkischen Minderheit gebildeteb Koalitionsregierung liegen auf historisch niedrigem Niveau. Mitte Juni 2013 hat sich das Kabinett von Ministerpräsident Plamen Orescharski den Volkszorn zugezogen, als es den umstrittenen Abgeordneten und als Opportunist geltenden Medienunternehmer Deljan Peevski zum Geheimdienstchef ernannte. Seitdem sieht sich die Regierung täglich mit Protestkundgebungen konfrontiert, die ihren sofortigen Rücktritt fordern (Wahl eines Medien-Oligarchen zum Geheimdienstchef trieb Bulgaren auf die Barrikaden).
     
Katastrophale Verhältnisse in Flüchtlingslager

Sieben Flüchtlingslager unterhält Bulgariens Staatliche Agentur für Flüchtlinge (DAB) im Land, drei in der Hauptstadt Sofia und vier in der Provinz. Offiziellen Angaben zufolge beläuft sich ihre Gesamtkapazität auf 4 060 Personen, am 12. Dezember 2013 lebten in ihnen aber bereits 4 654 Menschen. Zum Trocknen in die Fenster gehängte Kleidungsstücke in Sofias größtem Flüchtlingslager Ovtscha Kuppel, sind ein deutliches Zeichen für die bedrängten Lebensverhältnisse der in ihm untergebrachten 950 Asylbewerber. Eine Belegung von 120% weist Sofias zweitgrößtes Lager Voenna Rampa auf, in dem 840 Menschen leben.

Über katastrophale Lebensverhältnisse in Bulgariens größtem Auffanglager bei Harmanli nahe der türkischen Grenze alarmierte Mitte Dezember 2013 Amnesty International. Auf dem ehemaligen Militärgelände sind über 1.400 Flüchtlinge praktisch interniert, ohne das Recht, das Lager zu verlassen.

In Harmanli sind Asylsuchende vor allem aus Syrien und Afghanistan in Zelten, Containern und einem verwahrlosten Gebäude untergebracht. Zwar gibt es in dem am Eingang des Gelände befindlichen Gebäude vier Toiletten, doch sind diese oft blockiert und nicht genügend für Hunderte von Bewohnern. Die Zelte sind unbeheizt und die Bewohner schlafen entweder auf dünnen Matratzen oder auf alten Klappbetten.

Für den Dezember haben die Behörden angekündigt, die Leute in die noch nicht fertiggestellten Gebäude auf dem Gelände zu verlegen. Obwohl es geschneit hat und die Temperaturen unter Null Grad, wurde aber berichtet, dass am 10. Dezember 2013 noch immer zehn Familien mit Kindern in den Zelten weilten. Während unseres Besuchs im November 2013 waren zweihundert Menschen in einem ungenutzten Gebäude "untergebracht" und schliefen in zwei großen Räumen gefüllt mit Rauch von improvisierten Feuerstellen. Schwangere Frauen, kleine Kinder sowie Männer und Frauen verschiedenen Alters hatten mit dem Mangel von Betten und Decken, medizinischer Versorgung und Essen zu kämpfen. Freunde der Flüchtlinge organisierten eine regelmäßige Essensausgabe in Harmanli und anderen Lagern.

 

Amnesty International über den Besuch im November 2013    

Während in Sofia rund 2.400 Flüchtlinge in drei Lagern untergebracht sind, leben mehr als 3.000 in privaten Unterkünften und Pensionen. Dass die Lebenbedingungen dort nicht viel besser sind als in den Lagern, wurde der Öffentlichkeit Ende November 2013 schlagartig durch einen Dachgeschossbrand am Sofioter Frauenmarkt im Zentrum der Stadt bekannt. Rund zweihundert Afghanen sollen in dem in Brand geratenen Gründerzeitgebäude gelebt haben. Informationen der Polizei zufolge gibt es rund sechzig solcher privater Flüchtlingsheime in Sofia. In ihnen zahlen die Bewohner bis zu fünf Euro für die Übernachtung in Zimmern, die zum Teil weder Strom noch Wasser haben.

Die Schätzungen darüber, wieviele syrische Flüchtlinge sich in Bulgariens südöstlichem Nachbarland Türkei aufhalten, variieren zwischen einer halben und einer ganzen Million. Da viele von ihnen nach Westeuropa streben, dürfte sich Bulgarien noch auf absehbare Zeit mit dem von Minister Iovtschev attestierten "Migrationsdruck" konfrontiert sehen. Dennoch gab Iovtschev Ende November 2013 im bulgarischen Parlament bekannt, es seien derzeit keine neuen Flüchtlingslager geplant. Der sozialistische Minister äußerte seine Zuversicht, man werde mit den vorhandenen Einrichtungen auskommen. Priorität genießen für ihn eindeutig die Verhinderung des Grenzübertritts und beschleunigte Ausweisungen.

"Leider werden heute viele Zuflucht suchende an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei zurückgehalten oder in geschlossenen Lagern gehalten, gerade so, als ob sie Verbrecher wären", kritisierte Roland Veil, Vertreter der UNHCR in Bulgarien, Iovtschevs Strategie. Auch protestierte Veil gegen die geplante Novellierung des bulgarischen Flüchtlingsgesetzes, die die Anerkennung als Flüchtling erschweren und Abschiebungen erleichtern soll.

Seit Oktober haben Flüchtlinge bereits mehrfach gegen ihre Lebensbedingungen protestiert. Ende November 2013 kam es dabei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Insassen und Wachpersonal in dem geschlossenen Lager Ljubimets, in dem vor allem Algerier auf ihre Abschiebung warten. Drei Insassen und zwei Polizisten wurden dabei verletzt. Der vom Innenministerium zunächst verschwiegene Vorfall wurde erst eine Woche später bekannt, als der algerische Botschafter Ahmed Boutache gegenüber der Tageszeitung 24 Tschassa (Stunden) polizeiliche Übergriffe beklagte. Innenminister Iovtschev bestritt seine Darstellung, gab aber zu, die Untersuchung des Vorfalls sei noch nicht abgeschlossen.

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hallo und danke für's crossposten,

 

ein paar dinge solltest du beachten:

 

1. die links werden nicht automatisch in text umgewandelt und das archiv bringt nichts wenn das link welches den artikel darstellen soll irgendwann nicht mehr funktioniert(deshalb den ganzen artikel crossposten und nicht die einleitung)

 

2. quelle stellt nicht die überschrift sondern das medium woher das artikel stammt in diesem fall von "heise.de"

 

3. auch presseartikel brauchen einen teaserbreak!

 

das war es auch schon

 

solidarische grüße