Pressemitteilung des Solikreis Mannheim vom 3.12.2013
Nach den Razzien im Oktober gibt es einen weiteren Fall völlig unverhältnismäßiger Repression gegen einen Antifaschisten aus Mannheim. Dem jungen Mann wird das Verteilen von Eiern am Rande einer NPD Kundgebung vorgeworfen. Mit diesen Eiern sollen später NPD Anhänger beworfen worden sein. Das Amtsgericht setzt dafür eine Geldstrafe von 1500 Euro fest.
Was war passiert? Die NPD wollte am 16. Februar 2013 in der Neckarstadt gegen Ausländer*innen demonstrieren. Hunderte vom Bündnis "Mannheim gegen Rechts" mobilisierte Gegendemonstrant*innen verhinderten dies jedoch, indem sie alle Zufahrtswege zum Alten Messplatz blockierten. Eine Straßenbahn mit anreisenden Nazis musste wieder umkehren, lediglich acht Anhänger*innen der NPD schafften es auf den Platz. Dem Beschuldigten wird nun vorgeworfen, am Rande der NPD-Kundgebung an unbekannte Personen Eier verteilt zu haben. Damit, so die Begründung im Strafbefehl, habe er beabsichtigt "die nicht verbotene Versammlung der NPD durch die vorgenommenen Eierwürfe zu vereiteln, jedenfalls aber grob zu stören". Tatsächlich flogen einige Eier auf die acht Nazis, kurz bevor sie frustriert den Messplatz verließen. Die Menge der Gegendemonstrant*innen jubelte, die Nazi-Kleidung war versaut, verletzt wurde selbstverständlich niemand. Der Tatvorwurf gegen den Antifaschisten lautet nun Landfriedensbruch in Tateinheit mit Versammlungsstörung, die Geldstrafe wird auf 1500 Euro zzgl. Verfahrenskosten festgelegt.
Am Rande dieses Verfahrens wird ferner das Vorgehen des autoritären Überwachungsstaates deutlich, der von schwarz-gelb ebenso wie von grün-rot, die aktuell ein verschärftes Polizeigesetz einführen wollen, immer weiter ausgebaut wird. Der Beschuldigte wurde am 16. Februar nämlich nicht im Anschluss an seine angebliche Tat festgenommen, allerdings dabei gefilmt. Das Material wurde durch die Polizei ausgewertet und der Beschuldigte eine Woche später im Rahmen von Protesten gegen eine Nazi-Veranstaltung in Pforzheim festgenommen, da er unter den Gegendemonstrant*innen identifiziert worden sein soll.
Damit machen sich Polizei und Justiz erneut zum Helfer der Nazis. Dem Beschuldigten wird in diesem Fall nicht einmal das Werfen eines Eies vorgeworfen. Ob das bloße Verteilen überhaupt als Landfriedensbruch und Versammlungsstörung gewertet werden kann, ist juristisch fraglich. Jedenfalls zeigt es die Prioritätensetzung der Behörden, die mit aller Kraft gegen Antifaschist*innen vorgehen, während Nazis nach schweren Straftaten kaum etwas zu befürchten haben. Erinnert sei hier an das prägende Beispiel der Ermittlungen nach dem Überfall auf das Bekleidungsgeschäft "US-Shop" im Jahr 2009. Bei allen Nazis, die im Anschluss festgenommen wurden, wurde das Verfahren ohne Konsequenzen eingestellt. Die Opfer der Tat mussten sich beleidigende Sprüche der Polizei anhören und blieben traumatisiert auf dem hohen Sachschaden sitzen. Eigentlich sollte der NSU-Skandal der Gesellschaft als mahnendes Beispiel dienen, stattdessen geht es weiter wie bisher.
Der Solikreis Mannheim protestiert scharf gegen das Vorgehen der politischen Polizei. Wir fordern die Einstellung des Verfahren gegen den beschuldigten Antifaschisten. Wir solidarisieren uns mit ihm und mit seinem Proterst gegen die rassistische Hetzte der NPD in der Neckarstadt, von der er im übrigens selbst betroffen ist.
Der Solikreis Mannheim hat sich im Oktober 2013 nach den brutalen Razzien gegen drei Mannheimer Antifaschisten gegründet. Neben dem Schaffen von Öffentlichkeit und der Unterstützung der Betroffenen soll auch rassistische Ausgrenzung durch Gesellschaft und staatliche Behörden thematisiert werden. Für den 14. Dezember ruft der Solikreis zu einer Demonstration auf, Motto: "Unsere Solidarität gegen ihre Repression – Polizeiliche Unterdrückung und rassistische Ausgrenzung bekämpfen".
Im Solikreis Mannheim sind linke und antifaschistische Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen organisiert, so unter anderen die Antifaschistische Jugend Ludwigshafen/Mannheim, der AK Antifa Mannheim, das Bündnis gegen Abschiebung und das Jugendzentrum in Selbstverwaltung Friedrich Dürr.
Mehr dazu auf dem Blog des Solikreis: www.solikreis-mannheim.de
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die frage ist, ob "unverhältnismäßig" die problematik zutreffend beschreibt. sofern man davon ausgeht, dass das gericht den tatbestand zutreffend ermittelt hat, erscheint das strafmass eher im bereich der der üblichen rechtsprechung zu liegen. sofern es darum geht, dass sich das geschehen in tatsächlicher hinsicht anders als im urteil zugrunde gelegt zugetragen hat, ist das keine frage der verhältmäßigkeit bzw. die rechtliche bewertung wäre wohl im wesentlichen korrekt. man müsste dann in berufung gehen und versuchen, einen anderen geschehensablauf glaubhaft zu machen.
nope.
Die Frage ist keine der Tatsachefeststellung, sondern eine der Bewertung.
Eierverteilen als Landfriedensbruch etc. zu bewerten ist unverhältnismäßig.
Unverhältnismäßig ist auch, wegen welcher Lapalien Antifaschist_innen Geldstrafen zahlen müssen, während Nazis bei Geschichten wie dem Überfall auf den US-Shop (Stichwörter wären hier: Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, versuchte schwere Körperverletzung/versuchter Totschlag, evtl. bildung einer kriminellen Vereinigung da die Tat ja organisiert aus einer Gruppe heraus geschehen ist), völlig ungeschoren davon kommen obwohl sie noch bei der Flucht festgenommen werden konnten.
Unverhälrtnismaäßig ist an der Sache also vieles. Nicht bloß das Strafmaß.