Spaziergang | keine Demo | keine Kundgebung | keine Anmeldung | 31.12.2012 | 20 Uhr | JVA Oslebshausen (Haupteingang)
Es gibt in vielen Städten seit Jahren die Tradition am Silvesterabend zu den Knästen zu gehen, um gegen das System Knast zu demonstrieren. Letztes Jahr gab es auch in Bremen wieder eine Knastdemo; dieses Jahr wollen wir am Silvesterabend mit euch zusammen der JVA Oslebshausen einen unangemeldeten Besuch abstatten und einen Spaziergang um den Knast machen. Da es am schönsten wäre, wenn die Gefangenen auch was von uns mitbekommen und wir gesehen und gehört werden, sollten wir uns alle überlegen, wie wir am besten auf uns aufmerksam machen. Wir wollen gemeinsam und laut Stimmung gegen Knäste und die beschissenen kapitalistischen, rassistischen und sexistischen Gewaltverhältnisse machen, also vergesst nicht eure Ghettoblaster, Taschenlampen und Feuerwerk einzupacken! Seid kreativ und denkt euch auch gerne anderen coolen Kram aus, den ihr mitbringt. Packt euch warm ein und passt aufeinander auf!
Das System Knast
In den Knästen sehen wir deutlich die Denkweise einer brutalen Gesellschaft veranschaulicht, in der Gewalt Struktur hat; sie sind die Gitter und Schloss gewordene Manifestation dieser Gewalt.
Knast ist Teil eines Systems von Strafen. Es geht davon aus, dass einzelne Menschen gegen gesetzte Regeln verstoßen. Diese Regeln sind aber Ausdruck von gesellschaftlichen Konflikten, in denen verschiedene Interessen aufeinander treffen. Gesetze spiegeln in einer demokratischen (kapitalistischen) Gesellschaft die bestehenden Machtverhältnisse wieder. Die Verlierer dieser Konflikte sollen diese Ordnung nicht in Frage stellen dürfen. Vielmehr werden sie als Abweichung von der Norm stigmatisiert und in vielen Fällen weggesperrt. Die gesellschaftlichen Konflikte bleiben damit unbearbeitet. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit Rauschmitteln.
Knast und Rassismus
Wer nicht in der EU geboren ist, kann schon erleben, dass die bloße Existenz in der EU dazu führt, in die totale Institution (1) Knast gesteckt zu werden. Menschen aus anderen Gegenden der Welt können hier per Knast ausgesondert und eingesperrt werden, alleine aufgrund ihrer Herkunft. Rassistisch ist daran vor allem die Sichtweise und die damit verbundenen Gesetze, die diese Menschen zu Ausgeschlossenen machen, bei denen es gebilligt wird sie einzusperren. Dieses Prinzip findet sich im gesamten Knastsystem wieder.
Knast und Geschichte
Gefängnisse stehen seit ihrer Einführung dafür, unliebsame Teile aus der Gemeinschaft zu isolieren und verschwinden zu lassen. So waren die ersten, die in sogenannten Zuchthäusern, quasi den Vorgängern von Gefängnissen, verschwanden und zu Arbeit gezwungen wurden, vermeintliche Bettler_innen, „umherstreifendes Gesindel“, Alkoholiker_innen,, „arbeitsscheue Menschen“, so genannte „sittlich verwahrloste Frauen“ und Sex-Arbeiterinnen. Neben dem wirtschaftlichen Interesse, welches hinter diesen Einrichtungen stand und für deren Vollbelegung sorgte, sind es immer auch strukturelle Macht- und Gewaltverhältnisse wie beispielsweise Alter, Herkunft, Gender und soziale Schicht, die bestimmten wer potenziell eher im Knast landete als andere. Mit der Fokussierung auf das Eigentum und dem wachsenden Interesse des Bürgertums daran, dieses sichern zu wollen, landeten im Laufe der Zeit immer mehr Menschen auf Grund von Eigentumsdelikten in den Gefängnissen. So machen heute Delikte, die direkt oder indirekt mit Eigentumsverhältnissen zu tun haben, einen Großteil der Inhaftierungsgründe aus.
Knast löst keine gesellschaftlichen Konflikte
Durch das Knastsystem können die gesellschaftlichen Konflikte ausgeblendet werden ohne sie zu lösen. Eigentumsdelikte sind Folge von der ungerechten Reichtumsverteilung und unserer Art von Ökonomie. Zum Beispiel wird den Menschen ein Lebensideal an Wohlstand vorgehalten, welches ein Großteil von ihnen niemals erreichen kann. Außerdem gibt es viele, die so wenig Geld haben, dass sie sich keine Fahrkarten für Bus und Bahn leisten können und dann ohne Karte fahren – was im Wiederholungsfalle als Betrug gewertet wird.
Ausgeblendet werden auch die Folgen einer fragwürdigen Drogenverbotspolitik. Im Bremer Knast sitzen über die Hälfte aller Inhaftierten ein wegen Straftaten im Zusammenhang mit Drogen. Dabei gibt es keinen rational nachvollziehbaren Grund, warum manche Drogen legal sind und der Staat daran verdienen darf, andere aber illegal gehalten werden. Weltweit sitzen Millionen Menschen im Zusammenhang mit illegalisierten Drogen hinter Gittern. Es ist noch nicht einmal nachgewiesen, dass die Verbotspolitik im Falle von Drogen zu einem geringeren Konsum führt. Der Knast jedoch, führt definitiv nicht zu einer Bekämpfung von Suchtursachen bei abhängigen Menschen. Insofern erhält der Knast auch hier die Verhältnisse aufrecht, die er vorgibt zu bekämpfen. Und dies wird für manche zum lohnenden Geschäft.
Knast und Neoliberalismus
Mit Einführung einer zunehmend neoliberalen Gesellschaftsordnung, die eine immer stärkere Verschärfung von Armut auf Grund einer Umverteilung des Geldes hin zu einer immer reicher werdenden kleinen Oberschicht nach sich zieht, wurde eine Zunahme an Delinquenz (2) festgestellt. In den USA, die ein neoliberaler Vorreiter-Staat sind, führte dies zu einer erheblichen Ausweitung des Knastsystems. Mehr als 1% der gesamten US-Gesellschaft sitzt zurzeit im Knast, das sind über 3 Millionen Menschen. Ganz nach der neoliberalen Ideologie wird dieser Umstand wiederum zu Geld gemacht: Die Knästen werden privatisiert und die Gefangenen zum Arbeiten gezwungen, und das für Löhne, die sonst niemand akzeptieren würde. Damit werden Knäste zu profitablen Fabriken unter Zwangsarbeitsbedingungen. Allerdings muss der Staat dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze immer besetzt bleiben. Der Knast erhält sich in seiner Logik damit selbst.
Auch in Deutschland gibt es die Tendenz, Gefängnisse zu privatisieren und Inhaftierte zu Arbeiten für Hungerlöhne für den freien Markt zu zwingen. Diese Zwangsarbeit ist sogar im Artikel 12 des Grundgesetzes verankert: “Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.”
Knast und Gewalt
Der Knast ist nicht gegen Gewalt, aber die Gewaltverbrechen sind im Knastdiskurs ein zentrales Element. Hier präsentiert sich der Staat als Verteidiger der Interessen der eigenen Bevölkerung. Dabei ist es egal, dass ein Großteil der Menschen aus anderen Gründen im Knast sitzt. Gewalt ist das Element mit dem der Knast legitimiert wird und das obwohl er die Gewalt selbst aufrechterhält. Potentielle Opfer von Gewalt können geschützt werden, wenn Täter weggesperrt werden. Aber die Konflikte bleiben, die aus Menschen Täter werden lassen. Und schaffen wiederum die nächsten Täter und damit auch die nächsten Opfer. Knast schafft daher keine allgemeine Sicherheit; Er täuscht eine vor, die er aber überhaupt nicht gewährleisten kann. Am Punkt der Gewalt verschränken sich Interessen der breiten Bevölkerung mit anderen Repressionsinteressen zur Aufrechterhaltung des Knastsystems – und damit der gewalttätigen Verhältnisse.
Knast kann daher keine Probleme, keine Konflikte lösen. Knäste als System werden keine Gewalt abschaffen, wollen und sollen keine Gewalt abschaffen oder eindämmen. Knast ist Gewalt und produziert Gewalt. Er legitimiert die Anwendung von Gewalt im Sinne der staatlich gesetzten Verhältnisse. Da weder die ursächlichen Verhältnisse verändert werden, noch den Menschen vermittelt wird, dass die Anwendung von Gewalt schlecht ist, hält er die gewalttätigen Verhältnisse aufrecht. Polizeigewalt, Arbeitszwang oder das Töten durch die Bundeswehr sind andere legale Gewaltformen, die mit dem System Knast konform gehen.
Politische Gefangene
Das bemerkenswerte am System Knast ist, dass durch den Knast die bestehenden gesellschaftlichen Konflikte vollständig in den Hintergrund gedrängt und individualisiert werden. Du hast ein Problem mit der Situation? Das ist dein Problem! Menschen, die sich bewusst in den gesellschaftlichen Konflikt begeben, um diesen zu benennen und anzugreifen und dafür in den Knast gehen, werden im allgemeinen „politische Gefangene“ genannt. Der wesentliche Unterschied zu anderen Gefangenen ist, der bewusste politische Umgang mit dem Konflikt. Dadurch wird es möglich, den Knast als Institution zur Aufrechterhaltung der Verhältnisse zu benennen. Im Knast selbst spielt diese Unterscheidung kaum eine Rolle: Alle Gefangenen sind dem totalen Zugriff der Institution unterworfen.
Die Kritik am Knast muss grundsätzlich sein und auf seine Abschaffung zielen. Wir müssen Antworten finden auf die Fragen, die dabei entstehen, damit der Knast als stabilisierendes Element der bestehenden Verhältnisse angegangen werden kann.
Für eine herrschaftsfreie Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung!
Für eine Gesellschaft ohne Knäste!
(1) Institution, in der sämtliche Bereiche des Lebens geregelt und
allumfassend kontrolliert werden, z.B. Kasernen, Klöster, Gefängnisse…
(2) Neigung zur Straffälligkeit
für die abschaffung der gefängnisse/ Egal wer drinnen ist
http://archive.org/details/JessicaMitfordFrDieAbschaffungDerGefngnisse
http://radiochiflado.blogsport.de/2012/02/18/gut-organisiert-nazis-im-kn...