Kritik der Profiteure statt Kapitalismuskritik – Empörte, Occupy, Banken in die Schranken

Occupy2012

Eine Reihe von Protesten hat sich im letzten Jahr ereignet. In Spanien und Frankreich haben sich „die Empörten“ aufgestellt, in New York, Frankfurt und anderswo Anhänger der Occupy-Bewegung Finanzplätze besetzt. Occupy-Mitstreiter*innen betonen, dass Occupy eine für alle offene Bewegung sei, die sich auf kein bestimmtes Programm festlegen lasse, weshalb Einzelne aus ihr auch nicht für die Gesamtbewegung sprechen könnten. Deshalb meinen manche, dass man nicht über „die“ Occupy-Bewegung reden könne. Andererseits gibt es gemeinsame Manifeste oder Leute, die sich als Anhänger öffentlich äußern und Demoplakate mit konkreten Inhalten. In der vorgetragenen Kritik sind uns Gemeinsamkeiten aufgefallen, die wir thematisieren wollen.1

 

Dass es auch andere gibt, ist sicherlich der Fall und stört uns auch gar nicht weiter, schließlich wollen wir nur die Standpunkte kritisieren, an denen uns Mängel aufgefallen sind und die verbreitet sind, nicht einfach „alle“. Ferner gehen wir im Text auf verschiedene Krisenproteste ein – also auch auf andere als Occupy-Bewegte – weil uns bei den verschiedenen Protesten Ähnlichkeiten in der Kritik, die sie formulieren, aufgefallen sind.


Weiter unten wird im Text noch einmal auf die generelle Idee einer offenen Bewegung, die für kein bestimmtes Interesse streiten will, eingegangen werden.


Zum M31 haben antikapitalistische Gruppen mobilisiert. Teile dieser Gruppen haben auch zum Blockupy-Wochenende in Frankfurt mobilisiert. Die folgenden Kritiken sind nicht auf diese Gruppen bezogen. Andere Gruppen, die ebenfalls beim Blockupy-Wochenende mitgemacht haben, trifft die Kritik bestimmt.
 
Das Leben im krisengeschüttelten Kapitalismus bietet genügend Gründe für Unzufriedenheit, weshalb es auch nötig und verständlich ist nach Gründen dafür zu suchen. Die in den Krisenprotesten vorgeschlagene Analyse, halten wir für fehlerhaft und bezweifeln, dass hier die wirklichen Gründe für Armut, Job- und Wohnungsverlust entdeckt werden, so dass der Unzufriedenheit ein Ende gemacht werden kann.


In den Augen der Protestierenden ist die Gesellschaft gespalten in die große Mehrheit, die „hart arbeitet“ und ihren Beitrag zur Gemeinschaft leistet, während einige Wenige auf Kosten von ihr leben. Ihnen wird nachgesagt den „Profit über den Menschen zu stellen“ und dabei alle anderen zu schädigen. Die ganze Gesellschaft scheint einen falschen Weg eingeschlagen zu haben: „Ziel und Absicht des derzeitigen Systems sind die Anhäufung von Geld, ohne dabei auf den Wohlstand der Gesellschaft zu achten.“ (Manifest M15)
 
Dagegen wird sich stark gemacht: „Wir sind die 99%“! „Als ein Volk vereint“ prangern die Protestierenden verschiedene Zustände an2: von der illegalen Zwangsräumung über rassistische oder sexistische Diskriminierung am Arbeitsplatz bis zu durch Fahrlässigkeit verseuchte Lebensmittel. Allein an dem, woran sich gestört wird, ist etwas auffällig: Das illegal an der Zwangsräumung stört, der legale Rauswurf aus der Bleibe wegen Geldmangel geht also anscheinend in Ordnung! Unerlaubte Diskriminierung – eben nach „Rasse“ oder Geschlecht – wird am Arbeitsplatz nicht gut geheißen, der ständige Leistungsvergleich aber, bei dem diejenigen, welche die von Unternehmen geforderte Leistung nicht bringen können, ihre Existenzgrundlage verlieren, gilt nicht als Diskriminierung – diese ist ja auch erlaubt! An vermeintlicher Fahrlässigkeit bei der Lebensmittelproduktion wird sich gestört, also schon einmal fraglos unterstellt, dass der Zweck der Lebensmittelherstellung in Versorgungsleistungen bestünde, so dass Ungenießbares nur leichtsinnigen Fehlern zuzuschreiben sein könne. In der Anprangerung drückt sich also ein grundlegendes Einverständnis mit dieser Gesellschaft und ihren Einrichtungen aus. Sofern ihre Praxen dem Recht entsprechen, ist an ihnen nichts zu kritisieren. Die Abweichung vom Recht oder dem was sich als eigentlich geboten vorgestellt wird, ist so das eigentlich Beklagenswerte. Eine derartige Kritik fordert nichts anderes als das alles „mit rechten Dingen“ zu gehen soll und kann sich die Ursache von Schädigungen entweder nur als Rechtsbrüche denken oder empfindet sie eben als gerechtfertigt.
 
Der Kapitalismus als eine Gemeinschaft
Wenn ein großes Wir ausgemacht wird, auf das „die Kosten“ der Krise abgewälzt würde, wird sich die bestehende Gesellschaft als ein Gemeinschaftswerk vorgestellt. Die Marktwirtschaft ist aber kein Gemeinschaftswerk, sondern eine Gesellschaft von lauter Konkurrenten.


Schüler konkurrieren um bessere Noten und damit den Zugang zu weiterführender Bildung. Als spätere Arbeitnehmer konkurrieren sie um Jobs, also darum dass sich ihre Beschäftigung für Unternehmen lohnt. Die Firmen konkurrieren dann gegenseitig mit dem Ertrag aus der Arbeit der Lohnabhängigen um Absatz und Gewinn.


Alle müssen in dieser Gesellschaft ihre Interessen also gegeneinander verfolgen, weil ihre Interessen grundlegend vom Verfügen über Geld abhängig gemacht sind. Was heißt das?


Kein Wohn- oder Nahrungsbedürfnis wird befriedigt, wenn es nicht zahlungsfähig ist. Es müssen schon die Interessen der Eigentümer an diesen Dingen bedient werden. Diese verkaufen ihre Produkte nur, wenn dadurch ihr Vermögen wächst. Dafür brauchen die Leute Geld, das sie sich dann erstmal irgendwo verdienen müssen, weil sie keines haben. Der Großteil der Leute sieht sich damit in der Lage, von dem ganzen nützlichen Reichtum, der hergestellt wird ausgeschlossen zu sein, weil der anderen als Eigentum gehört. Dafür, dass dieser Ausschluss auch akzeptiert wird, sorgt der Staat mit seinem Recht, welches das Eigentum schützt. Um den Ausschluss zu überwinden, kommt die eigentumslose Mehrheit nicht herum, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen, der ihnen nicht wegen ihrer Angewiesenheit auf den Lohn zu Verfügung gestellt wird, sondern dann, wenn sich ihre „Beschäftigung“ für die Unternehmen lohnt. Sofern ihre Arbeit das Eigentum der Unternehmen vermehrt, lohnt sich die Anstellung. Dafür erhalten sie einen Lohn, der dafür sorgt, dass sie für die Arbeit überleben, aber sich niemals ein gutes Leben leisten können. Damit die Eigentumsvermehrung gut klappt, gibt es hier ein Ausbildungswesen, wird der Mittelstand auch mal gefördert, sorgen die Gerichte dafür, dass Verträge einzuhalten sind. Wie gut das mit der kapitalistischen Reichtumsvermehrung insgesamt klappt, lässt sich dann daran ablesen, ob in den Zeitungen steht, „die Wirtschaft“ wächst oder kriselt. Bei dem „Wohlstand der Gesellschaft“ geht es dann nicht um den Reichtum im Portmonee der Leute, sondern um den der Nation und ihrer Wirtschaft insgesamt. Und um den zu steigern, ist eine Sparrunde bei denen, die eh nur fremden Reichtum mehren, immer gut, weil sie so für „ihre Unternehmen“ billiger werden.
 
Die Gemeinschaft der Anständigen
An die Unterscheidung von Eigentumslosen und Leuten, die Eigentümer von Arbeitsplätzen, also den Mitteln sind, mit denen sich was Verkaufbares produzieren lässt, ist nicht gedacht, wenn von einem „wir“ Rede ist.


Dieses „wir“ ergibt sich so auch nicht aus der Verfolgung gemeinsamer Anliegen, sondern aus dem Bewusstsein, zu den Anständigen in dieser Gesellschaft zu gehören. Dieses Bewusstsein drückt sich beispielsweise im Manifest der „Empörten“ folgendermaßen aus:


Wir sind normale Menschen. Wir sind wie du: Menschen, die jeden Morgen aufstehen, um studieren zu gehen, zur Arbeit zu gehen oder einen Job zu finden, Menschen mit Familien und Freunden. Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, um denjenigen die uns umgeben eine bessere Zukunft zu bieten.

  (Manifest M15)


Sie werben mit ihrem Beitrag zu der Konkurrenzgesellschaft, die sie sich ideell ja als Gemeinschaft vorstellen. Für die soll jeder seinen Beitrag – an seinem Platz in der Gesellschaft – leisten, und dafür auch seinen gerechten Lohn erwarten können. Wenn jeder also beim Geldverdienen bereit ist für das Ganze etwas zurückzustecken, soll die Gemeinschaft etwas für alle sein. Die Protestierenden wuchern hier mit ihrer Dienstbereitschaft und meinen ausgerechnet diese müsste sich doch irgendwie für sie lohnen. Die gegenteilige Behandlung durch Staat und Kapital empfinden sie deshalb als unverdient, weshalb sie sich auch empören. (Die Empörung speist sich so aus dem Idealismus des lohnenden Verzichts für das Gemeinwesen, in dem sie sich gerne zu Hause fühlen wollen.) Sie halten es nicht für einen Widerspruch, dass sich ausgerechnet Opfer für sie auszahlen sollen. Sie fühlen sich moralisch im Recht gegenüber den „schäbigen“ und „korrupten“ Oberen. Denn umgekehrt weiß man mit dem Standpunkt des eingesehenen Verzichts für das Gemeinwesen, das sich so auch für einen selbst auszahlen soll, woran es liegt wenn es nicht so für einen läuft: An einigen Wenigen, die dann nur an sich denken. Diese stellen ihr privates Bereicherungsinteresse über die Gemeinschaft und schädigen damit alle. Sie bekommen dann den Vorwurf, „den Profit über den Menschen zu stellen“, weil sie von „Profit-Gier“ getrieben seien.
 
People over Profit!
Profit ist so keine ökonomische Kategorie der Differenz von verdientem Geld über das investierte, gibt also nicht mehr das Verhältnis des Überschusses über einen Vorschuss an, sondern eine moralische Entgleisung, eine falsche Stellung zum Profit und die ist dann das Schlimme und nicht der Profit selbst. Profit steht nämlich einfach für ein Übermaß an „Eigennutz statt Gerechtigkeit“ (Manifest Occupy Wallstreet).


Der Gier-Vorwurf entdeckt bei einigen wenigen, dem 1% oder zur Zeit besonders häufig bei den Managern des Bankwesens, dieses Übermaß an persönlichem Bereicherungswillen, der auf Kosten anderer geht, weil er den ganzen Laden ins Kriseln bringt.

 

Dagegen ist zu fragen: Wo soll denn die „richtige Grenze“ zwischen maßvollem Geschäft und „übermäßigen“ Bereicherungsinteresse beim Profit liegen? Er hat doch gar keine. Bei wie viel Milliarden verdienter Euro ist es denn zu viel? Wo soll denn die allgemeinverträgliche Grenze des Gewinns liegen – bei 2 oder 20 % Rendite? Diese Fragen sind nie im Vorhinein objektiv zu beantworten. Im Krisenfall, wenn die Kredite sich nicht in sprudelnde Gewinne umgesetzt haben oder wenn die Staatsverschuldung zu keinem Wachstum geführt hat, will aber jeder auf einmal wissen, dass „zu viel“ gewollt wurde und zu „leichtsinnig“ spekuliert wurde. Das „zu viel“ merkt man aber immer nur hinterher: Wenn das Geschäft nicht aufgegangen ist, sich Schulden nicht als Kapital erwiesen haben. Insofern ist der Vorwurf der Gier eine sehr affirmative Kritik, die einer bestimmten Branche oder ihren Managern Erfolglosigkeit vorwirft. Für kritikabel wird hierbei also befunden, dass der Laden gerade nicht funktioniert!


Zweitens verlegt der Vorwurf der Gier das Ziel Geldvermehrung, also den Zweck dieses Systems, den sowohl das Bankwesen als auch die „Realwirtschaft“ in echt verfolgt, in die moralische Verkommenheit bestimmter Personen („Bankster“) oder Konzerne. Der Vorwurf nimmt so eine Deutung der Krise vor, indem Schuldige für sie ausgemacht werden. Damit steht im vornherein fest, dass die Krise nur an Einzelnen liegen kann, die sich an eigentlich gute Regeln nicht gehalten haben und durch ihr Fehlverhalten die Krise verursacht haben. So erklärt man sich kritisch einverstanden mit dem System: Einzelne verhindern vor lauter „Eigennutz“ seine tollen Wirkungen. Affimative Kritk: Jeder soll seinen Job richtig machen. Mit dem Herausfinden von Gründen hat das nichts zu tun, dafür mit der Gewissheit, dass die Krise nicht notwendig sein müsste, wenn alle nur ihrer Pflicht nachkommen würden. Diese moralische Kritik verlangt dann folgerichtig auch nicht für Geschädigte ein besseres Leben, sondern die Bestrafung der moralischen Abweichler: „Bankster!“ - „Hang them!“ (Demo-Plakat)
 
Die Protestierenden der Occupy-Aktionen klagen an, dass die Krise auf dem Rücken der Prekären, Beschäftigten, Rentner – eben der lohnabhängigen Bevölkerung – abgeladen wird. So nach dem Motto: die Banken oder die Reichen übernehmen die Kosten, die sie verursacht haben nicht. Stattdessen würde auch noch den Armen qua Steuergeld und Sparprogramm Geld genommen, dass dann die Reichen kriegen würden.


Abgesehen davon, dass die Bankenrettung faktisch schon ganz anders läuft, nämlich über Staatsverschuldung, liegt dem eine falsche Vorstellung über das Wesen des Reichtums im Kapitalismus zugrunde. Hier wird so getan als läge das Problem lediglich in einer falschen Verteilung des Reichtums, wenn der Reichtum bei Banken (oder Konzernen) statt bei den Leuten landet, die darauf existentiell mehr angewiesen sind. So steht beispielsweise im Aufruf zu den Blockupy-Aktionen folgendes: „Von den Milliardenbeträgen der 'Eurorettung' bekommen die Menschen in den betroffenen Ländern keinen Cent, der Hauptteil fließt direkt an die Banken zurück. “ (Blockupy-Aufruf)


Hierbei wird verpasst, worin der Zweck des hiesigen Reichtums allgemein und desjenigen, der zur Abwendung des Finanz- und Staatsverschuldungscrashs aufgenommen wird: Geld wird hier ausgegeben, um vermehrt zu seinen Eigentümern zurückzukehren. Genau das ist auch das Business vom Bankwesen, das über das Geld der Gesellschaft verfügt, es Firmen nach seinem Ermessen zuteilt, die mit dem geliehenem Geld ihre Geschäfte anstoßen und das sich eigene Wachstumsquellen durch sein Wertpapiergeschäft verschafft. Weil das Bankwesen für das Funktionieren des Systems der Geldvermehrung derart zentral ist, haben die Staaten es gerettet, und zwar darüber dass sie sich massiv verschuldet haben. Weil die Staaten ein Interesse am Funktionieren des Bankwesens haben, haben sie ihren Nationalkredit belastet, und zwar nicht um neue Wachstumsbedingungen auf ihrem Standort herzustellen, sondern um einen „Crash“ ihres Kapitalismus abzuwenden.


Wenn Geld wirklich dazu da wäre, dass eine „gerechte Verteilung“ von Reichtum am Ende herauskommen soll, wäre es doch zumindest fragwürdig, warum man für das Entstehen dieses Reichtums erst derartig große Unterschiede von arm und reich zulässt. Um am Ende dann die Reichen zu schröpfen und alles umzuverteilen? Dann hätte man sich die Unterschiede doch von Anfang sparen können! Dass Umverteilungswünsche in der Realität nicht vorkommen, sollte man ihr nicht zur Last legen, sondern ihr entnehmen, wofür diese Art von Reichtum da ist: Dafür, dass der von Privateigentümern (ob das nun Banken oder Unternehmen sind) vermehrt wird. Die Mittel ihn zu vermehren haben die normalen Leute nicht – sie sind im Gegenteil das Mittel dafür. Deshalb sehen sie von dem durch sie vermehrten Reichtum auch nicht viel und werden von ihm ausgeschlossen.
An den Sparmaßnahmen sieht man das auch: Wenn es heißt, dass der Euro unbedingt gerettet werden muss, dann ist damit nie der Euro im Portemonnaie der Leute gemeint, sondern die Geldeinheit, in der Geschäft laufen und die sich als Geldanlage wieder lohnen soll. Wie soll das passieren? Gerade indem an Rente, Lohn und Zuschlägen gespart, also das Leben der Lohnabhängigen verbilligt wird. Ausgaben für bloße Lebensbedürfnisse von Lohnabhängigen sind anscheinend genau das falsche Signal an die Finanzmärkte. Dem ließe sich entnehmen, dass man es nicht mit falscher Verteilung oder damit zu tun hat, dass „nur noch“ ums Geld ginge, sondern das der Zweck des Geldes und die Lebensinteressen von Leuten, die es mehren sollen, einander ausschließen.
 
Banken in die Schranken!
Alternativ kann die Forderung nach „Gerechtigkeit“ - also die Verpflichtung aller auf den Dienst am Gemeinwesen – auch darin münden, die „Eigennützigen“ beschränken zu wollen. Die Beschränkung fordern Viele ausgerechnet von der Politik, die die Profitinteressen zuvor ins Recht gesetzt hat und die gerade alles dafür tut, um ihnen weiterhin gute Geschäftsbedingungen zu verschaffen.


Banken in die Schranken!“3 fordern sie z.B. von der Politik und meinen in ihr auch den richtigen Ansprechpartner gefunden zu haben, sie machen ihr z.B. praktische Vorschläge, wie die Finanzübermacht, „die Spekulative“, zurückzudrängen sein. So fällt es der Politik auch nicht schwer, den Protest für sich zu vereinnahmen und ihr Handeln als eines im Auftrag der Protestierenden darzustellen, wenn sie selbst höhere Eigenkapital-Anforderungen ans Finanzgeschäft stellt, mit Transaktionssteuern droht und eine freiwillige Beteiligung privater Anleger am griechischen Schuldenschnitt aushandelt. Wenn die Politik allerdings Beschränkungen für das Finanzgewerbe bestimmt, dann lizensiert sie es erstens in neuer Form, weil sie es zweitens für ihren Wirtschaftsstandort schätzt und es so drittens auf neuer „soliderer“ Grundlage zum Florieren bringen will und nicht weil sie es tatsächlich einschränken will. Das Geschäft soll nur krisenfrei ablaufen! Und auch im Wunsch nach einem krisenfreien Kapitalismus ist sich ein Teil der Protestierenden mit der Politik einig:


Statt in „hochspekulative Finanzprodukte“ zu investieren, sollte die Bankenwelt doch ihrer „eigentlichen“ „dienenden“ Aufgabe nachkommen, verantwortungsvoll Kredit zu günstigen Konditionen an Staaten, Unternehmen und Häuslebauer zu vergeben. So wollen sie „Bankiers statt Bankster!“
Kredit ist erstens nie ein Dienst, sondern ein Rechtsanspruch gegen den Schuldner, die Zinsen zu bedienen, egal wie der das hinkriegt. Ein Kredit wird nie vergeben, um jemanden zu „versorgen“, sondern um an fremder Geschäftstätigkeit zu partizipieren. Zweitens ist es immer eine risikobehaftete Angelegenheit, Kredite an Konkurrenten zu vergeben, die sich ihren Erfolg gegenseitig bestreiten. Ein Kredit, der den Kreditnehmer vom bisher verdienten Geld unabhängig machen soll, um zukünftiges Geschäft gegen andere zu ermöglichen, ist immer spekulativ. Das Schuldengeschäft wird also nicht erst bei Aktien und Derivaten spekulativ, seine Natur besteht im Geschäft mit dem Risiko.4 Dabei sollen die Banken dann aber nur nicht „zu viel“ riskieren. Wo aber soll bitteschön das Maß der „soliden Spekulation“ sein? Banken sollen Risiko eingehen, aber nicht zu viel und ganz solide? Das „zu viel“ wird wie zuvor dargestellt immer erst beim Eintreten einer Krise entdeckt.


Dem Bankwesen vorzuwerfen, dass es seine Aufgabe verletze, die Unternehmen mit Krediten „zu versorgen“, wenn es in „hochspekulative Finanzprodukte“ investiere, erklärt ganz schlicht alle Geschäftstätigkeit, die über das Verleihen von Krediten hinausgeht und auf dieser Grundlage passiert, zu einer bloßen Entgleisung des Geschäfts. Diese Erklärung will sich also gar nicht mit dem Bankgeschäft für sich auseinandersetzen, sondern es moralisch anprangern.


Noch fataler bei dieser Diagnose ist allerdings die Unterscheidung von schaffendem und raffendem Unternehmertum. Während in der Realwirtschaft noch produziert würde und Arbeitsplätze geschaffen würden, würde im Finanzwesen ja „nur noch Geld“ verdient, lautet der Vorwurf. Der „Realwirtschaft“ wird einfach unterstellt, sie habe letztlich den Zweck, nützliche Sachen für die Versorgung von Leuten herzustellen. Dagegen muss man festhalten: Die Sachen – so brauchbar und nötig sie auch sein mögen – werden nicht verteilt, sondern verkauft. Sie werden nicht einmal produziert, wenn nicht die Aussicht besteht, sie gewinnbringend absetzen zu können. Niemand wird eingestellt, weil er auf einen Lohn angewiesen ist, sondern wenn die mit dem Lohn eingekaufte Arbeitsleistung so viel mehr an Ertrag erwirtschaftet, dass bei der Realwirtschaft Gewinne hängen bleiben. Auch die Realwirtschaft hat denselben Zweck wie das Finanzgewerbe: Geldvermehren(lassen). Dort wird das Geld zwar anders vermehrt, aber die Identität von beiden besteht in der Geldvermehrung und von der ist hier alles abhängig gemacht. Damit ist der Profit das gesellschaftlich gültige Interesse und nicht bloß ein „nur“. Profit wird hier nicht zu wichtig genommen, sondern von ihm ist alles abhängig gemacht, für nichts anderes wird hier gearbeitet, in nichts anderem besteht der Zweck dieser Gesellschaft.


Umgekehrt drückt sich im Wunsch nach Beschränkung aus, wie gern die Protestierenden einfach wieder „zurück zur Normalität“ wollen und wie sturzzufrieden sie eigentlich mit den Verhältnissen sind: Krise soll nicht mehr sein und die Finanzsphäre ihrem „eigentlichen“ Job nachkommen, den Zweck der Wirtschaft nach „verantwortungsvollen Wachstum“ ordentlich zu unterstützen. Wenn die Protestierenden die Krise, aber sonst nichts am Kapitalismus stört, müssen sie vielleicht einfach ein bisschen zelten und warten – bis sich genügend Kapital entwertet hat, damit das „verantwortungsvolle“ Wirtschaften wieder von vorne losgehen kann. Außerdem müssen sie der Politik nur die Daumen dabei drücken, ihre Bevölkerungen genug zu verarmen, so dass die mit der Staatstätigkeit herbeiregierten Standortbedingungen wieder als produktiv, weil wachstumsförderlich, eingeschätzt werden.
 
Brecht die Macht der Banken!
Am negativen Urteil der Finanzwelt über bestimmte Staatsanleihen oder die Kreditwürdigkeit von produktiven Unternehmen, wird die Macht der Banken festgemacht. In der Kritik kommen hierbei die Staaten allerdings fälschlicherweise als die Opfer und Getriebene des Bankenkalküls vor.
Diese Kritik unterschlägt, die staatliche Grundlage vom und das staatliche Interesse am Finanzwesen. 2008 haben die Staaten das Bankgeschäft mit verschiedenen Maßnahmen gerettet.5 Allein, dass sie das vermochten, verweist erstens auf ihr Interesse an einem intakten Bankwesen, zweitens darauf, dass dieses Geschäft dann auch auf der staatlichen Macht beruht. Er lizenziert deren Geschäft: Alle Handelsartikel (vom kommerziellen Kredit bis zum Optionsgeschäft) sind Rechtsansprüche, die er garantiert. Der Staat stellt den Banken zweitens das Material ihrer Betätigung überhaupt erst zur Verfügung, indem er ein nationales Geld stiftet.


Der Staat hat an dem Geschäft der Banken ein eigenes Interesse: Er setzt es frei, so dass sie nach ihrem Kalkül von Sicherheit und Rendite über die Zuteilung von Geld entscheiden, auf dass auf dem eigenen Standort garantiert nur Geld verausgabt wird, dass kapitalistisch gerechtfertigt, also rentabel ist – von diesem aber unbegrenzt viel. Weil der Staat diesen „Dienst“ von ihnen will, rettet er die Banken und macht seine Verschuldung von ihrer Bewertung abhängig.


Hierbei sollte man allerdings beachten, dass es Sache der Politik ist, Staatsanleihen zu begeben, also das staatliche Verschuldungsinteresse dem Finanzkapital als Geschäftsmittel anzubieten. Die Staaten wollen sich damit eine höhere Freiheit in Sachen Ausgaben für ihre Standortförderung leisten. Umgekehrt haben die investierenden Banken und Versicherungen relativ sichere Papiere, die sich verzinsen, wissen sie doch um die Zugriffsmacht des Staates auf den Reichtum unter seiner Hoheit. Dass damit der staatliche Wille, mit den neu eingeworbenen Geldmitteln einen erfolgreich wachsenden Standort zu herbeizuregieren, nun auch zu einem Muss wird, wenn er sich weiterhin verschulden will, mag schon so sein. Das zeugt jedoch weniger von einem äußeren Zwang als von der Konsequenz die sein Interesse nach sich zieht – er setzt seinen Standort und seine Ausgaben eben der Beurteilung durch seine Geldgeber aus: Wie fähig ist er zukünftig gesteigerten Reichtum aus der von ihm beherrschten Gesellschaft zu ziehen? So lange wie beide Interessen zusammenwirken, so lange ist nebenbei niemand auf die Idee gekommen, die Macht von Finanzkapitalisten zu kritisieren. Mit der Krise und dem Misstrauen in den Kredit einiger Staaten ist diese Symbiose aufgebrochen und dadurch, dass sich die Banken „einfach nur“ fragen, ob die jeweiligen Staatsschulden noch für ihr erlaubtes Bereicherungsinteresse taugen und mit der Abwertung ein negatives Urteil fällen, geraten die Banken in Verruf. All das spricht aber nicht für eine Fremdherrschaft der Banken.
 
Die Sphäre der Politik: Korrupt, Amtsmissbrauch – Mangel an Demokratie
Für ihre Bescheidenheit bzgl. der Ansprüche nach einem eigenen guten Leben verlangen die Protestierenden von der Politik wenigstens berücksichtigt zu werden: „Die Demokratie gehört den Menschen (demos = Menschen, krátos = Regierung), wobei die Regierung aus jedem Einzelnen von uns besteht. Dennoch hört uns […] der Großteil der Politiker überhaupt nicht zu. Politiker sollten unsere Stimmen in die Institutionen bringen“ (Manifest M15) Die Nation und ihre Politik scheint nur für den Auftrag zu bestehen, den Interessen der Leute zur Durchsetzung zu verhelfen, also gute Lebensverhältnisse für's Volk zu schaffen.


Der Grund dafür, dass Krise herrscht und der „Profit über den Menschen“ gestellt werden konnte, so dass der Gier einiger weniger Recht gegeben worden sein soll, liegt für die Protestierenden in einer völlig falschen Politik. Dass die Mehrheit der 99% nicht viel von ihrem Leben hat – obwohl es ihr vor lauter Dienstbereitschaft doch zustünde – liegt für sie darin, dass ihr eigentlich Verdientes von der politischen Macht vorenthalten wird. So werden sie kritisch gegen den Staat und klagen darüber, dass er sich die Abwesenheit „echter Demokratie“ hätte zu Schulden kommen lassen.
Deren Fehlen soll dann der eigentliche Grund für die aufgezählten Leiden sein. Auch wenn das logisch widersprüchlich ist, geht der Gedanke dabei so: Weil die Herrschaft von der unternehmerischen Minderheit der 1% korrumpiert sei, höre sie nur noch auf den Profit und diene nicht mehr dem Volke. So verletze sie ihren eigentlichen volksfreundlichen Auftrag und werde zu einer Herrschaft „der 1%, durch die 1%, für die 1%“.
 
Zum volksfreundlichen Auftrag der Demokratie:
Es ist schon fragwürdig, warum es ausgerechnet ein Gewaltmonopol mit einer Heerschar von Polizisten und Richtern brauchen soll, um Leuten ein auskömmliches Leben zu bieten. Es fragt sich auch, warum es für ein gutes Leben von Menschen überhaupt eine Herrschaft brauchen soll – soll sie die Menschen zu chilliger Arbeit und guter Versorgung etwa zwingen? Jede Herrschaft – auch die demokratische – unterstellt einen Gegensatz zu den von ihr Beherrschten. Es muss ferner eine seltsame Gemeinschaft sein, wenn sie erzwungen werden muss. Dann beruht sie nämlich nicht auf gemeinsamen Interessen und Absprachen, sondern auf lauter ins Recht gesetzten Gegensätzen!


Was ist eigentlich Volksherrschaft? Dass das Volk nicht über sich selbst herrscht, sondern regiert wird, ist bekannt. Wenn die Demokratie ihr Volk selbst darüber abstimmen lässt, von wem es sich gern regieren lassen will, wird sie darüber noch nicht menschenfreundlich. Sie überlässt hierbei der Bevölkerung die Entscheidung, wer die vorher feststehenden Ämter ausfüllen soll, also mit der bereits vorabstehenden Staatsräson betraut werden soll. Zu der Ermächtigung bestimmter Parteien und Politfiguren darf das Volk seine Zustimmung abgeben, in der Wahl wird jedem so abverlangt sich die Frage vorzulegen, wer Deutschland wohl am besten regieren könnte – ohne zu fragen, was er selbst davon eigentlich hat. Die Abgabe der Stimme ist gleichbedeutend mit einer Unterschrift, fortan andere über die eigenen Lebensverhältnisse entscheiden zu lassen – demokratisch legitimiert. Ausgerechnet von so etwas wollen die Protestierenden mehr?
 
Dass die Mehrheit in der Demokratie nicht gerade von ihr profitiert, liegt nicht an ihrer Abwesenheit oder dass einfache Bürger zu wenig mitreden dürfen, sondern an ihrem Herrschaftszweck. Noch für jeden Politiker ist es das Wichtigste, dass „Deutschland gestärkt aus der Krise“ hervorgeht, alle halten es für eine Notwendigkeit sich um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes und um Zuspruch von den Finanzmärkten zu bemühen. (Die Politik verfolgt damit nicht den Standpunkt „es allen recht machen zu wollen“, sondern will den Erfolg der Nation.) Dass Natur, Menschen und Wissenschaft Ressourcen dafür sind, mit denen sich Gewinn durch Unternehmen erzielen lassen, wird von jeder Politik so gesehen. Beim Management der Bedingungen, dass diese auch geldverdienmäßig ausgenutzt werden, gibt es dann parteipolitische Alternativen – worin besteht der sichere Energiemix?, Vermögensster bei 42% oder 48%?, Mindestlohn bei 7,50 oder 10 Euro?


Dass das demokratische Procedere beim Staatmachen kein Selbstzweck für sich ist, sondern eben ein Mittel um das Volk ideell auf die Staatsvorhaben zu verpflichten und dessen Zustimmung abzuholen merkt man an sowas wie Expertenregierungen oder der Drohung seitens der Troika Kredite zu verweigern, das griechische Volk über die Annahme Sparmaßnahmen abstimmen zu lassen. Wenn ein Misstrauen in den Volkswillen besteht, stört das demokratische Verfahren einfach nur! Somit macht sich die Politik nicht vom Willen des Volkes abhängig und wirft auch mal ihre Herrschaftsmethodik über Bord, wenn sie sie für unzweckgemäß hält.
 
Zum Korruptionsvorwurf:
Politikern den Vorwurf zu machen, sie ließen sich bestechen und würden damit ihrem eigentlich Auftrag nicht mehr nachkommen, tut so, als müssten sie erst zu etwas gezwungen werden, was sie selbst gar nicht vorgehabt hätten. Der Vorwurf der Korruption verpasst genau das Eigeninteresse der Politik am Wachstum der nationalen Wirtschaft, weil sie sich etwas für sich davon verspricht. Nur wegen ihrem Interesse hat sie übrigens auch ein offenes Ohr für die Bedürfnisse von Unternehmen und richtet ihnen eine Lobby ein. Nur wegen ihres Interesses an kreditfinanzierter Staatstätigkeit erlaubt sie den Banken die Bewertung von Staatsanleihen. Es wäre auch ein schlechter Witz, wenn die Politik eigentlich gerne Leuten ein nettes Leben ermöglichen wollen würde, nur ausgerechnet sie – die die Geschäftswelt zu ihrer Tätigkeit berechtigt und ermächtigt hat – dauernd durch ihr eigenes Produkt dazu nicht in der Lage wäre. Volksherrschaft heißt eben gar nicht, dass es allen gut gehen soll oder es „allen recht zu machen“, sondern dass es eine Politik gibt, die über dem Volk steht und es beherrscht. Eine Politik, die alle einzelnen beschränkt und sie so zur Verfolgung ihrer gegensätzlichen Interessen berechtigt, damit der Erfolg der Nation zum Zuge kommt – dafür wird das Volk benutzt und gegen andere Nationen wird er erzielt und behauptet (siehe Griechenland). Ein Sparprogramm zeigt das extra deutlich: Für einen stabilen Euro und das Vertrauen der Finanzmärkte in die Verschuldungsfähigkeit der Staaten werden Ausgaben für bloße Lebensbedürfnisse der lohnabhängigen Bevölkerung zusammengestrichen und gegen sie durchgesetzt. Selbst jetzt, wo die Bedürfnisfeindlichkeit des Systems besonders offen zu Tage tritt, hoffen die Protestierenden auf besseres Regiertwerden? Diese Beschränkung tut niemanden gut und lohnt sich auch nicht, weil sie in der Verpflichtung aller besteht, direkt oder indirekt einen Beitrag zum Konkurrenzerfolg in Sachen Wirtschaftswachstum zu leisten. Genau in der Förderung von Kapitalwachstum für die eigene Nation besteht die „Verantwortung“ der demokratischen Politiker*innen. Frage an die Protestierenden: Ist es sinnig an diese Politik Forderungen zu stellen? Ist es klug sich von einer solchen Politik beherrschen lassen zu wollen?
Nein, werden einige sagen: Wir wollen ja eine echte Demokratie!
 
Echte Demokratie jetzt!“
Es ist zwar gar keine Kritik an der bestehenden, ihr einfach das eigene Bild einer idealen entgegen zu halten. Trotzdem sei noch ein Augenmerk auf die Praxis der voll echten Direktdemokratie gelegt: Als eine Versammlung von Menschen ist die Asamblea die basisdemokratische Zusammenkunft freier Individuen zum konstruktiven kommunikativen Austausch. Dieser Austausch hat Konsensentscheidungen zum Ziel, die Kommunikation sollte lösungsorientiert und kooperativ von Statten gehen. Sinn und Zweck der Asamblea ist es ausdrücklich nicht, gegensätzliche Positionen konfliktiv aufeinanderprallen zu lassen, sondern vielmehr aus gegensätzlichen Positionen heraus gemeinsam neue Ansätze zu entwickeln.“ (alex11.org) „Sonstige Abstimmungen sollten nur in terminlich drängenden, organisatorischen Fragen, in denen die Zeit fehlt um zu einer Konsensentscheidung zu gelangen, als Mittel gewählt werden. Es ist allerdings niemand gezwungen sich an Ergebnisse von Abstimmungen zu halten. Denn echte Demokratie schließt ein Verständnis und ein Bewusstsein für eigenverantwortliches Handeln mit ein.“ (alex11.org) In der Asamblea soll jeder zu Wort kommen, jeder gehört werden. Jedes Interesse wird für gleich wichtig befunden, auf den Inhalt kommt es also nicht so sehr an. Jeder kann sich aber mit seiner ganz persönlichen Betroffenheit als Betroffener vorstellig machen und so die Demonstration seiner Empörung mit Kritik verwechseln. Es geht nicht darum für bestimmte Interessen zu kämpfen – das würde andere ja ausschließen – sondern darum, mit der Versammlung und dem öffentlichen Campen zu zeigen, dass hier eine Mehrheit von Betroffenen versammelt ist, die sich „engagiert“. Dieses Interesse ist für sich schon ein seltsames, das nämlich nur zeigen will, dass man sich irgendwie engagiert statt „zuguckt“. Widersprüchliche Interessen werden dann nicht einfach ausgetragen, sondern jeder soll sich konstruktiv für die ideelle Gemeinschaft einsetzen und dann eben nach anderen „Lösungsvorschlägen“ suchen. Warum eigentlich? Es kann doch auch mal sein, dass man falsch liegt, da ist es doch besser sich widerlegen zu lassen statt gemeinsam irgendeinen neuen Ansatz zu suchen, der dann am Ende trotzdem Murks ist. Für was eigentlich? Für einen „gezähmten“ Finanzmarkt? Für eine solidarische EU?


Es kommt doch schon etwas auf den Inhalt der verschiedenen Interessen an. Relativ zu dem ergibt sich dann, ob man zwischen den unterschiedlichen vermitteln kann oder nicht. Auf eine Zeltordnung in Sachen Kloreinigung und Kochen, woran alle ein Interesse haben dürften, lässt sich sicherlich gut einigen. Worauf sich allerdings abhängig Beschäftigte und Mittelständler einigen sollen in Fragen der Arbeitsplatzeinrichtung und Lohnhöhe ist nicht abzusehen. Zwischen dem Interesse an einem guten Geschäft, das möglichst viel Leistung zu möglichst geringen Lohnkosten verlangt und dem Interesse an möglichst wenig Arbeit für möglichst viel Geld lässt sich einfach kein Konsens finden. Es ist schlecht, sich nicht die Gründe für die Verfasstheit von Ökonomie und politischer Macht anzuschauen, sondern immer nur die eigene Enttäuschung über ihre Resultate zu demonstrieren, um am Ende dabei zu landen, sich konstruktiv in sie hinein zu denken. Wenn derart gegensätzliche Interessen vorliegen, müssen die Verhältnisse ziemlich üble sein, dass Leute derart aneinander geraten. Dann muss man etwas an der grundlegenden Verfasstheit dieser Gesellschaft verändern.


1Nebenbei liegt in der Forderung nichts Bestimmtes über diese Bewegung aussagen zu sollen ein Kritikverbot: Weil man nichts über alle sagen könnte, solle sich auch gleich die bestimmte Kritik erübrigen.


2Die nun folgenden Anklagen sind der „Deklaration der 'Generalversammlung' von New York City entnommen. Nach zu lesen u.a. hier: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/USA/occupy2.html (Gefunden am 30.11.2011)

 

3Ursprünglich eine Demo

 

4Und nebenbei: Auch jede Investition in ein ganz handfestes Geschäft mit Textilien oder Autos hat seine spekulative Seite – erst auf dem Markt stellt sich heraus, ob die produzierten Sachen denn auch mit Gewinn verkauft werden können.

 

5Ausführliches zum Thema „Staatsverschuldung und die Krise im Euroraum“ in unserer gleichnamigen Broschüre. Zu finden hier: http://junge-linke.org/staatsverschuldung-und-die-krise-im-euroraum-alle...

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There is no alternative – Kapitalismus überwinden!

 

Seit über 4 Jahren befindet sich die Weltwirtschaft in der schwersten Krise seit langem. Einhergehend mit einer massenhaften Verelendung, Arbeitslosigkeit und allgemeinen Verschärfung der Lebensbedingungen, spitzt sich diese auch in Europa – vor allem in Griechenland, Spanien und Portugal – immer weiter zu. Immer neue, schärfere und größere Sparprogramme und Rettungspakete sollen den Kapitalismus vor dem Zusammenbruch bewahren.

Das Drohszenario der Kredit- und Schuldenkrise dient der aus Europäischer Kommission, IWF und EZB bestehenden Troika zur Legitimation eines angeblich alternativlosen Spardiktats. Diese verordnete Sparsamkeit führt dazu, dass die „Sparsünder“ geradezu kaputtgespart werden. Die Folge sind massivste Einschnitte in Gesundheits- und Sozialsysteme, die die Menschen in Ländern wie Portugal, Italien, Griechenland und Spanien oftmals an den Rand ihrer Existenz drängen. Während in diesen Ländern immer wieder Widerstand in Form von Streiks und Massenprotesten gegen das EU-Krisenregime aufkommt, sieht die derzeitige Lage im „Exportweltmeisterland“ Deutschland, das bisher als Gewinner aus der Krise hervorgeht, ganz anders aus:

Die gegenüber anderen EU-Ländern aggressive Krisenpolitik der Bundesregierung ruht auf einer soliden Basis aus Gewerkschaften, die dem Standort Deutschland sozialpartnerschaftlich verbunden bleiben, einer Opposition, die sich herzergreifend um den „deutschen Steuerzahler“ sorgt, sowie nationalistischen Ressentiments in weiten Kreisen der Bevölkerung. Chauvinistische Parolen und Pauschalisierungen, wie bspw. die “griechische Regierung müsste endlich mal ‘ihre Hausaufgaben machen’” (Westerwelle) oder das Bild des „faulen Griechen“ (Bild-Zeitung), stoßen in weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit auf Zustimmung.

Zwar beteiligten sich hierzulande im vergangenen Jahr mehrere Tausend Menschen an antikapitalistischen Protesten wie dem europaweiten M31-Aktionstag oder auch Blockupy, doch von einem breiten Widerstand gegen das EU-Krisenregime in Deutschland kann bisher keine Rede sein. Während von der einen Seite nationalistische Stammtischparolen zu hören sind, beklagt man sich in linksliberalen Kreisen über die entfesselten Märkte und sehnt sich nach einem „gezähmten“ Kapitalismus. Mit Tobin-Steuer, Bankenverstaatlichung und einem soliden Sozialstaat soll der scheinbar vom rechten Wege abgekommene „Finanzmarktkapitalismus“ wieder in eine „produktive“, „schaffende“ soziale Marktwirtschaft überführt werden, von der angeblich alle profitieren würden.

Eine solche Kritik läuft Gefahr, letztlich mit moralischen Schuldzuweisungen Ressentiments zu bedienen. Verursacht wurde die aktuelle Krise jedoch nicht von spekulierenden Banken, Manager*innen oder den „Sozialschmarotzern“. Sie ist vielmehr ein immer wieder – mal mehr, mal weniger regelmäßig – auftretender fester Bestandteil des Kapitalismus.

Der Kapitalismus ist die einzige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in der der Überfluss an Gütern ein Problem darstellt. Unverkäufliche Güter können zum Ruin ihrer Besitzer*innen führen und schlussendlich zu einer Überproduktionskrise. Gleichzeitig gibt es aber auch Menschen, denen es am Nötigsten fehlt und die nicht in der Lage sind, das einzige worüber sie verfügen – ihre Arbeitskraft – zu verkaufen.

Dies führt zu der absurden Situation, dass Lebensmittel, welche nicht verkauft werden können, auf der Müllhalde landen, während andernorts Menschen Hunger leiden. Oder dass zum Beispiel in Spanien neue Häuser gebaut wurden, die nun leer stehen, da sie sich niemand leisten kann; gleichzeitig steigt die Zahl obdachloser Menschen an.

Die Produktivkräfte (sprich, die Maschinen zur Produktion von Gütern) waren in der Menschheitsgeschichte noch nie so weit entwickelt wie heute. Es wäre durchaus möglich, in einer Welt, die weder Hunger und Krieg noch Leid oder andere existentielle Ängste kennt, zu leben. Dazu wäre es nur notwendig, die Produktion der Güter bedürfnisorientiert und vernünftig in die eigenen Hände zu nehmen. Der Kapitalismus ist aber weder das Eine noch das Andere, sondern Willkürherrschaft der Warenproduktion. Im Kapitalismus zählt nur die Verwertung des Wertes, sprich das Erwirtschaften von Profit, um diesen sogleich wieder zu reinvestieren, aber nie die Bedürfnisse aller Menschen.

Anstelle dieses kapitalistischen Überlebenskampfes und dem aus ihm erwachsenen Krisennationalismus setzen wir uns für eine antinationale Solidarität zwischen allen Menschen ein, die unter den Lasten des kapitalistischen Alltagswahnsinns leiden. Alternativlos für ein Ende des alltäglichen Elends sind für uns nicht Spardiktate oder Haushaltskonsolidierungen sondern einzig „Die Überwindung aller Verhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Marx).

Wir setzen uns ein für eine Welt, in der die Menschen ihr Zusammenleben nicht mehr nach den Zwecken von Konkurrenz und Verwertung in nationalstaatlichen Grenzen ausrichten, sondern selbstbestimmt und solidarisch in freier Vereinbarung zusammenleben. Wir wollen darum keinen „besseren“, vermeintlich „sozialeren“ Kapitalismus, sondern gar keinen!

Wir sind uns bewusst, dass ein Umsturz der Verhältnisse in Europa und erst recht in Deutschland derzeit alles andere als greifbar scheint. Trotzdem, und gerade deswegen, wollen wir unsere Kritik am Bestehenden am 22. Dezember 2012 in Mannheim auf die Straße tragen und das EU-Krisenregime sowie den kapitalistischen Alltag zumindest punktuell delegitimieren.

Denn es gibt keine Alternative: Kapitalismus überwinden!
Für eine solidarische, herrschaftsfreie Gesellschaft!

Antikapitalistische Demo | 22. Dezember 2012 | 15 Uhr | Mannheim HBF

 

Unterstützer_innen:

 

AK Antifa Mannheim
Alarm e.V. Offenburg
Anarchistischer Funke
Anarchistische Föderation RheinRuhr in Gründung
Anarchistisches Netzwerk Tübingen
Autonome Antifa [f]
FAU Frankfurt
Forum deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA-IFA)
Linksradikales Bündnis Kontrollverlust (Freiburg)

 

Wenn ihr den Aufruf unterstützen wollt, schreibt einfach eine e-Mail an: demo(ät)a-netz.org

 

Infos: esistdassystem.blogsport.de und a-netz.org

Es ist das alte Problem aller imperialistischen Niedergangsepochen - der Irrsinn von Rentabilität und Integration plündert mittlerweile selbst diejenigen aus die sich ihm bedingungslos anpassen und unterwerfen. Neu ist die strategische Allianz zwischen dezidierten Nonkonformist_innen und ausgeschiedenen Konformist_innen, die sich aus alltäglicher Einsicht in schlichte Notwendigkeit speist. Die Antifa hat immer davon geträumt die Deklassierungserscheinungen des Kapitalismus, welche dem Faschismus in seiner "Kampfzeit" so Zunder geben konnten, dem Einfluß der Faschist_innen und Kapitalist_innen zu entwinden, "Occupy" sollte als der praktische Versuch dessen unter den Bedingungen globalisierter kleptokratischer Stagnation und militaristischer Todeskrämpfe aufgefasst werden. Es ist kein Zufall dass diese Bewegung sogleich die allerverdorbensten Feindseligkeiten aus dem klerikalfaschistischen Sumpf auf sich gezogen hat - wer immer in Deutschland vor Heuchelei trieft hasst auch "Occupy" und die darin keimende Chance den Verlust des falschen Ganzen zum wahren Gewinn zu machen.