Freiburger Fähnchenknicker
Der gepflegte Freiburger Aktivist ist höflich, aber entschieden. Er beseitigt nicht nur EM-typische Fan-Fähnchen an Freiburger Autos durch akkurates Abknicken – das könnte ja jeder Normalo auch. Er belehrt den Auto- und vormaligen Fähnchenbesitzer außerdem darüber, dass dieser über ein falsches Bewusstsein verfügt. So fand ein BZ-Leser aus dem Stühlinger eine Art Bekennerschreiben unter seinem Scheibenwischer: "Liebe Autofahrerin, lieber Autofahrer", heißt es auf dem sauber ausgedruckten Zettel, "ich habe ihre Nationalfahne entwendet". Warum das Anbringen des schwarz-rot-goldenen Stücks Plastik nichts mit Jogis Jungs und schon gar nichts mit der Absicht des Autobesitzers zu tun hat, wird im folgenden Text erläutert: "Egal aus welcher Motivation sie diese Fahne angebracht haben, sie produziert in jedem Fall Nationalismus." Ein klares Weltbild beruhigt, auch wenn die Realität manchmal stört. Wie würde der pädagogisch wertvolle Fähnchenknicker wohl mit jenem pragmatischen Freiburger umgehen, der sich neben der deutschen gleich noch eine englische, eine italienische und eine spanische Flagge ins Fenster klemmte? Wahrscheinlich würde es ihn absolut nicht interessieren, schließlich zeigt er die selben Symptome wie ein echter Nationalist: Überlegenheitsgefühle bei gleichzeitigem Desinteresse am Anderen.
Thomas Goebel
Der Name ist Programm
Herr Goebel