Naziaufmarsch Bielefeld 24.12.2011 - Ein kritischer Bericht

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Bis zu 10000 Anti-Nazi-Demonstrant_innen (selbst die Bullen sprechen von 6500) waren am 24.12.2011 in Bielefeld auf den Beinen. Wir selbst gehen von 6000-7000 unmittelbar rund um die Aufmarschroute aus, davon alleine 3500 vor dem AJZ (schönes Haus). Vorweg: Aus unserer Sicht hat die antifaschistische Bewegung an diesem Tag eine seltene, große Chance leichtfertig vergeben. Nicht nur die Verhinderung, sondern auch ein direkter Angriff auf den Naziaufmarsch war im Bereich des Möglichen.

 

Deutliche Unterbesetzung der Bullen

 

Nicht nur die unglaublich hohe Anzahl der bürgerlichen Demonstrant_innen, sondern auch die Zahl von 300-400 autonomen Antifas und nochmal so vielen weiteren "Aktionsorientierten" hat alle Erwartungen bei weitem übertroffen. Das gilt auch für die Bullen, die lediglich mit sechs Hundertschaften im Einsatz waren!

 

Das Viertel, in dem die Nazis marschiert sind, war an allen Zugängen mit Hamburger Gittern und vergleichsweise wenig Bullen, teils mit Hunden, aber ohne jedes Gerät, abgeriegelt. Damit waren die Kapazitäten der Bullen erschöpft.

 

Deshalb war es im gesamten Aktionsgebiet möglich, völlig frei zu agieren. Nach teilweise durchaus erfolgreichen Angriffen auf die Sperrstellen waren keine Festnahmen oder Einkesselungen zu befürchten. Zur effektiven Verteidigung der Sperrstellen hatten die Bullen lediglich Pfefferspray zur Verfügung.

 

An mindestens vier Stellen wurden die Nazis von Stein-, Eier- und Obsthagel empfangen. Ein Durchbruch auf die Aufmarschroute kam aber nicht zustande.

 

 

Kritik: Pseudogehabe und spezielle Hindernisse

 

Die Einschätzung der Situation wurde häufig dadurch erschwert, dass das Potential der Umstehenden unklar oder missverständlich war. Relativ viele Grüppchen im Autonomen-Look oder in Vollvermummung erwiesen sich an den Sperrstellen als Pseudomacker_innen, die außer Geschrei nichts zu bieten hatten. Dieses Phänomen ist altbekannt, war an dem Tag aber besonders ärgerlich.

 

Dazu kam ein spezielles "Bielefeld-Problem": Durch die bloße Menge der Nazi-Gegner_innen waren etliche Sperrstellen durch eben diese effektiv blockiert. Wir mussten lernen: Es ist unmöglich, eine Absperrung und die dahinter stehenden Bullen anzugreifen, wenn dafür zunächst mehrere Reihen friedlicher Demonstrant_innen "abgeräumt" werden müssten... Dieses Problem soll wohl insbesondere direkt vor dem AJZ und an der städtischen Flanke der Aufmarschroute aufgetreten sein.

 

 

Kritik: Absolut mangelhafte Koordination

 

Auch trotz genannter Erschwernisse wäre ein massiver Durchbruch auf die Naziroute möglich gewesen. Wir konzentrieren uns hier auf den "Wald- und Wiesenflügel" und die entschlossenen Leute.

 

Unserer Meinung nach wäre in diesem Bereich lediglich die Konzentration auf eine x-beliebige Sperrstelle notwendig gewesen. Ein konzentrierter Durchbruch von 300+x Leuten an irgendeiner dieser Stellen hätte unweigerlich auf die Route geführt - zum richtigen Zeitpunkt auch direkt auf die 60 Nazis! Dazu wären noch etliche Demonstrant_innen nachgeströmt, und das alles bei der gegebenen Bullenpräsenz ohne größere "Verluste".

 

Ein solches Vorgehen - und damit einer der größten Erfolge der Antifa-Bewegung "auf der Straße" in den letzten Jahren - hätte nur ein Mindestmaß an Koordinationsstruktur erfordert. Diese war ausgerechnet an dem Tag nicht gegeben.

 

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Als völlig wertlos hat sich der "Infoticker" erwiesen. Während des gesamten Tages kam nicht eine einzige hilfreiche konkrete Information, geschweige denn ein Koordinierungsversuch. Allgemeine Appelle wie "jetzt den Druck erhöhen" [sic!] waren für die Leute vor Ort nun wirklich überflüssig...

 

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Offensichtlich ortskundige, organisierte Gruppen schotteten sich ab und waren nicht ansprechbar ["wir? hier? Nazis? keine Ahnung"]. Spitzelparanoia hin oder her, so könnt ihr auch gleich zu Hause bleiben!

 

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Es herrschte eine allgemeine Hektik mit "Hin- und Hergerenne", für die es nicht den geringsten Grund gab. Weder waren Bullen "von hinten" in der Nähe, noch bestand ein besonderer Zeitdruck. Manchmal soll es helfen, einfach mal ruhig zu bleiben, nachzudenken und dann zu agieren!

 

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Handlungsfähige lokale Strukturen waren ganz einfach nicht vor Ort. Wo waren die Gruppen die vorher dazu aufgerufen hatten, den Naziaufmarsch "mit allen Mitteln zu verhindern"? Autonome Antifa Bielefeld? Antifaschistische Gruppen in OWL? Nazistopping.de?

 

 

Gesamtbewertung

 

Auf der Rückreise waren wir zunächst extrem angepisst, weil ein ganz großes Ding unnötig verschenkt worden ist. Im Rückblick fällt unser Fazit deutlich differenzierter aus.

 

Politisch kann sicher von einem Erfolg gesprochen werden. Das Bündnis "Bielefeld stellt sich quer!", in dem Antifagruppen, linke Gruppen, Migrant_innen, Parteien, Gewerkschaften, Student_innen und bürgerliche Vereine gemeinsam organisiert sind, hat eine beachtliche Mobilisierungsleistung hingelegt. Auch wenn wir die Bielefelder Verhältnisse nur schlecht einschätzen können: Etliche tausend Menschen an Heiligabend auf die Straße zu bringen, ist schon beeindruckend.

 

Auch für die Antifabewegung hat es schon schlechtere Tage gegeben. Mehrere direkte Angriffe auf die Nazidemo, u.a. durch Steinwürfe, sind Ausdruck eines Szenarios, das leider viel zu selten geworden ist. Es bleibt das flaue Gefühl, dass viel viel mehr gegangen wäre... Die Frage nach einem Erfolg muss sich an den erklärten Zielen ("Verhinderung") messen und kann nicht positiv beantwortet werden.

 

Wir hoffen, dass an den aufgeführten Schwachstellen nachgearbeitet wird - und fahren wenn nötig gerne wieder nach Bielefeld! Gruß an die fitten "Normalos" :-)

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war zwar nicht vor Ort hört sich aber nach einer guten Kritik an die wohl fast bei jeder X-Beliebigem Ereigniss angewant werden kann.

 

Ob Friedlich oder Militant wichtig ist der Wiederstand!!

 

(A)

unmoderiert

Rechtschreibung üben schadet auch nicht...

Video:
http://www.youtube.com/watch?v=3fl948WQxmI&feature=youtu.be

Fotos:
http://www.flickr.com/photos/kietzmann/sets/72157628556050505/

http://bilder.nw-news.de/bielefeld_neonazi-demonstration_an_heiligabend/52/732637/732637.html

http://www.westfalen-blatt.de/lokalnachrichten/bildergalerien/bielefeld/?tx_chgallery_pi1[dir]=1&cHash=afb9e3db1477718e216aa0ba08a29543#c3068

 

http://lfa.blogsport.de/

Zwei Mirrors von Demo-Videos, für den Fall das Youtube mal wieder sperrt: 
- 'Naziaufmarsch in Bielefeld am 24122011.mp4' (von http://www.youtube.com/watch?v=3fl948WQxmI) 15 min Detailaufnahmen der Nazis aus wenigen Metern Entfernung
- 'Demo in Bielefeld 24122011 (WDR).flv' (von http://www.youtube.com/watch?v=Je3t0oMV7jE), kurzer Bericht der 'Aktuellen Stunde' vom WDR

 

https://spideroak.com/browse/share/vids/Naziaufmarsch-Bielefeld-24_12_2011

Es ist nicht zu glauben, 600 Bullen und 70 hirnlose Nazispacken und 6500 dagegen und die kommen alle ohne Blessuren nach Hause und

können auch noch marschieren. Armes Bielefeld.