Frankfurt Athen: One crisis, one struggle

Demozug in Richtung Bankentürme

Eure Kämpfe sind auch in unserem Interesse!

Bei teilweise strömendem Regen zogen am gestrigen Mittwochabend gut 200 Demonstrant_innen durch Frankfurt am Main, um ihre Solidarität mit den Kämpfenden auf Griechenlands Straßen auszudrücken.

Auf dem anderthalbstündigen Zug wurde wichtigen Stationen in der Frankfurter Innenstadt ein Besuch abgestattet, darunter der Europäischen Zentralbank (EZB), der Kreditanstalt für Wiederaufbau (kfw) sowie dem Griechischen Generalkonsulat. Pointierte Redebeiträge unterfütterten an den einzelnen Stationen die Kritik an den herrschenden Verhältnissen.

 

Die Beteiligung an der kurzerhand auf den Vorabend des neuerlichen Generalstreiks in Griechenland angesetzten Demonstration war ausgesprochen bunt. Neben zahlreichen Anarchist_innen und Mitstreiter_innen des antinationalen Krisenbündnisses Frankfurt waren auch Studierende, organisierte Kommunist_innen, aber auch Anhänger von attac oder Gewerkschaftern stark vertreten.

 

Eine Antwort auf den Klassenkampf von oben

 

„Freilich wäre es notwendig, dass auch in Deutschland Hunderttausende von Menschen die sozialen Kämpfe auf die Straße tragen.“ so ein Vertreter der FAU-IAA Frankfurt. Es gebe tausend gute Gründe für einen sozialen Aufstand, und zwar keineswegs nur in Griechenland.

 

Multimilliardär Warren Buffet hatte 2005 von sich gegeben: „Es herrscht Klassenkampf, richtig, aber es ist meine Klasse, die ihn führt, und wir gewinnen!“ Solange dies bei den Menschen in Deutschland nicht angekommen sei, so der Vertreter der anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft, „können wir alle den streikenden Arbeiter_innen, Rentner_innen, den Angestellten, der aufständischen Jugend in Griechenland nur viel Erfolg wünschen, denn ihre Streiks, der Generalstreik und ihre Kämpfe sind auch in unserem Interesse!“

 

Nationalistische Ressentiments zur Systemstabilisierung

 

Die von deutschen Medien und der Politik betriebene Hetzkampagne gegen Griechenland kritisierte auch ein Redner des Kritischen Kollektivs scharf. Er wies zugleich darauf hin, wie empfänglich die Menschen in Deutschland offensichtlich für nationalistisch aufgeladene Ressentiments sind. Das Griechenland-Bashing habe letztlich an vielen Stammtischen die Systemfrage vollends verdrängt.

 

Eine radikale Kritik am Kapitalismus eröffne zwar die Möglichkeit einer befreiten Gesellschaft. Zugleich müsse man sich aber auch regressiven Tendenzen in der Gesellschaft mit aller Kraft entgegenstellen. „Je mehr sich die Krise verschärft, umso wichtiger wird auch der Kampf gegen eine neuerliche Welle des Nationalismus.“

 

Dankbar sein für das „Hilfspaket“? Wider die Verarmungspolitik in Griechenland

 

Heftig kritisierte eine Aktivistin des sozialrevolutionären Krisenbündnisses auch das so genannte „Hilfspaket“, für das dankbar zu sein, die Menschen in Griechenland keinen Grund hätten. Das Geld flösse nur gegen die Zusage „schmerzhafter, ja brutaler Reformen“, die vor allem den Arbeiter_innen, Rentner_innen und Mittellosen Schmerzen bereiten.

 

Deutsche Banken, aber auch die deutsche Rüstungsindustrie profitierten hingegen massiv von dem Hilfspaket, ihre Kredite und milliardenschweren Rüstungsaufträge würden abgesichert. Zugleich drücke sich Deutschland seit über 60 Jahren um die mittlerweile rund 50 Mrd. Euro Reparationszahlungen für deutsche Kriegsverbrechen.

 

Hierarchiefreie Organisation hat sich bewährt – Geht die Welle der Solidarität weiter?

 

In insgesamt gelassener Stimmung erreichten die Demonstrant_innen gerade im Bahnhofsviertel viele Passanten, die in die lautstarken Sprechchöre teilweise sogar mit einstimmten, und ansonsten die Szenerie immerhin interessiert vom Straßenrand beobachteten. Neben „Antinationale Solidarität“, „Anticapitalista“ und griechischen Sprüchen wurde vor allem „Soziale Kämpfe in Athen – das System auch hier angehen“ skandiert, aber auch Bertolt Brechts Lied von der „Arbeitereinheitsfront“ kam zu seltener Ehre.

 

Bei der erneut unangemeldeten Demonstration hat sich auch das Konzept der hierarchiefreien Organisation „von unten“ bewährt. Das spontan aus dem Kreis der Teilnehmer_innen einer Abendveranstaltung der FAU entstandene Solibündnis hatte alle Interessierten dazu eingeladen, den Termin über alle Kanäle weiterzutragen und die Aktion gleichberechtigt mitzugestalten.

Zu Übergriffen der Polizei kam es diesmal nicht. Zwar griffen die Staatsdiener immer wieder in die Routenführung ein, regelten letztlich aber vor allem den Verkehr.

 

Nach den Solidemos in Köln, Hamburg, Berlin und eben in Frankfurt besteht die Hoffnung, dass sich nunmehr auch in vielen anderen Städten Deutschlands Menschen zusammenfinden, um den neuerlichen Generalstreik in Griechenland mit einer Welle der Solidarität zu begleiten.

 

Weitere Informationen:

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

 

Bei dem medial inszenierten Spektakel, das sich gegen „die Betrüger“, „die Trickser vom
Mittelmeer“ (Focus) richtet, geht es um weit mehr als Griechenland. Vorsorglich soll über alle Klassenschranken hinweg das verantwortungsvolle staatsbürgerliche Subjekt mobilisiert
werden, das sich widerspruchslos in die Maschinerie von Kapital und Staat einpasst. Ein
schöneres Gegenbild zum deutschen Steuerzahler als das von den faulen Griechen und ihrem
morschen Staat hätte sich auch die PR-Abteilung der Bundesregierung kaum ausdenken können.

Im Sinne effektiven Krisenmanagements hat sich das korporatistische Modell der deutschen
Sozialpartnerschaft, entgegen der landläufigen Meinung von dessen Ableben, das die Kritikerinnen des sogenannten Neoliberalismus glauben beweinen zu müssen, bislang noch einmal vollkommen bewährt. Zu keinem Zeitpunkt hatte es eine andere Funktion, als die institutionalisierte Arbeiterbewegung in Gestalt der Gewerkschaften produktiv zu integrieren, um den Laden aufrechtzuerhalten.

Als Co-Moderatorinnen der Krisenbewältigung haben die Gewerkschaften bisher ihre
Funktion pflichtgemäß erfüllt. So schwadronierte IG-Metall-Chef Huber, sich den Kopf des Kapitals zerbrechend, dass die Branche „über die Krise hinweg müsse“. Er verbrämte den jämmerlichen Abschluss der letzten Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie, in welche die Gewerkschaften erstmalig ohne jegliche Lohnforderungen traten, als „faire Lastenverteilung“. Gesamtmetall-Chef Kannegießer weiß solches Engagement zu schätzen und sprach seinerseits von einem eindrucksvollen „Zeichen gemeinsamen Krisenmanagements“.

Damit setzt sich fort, was Deutschland in den letzten Jahren ein Exportwunder bescherte
und zugleich einer der Gründe für die „griechische Tragödie“ ist. Durch die Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften und die Flexibilisierung der Arbeit konnte Deutschland seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen europäischen Staaten deutlich voran bringen; so sind Länder wie Griechenland unter verstärkten Druck geraten, während hierzulande von Krisenauswirkungen noch verhältnismäßig wenig zu spüren ist.

Von vornherein ging es bei der Schaffung eines einheitlichen europäischen Währungsraumes darum, durch die Verlagerung der Geldpolitik auf eine supranationale Ebene wirtschaftlich schwächeren Staaten die Möglichkeit zu nehmen, durch eine Abwertung ihrer Währung die Position ihres nationalen Kapitals auf dem Weltmarkt zu verbessern.
Statt dessen sollten die Staaten gezwungen werden, sich durch verschärfte Ausbeutung
dem Produktivitätsniveau ökonomisch stärkerer Staaten anzugleichen. Dabei war immer klar, dass dies in Ländern wie Griechenland nicht ohne einen radikalen Angriff auf die direkten wie indirekten Löhne möglich ist. Dieser Angriff wird nun in Griechenland mustergültig vorexerziert, und die Wirtschaftspresse spricht unverblümt aus, dass auch in Italien, Spanien, Portugal harte Einschnitte anstehen. Eben deshalb richten die Herrschenden Europas ihren Blick gebannt auf Athen: Wie weit kann man gehen, bis es knallt?


Für Deutschland scheint diese Frage weit hergeholt. Doch nicht von ungefähr sind neben den „Pleite-Griechen“ auch die einheimischen Arbeitslosen wieder ins Visier geraten. Im Staatshaushalt für 2010 ist eine Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro vorgesehen. Hinzu kommen weitere 80 Milliarden für die beiden Konjunkturpakete und gleichzeitig verliert der Fiskus 8,5 Milliarden qua Steuerreform. Der Staat muss diese Verschuldung abbauen. Noch liegen die konkreten Pläne in der Schublade, aber das ganze ideologische Geplärre von „spätrömischer Dekadenz“ seitens Westerwelle und Konsorten lässt erahnen, wohin die Reise gehen soll. Als Kombi- Packung wird die Hetze gegen griechisches „Parasitentum“ und die „Trägheit“ von Hartz- IV-Beziehern von der Charaktermaske Thilo Sarrazin (SPD), seines Zeichens Vorstandsmitglied der Bundesbank, feilgeboten. Er empfiehltGriechenland den Gang in die Insolvenz und Arbeitslosen einen dicken Pullover, um die Heizkosten zu senken.


Entgegen aller anders lautenden Beteuerungen ist die Krise noch längst nicht zu Ende. Die
Lage der Lohnabhängigen wird sich weiter verschärfen, nicht verbessern, denn Staat und
Kapital stehen unter immensem Druck. In Griechenland hilft nur noch eine Radikalkur, in
Deutschland dürfte es auf einen zähen Stellungskrieg hinauslaufen. Die linksreformerische Verteidigung des Sozialstaates, die das heilige Kriterium der Finanzierbarkeit überhaupt nicht in Frage stellt, erweist sich in dieser Situation als genauso untauglich wie ein verbalradikaler Maximalismus, der sich völlig abgekoppelt vom Alltagsleben als reine Aufklärungsbewegung in Demonstrationen abstrakt „für den Kommunismus“ ergeht. Nicht die Verteidigung des Sozialstaates oder leere Worthülsen, sondern Kämpfe für unsere Interessen und Ansprüche legen der Krisenbewältigung Steine in den Weg. Sofern sie auf ökonomische Gesetzmäßigkeiten pfeifen, die Sorge um Staatshaushalt und Standortsicherung lässig zurückweisen und entsprechend rigide geführt werden, verweisen sie im Kleinen schon auf die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft. Nur solche Kämpfe eröffnen überhaupt die Chance, eine Klassensolidarität über nationale Schranken hinweg endlich praktisch werden zu lassen. So könnte eine globale Situation entstehen, in der sich die Aufhebung der herrschenden Produktionsweise als praktisches Erfordernis geltend macht, der Kampf für Forderungen umschlägt in eine Bewegung der Besetzungen und direkten Aneignung.

Solidarität mit den Aufständischen in Griechenland! Für die Krise der kapitalistischen Gesellschaft!

Hoch die antinationale Solidarität - Den Aufstand globalisieren!



Siehe kosmoprolet Flugblatt auf www.klassenlos.tk

 

Von Athen bis Berlin - Banken und Konzerne sollen für die Krise zahlen!

 

Video: http://kickyoutube.com/watch/?v=9r4LK0RczXw