Stellungnahme einer Bewohnerin des Nordkiezes Friedrichshain beim Treffen vor Ort zum sogenannten Runden Tisch am 21.07.2016

Baustelle in der Rigaer Straße

DIE H E R R E N HENKEL, KANDT, KRÖMER - ALS MÖCHTEGERN - DEMOKRATEN HABT IHR DEN BEGRIFF AUGENHÖHE IN EUREM WORTSCHATZ UND HANDELN NIE AUSFINDIG GEMACHT!

Ich bin jetzt seit bald 20 Jahren Bewohnerin des Nordkiezes Friedrichshain und habe die Konflikte in Sachen Rigaer schon zu Zeiten von Suitbert Beulker miterlebt, der mutmaßlich sogar auch jetzt im Hintergrund im Spiel ist.

 

Im Konsens stehe ich mit den wohl allermeisten Beteiligten dieser Versammlung, was die desaströse Polizeipräsens und -gewalt in unserem Kiez, insbesondere seit fast 1 Jahr, angeht. Es gibt zahllose Geschichten über polizeiliche Übergriffe und ausübender direkter und indirekter Gewalt der Exekutive, an den bestehenden Gesetzen vorbei, welche viele Menschen im Kiez nachhaltig traumatisiert haben, wie ganz offensichtlich meine Vorrednerin und Sitznachbarin, oder, wie gestern erst gehört, im Jugendclub in der Liebigstraße, wo die martialisch ramboesk auftretende Polizei regelmäßig die Toiletten des Jugendclubs benutzte, die Jugendlichen zum Fenster türmten oder mittlerweile kaum noch erscheinen, weil der Club zu einem  A n g s t r a u m  geworden ist.

Das ist ein S k a n d a l  und in keinster Weise hinnehmbar wie zahllose andere Geschichten!

Die Aushebelung der Rechtsstaatlichkeit von Seiten der Regierenden auf Landesebene auf Kosten des gesamten Kiezes ist ein alarmierendes Signal der Entfremdung von Politik und Kapitalmächtigen gegenüber denen, die eigentlich Staat bedeuten würden! (to rent a cop!)

In keinster Weise hinzunehmen ist der permanente direkte und verbale Angriff seitens der Staatsmacht in Persona von Innensenator Henkel, Polizeipräsident Kandt und Staatssekretär Krömer auf "seine" Bürger*Innen in unserem Kiez mit der pauschal diskriminierenden Erklärung als (politisches!) Gefahrengebiet, im amtsdeutsch kriminaltitätsbelasteten Ort, KbO. Damit wird scheinbar legitimiert, die ganze Bevölkerung pauschal mit einem im Gesellschaftsdialog seit den 70ern nie ausdiskutierten Extremismusvorwurf zu belegen und damit als mündige Bürger*Innen und einfach Bewohner*Innen des Kiezes mundtot zu machen und aus der dann doch nicht so demokratischen Gesellschaft und jedem gesellschaftlichen Diskurs auszugrenzen.

Bezüglich der Versammlung hier, sind die im Zentrum des Konflikts stehenden Personen Henkel und von der Polizei Kandt oder irgendwelche Stellvertreter*Innen absehbar aus wahlkampftaktischen Gründen nicht erschienen. Sie wollen der Grünen Bezirksbürgermeisterin eins auswischen. Die für diese erste Dialogrunde initiierenden, auf Landesebene Oppositionspartei(en), wollen wiederum im ersten Dialogversuch sich eine Deeskalation der Gesamtlage zugute schreiben.

Und wir, wir Menschen aus dem Kiez?

Wir werden wieder als Wahlkampfvieh hin- und herbenutzt und instrumentalisiert, auch von Teilen der Presse. Selbige hat längst am Tag vor der Veranstaltung von einem Erfolg in Sachen Runder Tisch berichtet, obwohl es erstmal nur um eine vorsortierende annähernde Dialogrunde gehen sollte, die aber auf der öffentlichen BVV auf dem Tagesordnungspunkt am 20.07. bereits als deklarierter Runder Tisch auf dem Zettel stand.

Die eingeladenen Anwohner*Innen aus den verschiedenen Initiativen wurden in der Presse als Kiezvertreter*Innen zementiert, wo das faktisch gar nicht möglich ist, denn die Bewohner*Innen des Kiezes sind keine Institution, sondern vielfältig, bunte Einzelpersonen, die keine Sprecher*In haben und ihre jeweilige Meinung gern selbst vertreten oder ggf. perspektivisch, mit mehr als 2 Tagen Vorlaufzeit, sich tatsächlich temporäre Vertreter*Innen geben könnten. So, wie das aber gelaufen ist, ist das auch dem Wahlkampf geschuldet, nimmt die Menschen hier im Kiez nicht ernst, versucht sie umarmend zu vereinnahmen und befindet sich diskursiv somit n i c h t auf A u g e n h ö h e, mal wieder!

Um einen politisch konstruktiven, städtebaulich einbindenden und mitgestaltenden Dialog mit uns Menschen aus diesem Kiez und weit, weit darüber hinaus, ging es doch authentisch höchst selten, in dem seit mindestens 10 Jahren massiv zunehmenden Druck in Sachen Vertreibung durch zu hohe Mieten aufgrund eines immer monströser und blasierter auftretenden Finanzkapitalismus.

Die nächste Immobilienblase ist doch schon kurz vorm platzen! Jede*r politisch Handelnde weiß das und nimmt doch nicht die Verantwortung war, die u.a. da wären, den Großinvestoren im Stadtentwicklungskontext und Baugenehmigungsverfahren den Weg  n i c h t  zu ebnen, um deren Ziel von 100% Rendite einzufahren zu blockieren und statt dessen ganz neue, endlich mal wieder menschliche Wege einzuschlagen, die mit Kapitalverwertung nichts zu tun haben!

So, wie gehabt, nicht mit mir! Und sicher auch nicht mit vielen anderen Menschen hier in diesem Land!

Ich fühle mich solidarisch mit der Rigaer 94 als Symbol linker alternativer Ideen, sowie dem laufenden Konflikt als von Räumung bedrohter Bewohner*Innen, genauso wie gegenüber all den Bewohner*Innen im Kiez und darüber hinaus, die so eine Misere erdulden mußten und ab jetzt nicht mehr mitmachen wollen und werden!

Was ist Gewalt?

Für mich ist Gewalt auch, wenn weinende Mitfünfziger, die ihr halbes Leben meine Nachbarn waren, nach ihrer Vertreibung wöchentlich vorbeikommen und mit Tränen in den Augen den Verlust ihres Zuhauses beklagen und als prekär Beschäftige, nun in Stadtrandlage, weite Wege in Kauf nehmen müssen, um ihrer Erwerbsarbeit nachzukommen, zeitgleich sich aber immer weniger an gesellschaftlicher Teilhabe und Mitgestaltungsmöglichkeiten einbringen können, mangels Zeit und Kraft und natürlich auch Einkommen.

Schluß mit dem sich selbst vermehrenden Reichtum für einige wenige auf Kosten der Schwachen!

Raus mit den renditegeilen Investor*Innen und Finanzhaien aus Raum und Land!

Ich brauche euch nicht!

Ich will einen b u n t e n,  v i e l f ä l t i g e n,  l e b e n d i g e n  Kiez, kein eingeebnetes, vor Langeweile u menschlicher Kälte strotzendes Glas-Stahl-Beton-Ghetto!

Aus Solidarität mir der Rigaer 94 und mit allen von Gentrifizierung betroffenen, insbesondere Bewohner*Innen des Kiezes, verlasse ich hiermit demonstrativ diese Versammlung, die als Dialogrunde initiiert, als sogenannter Runder Tisch deklariert wurde, aber nie war und anzunehmender Weise auch nicht sein wird.


Ich fordere die Personen Henkel, Kandt und Krömer, die sich mit ihrer Auslegung von Staatsmacht delegitimiert haben und mit fehlender Augenhöhe zur Bevölkerung als Nichtdemokraten und Rechtsverdreher geoutet haben, zur sofortigen Niederlegung ihrer Amt- und Machtbefugnisse auf!

 

Alle würden es Ihnen danken, da bin ich mir sicher!

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