Neues Pumpspeicherkraftwerk im Schwarzwald

Erstveröffentlicht: 
16.03.2010

Im Südschwarzwald will die Schluchseewerk AG das größte Pumpspeicherkraftwerk Deutschlands errichten. Das Unternehmen betreibt zwischen Schluchsee und Hochrhein bereits mehrere Pumpspeicherkraftwerke. Nördlich von Bad Säckingen sollen zwei weitere Staubecken und ein Kavernenkraftwerk gebaut werden. Schluchseewerk muß sich mit dem Bau sputen, denn im Sommer letzten Jahres hat die Bundesregierung als Anreiz beschlossen das Pumpspeicherkraftwerke die vor 2019 in Betrieb gehen für zehn Jahre vom Netznutzungsentgeld befreit sind. Für dieses Projekt wären das 200 Mio. Euro (20 Mio. Euro/a) und damit fast ein Drittel der geplanten Baukosten von 700 Mio. Euro. Der Schwarzwaldverein als Interessenvertreter der Bevölkerung vor Ort hatte in den vorangegangenen Anhörungen kritisiert, die Region dürfe "nicht bloß das Objekt für energiewirtschaftliche Ausbeutung" werden. Die Vertreter des Energieversorgers räumten ein, dass sich die Landschaft durch das zweite Becken deutlich verändern werde, da werde man "sich sicher erst dran gewöhnen müssen".

 

Die Deutsche Energieagentur (Dena), von Schluchseewerk als Gutachterin beauftragt betonte in ihrer Stellungnahme die Bedeutung neuer Pumpspeicherkraftwerke für die Integration der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Die Stromspeicherkapazität müsse erhöht werden, um mehr Strom aus schwankenden Quellen wie Wind- und Sonnenkraft ins Netz zu integrieren und die Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland zu erhöhen. Mit 1.400 Megawatt soll die Leistung des neuen Pumpspeicherkraftwerks der eines Kernkraftwerksblocks entsprechen. In Zeiten von Stromüberschuss soll das Werk diese Leistung 13 Stunden lang aus dem Netz ziehen können, und dabei bis zu 10 Millionen Kubikmeter Wasser vom Unterbecken 600 Meter hoch ins Oberbecken zu pumpen.

 

Immer neue Pumpspeicher werden aber nicht die alleinige Lösung sein, dafür gibt es zu wenig geeignete Standorte und die Dena rechnet vor, dass selbst diese Leistung nach Inbetriebnahme in den Jahren 2020 und 2030 zwar 3,7 Milliarden Kilowattstunden puffern kann, das entspreche aber nur acht Prozent der Strommenge, die alle Wind- und Solaranlagen in Deutschland im Jahr 2009 erzeugt hätten. Ein insgesamt flexibleres Netzmanagement und Strom-Pufferung vor Ort müssen Pumpspeicher ergänzen. Entsprechend fordert die Dena, dass gleichzeitig die Entwicklung von Druckluft-, Wasserstoff- und Batteriespeichern vorangetrieben werden muß.

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Drei Stunden intensive Diskussion
Podiumsdiskussion zum Pumpspeicherkraftwerk im Hotzenwald

Energieexperten, Planer und Betroffene diskutierten über das vom Schluchseewerk geplante Pumpspeicherkraftwerk / Keine Antwort auf die BAD SÄCKINGEN. Das steigende Angebot an regenerativen Energien verlangt einen höheren Anteil von Regelenergie. Darin waren sich die Experten auf dem BZ-Podium einig. Ob es dazu aber ein weiteres Pumpspeicherkraftwerk braucht, blieb umstritten. Gut 500 Menschen waren in den Bad Säckinger Kursaal gekommen, um die Diskussion von Jochen Schwill, Bernward Janzing, Dr. Stefan Vogt und Jürgen Pritzel unter der Leitung von BZ-Redaktionsleiter Axel Kremp zu verfolgen.

Ein Pumpspeicherkraftwerk sei in Effizienz und Wirkungsgrad fast unschlagbar, räumte Energieexperte und Umweltautor Bernward Janzing ein. Er wehrte sich aber dagegen, automatisch auf diese Technik zurückzugreifen, um die Unregelmäßigkeiten der Stromlieferung von regenerativen Energiequellen auszugleichen.

"Aus Erfahrung geht so was immer einher mit Enteignungen."

Jochen Schwill

Mit Blick auf den geplanten Standort des Haselbeckens sagte er: "Es steht ein wunderschönes Tal zur Disposition." Sein Vorschlag: Beim Ausstieg aus der Atomenergie vermehrt auf kleinere, dezentrale Anlagen zu setzen, mit denen besser auf die Schwankungen reagiert werden könne. Wenn die vielen Biogasanlagen in Deutschland so geschaltet würden, dass sie nur Strom liefern, wenn er gebraucht werde, könnten auch sie einen wesentlichen Beitrag leisten. "Der Umbauprozess in Deutschland muss und wird kommen", ist er überzeugt.

Janzings Weg sei aus heutiger Sicht eine zu teure Lösung für die Volkswirtschaft, hielt Jochen Schwill vom Energiewirtschaftlichen Institut der Uni Köln entgegen. Es gebe in Deutschland zu wenig Gas, ein Import führe zu Abhängigkeiten und ziehe eine ganze Reihe von Nachteilen nach sich – auch in den Ländern, von denen das Gas bezogen würde. Er ist überzeugt: "Wir brauchen einen ausgewogenen Energie-Mix, und Pumpspeicherkraftwerke sind dabei eine gute Option."

"Technisch ist ein weiteres Pumpspeicherkraftwerk nicht nötig", meinte dagegen Jürgen Pritzel, der Vertreter der Bürgerinitiative auf dem BZ-Podium, und sah sich dabei von der immer wieder zitierten Dena-Studie bestätigt. Ein Missverständnis, wie Schwill, der an der Studie mitgearbeitet hat, später klarstellte. Die Studie gehe sehr wohl von weiteren Kraftwerken aus. Davon unabhängig sieht Pritzel ein großes Potenzial in der intelligenten Steuerung des Stromverbrauchs. Unter anderem über den Strompreis und technische Weiterentwicklungen könnten die heutigen Verbrauchsspitzen zukünftig deutlich geglättet werden. "Vor 20 Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass Windenergie in Deutschland mal eine ernsthafte Rolle spielen würde. Warten wir mal ab, was in zehn Jahren geht."

In die gleiche Kerbe schlug Bernward Janzing, der auf die ab 2010 in Neubauten vorgeschriebenen intelligenten Stromzähler verwies: "In der Steuerungstechnik werden wir noch einiges erleben."

Als Unternehmen müsste sich die Schluchseewerk AG aber an der aktuellen Situation und den gesetzlichen Vorgaben orientieren und könne sich nicht auf Visionen verlassen, sagte Stefan Vogt, kaufmännischer Vorstand der Schluchseewerk AG. "Wir brauchen hier und jetzt Lösungen. Alternative Stromspeichermöglichkeiten gibt es noch nicht." Viele der Vorstellungen von Janzing und Pritzel seien in ländlicheren Gebieten durchaus umsetzbar. Es gehe aber um die landesweite Energieversorgung. "Der Nutzen ist leider nicht immer da, wo es die Belastungen gibt."

Was die betroffenen Gemeinden von der Schluchseewerk AG an konkreten Entschädigungen für die unbestrittenen Belastungen erwarten können, konnte oder wollte Vogt nicht sagen. "Das ist noch zu früh, außerdem wollen wir das zusammen mit den Gemeinden und der Bevölkerung erarbeiten." Sicher aber sei, dass die betroffenen Gemeinden einen wesentlichen Anteil an den voraussichtlich rund drei Million Euro Gewerbesteuer erhalten und dass mehrere Dutzend Arbeitsplätze entstehen werden.

Die Fragen aus dem Publikum richteten sich vor allem an den Vertreter des Schluchseewerks. Ob weitere Pumpspeicherkraftwerke geplant seien – nein; ob die Erdbebensicherheit gewährleistet sein werde – ohne jeden Kompromiss ja; was geschehe, wenn die Becken nicht mehr gebraucht würden – das sei noch nicht geklärt; ob die Trinkwasserversorgung gesichert sei – in jedem Fall; ob sich die neuen Becken harmonisch in die Landschaft einfügen – wie Hornberg I zeige, hielte sich die Verschandelung der Landschaft in Grenzen; ob der steigende Anteil der Windenergie auch heute schon an den Einsatzzeiten der Kraftwerke ablesbar sei – ja. Die Frage, ob es zu Enteignungen kommen könne, wenn Grundstückeigentümer nicht verkaufen wollen, ließ Vogt offen. "Mit dem Thema haben wir uns zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht beschäftigt." Jochen Schwill wurde deutlicher: "Aus Erfahrung geht so was immer einher mit Enteignungen." Nach drei Stunden endete der Abend. "Das wird nicht die letzte Veranstaltung dieser Art der Badischen Zeitung gewesen sein", versprach Axel Kremp.

Fotos von der Podiumsdiskussion im Netz unter http://www.badische-zeitung.de