Es hilft nun keine Selbsttäuschung und kein Schöngerede mehr: Jene Demonstration, die sich selbst überschätzend als revolutionäre Massenmanifestation betrachtet, hat nun 2016, pünktlich zum 130. Jahrestag des Haymarketmassakers endgültig ihren politischen Bankrott erklärt.
In den letzten Jahren zum einem wandelnden MyFest herabgesunken, auf dem nur noch konsumiert wurde, ob es nun das kalte Bier aus dem Späti am Rand der Route war oder die pseudo-kämpferischen Reden vom Party-Truck herab, die von der nachlatschenden Masse hastig eingeatmet werden, ohne in den Köpfen und Herzen eine dauerhafte Wirkung zu entfalten, wankte die 18 Uhr Demo schon die letzten Jahre wie ein trauriger und verzweifelter Humunkulus durch ein kilometerlanges Spalier sensationsgeiler AmateurfotografInnen.
Mal ins „Herz der Bestie“ ziehend, um dann als Teppichvorleger Unter den Linden zu landen, mal endlos durch Kreuzberg torkelnd, um den verräterischen Stiefgeschwistern der Sozialdemokratie zu zeigen, wo der revolutionäre Nothammer hängt. Da hat sich in den letzten Jahren etwas im wahrsten Sinne totgelaufen. Die jüngsten Ereignisse machen es einmal mehr deutlich: Der 1. Mai braucht eine Art Neustart, vielleicht auch eine Rückbesinnung, die die heutigen Zustände mitdenkt, sie miteinander verknüpft.Was vor 130 Jahren galt, als die Streikenden bei McCormick zusammengeschossen wurden, als die Demonstration auf dem Haymarket von der Polizei in ein Blutbad verwandelt wurde, das gilt auch heute noch:
„Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh leben!“
Man kann auch nicht ewig wie ein Stück Vieh, mag es sich auch noch so sehr als revolutionär betrachten, hinter einer Handvoll Menschen hinterrennen, die sich selbst als Speerspitze einer revolutionären Veränderung betrachten und dabei doch nur ihren Fame und ihren Anspruch auf Führerschaft im Auge haben. Für eine vollständige Umwerfung der ritualisierten Maidemonstration mag es in diesem Jahr zu spät sein, aber nichtsdestotrotz brennt in nicht wenigen Menschen der Wunsch, dass es eine Alternative geben möge, um, besonders im 130. Jahr nach dem Haymarket-Massaker, ein Zeichen zu setzen, denn es geht auch anders. Wir haben trotz allem Elend noch immer die Chance, einen gemeinsamen libertären Anfang zu machen. Verbünden wir uns gegen den an Fahrt aufnehmenden nationalistischen Rechtsruck in Europa, die soziale Entwürdigung der Menschen als „MieterInnen“ von Wohnungen, „Illegale“ mit unzureichenden Visa-Status oder „ArbeitnehmerInnen“ in der Arbeitswelt.
Organisieren wir uns gegen den voranschreitenden Aufbau einer polizeilichen Sicherheitsgesellschaft, die neben der offenen Repression auf „smarte“ bürgerliche Selbstkontrolle setzt. Unterdrückende Konzepte wie Nation, Autorität und fixe Geschlechterrollen scheinen wieder attraktiv zu sein, weil sie den Angsterfüllten sowas wie Verwurzelung verkörpern und vermeintlich klare Grenzen ziehen. Einer freiheitlichen Gesellschaft, in der die Menschen nicht mehr anderer Menschen Herren oder Knechte sind, stehen sie im Wege. Sie müssen beiseite treten. Dazu müssen wir eine entschlossene freiheitliche und antikapitalistische Antwort finden.
À bas l'état, les flics et les patrons!
Deshalb werden all jene, die sich den Idealen des 1. Mai 1886 auch noch 2016 verbunden fühlen, dazu aufgerufen, sich am Freitag, dem 29.4., um 19:30 Uhr auf dem Hermannplatz in Neukölln zu versammeln. Wenn ihr mögt, dann bringt schwarze und schwarz-rote Fahnen mit und überlegt euch passende (neue) Parolen, denn es ist eure Demo und ihr gestaltet sie ohne Beschallung von vorne. Der Endpunkt der Demo am Görli bietet die Gelegenheit danach ein Bierchen oder was alkoholfreies zu trinken.
Auf der Demo sollten kein Alk und keine Drogen konsumiert und keine Bollerwagen, National- und Parteifahnen und dergleichen mitgeführt werden. Für die Anarchie und so.
Demoroute: Hermannplatz - Kottbusser Damm - Kottbusserstraße - Kotti - Adalbertstraße - Oranienstraße - Skalitzerstraße Ecke Spreewaldplatz
!
Danke!
na also
läuft doch
Super!
Sehr sehr sympathischer Aufruf! Warum nicht immer so?
Tja
Das ist eine gute Frage. Die müsste denen gestellt werden, die öfter einmal Aufrufe verhunzen. ;-) Wenn ich da lese, was z.b. kgk oder der Jugendwiderstand da so raushauen, dann bekomme ich das nackte Kotzen.
Berlin ist..
..wenn Leute, die offensichtlich mit ihrer eigenen Demo auf das Berichterstattungsspektakel um den 1. Mai Berlin herum aufspringen wollen, anderen vorwerfen es nur des Fames wegen zu machen. Aber werft ihr ihn nur mal um, den 1. Mai.. was schadet eine weitere Latschdemo schon.
bla
Wenn man dem Loveparadelastwagen auf der 18 Uhr nicht hinterennen will, dann macht man es nur wegen dem Fame. Dann mach doch mal ne Scherbendemo!! Geht nur nicht von der Tastatur aus. Dazu dieses Berlinbashing. Irgendwie niedlich.
bitte
https://www.docdroid.net/0PupVQ7/ursprnge-des-1-mai.pdf.html
Solidarische Kritik
Erstmal das was ich für mich postiv wahrnehme.
1. Eine Rückbesinnung auf die Ursprünge des 1.Mai´s als anarchistischer Kampftag.
2. Eine explezit anarchistische Demo. Keine National/Parteifahnen etc.
3. Die Öffnung für Mensch selbstbestimmt die Demo zu gestalten.
Nun die Kritik.
Ein Aufruf der zu 50% nur aus "Die 1.Mai Demo in Berlin ist Mist" besteht, hat wenig Substanz. Der 1. Mai in Berlin ist nicht erst seit gestern für Anarchist*Innen keine Option.
Zum anderen fehlt mir hier das Rebellische. Wo bleibt die klare Kampfansage an jede Autorität?
Ich will aber auch nicht zu viel kritisieren, da ich dies hier als positive Entwicklung wahrnehme. Setzt diese fort.
Gegen jede Herrschaft! Für die soziale Revolte!
Für die Rückbesinnung an frühere Zeiten!
Lasst uns den 1. Mai zu einem Tag der Rückwärtsgewandheit machen! Vor 130 Jahren war alles revolutionärer! Es lebe die Vergangenheit! Für mehr Gedenken! Gegen die Gegenwartsbezogenheit!
bombe
super kommentar, echt super!
bla
Reflektieren (auch Rückbesinnung), Auswerten, aus der Geschichte lernen und dann mit neuen ideen nach vorne gehen.
Das hat nichts mit Regression zu tun, wie du es hier darstellen willst.
haha
hoch gepokert
also, nach der gelesenen Kritik an der "traditionellen" 1. Maidemo hätte ich jetzt schon Bahnbrechendes von eurer Seite erwartet, aber ihr habt die selben Themen auf den Schirm, lauft einfach nur wann und wo anders und geht danach eins im Park trinken - aber alles ohne super-autoritären Lauti?! Entschuldigt die Polemik, aber ist doch nicht ganz daneben gegriffen, oder?
Wie wäre es statt dessen mit einem solidarischen Bezug auf der 1. Maidemo, in der ihr aber einen eigenen starken Ausdruch kreirt? Das wird auch nicht einfach in einem Jahr klappen, aber so ist das eben mit den ach so "Trditionellen". Die haben über Jahrzehnte was auf die Beine gestellt und wenn man will, dass sich etwas ändert, muss man die selbe Kontinuität und den selben langen Atem mitbringen. Meistens passiert so ein Versuch, wie ihr ihn nun gestalten wollt, einmal, die Massen kommen nicht und nächstes Jahr lässt mans wieder...
Und wenn jetzt kommt: wir wollen aber nicht mit den bösen Autoritären spielen kann ich nur sagen: lasst die Spalterei. Wir stehen grad an einen Punkt, wo die Suche nach den Gemeinsamkeiten historisch von großen Wert sein kann. Oder um es drastischer auszudrücken: wenn wir diesen Kindergarten beim fortschreitenden Rechtsruck weiter machen (keine Sorge, damit meine ich alle möglichen Spektren), sieht es hier bald richtig düster aus.
Also, Solidarität statt Konkurrenz und Spaltung! Fangen wir doch bei uns an!
P.S.: bin nicht aus Berlin, das Problem der Zerfaserung gibt es ja leider nicht nur dort.
Spaltung
wäre es wohl, wenn es am 1. Mai einer weitere Demo geben würde. Spalten tut wohl eher die Offenheit gegenüber offen antisemitischen Gruppen. Dieses eher unpolitische Saufgelage spaltet wohl eher. Wer Lust hat am Sonntag da mitzulaufen soll es doch machen oder auch nach Plauen fahren. Dort soll es auch sein und einige zu tun geben.
"Die haben über Jahrzehnte was auf die Beine gestellt" hört sich so an, wie ein FDP-Heini, der auf dem Parteitag die Leistungen der bürgerlichen Elite lobt und sich jegliche Kritik an denen verbietet.
"die Suche nach den Gemeinsamkeiten" in allen Ehren, aber wo sind sie denn, die Gemeinsamkeiten? Die Ablehnung von Hierarchien, die sich auch bei Demos äußert? Wo ist denn die Gemeinsamkeit, dass man Antisemitismus ablehnt? Dass man Nationalfahnen auf so einer Demo nicht haben will? Was da diese Trotztkist*innen von kgk schreiben, dass es gute und schlechte Nationalfahnen geben würde, das spaltet und schreckt ab. Daher ist es nicht verkehrt, vor allem in Anbetracht, dass nicht wenige nach Plauen fahren werden oder sich die 18 Uhr eben nicht antun wollen, dass es eine Alternative gibt. Wem es nicht gefällt, braucht auch nicht hinzugehen. Eigentlich ganz einfach, oder?
Wenn du nicht aus Berlin bist, dann hast du vielleicht nicht ganz das Problem der 18 Uhr erfasst. Vor zwei Jahren zum Beispiel hast du viele Schwarzgekleidete gehabt, die sich von Kiosk zu Kiosk gehangelt haben, um ihre Vorräte an Suff auzufüllen. Was ist daran politisch? Im gleichen Jahr wird vom Haupttruck die sowjetische Hymne gespielt, während um die Ecke die Demospitze angegeriffen wurde. Nach 20 Minuten kam dann freundlicherweise die Durchsage, was vorne passiert. Hinten wird gefeiert, gesoffen und vorne prügeln die Cops rein. Darauf haben die einen oder anderen halt keine Lust mehr. Das ist nur ein Beispiel. Nicht jene, die jetzt die Zustände kritisieren und sich vielleicht ne Alternative überlegen, sind die, die Gemeinsamkeiten aus den Augen verloren haben, sondern jene, die es zugelassen haben, dass es soweit kommt. Vielleicht ist das alles auch eine Anregung es einmal zu überdenken, was die Probleme sind und wie sie geändert werden könnten.
Die Idee, etwas neues zu versuchen, und vielleicht zu scheitern durchaus sympathisch, aber vielleicht hat diese linke Szene es lieber, wenn die ausgetrampelten Pfade jede Jahr aufs Neue belatscht werden und man sich dann wundert, wo das Gras hin ist.
Eine neue Demo schön und gut
aber eine Demonstration die Kommunisten und Sozialisten bewusst ausschließt und auf einer anderen Demo rumhackt ist wohl keine untersützenswerte Demo.
wo?
wo werden denn da wahre kommunis*t_innen etc. pp. ausgeschlossen?
wohl kaum...
!
stalinisten sicher, kommunisten niemals
Wo
werden die ausgeschlossen? Nur weil TrotzkistInnen oder Stalinos nicht die Fahnen ihrer Zwergsplitter-, besser Zwergspalterparteien mitbringen sollen? Soll ich Taschentücher reichen?
A reicht doch
Über die ganze Spalterdebatten nicht vergessen um was es sonst noch gehen könnte.
Jede A-Demo, die den verlogenen Alltag auch nur ein bisschen stört, lohnt sich.
Und umso weniger Doktrinen oder Ideologien per Fahne spazieren getragen werden, umso besser.
A reicht doch
!
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