Bundesweite Demo gegen Sexismus und Rassismus: In diesem Jahr wird zum Weltfrauen*tag erstmalig bundesweit nach Köln mobilisiert

12. März Unser Feminismus ist antirassistisch

(02.03.2016, Köln) Ein breites und starkes Bündnis aus unabhängigen migrantischen und nicht-migrantischen Frauen*organisationen, feministischen Initiativen sowie antifaschistischen, antikapitalistischen und antirassistischen Gruppen aus Köln und NRW hat sich in den letzten Wochen organisiert und veranstaltet anlässlich des Weltfrauen*tages eine bundesweite Demonstration am 12. März 2016.

Unter dem Motto "Unser Feminismus ist antirassistisch - Reclaim feminism!" werden die Themen und Forderungen der Beteiligten laut, bunt und vielfältig auf die Straße getragen: Von sexualisierter Gewalt über die unzureichende Finanzierung von Care-Arbeit[i] bis hin zur Instrumentalisierung feministischer Themen für rassistische Hetze. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Es wird viele Zwischenkundgebungen und begleitende Aktionen geben. Laut Organisator*innen sind bereits organisierte Anreisen von Großgruppen aus Aachen, Berlin, Frankfurt, Dortmund, Essen, Karlsruhe und Hamburg angekündigt. Es werden 3.000-5.000 Teilnehmende  erwartet.

 

 

 Den Betroffenen der sexualisierten Übergriffe von Silvester – und aller sexualisierten Übergriffe, die alltäglich passieren –  muss jegliche gewünschte solidarische Unterstützung zukommen: psychosozial und auch rechtlich. 

 

Die Organisator*innen wollen nach den Silvesterereignissen zum Weltfrauen*tag ein starkes Zeichen gegen Sexismus und gegen Rassismus setzen. Die Thematisierung von sexualisierter Gewalt, der Frauen, Lesben, Trans*- und Interpersonen (FLTI*) (of colour) jeden Tag ausgesetzt sind, soll 2016 auch weiterhin ein wichtiges Thema bleiben. Es werden starke politische Antworten gefordert: Gesicherte und stärkere Finanzierung von Frauen*häusern, eine Erneuerung des Sexualstrafrechts entsprechend der Istanbul-Konvention sowie mehr sexualpädagogische und Antidiskriminierungs-Programme an Schulen. "Den Betroffenen der sexualisierten Übergriffe von Silvester – und aller sexualisierten Übergriffe, die alltäglich passieren –  muss jegliche gewünschte solidarische Unterstützung zukommen: psychosozial und auch rechtlich." sagt Homa Moradi vom 2.  Autonomen Frauenhaus Köln, eine der Organisator*innen. Es müsse endlich gehandelt werden, um die in Deutschland vorherrschende Vergewaltigungskultur[ii] zu bekämpfen. Die gesetzliche Grundlage im Strafrecht zu sexueller Belästigung, Nötigung und sogar Vergewaltigung ist lückenhaft und unzureichend.


Die Organisator*innen fordern mediale Aufmerksamkeit und politische Lösungen für alle Betroffenen von sexualisierter Gewalt - speziell auch die von Gewalt betroffenen FLTI* in den Geflüchtetenunterkünften. Am 18. Februar trat durch einen offenen Brief von Frauen* aus der Geflüchtetenunterkunft in Humboldt Gremberg in Köln zu Tage, dass sexualisierter Missbrauch und Belästigungen gegen Frauen durch die Sicherheitskräfte an der Tagesordnung sind. Es fehle zudem an Privatsphäre und Rückzugsräumen für Frauen. Das Demobündnis fordert sofortiges Tätig werden, geeignete sichere und möglichst dezentrale Unterkünfte sowie psychosoziale Unterstützungsangebote für die Betroffenen. Es müsse eine separate Unterbringung für FLTI* sowie schwule Geflüchtete finanziert werden. Das Bündnis fordert ebenso eine schnelle Aufklärung durch die Stadt Köln und die Polizei. Die Organisator*innen betonen: "Eine Aufklärung ist nur möglich, wenn die betroffenen Frauen aus der Einflusssphäre der Täter herausgeholt werden und wenn Sie solidarische psychosoziale Unterstützung für den schweren Weg der Anklage und die Veröffentlichung der Vorfälle erhalten." Es dürfe nicht geschwiegen und weggeschaut werden, wie so oft in solchen Situationen, in denen sexualisierte Gewalt im städtischen Verantwortungsbereich passiert.

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Bündnis zur bundesweiten Demo zum Weltfrauen*tag 2016 in Köln



 

[i] Care Arbeit umfasst alle Aufgaben von Bildung über Pflege, Gesundheitsversorgung bis hin zu Ernährung und psychosoziale Arbeit, die für die Reproduktion und Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft unerlässlich sind und zumeist von Frauen* getragen werden.

 

[ii]Rapeculture oder Vergewaltigungskultur bezeichnet ist ein Glaubenssystem, das männliche, sexuelle Aggression stillschweigend und offenkundig fördert und Gewalt gegen Frauen unterstützt und verharmlost. In einer solchen Gesellschaft wird Gewalt als „sexy“ angesehen. In einer Vergewaltigungskultur erleben Frauen eine Dauerschleife von angedrohter Gewalt, die von sexuellen Anspielungen bis hin zu sexuellen Übergriffen und Vergewaltigung selbst reicht. Sexualisierte Gewalt wird als gegeben und „natürlich“ angenommen. Jedoch vieles von dem, was wir als unausweichlich akzeptieren sind eigentlich Ansichten und Einstellungen, die veränderbar sind.

 

Rapeculture sieht es als unvermeidlich, dass Frauen in kurzen Röcken die Triebe der Männer erregen, sodass deren Drang nach Sex natürlicherweise nicht zu bändigen sei. Rapeculture vermutet die Verantwortung für eine Vergewaltigung immer bei der Betroffenen.  Rapeculture bedeutet, dass eine von 6 Frauen in ihrem Leben (mindestens) einmal sexuell angegriffen wurde. Sie erzählt Mädchen und Frauen, vorsichtig zu sein bei dem, was sie anziehen, wie sie es tragen, wie sie sich gibt, wo sie läuft, wann sie dort läuft, mit wem sie läuft, wem sie vertraut, was sie tut, wo sie es tut, mit wem sie es tut, was sie trinkt, wieviel sie trinkt, ob sie Augenkontakt herstellt, ob sie allein ist, ob sie in einer Gruppe ist, ob sie in einer Gruppe Fremder ist, ob es dunkel ist, mit wievielen Leuten sie schläft, wem sie ihre Nummer gibt. Rapeculture empfiehlt Frauen, Selbstverteidigung zu lernen, immer aufzupassen und nie für einen Moment die Schutzschilde runterzulassen, da sie sonst sexuelle Übergriffe erfährt und selbst Schuld war, wenn sie nicht alle Regeln befolgt hat. Vergewaltigungskultur ist wenn ein gewaltiger Zeitaufwand betrieben wird, um einen Grund dafür zu finden, dem Opfer die Schuld an der eigenen Vergewaltigung zu geben. Sie legt Opfern die Bürde auf, Vergewaltigungen zu verhindern. Rapeculture versäumt, Männern klar zu machen, nicht zu vergewaltigen. Rapeculture ist der Beschluss, dass eine Frau ihren Konsens nicht zurücknehmen kann, sobald der Sex angefangen hat.

 

Rapeculture ist außerdem die Idee, dass nur bestimmte Leute vergewaltigen – und nur bestimmte Leute vergewaltigt werden. Jedoch: Vergewaltiger vergewaltigen Menschen, die sich wehren und Menschen, die aufgeben damit es schneller vorbei geht. Menschen, die „Schlampen“ und Menschen die „prüde“ sind, Menschen die dick und Menschen die dünn sind, Menschen die blind sind und Menschen die sehen können, Menschen jeder Hautfarbe, Form, Größe, Qualifikation und Sachlage. Rapeculture erzählt zudem, dass Sexarbeiter*innen nicht vergewaltigt werden können. Rapeculture ist die Annahme, dass Ehefrauen ebenso nicht vergewaltigt werden können (Anm: In Deutschland sind erst seit 1997 Vergewaltigung auch in der Ehe strafbar). Rapeculture ist der Mythos der Vergewaltigung durch Wildfremde, obwohl die Täter zu 49% (Ex-)Partner oder Geliebter sind. Von knapp 20% wurden in einer repräsentativen Studie des BMFSFJ Freunde, Bekannte und Nachbarn als Täter genannt, von 10% jemand aus der Familie und 12% nannten Personen aus Arbeit, Ausbildung oder Schule. Nur knapp 15% der Frauen nannten eine unbekannte Person als TäterIn, 22% eine flüchtig bekannte Person (Müller und Schröttle (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Langfassung der Untersuchung. Herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, S. 78)

Rapeculture ist die verbreitete Geschichte, dass Vergewaltigungsopfern, die ihre Vergewaltigung anzeigen, bereitwillig geglaubt wird und sie die nötige Unterstützung erhalten, anstatt einzugestehen, dass die Anzeige einer Vergewaltigung eine große persönliche Belastung ist, ein schwieriger Prozess der peinlich, beschämend, verletzend, frustrieren und allzuoft erfolglos ist.

 

Rapeculture ist es, wenn Familien an Vergewaltigungsanschuldigungen zerbrechen, denen kein Glaube geschenkt wird, die ignoriert oder totgeschwiegen werden. Rapeculture ist es, die Körper von Frauen wie öffentliches Eigentum zu behandeln. Rapeculture ist Belästigung auf der Straße und Grabschen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Rapeculture ist es, den Ernst eines sexuellen Übergriffs, versuchten sexuellen Übergriffs oder einer tatsächliche oder mögliche Nötigung zu verharmlosen. (Quelle: feminismus101.de/rape-culture)

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Von Berlin aus wird es auch eine gemeinsame Busanreise geben. Die Tickets dafür könnt ihr im Buchladen OH*21 in der Oranienstraße 21 erwerben.

Zur großen Demonstration 'Unser Femminismus bleibt antirassistisch!' am 12. März in Köln gibt es eine gemeinsame Anreise mit dem Bus aus Hamburg. Los geht’s am Samstag, 12. März morgens um 6.30 Uhr am üblichen Treffpunkt (einfach mal im Bekanntenkreis rumfragen).

 

Bustickets sind im Schanzenbuchladen (Schulterblatt 55) erhältlich. Der Buchladen hat geöffnet: Mo–Fr. 9.30–19 Uhr und Sa. 10–18 Uhr"

Außer der gemischten Anreise aus Berlin per Bus gibt es auch eine Bahnanreise für Frauen*, Lesben*, Trans* und Inter*.

 

Im Moment haben wir noch vier Tickets für die Anreise am Samstag, den 12.3. um 6:52 h und sechs für die Rückfahrt am Sa. um 18:27 h. Die Eigenbeteiligung für Hin- und Rückfahrt beträgt insg. 19 Euro.


Bestellungen bitte an: fltiberlin {{aett}} riseup [[Punkt]] net


Eventuell können wir in den nächsten Tage noch ein weiteres Kontingent von Karten anbieten.