Am gestrigen Samstag demonstrierten in Heidelberg über 300 Menschen gegen politische Repression und staatlichen Rassismus. Aufgerufen hatte die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) unter dem Motto „Solidarität mit Mumia Abu-Jamal! Weg mit der Todesstrafe! Kampf der Klassenjustiz!“
Heidelberg: Über 300 TeilnehmerInnen auf Demonstration gegen Repression
Am gestrigen Samstag demonstrierten in Heidelberg über 300 Menschen gegen
politische Repression und staatlichen Rassismus.
Aufgerufen hatte die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) unter dem
Motto „Solidarität mit Mumia Abu-Jamal! Weg mit der Todesstrafe! Kampf der
Klassenjustiz!“.
Bereits im Vorfeld der Demonstration provozierten Ordnungsamt und Polizei mit
unhaltbaren und zum Teil rechtswidrigen Auflagen, die erst nach massivem Druck
und Androhung einer gerichtlichen Klärung zurückgenommen wurden. So sollten
beispielsweise die RednerInnen, OrdnerInnen und der Fahrer des
Lautsrecherwagens ihre Personalien abgeben, was in keiner Weise gesetzlich
abgedeckt ist.
Am Samstag selbst fanden sich gegen 14 Uhr am Platz vor dem Bauhaus die
DemonstrationsteilnehmerInnen ein - beobachtet von einem völlig überzogenen
Polizeiaufgebot.
Um 14.30 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Angeführt von einem
Fronttransparent mit dem Demo-Motto „Kampf der Klassenjustiz! Gegen politische
Repression und staatlichen Rassismus!“ bewegte sich die Demonstration über den
Adenauerplatz und die Sophienstraße zum Bismarckplatz. Dort fand eine kurze
Zwischenkundgebung statt. Der hier gehaltene Redebeitrag der Roten Hilfe
Heidelberg thematisierte den Fall des linken Aktivisten Mumia Abu-Jamal, der
nach einem rassistischen Gerichtsverfahren seit 1982 in den USA in der
Todeszelle sitzt.
Lautstark zog die Demo durch die Heidelberger Hauptstraße, begleitet von einem
lockeren Spalier der Polizei. Hierbei wurden Parolen wie „Freiheit für alle
politischen Gefangenen!“, „Hinter Knast und Krise steht das Kapital - der Kampf
um Befreiung ist international!“ und „Repression im ganzen Land - unsere
Antwort: Widerstand!“ gerufen. Die Inhalte der Demonstrationen wurden auch in
englischer Sprache über Lautsprecher verkündet.
Am Uni-Platz angekommen, folgten Redebeiträge der AIHD und des „Komitees gegen §§129“,
das sich mit den Terrorparagraphen 129, 129a und 129b auseinandersetzt.
(Beide Redebeiträge finden Sie im Anschluss.)
Vom Uni-Platz aus ging es weiter über die Grabengasse, durch den
Schlossbergtunnel zum Unteren Faulen Pelz. Am dortigen Untersuchungsgefängnis
wurde ein kurzer Redebeitrag zur Geschichte dieser „Haftanstalt“ gehalten. Mit
lautstarken Parolen wurden die im „Faulen Pelz“ einsitzenden linken politischen
Gefangenen gegrüßt.
Zügig bewegte sich die Demonstration dann zur Abschlusskundgebung auf dem
Marktplatz. Vor dem Rathaus gab es zwei weitere Redebeiträge. Ein Aktivist aus
Karlsruhe ging auf die zunehmende politische Repression und Polizeigewalt ein
und rief zu einer Kampagne gegen die Verfolgung linken Widerstands auf.
Ein Vertreter des Heidelberger Bündnis für Mumia Abu-Jamal gab einen Einblick
in den aktuellen Stand des Verfahrens gegen den ehemaligen
Black-Panther-Aktivisten.
Gegen 16.30 Uhr wurde die Veranstaltung beendet.
„An der heutigen Demonstration nahmen leider weniger Menschen teil, als wir
erwartet hatten. Zeitgleich fanden zwei weitere Demonstrationen in Frankfurt
und Göttingen statt, zu der auch zahlreiche AktivistInnen aus der Region
gereist waren. Trotzdem werten wir die lautstarke und kämpferische
Demonstration als Erfolg, gelang es uns doch, das Thema politische Repression
und den Fall Mumia Abu-Jamal in die breite Öffentlichkeit zu tragen“, so Sarah
Guber, Sprecherin der AIHD.
„Erbärmlich finden wir allerdings, dass es die lokale Presse scheinbar
bevorzugt, über Jahreshauptversammlungen von Kaninchenzüchtervereinen oder
Fastnachtsveranstaltungen zu berichten. Das rassistische und
menschenverachtende Verfahren gegen einen Journalisten, das mittlerweile seit
Jahren auch in Heidelberg thematisiert wird, scheint noch nicht einmal eine
Meldung wert zu sein“, so Guber weiter.
Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD)
Postfach 104520 - 69035 Heidelberg
www.autonomes-zentrum.org/ai - aihd@gmx.de
Redebeitrag der AIHD
Der linksradikale afroamerikanische Reporter Mumia Abu-Jamal ist seit
Jahrzehnten zum Symbol einer rassistischen Repressionsmaschinerie geworden, die
an ihm ein Exempel statuieren will. Am 9. Dezember 1981 wurde der
Radiojournalist verhaftet und des Mordes an einem Polizisten beschuldigt. Im
folgenden Verfahren wurden Beweise manipuliert, ZeugInnen nachweislich
bestochen, die Geschworenen handverlesen und fehlinformiert. Der offen
rassistische Richter, der für die hohe Anzahl der von ihm verhängten
Todesurteile bekannt war, verhängte nach nur wenigen Prozesstagen die Todesstrafe.
Seit 28 Jahren sitzt der linke Aktivist nunmehr im Todestrakt; sämtliche
Versuche, das Verfahren wieder aufzunehmen, wurden von den Justizbehörden
abgeblockt. Eine Entscheidung des Supreme Court vom 19. Januar signalisiert
eine Unterstützung des Todesurteils für Mumia, auch wenn die endgültige
Entscheidung wieder an eine niedrigere Instanz zurückverwiesen wurde.
Trotz dieser Umstände lässt sich Mumia Abu-Jamal nicht mundtot machen, sondern
kämpft durch Artikel, Bücher und Radiobeiträge weiter gegen Rassismus,
Ausbeutung und Repression. Als politischer Aktivist sieht er seinen eigenen
Fall auch nicht als zufälliges Fehlurteil eines funktionierenden Rechtsstaats,
sondern als Teil eines repressiven Gesamtsystems, das sich seiner politischen
GegnerInnen auf jede erdenkliche Weise entledigt.
Das Beispiel von Mumia Abu-Jamal lenkt den Blick auf extreme Formen von
staatlichem Rassismus, den er selbst immer wieder thematisierte. In allen
westlichen Staaten werden Nicht-Weiße und Menschen mit Migrationshintergrund
massiv benachteiligt und erfahren im Umgang mit staatlichen und
gesellschaftlichen Institutionen sowie im täglichen Leben offene
Diskriminierung. Der Zugang zu Bildungsangeboten, gut bezahlter Arbeit und
besseren Wohnungen wird ihnen erschwert, während gleichzeitig von der Norm
abweichendes Verhalten schneller kriminalisiert wird. In besonderem Maße sind
davon Flüchtlinge und Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus betroffen, die
in prekäre Ausbeutungsverhältnisse gedrängt werden, gegen deren Bedingungen sie
sich aufgrund ihrer gefährdeten Aufenthaltssituation nicht wehren können.
In den USA hat die kapitalistische Ausbeutung innerhalb eines rassistischen
Zwangssystems eine besonders lange Tradition, die sich von der
jahrhundertelangen Sklaverei bis zur heutigen gezielten Kriminalisierung und
Ausbeutung von AfroamerikanerInnen zieht. Die jetzige Form der kapitalistischen
Verwertung von Gefangenen ist als gefängnisindustrieller Komplex bekannt, der
inzwischen einen nicht unbeträchtlichen Teil der US-amerikanischen Wirtschaft
stellt. Das Ausmaß dieses Wirtschaftszweigs lässt sich daran ablesen, dass sich
in den USA die Zahl der Inhaftierten in den vergangenen zwei Jahrzehnten
verdreifacht hat - trotz eines Rückgangs der Kriminalitätsstatistik. Und es ist
kein Zufall, dass ein Großteil der Gefangenen Nicht-Weiße sind (hauptsächlich
Afro-AmerikanerInnen und Latino/as).
Diese rassistische Repressionspolitik spiegelt sich auch in den Todesurteilen
wider: 2008 waren 42 Prozent der Menschen in den US-amerikanischen Todestrakten
Schwarze - während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nicht einmal 13 Prozent
ausmacht.
Die soziale Zusammensetzung der Gefängnisse verdeutlicht genau die
rassistischen Verhältnisse, gegen die Mumia Abu-Jamal seit seiner frühsten
Jugend kämpft. Als politischer Aktivist in linksradikalen afroamerikanischen
Strukturen war er gleich in doppelter Weise Zielscheibe der staatlichen
Repression.
Denn der Staat wird seiner Aufgabe, die herrschende Ordnung und damit optimale
Rahmenbedingungen für den reibungslosen Ablauf des kapitalistischen
Verwertungsprozesses aufrechtzuerhalten, nur gerecht, indem er grundlegende
Kritik und aktive Umsetzung revolutionärer Ideen brutal bekämpft und die
dahinter stehenden Organisationsansätze von Grund auf zerschlägt. Indem er mit
den Mitteln der klassischen Aufstandsbekämpfung an einzelnen ein blutiges
Exempel statuiert, versucht er SympathisantInnen einzuschüchtern und
abzuschrecken. Gerade in der Auseinandersetzung mit radikalen Massenbewegungen
lässt der starke Staat die sonst propagierte Maske „demokratischer
Errungenschaften“ fallen und schöpft im Rahmen der präventiven Konterrevolution
alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen aus.
Dabei stellt die Todesstrafe die extremste Form des staatlichen Kampfes gegen
Oppositionelle dar. Eine Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal ist zwar nach dem
neusten Urteil des Supreme Court verzögert, droht aber weiterhin.
Diesen geplanten Justizmord werden wir nicht zulassen! Unser Kampf gegen die
herrschenden „Verhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein
geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Marx), bedeutet
zugleich den Kampf gegen Repression und die Solidarität mit all jenen
GenossInnen, an denen der Staat ein Exempel statuieren will.
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Gegen staatlichen Rassismus und politische Repression!
Kampf der Klassenjustiz!
Heidelberg, den 30.01.2010
Redebeitrag des „Komitees gegen §§ 129“
Die Situation und Person Mumia Abua Jamals ist nicht nur beispielhaft für einen
ungebrochenen Widerstand eines politischen Aktivisten gegen Rassismus, Krieg
und Ausbeutung, als auch beispielhaft für das Vorgehen des kapitalistischen
Systems gegen seine GegnerInnen.
Von illegalem Mord an Panthern, und MOVE Aktivisten in den 70ern bis zu dem
staatlich legalem Mord in Form der Todesstrafe heute.
Doch die so genannte Aufstandsbekämpfungsstrategie ist keineswegs nur ein Phänomen
der USA.
Auch in Deutschland in den 70ern gewann die Repression gegen die Außerparlamentarische,
teils bewaffnet kämpfende Linke eine bis dahin in der Nachkriegszeit ungekannte
Härte:
-politische Morde
-Einführung des Terrorparagraphen § 129a
-Installation von Toten Trakten und Isolationshaft für politische GegnerInnen
-Schießerlaubnis für Polizisten
-Notstandsgesetze
-mediale Hetzkampagnen und gezielte Desinformation der Bevölkerung
-Verbot kommunistischer Parteien und Organisationen.
Einen blutroten Faden der Kontinuität der Verfolgung linker Bewegungen stellen
hierbei die §§ 129 dar. Was damals an der RAF mit dem § 129a vorexerziert
wurde, wurde danach zum Kriminalisierungsinstrument für breite Teile der
radikalen Linken.
2002 durch den Zusatz b erweitert, wird diese Kontinuität heute nicht nur
weitergeführt sondern gewinnt durch den internationalen Aspekt der politischen
Verfolgung eine neue Qualität.
In allen EU Ländern installiert, ermöglicht der § 129b den Staaten heute ein
gemeinsames und koordiniertes Vorgehen in Sachen präventiver Aufstandsbekämpfung.
Und auch heute kann man davon ausgehen, dass das was jetzt an migrantischen
Organisationen, Strukturen und Personen vorexerziert wird, danach zur
Repressionskeule gegen breite Teile der radikalen Linken, vorneweg
Internationalistischen Gruppen und Solidaritätsstrukturen wird.
Mit den § 129b Prozessen gegen Devrim Güler und Ahmet D. Yüksel in Stammheim
und gegen Faruk Ereren in Düsseldorf, schaffen sich die deutschen Behörden
einen Präzedenzfall nach dem anderen um, gerade in Zeiten der Schwäche der
radikalen Linken, für kommenden Widerstand präventiv nach innen aufzurüsten.
Der Prozess in Stuttgart Stammheim läuft bereits seit fast zwei, der Prozess in
Düsseldorf seit einem Jahr. Die Genossen, denen allen die Mitgliedschaft/Unterstützung
der DHKP-C vorgeworfen wird, befinden sich in Isolationshaft, d.h. 23 Stunden
am Tag auf Zelle. Besucher und Verteidigergespräche werden abgehört und
gefilmt, die Post gelesen, von den Behörden aufgehalten und teilweise auch
blockiert. Als Zeugen bedient sich die deutsche Justiz unter anderem an
bekannten Folterern der Istanbuler Anti-Terror-Einheit und verwendet Geständnisse
als Beweise von denen nicht auszuschließen ist, dass sie unter Folter erwirkt
wurden.
Ein weiterer § 129b-Prozess gegen vermeintliche DHKP-C Mitglieder beginnt
bereits im März diesen Jahres, ebenfalls in Düsseldorf gegen Cengiz Oban,
Nurhan Erdem und Ahmet Istanbullu.
Trotz der Tragweite der Prozesse, ihres Charakters als politische Schauprozesse
und den Bedingungen denen die Gefangenen ausgesetzt sind, finden innerhalb der
radikalen Linken kaum Solidaritäts-Aktivitäten statt.
Gründe dafür sehen wir in den Vorurteilen und Vorbehalten gegenüber Aktions-
und Organisationsformen, Auftreten oder politischer Ausrichtung der betroffenen
linken migrantischen Gruppen, die selbst in der radikalen Linken oft sehr groß
sind.
Doch wir dürfen uns, nicht nur im Hinblick der Einheit der Staatlichen Organe
beim Vorgehen gegen uns, an der Frage der Solidarität nicht spalten, sondern
sollten nach dem Motto: „Getroffen sind einzelne, gemeint sind wir alle“ unsere
internationale Solidarität praktisch werden lassen.
Ziehen wir den Trennungsstrich an der richtigen Stelle und zwar nicht bei der
Solidarität mit linken Gruppen sondern bei den Schweinen und Henkern der Justiz
die diese Genossen weg sperren, mit Isolationshaft vernichten und den linken
Widerstand zerschlagen wollen.
Unterstützen wir die Genossen im Knast, machen wir ihre Situation öffentlich
durch Prozessbesuche, Kundgebungen, Veranstaltungen und Demonstrationen, enthüllen
wir die juristische Farce und den wahren politischen Charakter der Prozesse und
setzen wir den terroristischen Angriffen des Systems auf unsere Genossen und
Strukturen unseren entschlossenen Widerstand entgegen!
Weg mit den Terrorparagraphen 129!
Freiheit für Devrim, Ahmet, Faruk, Nurhan, Cengiz und Ahmet Instanbullu!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Heidelberg, den 30.01.2010
Repression während der Demo
Während der Demo wurden kurdische Genossen von der Polizei eingeschüchtert und aufgefordert ihre "verbotenen" PKK Fahnen wegzupacken. Daraufhin verließen sie kurz vor dem Bismarckplatz die Demo.
Heidelberger Impressionen
Fotos von der Demo
knäste abschaffen!
warum wurden nur linke politische gefangene begrüßt?
freiheit für alle gefangenen!!!