Am 21. März 2015 werden sich in Stuttgart wieder zahlreiche homophobe Kräfte zusammen ziehen. Christliche Fundamentalist*innen und andere religiöse Fanatiker*innen, PI-News1, Konservative Aktion, AfD, CDU, Pegida Stuttgart etc. werden sich erneut versammeln um ihre homo- und trans*phobe sowie rassistische Ideologie in die Öffentlichkeit zu tragen.
Dieses menschenverachtende Treiben muss endlich gestoppt werden. Kommt am 21. März nach Stuttgart und stellt euch dem homophoben Mob entgegen!!!
Treffpunkt für die Gegenproteste: 14 Uhr Schlossplatz
Kundgebung des Bündnisses "Stuttgart ist und bleibt bunt": 15-16 Uhr Schlossplatz
Auftaktkundgebung der rechten Demo: 15 Uhr Schillerplatz
Wahrscheinliches Ziel der Rechten: Staatsoper Stuttgart
Nummer des Ermittlungsausschusses: 0152 05372805
Hier ein Text der die Thematik zu den homophoben Bewegungen in Stuttgart und anderswo brauchbar zusammenfasst:
Der Diskriminierung entgegentreten!
Alles Nazis oder was?
Wir sind gegen die Proteste gegen den Bildungsplan. Doch warum?
Einige bisherige Berichte (Artikel bei linksunten) versteiften sich auf
das Thema Neonazis bei den Demonstrierenden gegen den Bildungsplan. Hier
halten wir eine differenziertere Betrachtung für notwendig. Neonazis
finden zwar klare Anknüpfungspunkte, sind aber nicht die Initiator*innen
und stellen auch nicht die Mehrheit der Teilnehmer*innen der Proteste.
Die Teilnehmer*innen rekrutieren sich vielmehr aus dem gesamten
konservativen und reaktionären Spektrum: Christliche Fundis, PI-News1,
Konservative Aktion, AfD, etc. Auch die Russisch-Orthodoxe Gemeinde
scheint eine relevante Rolle einzunehmen. Unseres Erachtens ist
Heterosexismus und Homophobie ein zentraler Antrieb für die Proteste der
Bildungsplan-Gegner*innen, auch wenn sie selbst es leugnen und “nur um
das Wohl ihrer Kinder besorgt sind”.
Hier besteht immer die Gefahr: Wenn unsere Kritik zu sehr auf einzelne
Akteur*innen abzielt, gibt man den restlichen Demonstrierenden den Raum,
sich von diesen Akteur*innen inhaltlich zu distanzieren und ihre
“besorgte Eltern”-Scharade weiter zu spielen.
Um an dieser Stelle entgegenzuwirken werden wir uns im Folgenden grundlegend mit den gesellschaftlichen Mechanismen, die hinter den Bildungsplangegner*innen stehen, auseinandersetzen.
Dazu wollen wir gerne etwas weiter ausholen und die ständig stattfindende unterbewusste Kategorisierung der menschlichen Wahrnehmung in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Diskriminierungsformen setzen. Wir erklären die Schlagworte Heteronormativität und Heterosexismus. Erst darauf aufbauend wollen wir die Diskriminierung durch die Bildungsplangegner*innen aufgreifen.
Sind wir neutral?
Wir Menschen aus dem westlichen Europa halten uns gerne für aufgeklärt
und objektiv. Was auch immer wir in unserem Alltag tun, wenn wir durch
die Straßen laufen und andere Menschen wahrnehmen, beim Fernsehen, im
Kino… – überall wo wir andere Menschen erblicken oder mit ihnen in
Kontakt treten, nehmen wir von uns an, dass wir in einer relativen
Unvoreingenommenheit anderen Menschen gegenüber leben. Sicher, mal
gefällt uns eine Frisur nicht oder wir mögen bestimmte Personen nicht
besonders. Aber ansonsten sind wir neutral. Oder nicht?
Sozialisation und unterbewusste Kategorisierung
Dabei ist uns meist gar nicht bewusst, dass unser Gehirn ununterbrochen Menschen in Kategorien einteilt:
jugendlich, weiblich, von hier (vermutlich deutsch), dünn, trendy,
attraktiv, oder: männlich, dick, mittleren Alters, südländisch, bieder,
unattraktiv, vermutlich arm.
Ob im Sinne einer Beschränkung auf das Wesentliche oder aus Zeitmangel
angewendet ermöglichen uns Kategorien und Klischees als vereinfachte und
verallgemeinerte Vorstellungen über Menschen zunächst einmal
Orientierung, Sicherheit und dienen einer schnellen Kommunikation.
Nun wäre theoretisch einer unbewussten Kategorisierung anderer Menschen
in unserer Umgebung nichts vorzuwerfen, wäre sie neutral und bei Bedarf
flexibel.
Ist sie aber nicht.
Wir nehmen zwar eine eigene Neutralität an, in Wirklichkeit aber wachsen
wir in einer von Ungleichheit bestimmten Gesellschaft auf und
verinnerlichen Rollen und Diskriminierungsformen. Was ist normal, was
ist anders, wer/was sind “wir”, wer/was sind “die anderen”. Dieses
Wissen ist ein gesellschaftlicher Code, den viele Menschen seit ihrer
frühesten Jugend verinnerlichen und weitergeben. In der Familie, in
Freundschaften und Beziehungen, über Medien, Politik, Wissenschaften,
Bildung und so weiter.
Sozialisation bezeichnet die Verinnerlichung solcher gesellschaftlicher
Normen. Über Sozialisation lernen wir in Kategorien zu denken, die in
dem jeweiligen Zusammenhang und der (Entstehungs-)Geschichte unserer
gesellschaftlichen Umgebung entstanden sind. Miteinbezogen werden dabei
unterschiedliche Kategorien, die den Status und die Anerkennung von
Menschen in einer Gesellschaft bestimmen, zum Beispiel: Geschlecht,
Hautfarbe, Kultur, soziale Schicht, Background,
Behinderung/Nicht-Behinderung, Alter,…Diese Kategorien sind von Menschen
gemacht und haben reale Auswirkungen auf die betroffenen Personen.
Der heutige (westeuropäische) gesellschaftliche Ist-Zustand privilegiert
Träger*innen bestimmter Eigenschaften (z.B.: männlich, heterosexuell,
weiß, deutsch, gut gekleidet, nicht arm). Alle Menschen, die innerhalb
dieser Gesellschaft sozialisiert wurden (und damit diese “Privilegien”
als positiv und normal verinnerlicht haben), streben nach diesen
Eigenschaften. Wenn Menschen diesen gesellschaftlichen “Idealzustand”
nicht erfüllen (können oder wollen), werden sie als “anders”
kategorisiert. “Anders” meint nicht nur abweichend vom
gesellschaftlichen Ist-Zustand, sondern wird gleichzeitig auch negativ
bewertet.
Gesellschaftlicher Ausgangspunkt
Wir leben in einer Gesellschaft, in der als „anders“ wahrgenommene
Menschen – Menschen die nicht den Wertvorstellungen der dominierenden
Mehrheitsgesellschaft entsprechen – Ausgrenzung, Nicht-Anerkennung, und
unterschiedliche Formen der Gewalt erfahren.
Unterdrückungsmechanismen wie beispielsweise gesellschaftliche
Ausgrenzung und Diskriminierung gehen mit den bestehenden Hierarchien
einher, die das Bild unserer Gesellschaft prägen. Sie führen zu
Ungleichheit, untermauern bereits bestehende Diskriminierung und
erneuern sich ständig selbst. Dieses ständige Erneuern passiert nicht
von allein, sondern wird von Menschen bewusst oder unbewusst
durchgeführt. Anstatt bestehende Ungleichheit und Hierarchien in Frage
zu stellen, grenzt man sich gegen andere Menschen ab und diese aus.
Besondere Benachteiligung, Gewalt und Herabwürdigung erfahren Menschen,
die aufgrund von Äußerlichkeiten und anderen Merkmalen, ihrer Kultur,
(angenommenen) Herkunft, sexueller Orientierung, Behinderungserfahrung,
Alter und/oder Geschlecht diskriminiert werden.
Diskriminierung
Ein wesentlicher Bestandteil von Diskriminierung ist die Zusammenfassung
und Kategorisierung von Menschen zu Gruppen und der damit verbundenen
Unterstellung bestimmter Eigenschaften. Die weit verbreitete Einstellung
und Akzeptanz von Vorurteilen, die Menschen betrifft, diese in ihrem
Handeln einschränkt und somit reale Auswirkungen auf deren Alltag hat,
wird Diskriminierung genannt. 2
Es gibt viele verschiedene Formen der Diskriminierung, die sich
gegenseitig überschneiden und bedingen. Gemeinsam haben sie, dass die
betroffenen Menschen aufgrund von bestimmten Merkmalen oder ihrer
Gruppenzugehörigkeit benachteiligt oder ausgegrenzt werden.
Die als „anders“ wahrgenommene Menschen, jene, die nicht in die
allgemein gesellschaftlich anerkannten Wertvorstellungen passen, sind
täglich mit Diskriminierung konfrontiert. Gewalttätig ist
Diskriminierung immer und kann tiefgreifende Auswirkungen auf die
körperliche, seelische und geistige Unversehrtheit und die
Entfaltungsmöglichkeiten der betroffenen Menschen haben.
Wir sehen daher drei Ebenen, auf denen sich die Gewalt durch Diskriminierung manifestiert.
1. Auf individueller Ebene: Hier wird Diskriminierung beispielsweise
durch verbale Gewalt in Form von Vorurteilen, Witzen und Bemerkungen
ausgedrückt, oder durch direkte körperliche Gewalt.
2. Auf gesellschaftlicher Ebene: etwa in Form von Ausgrenzung und einem
allgemein anerkannten Wissen darüber, was natürlich und was unnatürlich
ist, wer zu dem “wir” und wer zu “den anderen” gehört; ebenso durch
psychische Gewalt wie Nicht-Anerkennung einer Identität und
(Be-)hinderung einer persönlichen, individuellen Entfaltung.
3. Auf struktureller und institutioneller Ebene: Die Diskriminierten
erfahren keine gleichberechtigte Beteiligung/ Mitgestaltung/ Mitwirkung/
Mitbestimmung an gesellschaftlichen Ressourcen, in sozialen,
politischen, materiellen, kulturellen Bereichen.
Heteronormativität und Heterosexismus als Diskriminierungsform
Als Heteronormativität wird ein Geschlechtersystem bezeichnet, bei dem
nur zwei Geschlechter, nämlich Mann und Frau, gesellschaftlich zur Norm
erhoben werden.
Dabei wird das jeweilige Geschlecht (Mann oder Frau) sowohl mit den
gesellschaftlich Rollenvorstellungen von Männern und Frauen verbunden,
als auch mit der heterosexuellen Orientierung. Das heißt, dass es
bestimmte gesellschaftlich anerkannte Vorstellungen darüber gibt, welche
Rollen jeweils Männern und Frauen entsprechen, welche (eher) nicht, und
dass die einzige natürliche Beziehungsform eine heterosexuelle
Zweierbeziehung zwischen Mann und Frau ist.
Heteronormativität bestimmt somit, was als „normale“ Sexualität gilt und ist gleichzeitig mit den von vielen Menschen verinnerlichten Normen und Vorstellungen bezüglich Körper, Geschlecht, Charakterzuschreibungen, Familie, … verknüpft. Die daraus entstehende Diskriminierungsform wird als Heterosexismus bezeichnet. Sie lässt keine weiteren Sexualitäten und Geschlechter zu.
“Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber…”
Wie bereits in der Einleitung erwähnt werfen wir den
Bildungsplangegner*innen heterosexistische und homophobe Diskriminierung
vor. Unseres Erachtens ist Heterosexismus und Homophobie ein zentraler
Antrieb für die Proteste der Bildungsplan-Gegner*innen, auch wenn sie
selbst es leugnen und sich als “besorgte Eltern” darstellen.
Die heteronormative Form des Zusammenlebens (Vater, Mutter, Kinder) findet selbstverständlich und selbstbewusst im öffentlichen Raum statt. Andere Konzepte des Zusammenlebens hingegen haben sich im Privaten abzuspielen – und dort auch zu bleiben. Dieses Messen mit zweierlei Maß zeigt sehr deutlich die diskriminierende Haltung der Bildungsplangegner*innen. Das Verschweigen und die Nicht-Anerkennung bestimmter Identitäten ist auch in anderen Bereichen (z.B. Rassismus) ein machtvolles Ausgrenzungs- und Unterdrückungsinstrument.
Die Angst zu schüren, durch die bloße Erwähnung alternativer
Sexualitäten und Geschlechterrollen seien Kinder und Familie bedroht,
gründet auf Vorurteilen und falschen Unterstellungen, sie ist
heterosexistisch und homophob.
Dieser Verbreitung diffuser Ängste und Unterstellungen wollen wir uns
entgegenstellen und für gegenseitige Wertschätzung und eine
selbstbestimmte Sexualität eintreten.
Wir haben uns dagegen entschieden der Argumentation der Bildungsplangegner*innen weiteren Raum in unserem Text zu geben.
Unsere Kritik
Wir kritisieren die Vorstellung einer natürlich gegebenen
Heterosexualität von Mann und Frau und die damit verbundene
Heteronormativität in der Gesellschaft.
Wir gehen davon aus, dass Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität
immer in einen gesellschaftlichen Kontext eingebunden sind und aus
diesem entstehen.
Dabei werden diese Annahmen durch Medien, Literatur, Musik, … und durch
Institutionen wie die Kirche, Schule, (Teile der) Wissenschaft,… als
angebliche Wahrheit untermauert.
Diese konstruierte Annahme heterosexueller Mann/ heterosexuelle Frau als einzig gültige Lebensweise empfinden wir als unmenschlich und diskrimierend, da sie aus unserer Sicht nicht der menschlichen Vielfalt gerecht wird.
Bildungsplan
Wir sind uns natürlich der Ironie der seltsamen Ausgangslage bewusst:
Wir unterstützen und verteidigen eine Initiative der Landesregierung.
Klar ist, dass wir nicht grundsätzlich gut finden, was die Regierung
treibt und dass wir den Bildungsplan nur partiell unterstützenswert
finden.
Uns ist es jedoch wichtig ein klares Zeichen gegen die reaktionären Kräfte zu setzen, die sich da zusammentummeln, um gegen den Bildungsplan vorzugehen.
Unsere Ansprüche an ein Bildungssystem sind sicherlich andere als die des Staates.
Aber auch das jetzige Bildungssystem sollte neben vielem weiterem den
Menschen die nötigen Koordinaten mitgeben an denen sie sich orientieren
können und auch Kritik- und Toleranzfähigkeiten vermitteln. Darüber
hinaus ist es wichtig, dass jungen Heranwachsenden Wissen und Mittel an
die Hand gegeben werden, die sie zur eigenbestimmten unvoreingenommen
Selbsterkenntnis eigener Sexualität befähigen. An dieser Stelle begrüßen
wir den Ansatz in den Arbeitsversionen des neuen Bildungsplans über
alternative Formen bezüglich Sexualität und Geschlecht aufzuklären.
Das Schweigen über oder gar Tabuisieren von bestimmten Formen der
Sexualität oder Lebensentwürfen steht einer gesunden selbstbestimmten
Entwicklung junger Menschen und ihrer Sexualität entgegen.
Aufklärungsarbeit an Schulen ist also keine “Propaganda”, sondern dient dem ureigenen Interesse aller Kinder.
Was wir wollen
Wir lehnen Hierarchien und die damit einhergehenden
Unterdrückungsmechanismen und Diskriminierungen ab. Um diese abschaffen
zu können, müssen wir diese erkennen und reflektieren.
Wir wollen Hierarchien bekämpfen, die die Menschen in einer Gesellschaft
nach Macht und Nicht-Macht, in höhere und nieder Statusgruppen
einteilen.
Hierzu ist es nötig, aktiv zu werden. Dazu gehört auch das Hinterfragen der eigenen Rollen, genaues Hinhören, aufmerksam machen, sich in den Weg stellen, Schreiben, es gibt ganz viele Möglichkeiten… jede*r kann etwas tun!
Ziel ist es, zu einem anderen Umgang der Menschen untereinander zu kommen – jenseits von Diskriminierung, Unterdrückungsmechanismen und Machtstrukturen.
Wenn wir eine Gesellschaft anstreben, in der Vielfalt das gesellschaftliche Bild prägt und unterschiedliche Lebensentwürfe gleichberechtigt nebeneinander stehen können, hat in dieser Form des Pluralismus Diskriminierung keine Berechtigung. Da Diskriminierung immer gewalttätig ist – auf die ein oder andere Weise – darf ihr kein Raum gelassen werden um sich auszubreiten.
Deshalb stellen wir uns dieser Diskriminierung entschlossen und kreativ entgegen. Auf der Straße, in unserem Alltag und in den Köpfen.
Für die freie Vereinigung freier Individuen.
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Fussnoten:
1 Politically Incorrect-News: rechtes, reaktionäres Internetportal 2 Auch auf anderen Wegen wie beispielsweise institutionelle Gewalt kann Diskriminierung entstehenVon: http://lblb.pytalhost.de/texte/grundsatztext-zu-diskriminierung-und-heterosexismus.html
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