Am Mittwoch, den 18.02.2015 fand in der „Meuterei“ in der Reichenberger Straße in Kreuzberg ein mit über 30 Leuten gut besuchtes Treffen statt, zu dem u.a. auch über Indymedia linksunten eingeladen worden war. Dies ist der erweiterte und ausführliche Bericht von dem Treffen, ergänzt durch diverse Hintergrund-Informationen. Das nächste Treffen zum Thema ist am kommenden Donnerstag, 05.03., um 19 Uhr in der NewYorck im Bethanien - neue Leute sind herzlich willkommen!
Die einladenden Menschen erzählten kurz, warum sie den Vorschlag für das Treffen gemacht hatten. Seit vielen Monaten und zuletzt verstärkt gibt es nicht nur eine ständige Bullenpräsenz im und um den Görli, sondern auch permanente rassistisch motivierte Schikanen, Kontrollen und Festnahmen. Vielen Menschen finden das richtig blöd, es gibt aber derzeit kaum organisierte Strukturen, die versuchen, am Thema Bullen im und um den Görli kontinuierlich zu arbeiten und eine Form von Gegenöffentlichkeit herzustellen. Letzten Endes geht es darum, den Park von den Bullen und Staatsschützern wieder zurückzuholen. In den nächsten Monaten dürfe sich die Präsenz von Bullen und das rassistische Vorgehen gegen einen Teil der Park-Nutzer*innen sogar vielleicht noch steigern, wenn die sogenannte „Task Force Görli“ umgesetzt wird bzw. ab April voraussichtlich das sogenannte „Null-Toleranz-Gebiet Görli“ durch die Bullen zumindest teilweise verwirklicht werden soll.
1) Infos zusammentragen
Als nächstes wurden von den Einladenden und allen Anwesenden kurz zusammengetragen, was denn gerade so an Infos über den Park, das Verhalten und die Strategie von Bullen und Staat bekannt ist.
Informationen von vor Ort
Strategie von Bullen, Bezirk und Staat I: Park-Umgestaltung
Der Görli soll insgesamt aufgehübscht und „aufgewertet“ werden, wie auch der Stadtteil, teilweise auch im Interessse der neuen Wohnungs- und Immobilien-Besitzer*innen in der unmittelbaren Umgebung.
Hinter den Umbaumaßnahmen im Park stecken strukturierte Überlegungen von Bullen und Innensenat. Seit einigen Jahren ist bei den Bullen (LKA) eine Architektin namens Hermannsdörfer beschäftigt, deren einzige Aufgabe ist, alle möglichen Umbaugeschichten oder sonstige Maßnahmen im öffentlichen Raum, in Parks, auf Plätzen etc. in ganz Berlin im Hinblick auf Bullen-Interessen mitzuplanen. Hier geht es ganz konkret um Sichtbarkeit und Überwachung, aber auch um Zugriffszonen für die Bullen, geschlossene mögliche Fluchtwege angeblicher Täter*innen usw.
Über die Arbeit von Hermannsdörfer: „Broken-Windows-Theorie. Das ist der Begriff, der gleich in der ersten Minute fällt. Kein Wunder: Die in den Achtzigerjahren aufgestellte These, dass eine Kleinigkeit wie ein zerbrochenes Fenster die totale Verwahrlosung einer ganzen Gegend nach sich ziehen kann, ist die Grundlage von Hermannsdörfers Arbeit…. „Sichtbare Normverletzungen“, sagt sie mehrfach, „erhöhen die Bereitschaft zu weiteren Normverletzungen bis hin zur Kriminalität.“ Das sei belegt. …Ihre Lösungen sind simpel: Der öffentliche Raum sollte klar definiert sein – wenn die Grünfläche nur noch eine Brache ist, wird sie zugemüllt. Er sollte übersichtlich sein, sodass sich keine Räuber verbergen oder an Autos zu schaffen machen können. … Broken Windows, also etwa herumliegender Müll oder Graffiti, sollten sofort entfernt werden. O-Ton Hermannsdörfer: „Wenn ich dagegen über einen verwahrlosten Platz gehe, wo die Bänke marode sind, das Grünzeug wuchert, überall Müll herumliegt und in einer Ecke vielleicht noch ein paar Alkoholiker sitzen, dann haben die meisten keine Angst, aber viele fühlen sich unbehaglich. “
Ein weiterer Bericht hierzu: „Die Polizei wird deshalb bereits bei der Planung auf mögliche Sicherheitsrisiken hinweisen…. Das ist zum Beispiel bereits am Olivaer Platz geschehen. Dort hatte Ingrid Hermannsdörfer versteckte Winkel und Ecken ausgemacht, wie zum Beispiel eine Mauer mit einem Vorsprung, der „als Sitznische nicht der Sicherheit dienlich war“. Tatsächlich wurden die Mauervorsprünge gern von Obdachlosen genutzt. In dem Eentwurf, der jetzt als Grundlage für eine Neugestaltung des Platzes dient, sind die Mauern verschwunden. Dazu werden die vielen Hecken deutlich niedriger geschnitten.“
Obdachlose als Sicherheitsrisiko – Obdachlose vertrieben – alles gut. Ungefähr so ist die Perspektive von Hermannsdörfer. Wie die von Hermannsdörfer stets beschworene „Broken Windows“-Theorie an ihrem Ursprungsort, NewYork, zu einem massiven Anstieg von rassistischer Polizeigewalt führte, schildert dieser aktuelle Spiegel-Artikel. Die Broken-Windows-Theorie mündet unmittelbar in die Zero-Tolerance-Theorie – womit wir wieder direkt beim Görli wären.
Ein ausführlicher Überblick über ihre (angebliche bzw. tatsächliche) Arbeit von Hermannsdörfer selbst findet sich als PDF unter diesem Artikel (oder auch hier). Was nicht in diesem Überblick vorkommt, sind die direkt von Hermannsdörfer und den Bullen abgesprochenen konkreten Maßnahmen vor Ort, wenn es etwa um Zugriffsmöglichkeiten für die Bullen geht oder die Gestaltung von Zäunen, damit diese einen Fluchtweg möglichst sicher versperren. Das wird von Hermannsdörfer und den Bullen natürlich hinter verschlossenen Türen besprochen und entsprechend umgesetzt.
(Ein Paradebeispiel für städtische Umgestaltung unter Bulleneinfluss ist übrigens die Neugestaltung von Bethanien-Gelände und Mariannenplatz – d.A.)
Strategie von Bullen, Bezirk und Staat II: „Task Force Görli“
Seit Ende letzten Jahres existiert die sogenannte „Task Force Görli“. Details lassen sich in dem entsprechenden Sitzungsprotokoll des Innenausschusses finden.
Zusammengefasst läuft die Strategie der „Task Force Görli“ auf Folgendes hinaus:
Viele haben sich gefragt, ob die Berliner Bullen jetzt endgültig verrückt geworden sind: eine Null-Toleranz-Zone für Haschisch im Görli auszurufen, um dann mit sehr vielen Verfahren wegen Kleinst-Mengen die Staatsanwaltschaften noch mehr zu überlasten. Wenn mensch sich aber näher mit dem „Task Force“-Konzept beschäftigt, gewinnt die Bullenstrategie eine gewisse Logik.
Der Senat sagt sehr klar, was hier geplant ist:
So weit, so perfide. Eine tragende Rolle bei der sogenannten „Task Force Görli“ spielt übrigens Innenstaatssekretär Krömer, direkt unter seinem Boss Henkel recht weit oben in der Senatshierarchie. Wir haben ja oben schon ein bisschen von dem Scheiß, den der Typ so verzapft, wiedergegeben, mehr Sachen können im oben schon mal verlinkten Protokoll des Innenausschusses zur Task Force Görli nachgelesen werden. Weitere Fragmente aus diesem Text:
„Auch mit der Ausländerbehörde habe die Polizei bereits intensive Gespräche geführt und direkte Ansprechpartner benannt, um alle ausländerrechtlichen Maßnahmen konsequent umsetzen zu können.“ (Bullenpräsi Kandt)
„Im Hinblick auf die aufenthaltsrechtlichen Verstöße gebe es eine geltende Rechtslage. Diese könne man falsch finden. Wenn man aber allen Flüchtlingen und Asylsuchenden einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt gewährte, bekäme man noch ganz andere Probleme „(Robbin Juhnke, reaktionärer CDU-Fuzzi)
„Alle Fraktionen sollten gemeinsam das Ziel verfolgen, dass die Situation im Görlitzer Park nicht weiter eskaliere und der Park wieder den Berlinerinnen und Berlinern (!?) zur Verfügung stehe.“ (Benedict Lux, reaktionärer Grüner)
Und hier noch mal Innen-Staatssekretär Krömer:
„Allein mit polizeilichen Mitteln werde es jedoch nicht gelingen,
den Park dauerhaft zu befrieden; dafür sei ein umfassender Ansatz
notwendig. Nur durch das Zusammenwirken aller zuständigen Akteure und
den Willen auch der Anwohner sei den Zuständen ein Ende zu bereiten.
Daher habe Herr Senator Henkel sich dazu entschlossen, unter
Federführung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport eine Taskforce
einzurichten. An der Auftaktsitzung der Taskforce am 25. November
hätten neben dem Innensenator der Justizsenator, die
Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg sowie der örtliche
Baustadtrat teilgenommen. Ebenso seien der Polizeipräsident, der Leiter
der Generalstaatsanwaltschaft, der Leiter der Staatsanwaltschaft sowie
der Leiter der Ausländerbehörde zugegen gewesen. Die Taskforce sei ein
Steuerungskreis, der konkrete Maßnahmen erarbeiten und umsetzen solle.
Insbesondere gehe es darum, die Zusammenarbeit an den Schnittstellen der
verschiedenen beteiligten Behörden zu optimieren.“
Das also noch mal zusammengefasst die Idee der „Task Force“. Nicht einfache Beamt*innen, sondern Bullenpräsidenten und Leiter von Staatsanwaltschaften und Ausländerbehörde. Herrmann als Bezirksbürgermeisterin ist auch mit ins Boot geholt worden. Auch interessant: wenn die Anwohner*innen da nicht mitspielen, könnte es trotz Task Force für Bullen und Staat vielleicht sogar schwierig werden, im Görli „aufzuräumen“, wie sie es nennen.
Der Görli als sogenannter „Kriminalitäsbelasteter Ort“ !?
Kurz wurde noch mal angesprochen, dass der Görli mit hoher Sicherheit ein sogenannter „kriminalitätsbelasteter Ort“ ist, also ein Gebiet, wo die Polizei Sonder-Befugnisse hat: Sie können etwa jederzeit ohne jede Begründung und ohne jeden Anlass nicht nur Leute kontrollieren und durchsuchen, sondern auch Platzverweise verteilen.
Es gibt ungefähr 30 sogenannte „kriminalitätsbelastete Orte“, also Zonen mit polizeilichen Sonderrechten, in Berlin. Besonders perfide: Die Liste dieser Orte, wo die Bullen viele Extra-Rechte haben, wird geheimgehalten. Ein allgemeiner Überblick über diese polizeilichen Sonderrechtszonen findet sich in dieser Ausgabe der „Randnotizen“ (ab Seite 17). Im oben erwähnten Protokoll der Task Force geht es auch um dieses Thema, Bullenpräsi Kandt sagt hierzu: „Es wäre denkbar, dass der Görlitzer Park ein kriminalitätsbelasteter Ort wäre, jedoch äußere die Polizei sich nicht öffentlich dazu.“
2. Diskussion
Es gab dann eine nicht allzulange Diskussion, wie denn im Moment die Anwohner*innen rund um den Görli so drauf sind, wovor Leute ggf. Ängste haben, wo Leute solidarisch sind, wo Leute klar rassistisch agieren oder Angst um die Wertsteigerung ihrer Immobilien-Anlage haben.
Wir konnten uns darauf einigen, dass es auf jeden Fall viele solidarische Anwohner*innen gibt, denen die rassistischen Bullenkontrollen mächtig auf den Keks gehen und dass es viele unsolidarische Anwohner*innen gibt, die aus unterschiedlichen Gründen das Konzept von Senat, Bezirk und Bullen, im Görli mal richtig „durchzugreifen“ und „aufzuräumen“, voll unterstützen. Es gibt aber auch einen großen Teil Anwohner*innen, die nicht unbedingt unsolidarisch sind, auch keine Immobilieninteressen haben, aber trotzdem Ängste, und vieles auch nicht verstehen, die aber vielleicht mit Info-Material ganz gut erreicht werden könnten.
3. Was können wir tun?
Vorschläge und Ideen, die auf dem Treffen aufkamen. Sie sind hier etwas strukturiert, keine der Ideen wurde bislang tiefer ausgearbeitet, damit soll direkt auf dem nächsten Treffen begonnen werden.
Anwohner*innen, Park-Besucher*innen und Öffentlichkeit informieren und eine Gegenöffentlichkeit schaffen
Betroffene von Polizeigewalt und staatlichem Rassismus müssen Teil der Proteste sein
Zusammenhänge
Konkrete ToDos vor Ort gegen rassistische Polizeigewalt im Görli
Diverse Ideen
4) Weitere Punkte:
Zuletzt ging es noch etwas um die Bezirks-Veranstaltung zum Görli an dem auf das Treffen folgenden Donnerstag im „Chip“. Es wurde die Teilnehmer*innen-Liste durchgegangen. Großes Unverständnis herrschte bei allen Anwesenden, warum jetzt ausgerechnet reaktionären Arschlöchern wie dem oben häufig erwähnten Staatssekretär Krömer oder Oberbullen wie Stefan Weis, dem Chef der Direktion 5, ein Podium gegeben werden soll. Ein Bericht zu dieser Veranstaltung findet sich u.a. beim Tagesspitzel.
Nächstes Treffen: Das nächste Treffen findet am Donnerstag, den 05.03.2015, um 19 Uhr in der NewYorck im Bethanien, Mariannenplatz 2 a statt. Neue interessierte Leute sind herzlich willkommen!
SPD will "durchgreifen"
Die SPD ist insgesamt angekotzt von Kreuzberg. Alles viel zu dreckig für die reichen schicken Neubürger*innen. Die neueste Idee der SPD: Massiv und Konsequent gegen Plakatieren an angeblich illegalen Orten vorgehen. Mensch, SPD: verpiss dich doch einfach, und nerv hier nicht rum.
Flyer für nächstes Treffen
Flyer zum Selbst-Ausdrucken und Verteilen für das nächste Treffen am kommenden Donnerstag (diesmal in der NewYorck im Bethanien) finden sich hier bei Indy Linksunten (auf dt., engl. und frz.).
Grüne Wohlfühlorte für neue Menschen!
Toll, daß das Thema Aufwertung hier mal thematisiert wird. Ein seit Jahren anhaltender Aufreger auch bei bürgerlichen Stadtparknutzern.
Wieder mal was verpaßt ?
Grüne sind immer und überall beim Plattmachen von Pflanzen, Vertreiben von Tieren, Vögeln eifrigst mit dabei. Verwerflicher Menschenumgang zudem ist ja wohl kaum jemanden entgangen, - Flüchtlinge!
Schöneberg, Crellestraße, ist auch ein auserwählte Tatort: Grünzug soll plattgemacht werden, Tiere sind schon vertrieben, wohnende Menschen im Stadtteil stehen unter Bedrängnis von Investoren, Spekulanten, Umwandlung und steigenden Mieten, von den Grünen gehätschelte Entwicklungen.
Stadterneuerung braucht Menschenerneuerung ?! Flottwellstraße, Park Gleisdreieck - grüne Wohlfühlorte für neue Menschen!