Primark – Der Kapitalismus erreicht Stuttgart

Primark - ein böser Laden

Morgen eröffnet mit Primark Stuttgart die zweite Filiale der irischen Supermarktkette in Süddeutschland. Linke aller Coleur sind sich einig: „Gesundheitsschäden, Zwangsüberstunden, schlechte Bezahlung, gefälschte Arbeitsverträge und körperliche Übergriffe am Arbeitsplatz sind an der Tagesordnung.“ (1) Ein Skandal im Kapitalismus, der scheinbar jetzt auch Stuttgart erreicht. Vorher scheint alles in Ordnung gewesen zu sein in der Schwabenmetropole - außer dem Bahnhof natürlich. 115 Menschen haben sich bereits angemeldet für die Demo „gegen die Masche der Textilindustrie“ und man hört sie schon skandieren: "Primark raus".

 

 

Für die grüne Jugend symbolisiert Primark den „extremen Konsum“ (2) und die Initiative Klassenkampf sricht sogar von einem „Konsumwahn“. Scheinbar ist es für den Vorstand der grünen Jugend genau wie für die Klassenkämpfer besonders kritikabel an Primark, das hier Jugendliche mit schmalen Geldbeutel in größeren Mengen Klamotten einkaufen können. Diese sollen eben nicht daran denken, wie sie billig an Klamotten kommen, sondern unter moralischen Gesichtspunkten einkaufen gehen. „Kleidung ist kein wertloses Wegwerfprodukt“ heißt es da im Aufruf zur Demo – ganz so, als ob die Widerlichkeit nicht im Ausschluss der Menschen von den Konsumgütern läge, sondern im massenhaften Bereitstellen dieser Konsumgüter.

 

Allerdings will keiner seine Kritik auf Primark oder den angeblichen Konsumwahn beschränken: „Natürlich kann und muss man damit argumentieren, dass fast alle Mode-Labels ihre Kleidung unter besagten Missständen produzieren lassen. Ob Mango, Zara, H&M oder Lacoste - sie alle lassen in Billiglohnländern produzieren und kümmern sich nicht oder nicht glaubwürdig um die zwangsläufig damit einhergehende verheerende Folgen.“ (2) Auch die Initiative Klassenkampf schreibt in ihrer Broschüre „Primark Sabotieren“ gleich in der Einleitung: „Letztlich wird hier immer wieder festgestellt, dass Primark-Konkurrenten wie H&M, Zara, usw. unter genau so widrigen Bedingungen produzieren lassen.“ (3) Also 'business as usual'? Das will auch niemand gesagt haben: „Mit dem Primark-Konzept wird die Propagierung der Wegwerf-Gesellschaft auf die Spitze getrieben.“ (1) Das hier für Spottpreise eingekauft werden kann, sollte selbst „pubertäre 15-Jährige“ stutzig machen – die ja bekanntlich dumm sind - denn es ist doch offensichtlich „dass sich ein 2€-Tshirt nicht produzieren lässt, ohne dass irgendjemand den Preis dafür bezahlt“ (1). Dieser „hohe Preis“ (3) der billigen Klamotten ist aber selbst nach Auskunft der Kritiker selbst gar keine Besonderheit von Primark – wieso am Ende eben doch nur die moralinsaure Kritik bleibt, so billig wie bei Primark sei dann doch unanständig.

 

Mit diesem Widerspruch plagt sich auch die Broschüre der Initiative Klassenkampf herum. Auf der einen Seite soll dargestellt werden, dass die Produktion von Klamotten der gleichen Logik unterliegt, nicht nur bei Primark: „Das Problem heißt Kapitalismus“ (3), aber dann soll die „Basis des Konzepts Primarkt“ dann doch „auf extremen [!] Ausbeutungsverhältnissen“ (3) beruhen – also irgendwie vom normalen Kapitalismus abweichen - obwohl in den gleichen Fabriken produziert wird wie bei den anderen Läden. Das weltweit der Textilmüll ansteigt, weil Klamotten die als Waren produziert werden sich zum Tragen eben nur sehr bedingt eignen müssen, soll dann „sinnigerweise“ (3) in Großbritannien auch „Primark-Effekt“ (3) heißen – dabei drückt diese Kritik an Primark alles andere als ein Verständnis dafür aus, das hier ein Produktionsverhältnis eingerichtet ist, dass sich eben nicht auf Primark beschränkt.

 

Die Broschüre der 'Initiative Klassenkampf' besticht im weiteren durch ihre völlige Verwechslung von Kämpfen um mehr Lohn und revolutionären Umtrieben. Da soll „Solidarität mit den KollegInnen in Bangladesch, Kambodscha, der Türkei“ organisiert werden, da die verschiedenen Kämpfe „unter völlig unterschiedlichen Bedingungen stattfinden“ aber „in die selbe Richtung“ zielen würden: „Eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, eine Produktion die darauf ausgerichtet ist die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, eine Gesellschaft der gegenseitigen Hilfe und Solidarität“ (3). In die Klassenkämpfe in Bangladesch das Ziel einer kommunistischen Gesellschaft zu legen ist der linke Fehler, überall wo Menschen in diesen Verhältnissen beschädigt werden zu erwarten, dass sie die gleichen Schlüsse daraus ziehen wie die eigene 'Initiative Klassenkampf'. Dabei könnte die Initiative stutzig machen, dass sie selbst nicht von Arbeitern welche die Produktionsmittel übernehmen oder sich zu diesem Zwecke massenhaft organisieren schreiben können, sondern von Demonstrationen bei welchen „auch Fabriken gestürmt und Produktionsstätten verwüstet“ (3) werden – das hier also die Produktionsmittel für die Mängel der Arbeiter verantwortlich gemacht werden, und nicht das Produktionsverhältnis.

 

Mehr auf

 

www.keinort.de

 

(1) Aus: Protest gegen Primark. Unterstützt von Linksjugend ['solid] Stuttgart / Grüne Jugend Stuttgart / BUNDjugend Baden-Württemberg

(2) http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.primark-in-stuttgart-der-ungeli...

(3) Aus dem „Reader der Initiative Klassenkampf zur Kampagne anlässlich der Eröffnung des „Milaneos“ in Stuttgart – Primark Sabotieren“

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den das für eine überschrift:

 

Primark – Der Kapitalismus erreicht Stuttgart

 

tzzzz seit hunderten von jahren

Ich hab recherchiert. Bist du dir sicher?

da irrst du dich! stuttgart war schon immer eine hochburg antikapitalistischen widerstands. klassenunterschiede sind hier nicht vorhanden, denn nahezu die gesamte bevölkerung gehört der gehobenen mittelschicht an. die stuttgarter kommune ist gar so stark, dass eigene agenten in feindesland geschickt werden können - nach berlin zum beispiel.

dass der kapitalismus jetzt zurückschlägt und sein hauptquartier, getarnt als primark, im herzen des widerstands aufmachen will, ist eine pure provokation! deswegen werden wir stuttgarter zusammenhalten und ihn in grund und boden leerkaufen!

Leider schreit mir dieser Beitrag in erster Linie viel zu sehr nach Meinungsverschiedenheiten in einer Szene die eigentlich das Selbe kritisiert. Wieso muss denn da jetzt so groß rumdiskutiert werden ob man gegen Primark wettern darf ohne H&M auch fertig zu machen?
Selbstverständlich produzieren H&M etc ebenfalls furchtbar. Man muss doch allerdings sagen, dass Primark das ganze schon noch ein paar Schritte weiter geht, was man an den Preisen sieht und an der Ware riecht.