Brennende Fackeln, wüste Drohungen, ein neuer Angriff. In Szenevierteln wüten vermehrt Linksextreme.
Bambiland. So nannten Autonome das Grundstück an der Rigaer Straße, auf dem sie gern ein paar Bier gekippt haben.
Smarthome. So nennen wiederum Investoren ebenjenes Grundstück, auf dem ein Neubauprojekt entsteht, das bald bezogen werden soll; sechs würfelförmige Blöcke mit viel Glas.
„Rigaer Straße: Widerstandsnest oder Erlebnispark für Reiche?“ heißt ein Pamphlet, das im Internet veröffentlicht worden ist – eine Drohung mit Gewalt gegen die neuen Bewohner. Direkt neben der Baustelle steht ein Altbau ohne Fenster; er soll bald saniert werden. Einige Alternative leben darin, eine junge Frau schimpft auf den Neubau hinter ihr.
„Die klotzen alles zu“, sagt sie immer wieder und meckert über Beton und die Verdrängung.
Ein paar Kilometer weiter, an der Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg, sind es die Linksextremisten, die andere verdrängen. Nach mehreren Anschlägen überlegt eine Familie mit Kind, ob sie hier im ersten Stock wohnen bleiben kann. Es ist der Neubau am Engeldamm an der Ecke Adalbertstraße, der seit Baubeginn immer wieder attackiert wurde. Das Designermöbelgeschäft im Parterre dürfte sich auch überlegen, ob es bleibt. Alle Scheiben wurden in der vorigen Woche zerstört. Ein im Internet veröffentlichtes Video der linken Szene feiert die Aktion. Darin ist zu sehen, wie ein Mob in der Dunkelheit stolz Fackeln trägt.
In der Nacht zu Sonntag der nächste Anschlag, wieder in Friedrichshain: Zwischen Weser- und Boxhagener Straße entstehen auf dem sogenannten Freudenberg-Grundstück gerade 660 Wohnungen. Unbekannte haben nun gegen 3 Uhr Aufzugteile in Brand gesteckt, die auf der Baustelle lagerten. Die Täter: flüchtig.
Innensenator Frank Henkel (CDU) spricht längst von „unerträglichen und menschenverachtenden Taten“ und kündigt an, die Polizeipräsenz zu erhöhen. Dabei geht diese Variante linksextremistischer Gewalt deutlich zurück. „Der Fokus linksextremer Straftaten liegt zurzeit im Bereich der Asylpolitik“, sagte Stefan Redlich, Sprecher des Polizeipräsidiums. Straftaten mit dem Motiv „Umstrukturierung“ haben von 2012 auf 2013 um acht Prozent abgenommen. Im ersten Halbjahr 2014 betrug der Rückgang weitere 28 Prozent – und das trotz der Vielzahl von Neubauten. „Trotz dieser Entwicklung gibt es weiterhin Straftäter, die versuchen, bestimmte Geschäfte und Wohnprojekte zu verdrängen“, sagte Redlich. Deshalb ermittele der Staatsschutz intensiv – und erfolgreich. Die Aufklärungsquote bei linksextremistischen Gewaltdelikten verdoppelte sich in den vergangenen fünf Jahren von 25 Prozent auf 51 Prozent. Die Steinewerfer vom Engeldamm wurden noch nicht gefasst.
Im Visier der Gewalttäter war in den vergangenen Jahren das „Carloft“ in der Reichenberger Straße, in dem die Bewohner mit dem Auto quasi bis in die Wohnung fahren können. Um das Carloft ist es zuletzt ruhiger geworden, den letzten Anschlag vermeldete das Präsidium im Februar. Immer waren es einzelne Häuser, die derart im Fokus stehen.
„Die Rigaer Straße und die Liebigstraße sind für Krawalle und Gesetzlosigkeit bekannt“, heißt es im jüngsten Pamphlet im Internet. Hundert Meter weiter sitzt die linke Szene am Sonntagmittag vor dem „X-B-Liebig“ auf dem Gehweg und frühstückt. Direkt gegenüber liegt die „Liebig 14“, eines der Herzstücke der linksautonomen Szene. Vor gut drei Jahren wurde es geräumt. Die neuen Bewohner haben keine Namen an der Klingel, aus Sicherheitsgründen. Die Fassade ist schwarz von Farbflaschenwürfen.
Warum muss sich derjenige, der sich gute Wohnungen leisten kann, dafür rechtfertigen, fragen sich nicht nur Anwohner. „Jeder soll da wohnen können, wo er will“, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner. Der Bezirk ziehe doch gerade wegen des „Kreuzberger Mixes“ die Menschen an. Das dürfe nicht zerstört werden. „Absolute Sicherheit gibt es nicht“, sagt ein Ermittler. Man tue, was man könne. Auf der anderen Seite aber sei man auch auf Zeugenaussagen angewiesen. „Das soll nicht als Denunziantentum, sondern als Beitrag zum angenehmen Leben im Kiez verstanden werden.“
Zur Wahrheit gehört für Innenpolitiker Christopher Lauer (parteilos, für Piraten) auch, dass „wir solche Attacken wegen der geringen Personaldecke der Polizei über uns ergehen lassen müssen“. Die Polizei könne eine große Präsenz gegen diesen „Guerillakrieg“ gar nicht aufbringen. Die Bevölkerung in diesen Gebieten müsse klarmachen, dass man solche Übergriffe von „großen Idioten“, so Lauer, nicht akzeptiere.
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