Freiburg. Ein gewaltbereiter Neonazi war im ersten Prozess nach einem Angriff auf Antifaschisten freigesprochen worden. Von Heinz Siebold
Erneut muss sich eine Strafkammer des Freiburger Landgerichts mit der Attacke eines militanten Neonazis auf eine Gruppe von Antifaschisten vor zwei Jahren befassen. Der heute 31 Jahre alte Florian S. aus dem Ortenaukreis war am 1. Oktober 2011 mit Vollgas in eine Gruppe von vermummten Antifaschisten gefahren, die ihn von seinem Posten auf einen Pendlerparkplatz vertreiben wollten. Der Neonazi wartete als Schleuser auf Gesinnungskameraden, die eine geheime 'Soli-Party' am Kaiserstuhl zur Finanzierung einer Demonstration besuchen wollten.
In der ersten Verhandlung war Florian S. am 12. Juni 2012 vom Landgericht Freiburg freigesprochen worden, weil die Strafkammer unter Richterin Eva Kleine-Cosack Zweifel am Tötungsvorsatz hatte und ihm einen Notwehrexzess in Panik zubilligte. Bei der Attacke mit einem Colt Mitsubishi war ein 21-jähriger Antifaschist aus Stuttgart über das Auto geschleudert und lebensgefährlich am Kopf verletzt worden. Der Hauptgeschädigte ist im Prozess Nebenkläger. Gegen den Freispruch hatten Staatsanwaltschaft und Nebenklage gleichermaßen Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof hat daraufhin am 25. April 2013 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Fall zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückgegeben. Das Gericht müsse nun insbesondere prüfen, betonte der Richter Arne Wiemann in der Verhandlung, 'ob die Grenze des Erforderlichen' bei der angeblichen Notwehrhandlung 'überschritten wurde' oder nicht. Der BGH habe die Vorgabe erteilt, in einer 'Gesamtbetrachtung aller Umstände' zu prüfen, ob tatsächlich eine Verteidigungshandlung vorlag oder ob der Angeklagte nicht vielmehr andere Beweggründe hatte, sich nicht - was ohne weiteres möglich gewesen wäre - vom Tatort in eine andere Richtung zu entfernen. Die Nebenklage rückt in diesem Zusammenhang Äußerungen des einschlägig vorbestraften Angeklagten in den Blickpunkt, die er drei Tage zuvor in Facebook gemacht hatte. Der Neonazi hatte unter anderem über seine politischen Gegner geschrieben: 'Ich warte ja nur drauf, dass einer mal angreift. Dann kann ich ihn endlich mal die Klinge fressen lassen.' Am besten sei, es würde dann wie Notwehr aussehen. Bei einer anderen Gelegenheit hatte er ein selbst vorgetragenes Hetzlied auf Youtube gestellt, das dazu aufrief 'den Jud vom Fahrrad' zu holen. Der Nebenkläger-Anwalt Jens Janssen aus Freiburg sieht in den Gewaltfantasien möglicherweise die entscheidenden Beweggründe dafür, frontal in die Menschengruppe zu fahren und somit schwere Verletzungen eventuell sogar mit Todesfolge in Kauf zu nehmen.
Insgesamt sind zehn Verhandlungstage vorgesehen, mit einem Urteil ist kurz vor Weihnachten zu rechnen. Wie beim ersten Prozess schweigt der zur Zeit arbeitslose Angeklagte. Er ließ seinen Anwalt eine Erklärung zur Person verlesen, ohne sich zu entschuldigen oder sich von seinen Äußerungen zu distanzieren. Zuvor hatte sich der Angeklagte von der Rechtsanwältin Nicole Schneiders vertreten lassen, die selbst jahrelang NPD-Mitglied war und derzeit ihren damaligen Kreisvorsitzenden in Jena, Ralf Wohlleben, beim NSU-Prozess in München verteidigt.