Interview zum Buch „Geheimer Krieg“ - „Ich musste kurz schlucken“

Erstveröffentlicht: 
19.11.2013

Stuttgart – - Herr Fuchs, lässt sich zweifelsfrei belegen, dass aus den „Kelley Barracks“ heraus Drohnenangriffe in Afrika dirigiert wurden?
Ja, laut internen Unterlagen des US-Verteidigungsministeriums werden solche Drohnenangriffe spätestens seit dem Jahr 2011 nicht mehr von Spezialeinheiten durchgeführt, die beispielsweise dem Geheimdienst CIA zugeordnet sind, sondern vom Militär – im Fall Afrika also vom zuständigen Militärkommando in Stuttgart.

Wie weit hat die Bundesregierung davon Kenntnis? Sie selbst behauptet, kein gesichertes Wissen über eine aktive Beteiligung amerikanischer Soldaten am Drohnenkrieg von deutschem Boden aus zu besitzen.

Das können wir nicht glauben. Es gibt zum Beispiel Verbindungsoffiziere der Bundeswehr bei Africom. Sie sind ja ausdrücklich beauftragt zu berichten, was dort geschieht. Die Regierung ist also entweder naiv oder sie sagt die Unwahrheit.

Die Bundesanwaltschaft prüft, ob gegen deutsches Recht verstoßen wird. Juristisch spielt eine entscheidende Rolle, wer die Rakete abschießt. Nach Ihrer Darstellung sitzt der Pilot der Drohne allerdings in den USA.

Das ist korrekt. Aber Krieg ist heute anders als zu Zeiten des „Roten Barons“, als ein Pilot alleine durch die Luft flog und dann mit der Bordkanone schoss. Heute ist Krieg ein System. Allein um eine Drohne 24 Stunden in der Luft zu halten, braucht man 160 Menschen. Diese sind über die ganze Welt verteilt: sie sitzen in Afrika, in Deutschland und in den USA. Es ist ein System, in dem man kaum noch sagen kann: das ist der Mörder. Der Soldat, der am Ende an seinem Joystick den roten Knopf drückt, trägt am allerwenigsten moralische Schuld. Die tragen vor allem jene, die die Befehlsgewalt haben – und die sitzen in Stuttgart.

Sie und ihr Kollege John Goetz haben viele Monate versucht, in die Geheimnisse des US-Militärs und der amerikanischen Spionage einzudringen. Gab es dabei persönlich gefährliche Situationen?

Man muss zumindest kurz schlucken, wenn man vor einer NSA-Einrichtung auftaucht und eine halbe Stunde später ruft die deutsche Polizei an. Und am Ende des Gesprächs fällt der Satz: „Passen Sie auf, was Sie tun. In Guantánamo ist immer noch ein Platz frei.“