Anlässlich des 75. Jahrestages der Reichspogromnacht 1938 versammelten sich am Abend des 9.November 2013 über 100 Menschen am Gedenkstein für die alte Synagoge an der Allee in Heilbronn. Wie bereits in den vergangenen Jahren beteiligten sich neben VertreterInnen aus VVN, Jüdischer Gemeinde, Friedensbewegung, Gewerkschaften und Parteien auch zahlreiche antifaschistische AktivistInnen an der traditionellen Gedenkveranstaltung.
Die antisemitischen Angriffe in der Nacht vom 9.auf den 10.November 1938 gingen zurück auf eine vom "Reichspropagandaminister" Joseph Goebbels am 9.November 1938 in München vor der engsten Führerschaft der NSDAP gehaltene Rede, in welcher er zum Pogrom gegen Jüdinnen und Juden aufrief.
Über Telefon verständigten die Kommandeure der SA ihre Dienststellen in den Gauen und erteilten den ausdrücklichen Befehl, jüdische Einzelhandelsgeschäfte zu zerstören und Synagogen in Brand zu setzen.
Während in München die SA- Trupps noch am Abend des 9.November mit den Angriffen starteten, begann das Pogrom in den meisten anderen deutschen Städten erst in den frühen Morgenstunden des 10.November 1938.
Die 1877 fertig gebaute Heilbronner Synagoge stand um 5 Uhr in Flammen, während die anwesende Feuerwehr die umliegenden Gebäude schützte.
Am 10.November 1938 setzten 6- bis 8 köpfige Trupps von Faschisten unter der Führung örtlicher NSDAP-Funktionäre das Pogrom in Heilbronn fort. Sie verwüsteten jüdische Läden und Privatwohnungen und verhafteten Jüdinnen und Juden, die schließlich ins Konzentrationslager Dachau verschleppt wurden.
Befehle von Joseph Goebbels und des Chefs der "Sicherheitspolizei" und des "Sicherheitsdienstes", Reinhard Heydrich, beendeten erst am Nachmittag die antisemitischen Attacken.
Die NS- Zeitung "Heilbronner Tagblatt" vom 11.November 1938 glorifizierte das von den Faschisten gezielt entfachte und von SA- Einheiten durchgeführte Pogrom als "gerechte Empörung der breitesten Schichten des Volkes". Mit dieser überall von den NSDAP- Ideologen betriebenen Propaganda sollte das Geschehene als Ausdruck des "Volkszorns" dargestellt werden.
Die völlig zerstörte Synagoge an der Allee wurde im Jahr 1940 abgerissen und seit 1966 erinnert ein Gedenkstein an das ehemalige Heilbronner Bauwerk und die Geschehnisse in der Reichspogromnacht.
Mit der Erinnerung an den 9. und den 10.November 1938 geht auch die Mahnung und Aufforderung einher, etwas Vergleichbares nie wieder zuzulassen. Für uns heute kann das nur bedeuten, den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus konsequent weiterzuführen und den Faschisten unseren entschlossenen Widerstand entgegen zu setzen.
Dass der Staat dabei kein Ansprechpartner für uns sein kann, verdeutlichen die Verstrickungen der Geheimdienste mit den Mördern des "NSU", die massiven staatlichen und polizeilichen Repressionen gegen Flüchtlinge und auch die fortdauernde Kriminalisierung antifaschistischer Aktionen und Strukturen.
Es ist vielmehr notwendig, selbst aktiv zu werden, sich zu organisieren und sich in Gruppen und Bündnissen zusammenzuschließen.
Die wachsende Beteiligung junger Antifaschistinnen und Antifaschisten an der Gedenkveranstaltung in Heilbronn ist deshalb eine erfreuliche Entwicklung.
Gemeinsam mit vielen anderen Menschen werden sich auch an den restlichen 364 Tagen im Jahr Möglichkeiten finden, die Erinnerung an die Taten und an die Täter des deutschen Faschismus aufrecht zu erhalten und gegen Nazis und rechte Ideologie effektiv vorzugehen.
Wir vergessen nichts und niemanden.
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!