Anlass der Demonstration ist der jüngste Fall in dieser Reihe: Nach mehreren rassistischen Pöbeleien auf dem Tänzelfest in Kaufbeuren am Mittwochabend, den 27.07.2013, wurde ein aus Kasachstan stammender Mann vom Neonazi Falk H. ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen woraufhin er bewusstlos zu Boden ging. Trotz Reanimationsmaßnahmen verstarb das Opfer an den schweren Verletzungen.
Die Demonstration sollte verhindern, dass dieser Vorfall in
Vergessenheit gerät oder mit der Behauptung, der Täter käme aus
Thüringen und in Kaufbeuren gäbe es kein Naziproblem erledigt wird.
Beides ist in dieser Stadt auch von offizieller Seite immer wieder zu
hören. Dass es in Kaufbeuren und im Allgäu überhaupt ein Problem mit
(Neo-)Nazis gibt, wurde von verschiedenen Gruppen in ihren Redebeiträgen
ausführlich dargestellt: In der Region gibt es Druckereien, die von
Neonazis betrieben werden und entsprechendes Material produzieren und
verbreiten, Versände, Plattenlabels, Bands und Kameradschaften, die eine
akute Bedrohung für die, die nicht in deren braunes Weltbild passen,
darstellen. Keine zwei Wochen vor der Demo etwa wurde eine Gruppe
Antifaschist\_innen in Memmingen von zwei Mitgliedern der Gruppierung
»Voice of Anger« beleidigt und mit einem Messer bedroht.
Nach dem ersten Redebeitrag, der sich inhaltlich mit dem Aufruf deckte,
sollte sich die Demonstration in Bewegung setzen, was durch die Polizei,
die auf der Verlesung des Auflagenbescheids bestand, verzögert wurde.
Als dann allen Teilnehmer\_innen klar war, dass es ihnen durch die
Ordnungsbehörde verboten ist, mit Bomberjacke und Springerstiefeln oder
in einer anderweitigen militärischen Aufmachung zu marschieren und
indizierte Musik nicht gespielt werden darf (wie das Ordnungsamt auf
derartige Auflagen kommt, ließ es offen...), konnte es gegen 17 Uhr los
gehen.
Die - für kaufbeurisch-provinzille Verhältnisse - recht starke
Demonstration setzte sich in Bewegung und skandierte im durch die
Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei ständig aufrechterhaltenen
Wanderkessel eindeutiges: »Kaufbeuren, das war Mord - Widerstand an
jedem Ort« oder »Mord, Folter, Deportation - Das ist deutsche Tradition«. Auch schriftliches verdeutlichte das
Anliegen der Demonstrant_innen. So hieß es auf Sprechblasen »Lieber
solidarisch als brutal und arisch« oder »Refugees welcome - bring your
families«, während ein Transparent forderte: »Rassismus aus den Köpfen -
Nazis von der Straße jagen!«. Diese verließ ein Nazi dann recht flott,
als die Demonstration auf halber Strecke am Rande der Altstadt
seinetwegen zu einer spontanen Kundgebung stoppte.
Ohne weitere Zwischenfälle zog die Demonstration durch die leider
beinahe menschenleere Innenstadt. Vor dem Rathaus, wo bereits ein
Infostand des Antirassistischen Jugendaktionsbüros wartete, wurden
weitere Redebeiträge gehalten, die die von Neonazis auch im Allgäu
ausgehende Gefahr verdeutlichten, vor allem aber dazu aufriefen, sich
ihnen entgegen zu stellen und Neofaschist\_innen überall zu zeigen, dass
ihre Anwesenheit nicht toleriert wird. Vor allem aber müsse es darum
gehen, »eine klare Position für eine menschenfreundliche, soziale und
solidarische Gesellschaft zu formulieren und zu vertreten oder Menschen,
die hierher unter Lebensgefahr aus ihrer Heimat flüchten in ihren
Bedürfnissen und ihrer Würde ernst zu nehmen, anstatt sie als
Sozialschmarotzer zu diffamieren und sich ihrer entledigen zu wollen,
was das erklärte Ziel deutscher Asylpolitik ist und erst den Boden
bereitet für eine breit angelegte ausländerfeindliche Hetze wie sie sich
aktuell in Berlin-Hellersdorf und an anderen Orten Bahn bricht.«
Das antirassistsiche Jugendaktionsbüro bedankt sich bei allen, die sich
an der Demo und an deren Vorbereitung beteiligten und ruft dazu auf, den
der Kampf gegen Rechte, ihre Gewalt und Ihre Ideologie auch im Allgäu
fortzusetzen - mit »Wut im Bauch und Trauer im Herzen«, denn
»remembering means fighting«.
Fotos/Videos:
http://www.flickr.com/photos/fromoutback/sets/72157636719952606/
http://www.youtube.com/watch?v=tND_y19-F-s