Wir sind nicht rechts, aber … In Gohlis formiert sich Widerstand gegen eine Moschee

Erstveröffentlicht: 
17.10.2013

Nachdem der Plan für den Bau einer Moschee bekannt wurde, soll sich nun in Gohlis eine Bürgerinitiative dagegen gründen. Ein angekündigtes Treffen fand nicht statt, doch brüllten alle schon mal laut. Auch die Neonazis.

 

Es ist schon dunkel in Gohlis an diesem Mittwochabend um halb acht. Vor dem Gohlis-Center steht eine Menschentraube, 70 Leute etwa. Die Polizei ist da, sogar ein Kamerateam von Spiegel TV. Wer nicht da ist: ein Veranstalter. Jemand der sagt, was eigentlich los ist.

 

Eigentlich war hier ein Treffen angekündigt, bei dem eine Bürgerinitiative gegen den geplanten Bau einer Moschee gegründet werden sollte. Die Ahmadyya-Gemeinde hatte letzte Woche bekannt gegeben, an der Ecke Georg-Schumann-Straße/Bleichertstraße eine Moschee bauen zu wollen, Baubürgermeisterin Dubrau signalisierte Zustimmung für den Bau.

 

»Aber warum denn gerade hier?«, fragt eine Bürgerin irgendwen, der gerade neben ihr steht. Da scheinbar heute doch keine Bürgerinitiative gegründet wird, man aber nun schon mal da ist, wird sich untereinander Luft gemacht. Mit »Uns hat keiner gefragt«, »Wir wussten von nichts«, »Immer über unsere Köpfen hinweg« äußert sich der Unmut darüber, dass man aus der Zeitung von den Plänen der Muslime erfahren musste. Und dass der jetzt geplante Standort ja nun gar nicht ginge. »Da ist eine Schule daneben!«, wiederholt eine Frau immer wieder. »Eine Schule!« Eine andere verweist darauf, dass da nicht nur eine Schule daneben sei, sondern auf der anderen Seite auch noch die Burschenschaften. »Da ist doch Krawall vorprogrammiert.«

 

Andere sehen nicht nur ihre Nachbarschaft in Gefahr, sondern das gesamte Weltgleichgewicht: »Wenn die hier eine Moschee bauen, dann wollen wir aber auch eine Kirche bei denen bauen«, wobei nicht ganz klar wird, wo »bei denen« jetzt genau ist. »Da, wo die die Christen abschlachten. Syrien und so. Haben sie doch gestern erst im Fernsehen wieder gezeigt.« Es fällt erstaunlich oft der Begriff des christlichen Abendlandes, in dem wir uns befinden. Ein engagierter Mann der Versöhnungskirche hält immer wieder dagegen. Auch zwei, drei andere Gohliser versuchen Gegenargumente anzubringen, verweisen auf Grundrechte wie Religionsfreiheit, auf Demokratie, darauf, dass Muslime nicht mit Terroristen gleichzusetzen seien.

 

Es wird hitzig. Eine Gruppe schwarzgekleideter, oft kahlrasierter Menschen – laut indymedia von der »Kameradschaft Möckern« angeführt –, die sich zu Beginn am Rande und bedeckt hielt, johlt und klatscht nun, wenn jemand sagt: »Ihr wollt euch doch gar nicht integrieren.« Applaus und »Genau«-Rufe. Ein Moment, in dem man Angst kriegen könnte. In dem man an Wahren denken muss, sich an Heinersdorf und Hellersdorf erinnert fühlt. Die Vermutung liegt nahe, dass Neonazis und die NPD zu der Veranstaltung, von der im Gohlis-Center keiner weiß, geladen haben. Im Stadtteil hängen Aufkleber: »Keine Moscheebau in Gohlis/Leipzig – Protest aus der Mitte«. Ein weiterer Aufruf, der beschreibt, wie schön sich Gohlis entwickelt hat und wie kontraproduktiv da nun eine Moschee wäre, ist mit »einige besorgte Anwohner« unterzeichnet. Diese Mitte und die besorgten Bürger für ihre Zwecke zu benutzen, dürfte das Ziel der Neonazis sein und ist ihnen an diesem Abend zumindest in Ansätzen gelungen. Dass sich am Mittwoch kein Initiator zu erkennen gibt, spricht dafür. Es wird dagegen auf morgen verwiesen. Auf Donnerstag um 19 Uhr im Restaurant Neumann. Da soll dann wirklich die Initiative gegründet werden. Vielleicht, weil man da leichter unliebsame Gäste wegschicken kann?

 

Während um ihn rum immer lauter gebrüllt wird, führt Rashid Nawaz ganz gelassen Gespräche. Er spricht ruhig, bleibt die ganze Zeit freundlich, lächelt, wenn sein Gegenüber Sätze beginnt mit »Ich bin wirklich nicht rechts, aber … «. Er gehört zur Ahmadyya-Gemeinde, hat von dem Aufruf gehört und ist hergekommen. »Ich dachte, vielleicht hat ja jemand Fragen.« Und ja, haben sogar einige. Nawaz erklärt immer wieder, dass seine Gemeinde aus gerade mal knapp 80 Leuten besteht. Sagt, dass er natürlich auch zu Hause beten könne (wie einige von ihm verlangen), dass aber seine Gemeinde, die übrigens als erste muslimische Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurde, auch gerne zusammen ihre Religion ausüben wolle. Auch erwähnt er, dass er fünf Kinder habe, die alle in Freiberg geboren wurden, hier in den Kindergarten und zur Schule gehen, sein Heimatland Pakistan kaum kennen. Und tatsächlich schafft er es, dass eben noch aufgebrachte Menschen ihm die Hand reichen, ihn einen »sehr netten, lieben Menschen« nennen. Vielleicht doch einer, gegen den man in seiner Nachbarschaft nichts einzuwenden hätte? Ein kurzer Moment der Annäherung.

 

Und dann sieht man einen neuen Flyer. Die NPD ruft zur großen Demonstration gegen die Moschee am 2.11. auf.

 

 

JULIANE STREICH